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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

  

 Wenn die Armen zahlen müssen

 Montag, 16. Juni 2014

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 26, 27. Juni  2014

 

Es sind immer die Armen, die den Preis für die Korruption zahlen, jeder Korruption: für die Korruption der Politiker und die der Unternehmer, aber auch die der Kirchenmänner, die ihre »pastorale Pflicht« vernachlässigen, um die »Macht« zu pflegen. Mit eindringlichen Worten prangerte Papst Franziskus erneut »die Sünde der Korruption « an, in die »viele Menschen fallen, die Macht haben, materielle Macht oder politische Macht oder geistliche Macht«. Außerdem lud er in der heiligen Messe am Morgen des 16. Juni in Santa Marta ein, besonders »für die vielen zu beten, die für die Korruption zahlen müssen, die das Leben der Korrupten bezahlen, diese Märtyrer der politischen Korruption, der wirtschaftlichen Korruption und der kirchlichen Korruption«.

Ausgehend vom Abschnitt aus dem ersten Buch der Könige (21,1-16), der in der Liturgie verlesen wurde, erinnerte der Papst an die Geschichte von Nabot aus Jesreel, der sich weigerte König Ahab seinen vom Vater geerbten Weinberg zu überlassen. Dafür sei er auf Anstiftung der Königin Iesebel gesteinigt worden. »Ein sehr trauriger Text der Bibel«, bemerkte der Bischof von Rom und wies darauf hin, dass die Erzählung derselben Struktur folge wie der Bericht vom Prozess gegen Jesus oder vom Martyrium des heiligen Stephanus. Der Papst führte in diesem Zusammenhang einen Satz aus dem Markusevangelium (10,42) an: »Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen.«

»Dieser Nabot«, unterstrich er weiter, »scheint ein Märtyrer zu sein, ein Märtyrer jenes Königs, der als Tyrann und Unterdrücker regiert.« Um den Weinberg in seinen Besitz zu bringen, mache Ahab zu Beginn Nabot einen ehrlichen Vorschlag: »Ich kaufe ihn dir ab, ich tausche ihn gegen einen anderen ein.« Dann aber kehre er angesichts der Weigerung des Mannes, »das Erbe seiner Väter« aufzugeben, »missmutig und verdrossen « nach Hause zurück und verhalte sich dabei wie ein »launisches Kind«, das ungezogen sei. Und da habe seine Frau Iesebel – »dieselbe, die auch dem Propheten Elija mit dem Tod drohte, nachdem er die Baalpriester getötet hatte« – die Farce eines Prozesses mit falschen Zeugen veranstaltet und Nabot töten lassen. So ermögliche sie ihrem Mann, den Weinberg in Besitz zu nehmen. Und Ahab tue dies, so der Papst, »in aller Ruhe, als sei nichts geschehen«.

Es handle sich dabei um eine Geschichte, mahnte Franziskus, die »sich in vielen Mächtigen beständig wiederholt, sei es nun, dass sie materielle Macht oder politische Macht oder geistliche Macht haben. Aber das ist eine Sünde: Es ist die Sünde der Korruption.« Und wie werde ein Mensch korrupt? »Er wird korrupt auf dem Weg der eigenen Sicherheit. Zuerst das Wohlergehen, das Geld, die Macht, die Eitelkeit, der Stolz und von da aus alles andere: auch das Töten.«

Der Bischof von Rom bemerkte dazu: »In den Zeitungen lesen wir oft: jener Politiker wurde vor Gericht gestellt, weil er sich bereichert hat. Jener Firmenchef war vor Gericht, wurde vor Gericht gestellt, weil er sich bereichert hat, indem er seine Arbeiter ausgebeutet hat; viel zu oft ist die Rede von einem Prälaten, der sich zu sehr bereichert und seine pastorale Pflicht vernachlässigt hat, um seine Macht zu pflegen.« Es gebe also »korrupte Politiker, korrupte Geschäftsleute und korrupte Kleriker«. Es gebe sie »überall«. Denn die Korruption, erläuterte der Papst, »ist gerade jene Sünde, die in Griffweite dessen liegt, der Macht über andere hat, sei es ökonomisch, politisch oder kirchlich. Alle werden wir von der Korruption versucht. Es ist eine Sünde, die zum Greifen nahe ist.«

Im Übrigen, so fügte er hinzu, »fühlt sich jemand, der Autorität hat, mächtig, er fühlt sich fast wie Gott«. Die Korruption sei demnach »eine alltägliche Versuchung«, in die »ein Politiker, ein Unternehmer, ein Prälat« geraten kann. Aber, fragte sich Franziskus: »Wer bezahlt die Korruption?« Sicherlich zahle sie nicht derjenige, der »Bestechungsgelder mitbringt«: dieser sei nur der »Mittelsmann«. In Wirklichkeit »zahlt der Arme die Korruption!« Nicht ohne Grund habe Nabot die Korruption König Ahabs »zu bezahlen, der arme Mann, der seiner Tradition treu ist, seinen Werten, treu dem Erbe, das er von seinem Vater empfangen hat«.

»Wenn von politisch oder wirtschaftlich Korrupten die Rede ist, wer bezahlt dies?«, fragte der Papst weiter. Und er antwortete: »Es bezahlen die Krankenhäuser, die keine Medikamente haben, die Kranken, die nicht versorgt werden, die Kinder ohne Schulunterricht. Sie sind die modernen Nabots, die die Korruption der Großen bezahlen.« Und er fuhr fort: »Wer zahlt die Korruption eines Bischofs? Die Kinder zahlen sie, die nicht das Kreuzzeichen machen können, die den Katechismus nicht kennen, um die man sich nicht kümmert; die Kranken zahlen sie, die nicht besucht werden; die Gefangenen zahlen sie, denen keine geistliche Sorge zuteil wird.« Die Korruption bezahlten letztendlich immer die Armen: die »materiell Armen« oder die »geistlich Armen«.

»Bei euch aber soll es nicht so sein«, sage Jesus in diesbezüglich zu seinen Jüngern und ermahne die Mächtigen, Diener zu sein. Denn in der Tat, so Franziskus, sei »der einzige Weg, um aus der Korruption herauszukommen, der einzige Weg, um die Versuchung und die Sünde der Korruption zu besiegen, das Dienen. Denn die Korruption entspringt dem Stolz, dem Hochmut, und das Dienen demütigt dich: gerade die demütige Liebe sei es, um den anderen zu helfen.« Abschließend unterstrich der Bischof von Rom den Wert von Nabots Zeugnis, der »das Erbe seiner Väter, seiner Vorfahren, die Werte nicht verkaufen wollte«: ein Zeugnis, das um so bedeutsamer sei, wenn man daran denke, dass »wenn es Korruption gibt«, häufig auch der Arme Gefahr laufe, »die Werte zu verlieren, weil ihm Gewohnheiten, Gesetze aufgezwungen werden, die gegen die von unseren Vorfahren ererbten Werte gerichtet sind«. Daher lud der Papst ein, für die vielen »Märtyrer der Korruption« zu beten, damit »der Herr ihnen nahe ist« und er diesen Armen die Kraft schenken möge, den Weg ihres Zeugnisses weiterzugehen.

 


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