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PILGERREISE INS HEILIGE LAND AUS ANLASS DES 50. JAHRESTAGS
DER BEGEGNUNG ZWISCHEN PAPST PAUL VI. UND PATRIARCH ATHENAGORAS IN JERUSALEM

(24.-26. MAI 2014) 

HEILIGE MESSE

PREDIGT VON PAPST FRANZISKUS

Krippenplatz (Bethlehem)
Sonntag, 25. Mai 2014

 

»Das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt« (Lk 2,12).

Welch eine große Gnade, die Eucharistie an dem Ort zu feiern, wo Jesus geboren ist! Ich danke Gott, und ich danke euch, die ihr mich auf dieser meiner Pilgerreise empfangen habt: dem Präsidenten Mahmoud Abbas und den anderen Vertretern des öffentlichen Lebens; dem Patriarchen Fouad Twal, den anderen Bischöfen und den geistlichen Oberen des Heiligen Landes, den Priestern, den guten Franziskanern, den gottgeweihten Personen und allen, die sich dafür einsetzen, den Glauben, die Hoffnung und die Liebe in diesen Gebieten lebendig zu erhalten; den Vertretern der Gläubigen aus Gaza, aus Galiläa und den Migranten aus Asien und Afrika. Danke für Euren Empfang!

Das in Bethlehem geborene Jesuskind ist das Zeichen, das Gott denen gegeben hat, die das Heil erwarteten, und es bleibt für immer das Zeichen der Zärtlichkeit Gottes und seiner Gegenwart in der Welt. Der Engel sagt zu den Hirten: »Das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden…«

Auch heute sind die Kinder ein Zeichen. Ein Zeichen der Hoffnung, ein Zeichen des Lebens, aber auch ein „diagnostisches“ Zeichen, um den Gesundheitszustand einer Familie, einer Gesellschaft, der ganzen Welt zu erkennen. Wenn die Kinder angenommen, geliebt, behütet und beschützt werden, ist die Familie gesund, wird die Gesellschaft besser und ist die Welt menschlicher. Denken wir an das Werk, welches das Institut Effetà Paolo VI für taubstumme palästinensische Kinder entfaltet: Es ist ein konkretes Zeichen der Güte Gottes. Es ist ein konkretes Zeichen, dass die Gesellschaft besser wird.

Gott wiederholt heute auch für uns Männer und Frauen des 21. Jahrhunderts: »Das soll euch als Zeichen dienen«, sucht das Kind…

Das Kind von Bethlehem ist zart wie alle Neugeborenen. Es kann nicht sprechen, und doch ist es das Wort, das Fleisch geworden und gekommen ist, um das Herz und das Leben der Menschen zu verändern. Jenes Kind ist wie alle Kinder schwach und bedarf der Hilfe und des Schutzes. Auch heute haben es die Kinder nötig, angenommen und geschützt zu werden – vom Mutterschoß an.

Leider gibt es in dieser Welt, welche die raffiniertesten Technologien entwickelt hat, noch viele Kinder, die unter unmenschlichen Bedingungen an den Peripherien der großen Städte oder in ländlichen Gebieten am Rande der Gesellschaft leben. Viele Kinder werden noch heute ausgebeutet, misshandelt, versklavt, sind Opfer von Gewalt und gesetzeswidrigem Handel. Zu viele Kinder sind heute aus der Heimat vertrieben und auf der Flucht, manchmal in den Meeren untergegangen, besonders in den Fluten des Mittelmeers. Für all das schämen wir uns heute vor Gott – vor Gott, der ein Kind geworden ist.

Und wir fragen uns: Wer sind wir vor dem Kind Jesus? Wer sind wir vor den Kindern von heute? Sind wir wie Maria und Josef, die Jesus aufnehmen und sich mit mütterlicher und väterlicher Liebe um ihn kümmern? Oder sind wir wie Herodes, der ihn beseitigen will? Sind wir wie die Hirten, die eilends gehen, die niederknien, um ihn anzubeten, und ihre bescheidenen Gaben darbringen? Oder sind wir gleichgültig? Sind wir etwa Phrasendrescher oder Frömmler, Menschen, welche die Bilder der armen Kinder zu Gewinnzwecken ausnutzen? Sind wir fähig, bei ihnen zu sein, „Zeit zu verlieren“ mit ihnen? Verstehen wir es, ihnen zuzuhören, sie zu behüten, für sie und mit ihnen zu beten? Oder vernachlässigen wir sie, um uns mit unseren Geschäften zu befassen?

»Das soll uns als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden…« Vielleicht weint jenes Kind; weint, weil es Hunger hat, weil es friert, weil es in den Armen liegen möchte… Auch heute weinen die Kinder, sie weinen viel, und ihr Weinen fragt uns an. In einer Welt, die täglich tonnenweise Nahrungsmittel und Medikamente wegwirft, gibt es Kinder, die vor Hunger oder aufgrund von Krankheiten, die leicht zu heilen wären, vergeblich weinen. In einer Zeit, die den Schutz der Minderjährigen proklamiert, werden Waffen gehandelt, die in den Händen von Kinder-Soldaten landen; werden Produkte gehandelt, die von kleinen Sklavenarbeitern verpackt sind. Ihr Weinen ist unterdrückt: Das Weinen dieser Kinder ist unterdrückt! Sie müssen kämpfen, müssen arbeiten, sie dürfen nicht weinen! Doch um sie weinen die Mütter, Rahel von heute: Sie beweinen ihre Kinder und wollen sich nicht trösten lassen (vgl. Mt 2,18).

»Das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden…« Das in Bethlehem geborene Jesuskind, jedes Kind, das in jedem Teil der Welt geboren wird und heranwächst, ist ein diagnostisches Zeichen, das uns erlaubt, den Gesundheitszustand unserer Familie, unserer Gemeinschaft, unserer Nation zu überprüfen. Aus dieser klaren und aufrichtigen Diagnose kann ein neuer Lebensstil hervorgehen, wo die Beziehungen nicht mehr durch Konflikt, Unterdrückung und Konsumismus bestimmt sind, sondern Beziehungen der Brüderlichkeit, der Vergebung und der Versöhnung, des Teilens und der Liebe sind.

O Maria, Mutter Jesu,
die du ihn aufgenommen hast, lehre uns aufnehmen;
die du ihn angebetet hast, lehre uns anbeten;
die du ihm nachgefolgt bist, lehre uns nachfolgen. Amen.

 



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