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VIDEOBOTSCHAFT VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE TEILNEHMER DES KONGRESSES
"EINE AUSSERGEWÖHNLICHE FRAU" ZUM 50-JÄHRIGEN JUBILÄUM
DER PROKLAMATION DER HL. TERESA VON AVILA ZUR KIRCHENLEHRERIN

[Universidad Católica Santa Teresa de Jesús de Ávila, 12.-15. April 2021]

 

[Multimedia]


 

Ich grüße die Teilnehmer am Hochschulkongress, mit dem des 50. Jahrestags der Erklärung der heiligen Teresa von Jesus zur Kirchenlehrerin gedacht wird. Der Ausdruck »außergewöhnliche Frau« im Titel eurer Begegnung wurde vom heiligen Paul VI. gebraucht.[1] Wir haben eine Persönlichkeit vor uns, die sich in vielerlei Hinsicht ausgezeichnet hat. Dennoch darf man nicht vergessen, dass ihre allgemein anerkannte Bedeutung in all diesen Aspekten nichts anderes ist als die Folge dessen, was für sie wichtig war: ihre Begegnung mit dem Herrn, ihre »entschlossene Entschlossenheit «, so nennt sie es, durch das Gebet in der Vereinigung mit Ihm auszuharren [2], ihren festen Vorsatz, die ihr vom Herrn anvertraute Sendung zu erfüllen, von jenem Herrn, dem sie sich in großer Einfachheit schenkt, mit jener einfachen Sprache, die man gar als Sprache eines Mädchens vom Land bezeichnen könnte: »Dein bin ich, gebor’n für dich. Was verfügst du über mich?«[3]

Teresa von Jesus ist vor allem außergewöhnlich, weil sie heilig ist. Ihre Fügsamkeit gegenüber dem Heiligen Geist vereint sie mit Christus und lässt sie »gar brennend vor starker Gottesliebe«[4] sein. Mit schönen Worten verleiht sie ihrer Erfahrung Ausdruck: »Schon ganz mich hingeschenkt, gegeben, ich solchen Tausch vollzogen, dass mein Geliebter für mich da ist, und ich für den Geliebten da bin.«[5] Jesus lehrte: »Wovon das Herz überfließt, davon spricht der Mund« (vgl. Lk 6,45). Kühnheit, Kreativität und Vortrefflichkeit der heiligen Teresa als Reformerin sind die Frucht der inneren Gegenwart des Herrn.

Wir sagen, dass »die Epoche, in der wir leben, nicht nur eine Epoche der Veränderungen ist, sondern die eines Epochenwandels«[6]. Und in dieser Hinsicht hat unsere heutige Zeit große Ähnlichkeit mit der des 16. Jahrhunderts, in dem die Heilige lebte. Wie damals sind auch wir Christen heute aufgerufen, zu bewirken, dass durch uns die Kraft des Heiligen Geistes weiterhin das Angesicht der Erde erneuert (vgl. Ps 104,30), in der Gewissheit, dass es letztlich die Heiligen sind, die ermöglichen, dass die Welt vorangeht und sich dabei ihrem endgültigen Ziel nähert.

Es ist gut, an die allgemeine Berufung zur Heiligkeit zu erinnern, von der das Zweite Vatikanische Konzil gesprochen hat (vgl. Lumen gentium, 39-42). »Jedem ist also klar, dass alle Christgläubigen jeglichen Standes oder Ranges zur Fülle des christlichen Lebens und zur vollkommenen Liebe berufen sind. Durch diese Heiligkeit wird auch in der irdischen Gesellschaft eine menschlichere Weise zu leben gefördert. Zur Erreichung dieser Vollkommenheit sollen die Gläubigen die Kräfte, die sie nach Maß der Gnadengabe Christi empfangen haben, anwenden, um […] sich mit ganzem Herzen der Ehre Gottes und dem Dienst des Nächsten hinzugeben«, so heißt es unter der Nummer 40 in Lumen gentium.

Heiligkeit ist nicht nur etwas für einige »Experten des Göttlichen«, sondern die Berufung aller Gläubigen. Die Einheit mit Christus, die Mystiker und Mystikerinnen wie die heilige Teresa aus reiner Gnade in besonderer Weise erleben, empfangen wir in der Taufe. Die Heiligen sind uns Anregung und Motivation, aber sie sind nicht dazu da, dass wir versuchen, sie wortwörtlich zu kopieren. Heiligkeit kopiert man nicht, denn »das könnte uns sogar von dem einzigartigen und besonderen Weg abbringen, den der Herr für uns vorgesehen hat. Worauf es ankommt, ist, dass jeder Gläubige seinen eigenen Weg erkennt«[7]. Jeder von uns hat seinen eigenen Weg der Heiligkeit, der Begegnung mit dem Herrn.

Die heilige Teresa selbst ermahnt ihre Mitschwestern, dass das Gebet nicht dazu da ist, um außergewöhnliche Dinge zu erleben, sondern um uns mit Christus zu vereinen. Und das Zeichen dafür, dass diese Vereinigung real ist, sind die Werke der Nächstenliebe. In der Inneren Burg sagt sie: »Hierfür ist das Gebet da, meine Töchter, das ist die Bestimmung dieser geistlichen Ehe, nämlich dass ihr immerfort Werke entsprießen, Werke.«[8] Und zuvor hatte sie bereits in demselben Werk gemahnt: »Wenn ich Seelen erblicke, die sich emsig bemühen, das Gebet zu erfassen, und mit niedergeschlagenen Augen und fest verschlossenem Gesicht darin verharren (so dass es scheint, als wagten sie nicht, sich zu rühren oder ihre Gedanken in Bewegung geraten zu lassen, damit ihnen ja kein bisschen Wonne und Andacht entgehe), so zeigt mir das, wie wenig sie von dem Weg wissen, auf dem man zur Vereinigung gelangt. Sie glauben, hierin bestehe die ganze Arbeit, die von ihnen erwartet wird. Nein, Schwestern nein! Werke will der Herr! Und wenn du eine Kranke siehst, der du eine Linderung verschaffen kannst, sollst du dir nichts daraus machen, dass es dich deine Andacht kostet, sondern dich ihrer erbarmen. […] Dies ist die wahre Vereinigung mit seinem Willen.«[9] Auch dies sagt sie in der Inneren Burg. Letztlich gilt, »dass die Vollkommenheit der Menschen an ihrer Nächstenliebe gemessen wird, nicht an der Fülle erworbener Daten und Kenntnisse«[10] und ähnlichen Dingen.

Die heilige Teresa lehrt uns, dass der Weg, der sie zu einer außergewöhnlichen Frau und einer Bezugsperson durch die Jahrhunderte hindurch gemacht hat, der Weg des Gebets, allen offensteht, die sich demütig für das Wirken des Heiligen Geistes in ihrem Leben öffnen, und dass das Zeichen für unseren Fortschritt auf diesem Weg darin besteht, immer demütiger zu sein, aufmerksamer für die Bedürfnisse unserer Brüder und Schwestern, bessere Kinder des heiligen Gottesvolkes. Dieser Weg eröffnet sich denjenigen nicht, die sich für rein und vollkommen halten, den Katharern aller Jahrhunderte, sondern nur denjenigen, die sich ihrer Sünden bewusst sind und die Barmherzigkeit Gottes entdecken, der alle annimmt, alle erlöst und alle zur Freundschaft mit ihm einlädt.

Es ist interessant, dass das Bewusstsein, selbst ein Sünder zu sein, genau das ist, was die Tür zum Weg der Heiligkeit öffnet. Die heilige Teresa, die sich für sehr »schlecht und schlimm« hielt, so nennt sie sich, erkennt, dass die Güte Gottes »größer ist als alle Übeltaten, die wir anstellen können. Er denkt nicht mehr an unsere Undankbarkeit […] Sie sollen an seine Worte denken und achtgeben, was er mit mir getan hat«, sagt sie, »denn eher wurde ich müde, ihn zu beleidigen, als dass seine Majestät aufgehört hätte, mir zu verzeihen.« Wir werden früher müde, Gott zu beleidigen, auf seltsamen Wegen zu gehen, als dass Gott müde wird, uns zu verzeihen. Er wird nie müde zu verzeihen. Wir werden müde, um Vergebung zu bitten, und dort liegt die Gefahr. »Er wird nie müde zu geben, und seine Erbarmungen sind unerschöpflich; lasst uns also nicht müde werden zu empfangen!«[11], indem wir demütig das Herz öffnen. Eine ihrer Lieblingsstellen der Heiligen Schrift war der Beginn von Psalm 89, den sie in gewisser Weise zu ihrem Lebensmotto machte: »Von der Huld des Herrn will ich ewig singen.« Dieses »misericordiare« Gottes [»sich vom Erbarmen Gottes ergreifen lassen«].

Das Gebet machte aus der heiligen Teresa eine außergewöhnliche Frau, eine kreative und innovative Frau. Ausgehend vom Gebet entdeckte sie das Ideal der Geschwisterlichkeit, das sie in den von ihr gegründeten Klöstern verwirklichen wollte: »Die Schwestern sollen sich alle lieben, einander wohlwollen und sich gegenseitig helfen.«[12] Und wenn ich die »Streitigkeiten« in manchen Klöstern, innerhalb eines Klosters, sehe oder den »Streit« zwischen Klöstern, »ich bin von hier«, »ich bin von dort«, »ich sehe das so«, »das nehme ich von der Kirche an«, »jenes akzeptiere ich nicht«… Die armen Schwestern haben ihre Gründerin vergessen und das, was sie sie gelehrt hat. Im Gebet spürte sie, dass der auferstandene Christus sie als Braut und Freundin behandelte. Durch das Gebet öffnete sie sich der Hoffnung.

Und mit diesem Gedanken möchte ich diesen Gruß abschließen. Wie die Kirchenlehrerin Teresa erleben wir gerade »schwierige Zeiten«, ganz und gar nicht leichte Zeiten, wo es treuer Freunde Gottes, »starker Freunde Gottes«[13] bedarf. Die große Versuchung besteht darin, der Enttäuschung nachzugeben, der Entmutigung, der verhängnisvollen und unbegründeten Ahnung, dass alles schlecht ausgehen wird. Dieser unfruchtbare Pessimismus, dieser Pessimismus von Menschen, die unfähig sind, Leben zu schenken. Manche, von diesen Gedanken verängstigt, neigen dazu, sich abzukapseln, sich in Kleinigkeiten zu flüchten.

Ich erinnere mich an das Beispiel eines Klosters, wo alle Schwestern sich in Kleinigkeiten geflüchtet hatten. Das Kloster trug den Namen der heiligen … Ich werde nicht sagen von wem. Es befand sich in einer Stadt, aber man nannte es das »Kloster Cosita, Cosita, Cosita« (Kleines Ding), weil alle in Kleinigkeiten verschlossen waren, als Zuflucht, in egoistischen Plänen, die die Gemeinschaft nicht aufbauen, sondern sie vielmehr zerstören.

Das Gebet dagegen macht uns offen, es erlaubt uns zu erfahren, dass Gott groß ist, dass er über den Horizont hinausgeht, dass Gott gut ist, dass er uns liebt und dass die Geschichte ihm nicht aus den Händen geglitten ist. Es mag sein, dass wir in einem »finsteren Tal« (Ps 23,4) unterwegs sind, aber habt keine Angst, wenn der Herr bei euch ist. Denn er hört nicht auf, an unserer Seite zu gehen und uns zum wahren Ziel zu führen, nach dem wir uns alle sehnen: das ewige Leben. Wir dürfen den Mut haben, Großes zu tun, weil wir wissen, dass wir begnadet sind.[14] Und gemeinsam mit ihm sind wir in der Lage, jede Herausforderung zu bewältigen, weil in Wirklichkeit allein seine Gesellschaft das ist, was unser Herz begehrt und was uns die Fülle und die Freude schenkt, aus der wir geschaffen wurden.

Das hat die Heilige in einem bekannten Gebet zusammengefasst, und ich lade euch ein, es oft zu beten: »Nichts soll dich ängstigen, nichts dich erschrecken. Alles vergeht, Gott ändert sich nicht. Geduld erreicht alles. Wer Gott hat, dem fehlt nichts. Gott allein genügt.« Jesus segne euch, die Jungfrau Maria und der heilige Josef mögen euch begleiten. Und bitte vergesst nicht, für mich zu beten. Danke.


[1] Predigt in der Eucharistiefeier aus Anlass der Erklärung der heiligen Teresa von Avila zur Kirchenlehrerin (27. September 1970).

[2] Vgl. Teresa von Avila, Weg der Vollkommenheit 21,2.

[3] Teresa von Avila, Gedicht Dein bin ich, in: Gedanken zum Hohenlied, Gedichte und kleinere Schriften [Band 3], Herder, 2. Auflage 2011, S. 340.

[4] Teresa von Avila, Das Buch meines Lebens, 29,13.

[5] Teresa von Avila, Gedicht Schon ganz mich hingeschenkt, in: Gedanken zum Hohenlied, Gedichte und kleinere Schriften [Band 3], Herder, 2. Auflage 2011, S. 330.

[6] Vgl. Ansprache beim Weihnachtsempfang für die Römische Kurie (21. Dezember 2019).

[7] Gaudete et exsultate, 11.

[8] Teresa von Avila, Die innere Burg 7,4

[9] Ebd. 5,3

[10] Gaudete et exsultate 37.

[11] Teresa von Avila, Das Buch meines Lebens, 19,15.

[12] Vgl. Teresa von Avila, Weg der Vollkommenheit 4,7.

[13] Vgl. Teresa von Avila, Das Buch meines Lebens, 15,5.

[14] Ebd., 10,6: »Es ist von unserer menschlichen Natur her – nach meinem Dafürhalten – unmöglich, dass jemand sich für große Dinge begeistert, wenn er nicht versteht, dass er von Gott begnadet ist.«

 


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