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ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN HERRN ALFONSO ROBERTO MATTA FAHSEN,
NEUER BOTSCHAFTER DER REPUBLIK GUATEMALA

BEIM HL. STUHL


Samstag, 6. Februar 2010

 

Herr Botschafter!

1. Mit Freude nehme ich aus Ihren Händen das Schreiben entgegen, mit dem Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Republik Guatemala beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden. Ich heiße Sie herzlich willkommen in dem Augenblick, in dem Sie die hohe Verantwortung übernehmen, die Ihnen übertragen worden ist, und danke Ihnen zugleich für die freundlichen Worte, die Sie an mich gerichtet haben, und für den ehrerbietigen Gruß, den Sie mir von Seiner Exzellenz Ingenieur Álvaro Colom Caballeros, Präsident von Guatemala, überbracht haben. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie ihm meine besten Wünsche für ihn und für seine Regierung zukommen ließen, die ich mit meinen Gebeten für seine Heimat und seine edle Bevölkerung begleite.

2. Sie, Exzellenz, kennen sehr gut die Aufmerksamkeit, die der Heilige Stuhl Guatemala entgegenbringt, dessen Geschichte seit Jahrhunderten in fruchtbarer Weise von der aus dem Evangelium herrührenden Weisheit durchdrungen und bereichert wird. Das guatemaltekische Volk mit seiner Vielfalt von Ethnien und Kulturen nährt in der Tat einen tief verwurzelten Glauben an Gott, eine aufrichtige Verehrung für die allerseligste Jungfrau Maria und eine treue Liebe zum Papst und zur Kirche. Das entspricht den engen und ständigen Beziehungen, die Ihr Land seit langem mit dem Heiligen Stuhl unterhält und die mit der Errichtung der Apostolischen Nuntiatur in Guatemala besondere Bedeutung erlangt haben. Man darf hoffen, daß die Gedenkfeier des 75. Jahrestages dieses wichtigen Ereignisses im Jahre 2011 der in Ihrer Heimat bestehenden Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche, die auf die Achtung und die Autonomie der jeder Seite eigenen Bereiche gegründet ist, neue Impulse verleihen und im aufrichtigen und ehrlichen Dialog Fortschritte machen möge, um das Gemeinwohl der ganzen guatemaltekischen Gesellschaft zu fördern, die den Bedürftigen besondere Aufmerksamkeit widmen muß.

3. In diesem Zusammenhang kann ich alle jene nicht übergehen, die unter den Folgen der klimatischen Phänomene leiden, die auch in Ihrem Land zu erhöhter Dürre beitragen und zu Ernteausfällen führen und dadurch Unterernährung und Armut verursachen. Diese extreme Situation hat die nationale Regierung vor kurzem dazu veranlaßt, den »öffentlichen Notstand « auszurufen und die internationale Gemeinschaft um Hilfe zu bitten. Ich möchte allen, die unter diesen schwerwiegenden Widrigkeiten leiden, meine Zuneigung und geistliche Nähe bekunden sowie den Institutionen Ihrer Heimat, die sich mit Hingabe darum bemühen, Lösungen für diese ernsten Probleme zu finden, meine Anerkennung aussprechen. Erwähnen muß man in diesem Zusammenhang auch die Großherzigkeit der Mitarbeiter und der Freiwilligen sowie aller Menschen, die mit ihren Anstrengungen und Opfern den Schmerz, den Hunger und die Not so vieler ihrer Brüder zu lindern versuchen. Gleichzeitig möchte ich meine Dankbarkeit den verschiedenen Organisationen und Zweigstellen der internationalen Zusammenarbeit aussprechen, die alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Hungersnot in weiten Bereichen der Bevölkerung zu lindern. Und im besonderen denke ich an die geliebten Söhne und Töchter der Kirche in Guatemala, Hirten, Ordensleute und Gläubige, die erneut das Vorbild des barmherzigen Samariters im Evangelium durch großzügige Hilfe für die Ärmsten nachzuahmen versuchen.

Daß alle über die notwendigen Nahrungsmittel verfügen, ist ein Grundrecht jedes Menschen und daher ein vorrangiges Ziel. Dazu braucht es außer den materiellen Ressourcen und den technischen Entscheidungen Männer und Frauen mit Gefühlen des Mitleids und der Solidarität, die den Weg zur Erreichung dieses Ziels einschlagen, indem sie einen Beweis jener Liebe erbringen, die Quelle des Lebens ist und die jeder Mensch nötig hat. In dieser Richtung zu wirken, heißt, das Leben aller zu fördern und würdig zu machen, besonders das Leben der verletzlichsten und schutzlosesten Personen, wie der Kinder, die ohne angemessene Ernährung ihr leibliches und seelisches Wachstum gefährdet und sich oft für ihr Alter ungeeigneten Arbeiten ausgesetzt oder in Tragödien hineingezogen sehen, die eine Verletzung ihrer persönlichen Würde und der aus ihr erwachsenden Rechte darstellen (vgl. Botschaft zum Welternährungstag 2007, 3).

4. Die zahlreichen menschlichen und aus dem Evangelium stammenden Werte, die das Herz der Bürger Ihres Landes bewahrt, wie die Liebe zur Familie, die Achtung der alten Menschen, das Verantwortungsbewußtsein und vor allem das Vertrauen in Gott, der sein Angesicht in Jesus Christus offenbart hat und den die Guatemalteken in ihren Nöten anrufen, geben Anlaß zur Hoffnung. Aus diesem reichen geistlichen Erbe können die erforderlichen Kräfte gezogen werden, um weiteren Faktoren entgegenzuwirken, die das soziale Gefüge Guatemalas beschädigen: dem Drogenhandel, der Gewalt, der Emigration, der Unsicherheit, dem Analphabetismus, den Sekten und dem Verlust moralischer Bezugspunkte bei den jungen Generationen. Zu den Initiativen, die in Ihrer Nation bereits vorangebracht werden, um diesen unschätzbaren Reichtum zu schützen und zu erhöhen, werden deshalb neue Lösungen hinzukommen müssen, die »im Licht einer ganzheitlichen Sicht des Menschen gesucht werden müssen – einer Sicht, welche die verschiedenen Aspekte des Menschen widerspiegelt, wie sie sich dem von der Liebe geläuterten Blick darstellen« (Caritas in veritate, 32). Für dieses so entscheidende Vorhaben werden die Obrigkeiten Ihres Landes immer auf die zuvorkommende Mitarbeit der Kirche zählen können bei ihrer steten Absicht, »neue und kreative Wege« zu erschließen, um auf die trostlosen Auswirkungen der Armut zu reagieren und an der Veredelung jedes Menschen mitzuwirken (vgl. Schlußdokument der V. Generalversammlung der Bischöfe Lateinamerikas und der Karibik, Aparecida, Nr. 380–546).

5. Ich möchte auch meine Anerkennung für die Aktionen aussprechen, die in Guatemala durchgeführt werden, um die Festigung eines echten Rechtsstaats zu gewährleisten. Dieser Prozeß muß von der festen, aus der persönlichen Umkehr des Herzens erwachsenden Entschlossenheit begleitet sein, jegliche Form von Korruption in den öffentlichen Institutionen und Verwaltungen auszuschalten und die Justiz zu reformieren, um die Gesetze richtig anzuwenden und den Skandal der Straflosigkeit für diejenigen, die in irgendeiner Form Gewalt ausüben oder die menschlichen Grundrechte verletzen, auszumerzen. Dieses Bemühen um demokratische Stärkung und politische Stabilität muß ständig weitergehen und ist unverzichtbar, um eine echte ganzheitliche Entwicklung des Menschen voranzubringen, die sich in jedem Bereich der Gesellschaft – sei es dem ökonomischen, kulturellen, politischen, territorialen oder religiösen – positiv widerspiegelt (vgl. Caritas in veritate, 41).

6. Im Kulturerbe Ihrer Heimat, in der jüngsten Geschichte von der Befriedung der guatemaltekischen Gesellschaft oder in der rechtlichen Formulierung ihrer Gesetze gibt es Faktoren, die die besondere Identität ihres Volkes bestimmen und wohltuende Auswirkungen auf die politische und gesellschaftliche Stabilität des zentralamerikanischen Raumes haben können. In diesem Zusammenhang ist es angebracht, den Weitblick zu erwähnen, mit dem die Verfassung Guatemalas die Verteidigung und den Rechtsschutz des menschlichen Lebens von seiner Empfängnis bis zu seinem natürlichen Tod garantiert. Ich fordere alle gesellschaftlichen Kräfte Ihres Landes, besonders die Volksvertreter in den Gesetzgebungseinrichtungen, auf, dieses fundamentale Element der »Kultur des Lebens« zu erhalten und zu stärken, das ohne Zweifel zum Wachsen des moralischen Erbes der Guatemalteken beitragen wird.

7. Herr Botschafter, seien Sie der vollkommenen Verfügbarkeit meiner Mitarbeiter für die fruchtbare Erfüllung Ihres Auftrags, der heute beginnt, gewiß. Zugleich bitte ich Sie, den Obrigkeiten, die Sie mit dem Auftrag betraut haben, und den geliebten Söhnen und Töchtern Guatemalas meine besten Wünsche auszusprechen; für ihren Frieden und ihr Wohlergehen richte ich durch die Fürsprache Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz, himmlische Schutzpatronin dieses gesegneten Landes, inständige Gebete zum Allerhöchsten.

 

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