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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
 

Zeit der Ernte

Dienstag, 27. November 2018
 

(aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 50, 15. Dezember 2018)

 

»Ich werde ein Ende haben. Ich werde nicht ewig bleiben. Wie möchte ich enden?« Das ist die Überlegung, die Papst Franziskus bei der heiligen Messe in Santa Marta am Dienstag, 27. November, anstellte, indem er eine echte Gewissenserforschung zu den guten Dingen und auch zu jenen Dingen vorschlug, die in unserem Leben zu berichtigen sind.

In dieser letzten Woche des Kirchenjahres lässt uns die Kirche über das Ende nachdenken«, sagte der Papst zu Beginn und erklärte: »Über das Ende der Welt, über das Ende unseres Lebens. Wir werden alle enden, wir werden ein Ende haben – wir sind nicht ewig – und die Welt wird auch enden.« Und »es ist eine Gnade, dass die Kirche uns anbietet, an diese Wahrheit zu denken, weil wir nicht gerne an das Ende denken«, so dass wir oft wiederholten: »Nein, wir gehen voran, dann werden wir sehen, und morgen werden wir daran denken.« Der Papst unterstrich: »Wir verschieben diesen Gedanken immer auf morgen.« Doch »die Kirche will, dass wir wenigstens einmal im Jahr – in dieser Woche – an das Ende denken«.

In Bezug auf den Abschnitt aus dem Evangelium nach Lukas (21, 5-11) wies Franziskus darauf hin, dass »Jesus im Evangelium etwas über ein kosmisches Ende sagt, über die Zerstörung der Welt, und da er sieht, dass der Tempel so schön ist, sagt er: ›Schaut, es werden Tage kommen, da kein Stein auf dem anderen bleibt.‹« In der ersten Lesung, so der Papst in Bezug auf den Abschnitt aus dem Buch der Offenbarung des Johannes (14, 14-19), »ist die Rede vom Ende eines jeden von uns, vom Ende der Welt, aber mit dem Bild der Ernte: ›Schick deine Sichel aus und ernte! Denn die Zeit zu ernten ist gekommen.‹«

Denn, so fuhr er fort, »ein jeder von uns hat seine eigene Zeit und wir müssen die Qualität unseres Weizens zeigen, die Qualität unseres Lebens«. Und »vielleicht sagen einige von euch: ›Pater, seien Sie nicht so düster, wir mögen diese Dinge nicht.‹ Aber es ist die Wahrheit. Wenigstens eine Woche im Jahr reden wir darüber.« »Es ist die Ernte, bei der jeder von uns dem Herrn begegnen wird«, so der Papst. Es »wird  eine Begegnung sein, und jeder von uns wird zum Herrn sagen: ›Das ist mein Leben. Das ist mein Weizen. Das ist meine Lebensqualität. Habe ich Fehler gemacht?‹« In Wirklichkeit »sollten wir das alle sagen, denn wir alle machen Fehler«. Und dann sollten wir zum Herrn sagen: »Ich habe Gutes getan«, denn »wir alle tun Gutes; und wir sollten dem Herrn ein wenig den Weizen zeigen«.

Franziskus fuhr fort: »Wenn der Herr heute als Schnitter mein Herz rufen würde, was würde ich sagen? ›Ah, ich habe es nicht gemerkt, ich war abgelenkt.‹ Wir kennen weder den Tag noch die Stunde. ›Aber Pater, reden Sie nicht so, ich bin jung.‹ – ›Aber schau, wie viele junge Leute sterben, wie viele junge Leute werden gerufen.‹ Niemand hat sein Leben zugesichert. Aber wir alle, das ist sicher, nehmen ein Ende. Wann? Gott allein weiß es.«

»Es wird uns diese Woche gut tun, an das Ende zu denken«, wiederholte der Papst, der dazu aufforderte, sich selbst zu fragen: »Wenn der Herr mich heute rufen würde, was würde ich tun? Was würde ich sagen? Welchen Weizen würde ich ihm zeigen?« In dieser Perspektive »hilft uns der Gedanke an das Ende, voranzugehen.

Es ist kein statischer Gedanke: es ist ein Gedanke, der weitergeht, weil er durch die Tugend, durch die Hoffnung vorangetragen wird«. Ja, »es wird ein Ende geben, aber dieses Ende wird eine Begegnung sein: eine Begegnung mit dem Herrn«. Es sei wahr, so der Papst, »es wird ein Rechenschaftsbericht über das sein, was ich getan habe, doch es wird auch eine Begegnung der Barmherzigkeit, der Freude, des Glücks sein«. »An das Ende denken, an das Ende der Schöpfung, an das Ende des eigenen Lebens, das ist Weisheit: weise Menschen tun dies«, unterstrich Franziskus. Und »so verfügen sie über jene Dimension der Weisheit, die verstehen lässt, wie das Leben wirklich ist«.

Der Papst riet zu einer echten Gewissenserforschung und rief in Erinnerung, dass »uns die Kirche diese Woche einlädt, uns zu fragen: Wie wird mein Ende sein? Wie möchte ich sein, wenn der Herr mich ruft? Wie möchte ich im Augenblick der Ernte sein?« Also »eine Gewissenserforschung«, um mich zu fragen: »Welche Dinge muss ich korrigieren, weil sie nicht in Ordnung sind? Welche Dinge sollte ich unterstützen und voranbringen, weil sie gut sind?« Denn »jeder von uns hat viele gute Dinge«. Also: »Diese Woche ist dazu da, an diese Dinge zu denken, damit sie reifen können und an den Tagen der Ernte die Qualität eines guten Weizens haben.«

»Bei dieser Reflexion sind wir nicht allein«, versicherte Franziskus, denn »da ist der Heilige Geist, der uns hilft, darüber nachzudenken.« Deshalb »bitten wir diese Woche den Heiligen Geist um Weisheit in Bezug auf die Zeit und das Ende, um die Weisheit der Auferstehung, um die Weisheit der ewigen Begegnung mit Jesus«, damit »er uns diese Weisheit verstehen lasse, die in unserem Glauben enthalten ist«. In dem Bewusstsein, dass »die Begegnung mit Jesus ein Tag der Freude sein wird«. Und so, schloss der Papst seine Predigt, »beten wir, dass der Herr uns vorbereitet, und ein jeder von uns soll diese Woche beenden, indem er an das Ende denkt: ›Ich werde ein Ende haben. Ich werde nicht ewig bleiben. Wie soll mein Ende sein?‹«

 



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