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APOSTOLISCHE REISE VON PAPST FRANZISKUS 
ZUR ABSCHLUSSMESSE DES 
52. EUCHARISTISCHEN WELTKONGRESSES IN BUDAPEST UND IN DIE SLOWAKEI 

(12.-15. SEPTEMBER 2021)

HEILIGE MESSE

PREDIGT VON PAPST FRANZISKUS 

  Heldenplatz (Budapest)
Sonntag, 12. September 2021

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In Cäsarea Philippi fragt Jesus die Jünger: »Ihr aber, für wen haltet ihr mich?« (Mk 8,29). Diese Frage treibt die Jünger in die Enge und markiert einen Wendepunkt auf ihrem Weg der Nachfolge des Meisters. Sie kannten Jesus gut, sie waren keine Neulinge mehr: Sie waren mit ihm vertraut, sie sind Zeugen vieler vollbrachter Wunder geworden, sie waren von seiner Lehre beeindruckt, sie folgten ihm überallhin, wo er hinging. Und doch dachten sie noch nicht wie er. Es fehlte der entscheidende Schritt, jener von der Bewunderung Jesu hin zur Nachahmung Jesu. Auch heute richtet der Herr den Blick fest auf jeden von uns und stellt uns persönlich die Frage: „Wer bin ich aber wirklich für dich?“. Wer bin ich für dich? Das ist eine Frage, die an jeden von uns ergeht und nicht nur eine genaue Antwort aus dem Katechismus erfordert, sondern eine persönliche Antwort, eine Antwort des Lebens.

Aus dieser Antwort entsteht die Erneuerung der Jüngerschaft. Diese geschieht in drei Schritten, die die Jünger machten und die auch wir vollziehen können: erstens die Verkündigung Jesu, zweitens die Unterscheidung mit Jesus, drittens die Nachfolge Jesu.

1. Die Verkündigung Jesu. Auf jenes „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ antwortete Petrus als Vertreter der ganzen Gruppe: »Du bist der Christus«. Petrus sagt in wenigen Worten alles, die Antwort ist richtig, aber erstaunlicherweise gebietet ihnen Jesus nach dieser Erkenntnis, »niemandem etwas über ihn zu sagen« (V. 30). Wir fragen uns: warum so ein drastisches Verbot? Wegen eines genau bestimmten Grundes: zu sagen, dass Jesus der Christus, der Messias ist, ist richtig, aber unvollständig. Es besteht immer das Risiko, eine falsche Messianität gemäß den Menschen und nicht gemäß Gott zu verkünden. Daher beginnt Jesus von diesem Augenblick an seine Identität zu offenbaren, die österliche Identität, die wir in der Eucharistie finden. Er erklärt, dass seine Mission gewiss in der Herrlichkeit der Auferstehung ihren Höhepunkt finden würde, aber dass dies durch die Erniedrigung des Kreuzes hindurch geschehen sollte. Sie sollte also gemäß Gottes Weisheit stattfinden, »die nicht die Weisheit dieser Welt oder der Machthaber dieser Welt« ist, wie der heilige Paulus sagt (1 Kor 2,6). Jesus verhängt das Schweigen über seine messianische Identität, nicht aber über das Kreuz, das ihn erwartet. Im Gegenteil, so merkt der Evangelist an, Jesus beginnt »mit Freimut« (Mk 8,32) zu lehren: »Der Menschensohn muss vieles erleiden und von den Ältesten, den Hohepriestern und den Schriftgelehrten verworfen werden; er muss getötet werden und nach drei Tagen auferstehen« (V. 31).

Angesichts dieser erschütternden Verkündigung Jesu könnten auch wir bestürzt zurückbleiben. Auch wir würden lieber einen mächtigen Messias haben als einen gekreuzigten Knecht. Die Eucharistie steht vor uns, um uns zu erinnern, wer Gott ist. Sie tut es nicht in Worten, sondern konkret, indem sie uns Gott als gebrochenes Brot, als gekreuzigte und dargebrachte Liebe zeigt. Wir können viel Zeremonie hinzufügen, aber der Herr bleibt dort in der Einfachheit eines Brotes, das sich brechen, verteilen und essen lässt. Er ist da: Um uns zu retten, macht er sich zum Diener; um uns Leben zu geben, stirbt er. Es tut uns gut, uns von der Verkündigung Jesu erschüttern zu lassen. Und für denjenigen, der sich dieser Verkündigung Jesu öffnet, tut sich der zweite Schritt auf.

2. Die Unterscheidung mit Jesus. Angesichts der Verkündigung des Herrn ist die Reaktion Petri typisch menschlich: Wenn sich das Kreuz abzeichnet, die Perspektive des Leidens, begehrt der Mensch auf. Und nachdem Petrus die Messianität Jesu bekannt hat, nimmt er Anstoß an den Worten des Meisters und versucht, ihn davon abzubringen, auf seinem Weg fortzuschreiten. Liebe Brüder und Schwestern, das Kreuz ist niemals in Mode: heute wie in der Vergangenheit. Aber es heilt im Inneren. Vor dem Gekreuzigten erfahren wir einen heilsamen inneren Kampf, den harten Konflikt zwischen dem „gottgemäßen Denken“ und dem „menschengemäßen Denken“. Einerseits gibt es die Logik Gottes, die jene der demütigen Liebe ist. Der Weg Gottes scheut vor jeglichem Zwang, vor Zurschaustellung, vor jeglichem Triumphalismus zurück, er ist immer auf das Wohl der anderen ausgerichtet, bis hin zum Opfer seiner selbst. Andererseits gibt es das „menschengemäße Denken“: Es ist die Logik der Welt, der Weltlichkeit, die an den Ehren und Privilegien hängt und auf Ansehen und Erfolg bedacht ist. Hier zählen Bedeutung und Stärke, das, was die Aufmerksamkeit der meisten auf sich ziehen kann und sich vor den anderen durchsetzen kann.

Geblendet von dieser Perspektive nimmt Petrus Jesus beiseite und beginnt, ihn zurechtzuweisen (vgl. V. 32). Zuerst hatte er sich zu ihm bekannt, jetzt weist er ihn zurecht. Auch uns kann es passieren, den Herrn „beiseite“ zu nehmen, ihn in eine Ecke des Herzens zu stellen, und dabei zu meinen, weiterhin gläubig und gut zu sein und auf unserem Weg weiterzugehen, ohne uns von der Logik Jesu ergreifen zu lassen. Es gibt jedoch eine Wahrheit: Er jedoch begleitet uns, er begleitet uns in diesem inneren Kampf, weil er wünscht, dass wir wie die Apostel seine Seite wählen. Es gibt die Seite Gottes und die Seite der Welt. Der Unterschied ist nicht zwischen dem, der gläubig oder nicht gläubig ist. Der ausschlaggebende Unterschied ist zwischen dem wahren Gott und dem Götzen unseres Ichs. Wie weit entfernt ist doch der, der in Stille am Kreuz herrscht, vom falschen Gott, von dem wir uns wünschen würden, dass er mit Gewalt herrsche und unsere Feinde zum Schweigen bringe! Wie verschieden ist doch Christus, der nur ein Angebot der Liebe macht, von den mächtigen und siegreichen Messiassen, denen die Welt schmeichelt! Jesus rüttelt uns auf, er gibt sich mit Glaubensbekundungen nicht zufrieden, er verlangt von uns, unsere Religiosität vor seinem Kreuz, vor der Eucharistie zu reinigen. Es tut uns gut, vor der Eucharistie in Anbetung zu verharren, um die Schwäche Gottes zu betrachten. Widmen wir der Anbetung Zeit. Es ist eine Art des Gebetes, die allzu sehr vergessen wird. Widmen wir der Anbetung Zeit. Lassen wir zu, dass Jesus, das lebendige Brot, unsere Verschlossenheit löse und uns für das Teilen öffne, uns von unserer Starrheit und der Selbstbezogenheit heile; er befreie uns von der lähmenden Sklaverei, immer unser Ansehen zu verteidigen, er sporne uns an, ihm dahin zu folgen, wohin er uns führen will. Nicht, wohin ich will. Und so sind wir zum dritten Schritt gelangt.

3. Die Nachfolge Jesu und auch der Weg mit Jesus. »Tritt hinter mich, du Satan!« (V. 33). So führt Jesus Petrus zu sich zurück, mit einem eindringlichen und harten Befehl. Aber wenn der Herr etwas befiehlt, ist er in Wirklichkeit da, bereit, um es zu schenken. Und Petrus nimmt die Gnade an, „einen Schritt zurück zu machen“. Der christliche Weg ist nicht eine Erfolgsjagd, sondern er beginnt mit einem Schritt zurück – seid dessen eingedenk: der christliche Weg beginnt mit einem Schritt zurück –, mit einer befreienden „Selbstdezentrierung“, damit, sich selbst aus dem Lebensmittelpunkt herauszunehmen. So erkennt Petrus, dass der Mittelpunkt nicht sein Jesus, sondern der wahre Jesus ist. Er wird wieder fallen, aber von Vergebung zu Vergebung wird er das Angesicht Gottes immer besser kennenlernen. Und er wird von der bloßen Bewunderung Christi zur konkreten Nachahmung Christi übergehen.

Was bedeutet es, Jesus nachzufolgen? Es bedeutet, im Leben mit eben seiner Zuversicht voranzuschreiten, jener, geliebte Kinder Gottes zu sein. Es bedeutet, den gleichen Weg wie der Meister zu beschreiten, der gekommen ist, um zu dienen und nicht um sich dienen zu lassen (vgl. Mk 10,45). Jesus nachzufolgen bedeutet, jeden Tag unsere Schritte zum Bruder hin zu lenken. Dorthin drängt uns die Eucharistie: uns als ein Leib zu begreifen, uns für die anderen zu brechen. Liebe Brüder und Schwestern, lassen wir zu, dass uns die Begegnung mit Jesus in der Eucharistie verwandelt, wie sie die großen und mutigen Heiligen verwandelt hat, die ihr verehrt; ich denke dabei an den heiligen Stephan und die heilige Elisabeth. Begnügen wir uns wie sie nicht mit dem Wenigen; finden wir uns nicht mit einem Glauben ab, der von Riten und Wiederholungen lebt, und öffnen wir uns für die Ärgernis erregende Neuheit des gekreuzigten und auferstandenen Gottes, der das gebrochene Brot ist, um der Welt das Leben zu schenken. Wir werden in der Freude sein; und wir werden Freude bringen.

Dieser Internationale Eucharistische Kongress ist ein Zielpunkt eines Weges, aber er möge vor allem Ausgangspunkt sein. Denn die Nachfolge Jesu lädt dazu ein, nach vorn zu schauen, den Wendepunkt der Gnade anzunehmen, in uns jeden Tag jene Fragestellung wieder aufleben zu lassen, die der Herr wie in Cäsarea Philippi an jeden von uns, seine Jünger, richtet: Ihr aber, für wen haltet ihr mich?



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