ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN HERRN TIKIRI BANDARA MADUWEGEDERA,
NEUER BOTSCHAFTER VON SRI LANKA
BEIM HL. STUHL*
Donnerstag, 29. Mai 2008
Exzellenz!
Es ist mir eine Freude, Sie heute im Vatikan willkommen zu heißen und das Beglaubigungsschreiben entgegenzunehmen, durch das Seine Exzellenz Präsident Mahinda Rajapakse Sie zum außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafter der Demokratischen Sozialistischen Republik Sri Lanka beim Heiligen Stuhl ernannt hat. Ich danke Ihnen für die Grüße, die Sie in seinem Namen ausgesprochen haben und bitte Sie, Seine Exzellenz meiner Gebete für den Frieden und das Wohlergehen der gesamten Nation zu versichern. Unsere heutige Begegnung bietet mir die günstige Gelegenheit, dem Volk von Sri Lanka mit seinem reichen Erbe meine tiefe Hochachtung auszusprechen sowie meinem Wunsch Ausdruck zu verleihen, die diplomatischen Verbindungen zwischen Ihrem Land und dem Heiligen Stuhl weiter zu festigen.
Herr Botschafter, ich bin dankbar für die Wertschätzung, die Sie im Namen Ihrer Mitbürger für die karitative Tätigkeit der katholischen Kirche in Ihrem Land zum Ausdruck gebracht haben. Besonders haben Sie den Beitrag der Kirche zu den Hilfsmaßnahmen nach dem verheerenden Tsunami, der Ihr Land im Jahr 2004 heimgesucht hat, hervorgehoben. Solches Handeln ist ein konkretes Beispiel für die bereitwillige und prompte Antwort der Kirche auf den Auftrag, den sie empfangen hat, nämlich den Bedürftigsten zu dienen (vgl. Lk 10,25–37; Deus caritas est, 29). Ich möchte Ihrer Regierung versichern, daß die Kirche sich weiterhin bemühen wird, gegenüber allen Barmherzigkeit zu üben, und ich möchte jede künftige Maßnahme loben, die dazu beitragen wird, zu gewährleisten, daß die katholischen Krankenhäuser, Schulen und karitativen Einrichtungen weiterhin für die Kranken, die jungen und die schwachen Menschen sorgen können, ungeachtet ihres ethnischen oder religiösen Hintergrunds (vgl. ebd., 30).
Die Katholiken in Sri Lanka sind gemeinsam mit anderen Christen, mit vielen Buddhisten, Hindus und Moslems durch den glühenden Wunsch nach dauerhaftem Frieden im Land und einem endgültigen Ende des anhaltenden Leids vereint. Leider fordert die Gewalt weiterhin ihren Tribut unter der Bevölkerung und bereitet dem Heiligen Stuhl und der internationalen Gemeinschaft schwere Sorgen. Offene und aufrichtige Verhandlungen, ungeachtet des zeitlichen und materiellen Aufwands, die sie erfordern, sind das einzige sichere Mittel, um zur Versöhnung zu gelangen und die Probleme anzusprechen, die lange Zeit das friedliche Zusammenleben in Sri Lanka behindert haben. Vor allem Terrorakte sind niemals zu rechtfertigen und stellen immer einen Angriff gegen die Menschheit dar (vgl. Botschaft zum Weltfriedenstag 2002, 4). Willkürlichen Angriffen gelingt es gewiß nicht, den Interessen der verschiedenen Gruppen, in deren Namen sie angeblich durchgeführt werden, eine wirksame Stimme zu verleihen. Sie können bedauerlicherweise unüberlegte Reaktionen auslösen, die wiederum Unschuldige in Gefahr bringen. Solche Folgen von Gewalt verdunkeln die Wahrheit, lösen eine Flut von Beschuldigungen und Gegenbeschuldigungen aus und führen zu Enttäuschung und Mutlosigkeit der Menschen. Aus diesem Grund muß der Kampf gegen den Terrorismus stets unter Achtung der Menschenrechte und der Rechtsgrundsätze durchgeführt werden (vgl. Botschaft zum Weltfriedenstag 2004, 8). Ich ermahne alle Seiten, keine Mühe zu scheuen, um eine Atmosphäre des Vertrauens, der Vergebung und der Offenheit zu schaffen, indem sie einander zuhören und den angemessenen Respekt für die legitimen Hoffnungen der anderen zeigen.
Eure Exzellenz hat auch die Aufmerksamkeit auf die beunruhigende Entwicklung gelenkt, Kinder zu rekrutieren, um sie in Kämpfen oder Terroranschlägen einzusetzen. Solche Praktiken sind von vornherein zu verurteilen, da sie unvermeidlich die moralische Entwicklung der Kinder behindern, Narben hinterlassen, die ein Leben lang bleiben (vgl. Botschaft zum Weltfriedenstag 1996, 3) und den moralischen Charakter der Gesellschaft selbst zerstören. Jesus hat Männer und Frauen dazu ermahnt, die »Kleinen« nicht zum Bösen zu verführen (vgl. Lk 17,2) und sogar die Erwachsenen dazu aufgefordert, sie in ihrer Tugend und Reinheit nachzuahmen (vgl. Mt 18,2). Inständig bitte ich daher die Führer in I hrem Land und auf der ganzen Welt, wachsam zu bleiben, damit in dieser Hinsicht kein Kompromiß eingegangen wird. Kinder und Jugendliche müssen heute eine solide Ausbildung zu den moralischen Werten erhalten, die morgen das soziale Gefüge ihres Landes stärken werden. Die Anerkennung dieser Werte und eine Haltung der gegenseitigen Achtung sind gewiß genauso wichtig wie jegliche technische Fähigkeiten, welche die jungen Menschen im Hinblick auf ihre berufliche Zukunft hin erwerben mögen.
Initiativen, die darauf abzielen, den Frieden durchzusetzen, müssen im richtigen Verständnis der menschlichen Person und der Unverletzlichkeit ihrer angeborenen Rechte verwurzelt sein. Wie ich kürzlich bemerkt habe, sind »die Universalität, die Unteilbarkeit und die gegenseitige Abhängigkeit der Menschenrechte Garantien für die Wahrung der Menschenwürde« (Ansprache an die Vollversammlung der Vereinten Nationen, 18. April 2008; O.R. dt., Nr. 17, 25.4.2008, S. 14f.). Eure Exzellenz hat auf neue Mechanismen hingewiesen, die in Bewegung gesetzt worden sind, um in Sri Lanka die Einhaltung der Menschenrechte zu kontrollieren und die humanitären Belange wieder ins Gleichgewicht zu bringen. In dieser Hinsicht ist es ermutigend, die Entscheidung Ihrer Regierung zu vermerken, eine eigene Untersuchungskommission einzusetzen, um so jene Fälle zu untersuchen, in denen Gerechtigkeit und Menschenrechte offenbar nicht beachtet worden sind. Es ist zu hoffen, daß jede Anstrengung unternommen wird, um sicherzustellen, daß die Kommission die Arbeit rasch durchführt, damit die Wahrheit über alle diese Fälle ans Licht kommt. Ich denke vor allem an Pfarrer Jim Brown und seinen Assistenten, deren Aufenthaltsort fast zwei Jahre nach ihrem Verschwinden noch immer unbekannt ist. Das Interesse der Regierung für diese Fälle zeigt die Verantwortung der politischen Behörden, ein geordnetes und rechtschaffenes Gemeinschaftsleben zu garantieren, das auf den Grundsätzen der Gerechtigkeit beruht und auf das Gemeinwohl ausgerichtet ist (vgl. Gaudium et spes, 74).
Herr Botschafter, während Sie Ihr neues Amt übernehmen, entbiete ich Ihnen meine guten Wünsche für die erfolgreiche Erfüllung Ihrer Mission, in dem Vertrauen darauf, daß die freundschaftlichen Bande, die zwischen dem Heiligen Stuhl und Sri Lanka bestehen, in den kommenden Jahren weiter gestärkt werden. Ich versichere Ihnen, daß die verschiedenen Ämter und Abteilungen des Heiligen Stuhls Ihnen im Geiste der Zusammenarbeit bereitwillig ihre Hilfe anbieten. Eurer Exzellenz, Ihrer Familie und der Bevölkerung der Demokratischen Sozialistischen Republik Sri Lankas erteile ich den reichen Segen des allmächtigen Gottes.
*L'Osservatore Romano n. 32-33 p. 10.
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