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AUSSERORDENTLICHES JUBILÄUM DER BARMHERZIGKEIT 

ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE TEILNEHMER AM JUBILÄUM FÜR DIE VON DER GESELLSCHAFT
AUSGESCHLOSSENEN

Aula Paolo VI
Freitag, 11. November 2016

[Multimedia]


 

Ich danke Christian und Robert. Und ich danke euch allen, dass ihr hierhergekommen seid, damit wir uns begegnen, um mir zu begegnen, um für mich zu beten. Und wie der Kardinal [Barbarin] gesagt hat: eure Hände über meinem  Kopf geben mir Kraft, um meine Sendung fortzusetzen, im Gebet der Auflegung der Hände. Vielen Dank.

Ich habe mir einige Worte der beiden Zeugnisse notiert, auch von den Gesten, die zum Ausdruck gebracht wurden, habe ich Notizen gemacht. Robert hat etwas gesagt, und zwar, dass wir  uns als Menschen nicht von den Großen der Welt unterscheiden. Wir haben unsere Leiden, Leidenschaften und unsere Träume, die wir mit kleinen Schritten voranzubringen suchen. Leiden und Traum: zwei Worte, die helfen können. Die Leidenschaft lässt uns zuweilen leiden, stellt uns Fallen, innere und äußere, das Leid der Krankheit… Tausend Leiden. Aber auch die Leidenschaft  voranzugehen, die gute Leidenschaft, und diese gute Leidenschaft lässt uns träumen. Für mich sind ein Mann oder ein Frau sehr arm – aber eine andere Art von Armut als die eure –, wenn dieser Mann oder diese Frau die Fähigkeit des Träumens verlieren, die Fähigkeit verlieren, eine Leidenschaft voranzubringen.

Hört nicht auf zu träumen! Der Traum eines Armen, von jemandem, der kein Obdach hat, wie wird der sein? Ich weiß es nicht, aber ihr träumt. Ihr habt geträumt, dass ihr eines Tages nach Rom kommen würdet, und der Traum ist Wirklichkeit geworden. Ihr träumt, dass man die Welt verändern kann, und das ist ein Same, der aus eurem Herzen kommt. Einer von denen, die am Anfang gesprochen haben – Etienne Billemaine –, hat an eines meiner Worte erinnert, das ich häufig gebrauche: dass die Armut im Herzen des Evangeliums steht. Nur wer spürt, dass ihm etwas fehlt, blickt nach oben und träumt. Wer alles hat, kann nicht träumen! Die einfachen Leute folgten Jesus, weil sie sich erträumten, dass er sie heilen würde, dass er sie befreien würde, ihnen Gutes tun würde, und sie folgten ihm und er befreite sie. Männer und Frauen mit Leidenschaften und Träumen. Das ist das erste, was ich euch sagen möchte. Ihr lehrt uns alle, die wir ein Dach über dem Kopf haben, weil es uns nicht an Nahrung oder Medikamenten mangelt. Ihr lehrt uns, nicht zufrieden zu sein. Mit euren Träumen lehrt ihr uns, ausgehend vom Evangelium zu träumen, wo ihr seid, vom Herzen des Evangeliums aus.

Ein zweites Wort, das nicht gesagt wurde, aber der Haltung jener zugrunde lag, die gesprochen haben, und in eurer Haltung, das mir ins Herz gekommen ist, als Robert in seiner Muttersprache auf Französisch] gesagt hat: »Und das Leben wird so schön!« Was bedeutet das? Dass das Leben für uns schön wird, dass es uns gelingt, es schön zu finden, auch in den schlimmsten Situationen, in denen ihr lebt. Das bedeutet Würde: das ist das Wort, das mir in den Sinn gekommen ist. Die Fähigkeit, sogar in den traurigsten und schmerzlichsten Dingen Schönheit zu finden, kann nur ein Mann oder eine Frau haben, die  Würde haben. Arm ja, aber nicht erbärmlich! Das ist Würde! Dieselbe Würde, die Jesus hatte, der arm geboren wurde, der arm gelebt hat. Dieselbe Würde, die das Wort des Evangeliums hat. Dieselbe Würde, die ein Mann oder eine Frau haben, die von ihrer Arbeit leben. Arm ja, aber nicht beherrscht! Nicht ausgebeutet! Ich weiß, dass ihr sehr oft Menschen begegnet seid, die eure Armut ausbeuten wollten, die sie benutzen wollten. Aber ich weiß auch, dass dieses Gefühl, zu sehen, dass das Leben schön ist, dieses Gefühl, diese Würde euch davor gerettet hat, Sklaven zu werden. Arm ja, aber keine Sklaven! Die Armut steht im Herzen des Evangeliums, um gelebt zu werden. Die Sklaverei gibt es dort im Evangelium nicht, um gelebt zu werden, sondern um davon befreit zu werden!

Ich weiß, dass für einen jeden von euch – das hat Robert gesagt – das Leben, zuweilen und auch ganz oft sehr schwierig wird. Er hat in seiner Sprache [auf Französisch] gesagt: »Das Leben ist für viele andere sehr viel schwieriger gewesen als für mich.« Wir sehen, dass für viele andere das Leben schwieriger gewesen ist als für mich selbst. Wir finden immer jemanden, der ärmer ist als wir selbst. Und auch das gibt Würde: solidarisch sein können, einander zu helfen zu wissen, jemandem die Hand zu reichen wissen, der mehr leidet als ich. Die Fähigkeit, solidarisch zu sein, ist eine der Früchte, die uns die Armut schenkt. Wenn es sehr großen Reichtum gibt, dann vergisst man, solidarisch zu sein, weil man sich an die Tatsache gewöhnt hat, dass nichts fehlt! Wenn dich die Armut zuweilen dazu führt zu leiden, dann macht sie dich solidarisch und lässt dich dem die Hand reichen, der in einer schwierigeren Situation lebt als du selbst. Danke für dieses Beispiel, das ihr gebt. Ihr lehrt die Welt Solidarität!

Mich hat beeindruckt, wie viel Nachdruck Christian in seinem Zeugnis auf das Wort »Frieden « gelegt hat. Ein Satz, in dem er über seinen inneren Frieden spricht [auf Französisch]: »Ich habe den Frieden Christi gefunden, den ich gesucht habe.« Das ist das erste Mal, wo er das Wort erwähnt. Und dann spricht er vom Frieden und von der Freude, die er empfunden hat, als er begann, zum Chor von Nantes zu gehören. Und schließlich hat er einen Appell an mich gerichtet. Er hat mir gesagt [auf Französisch]: »Sie, die Sie das Problem des Friedens in der Welt kennen, ich bitte Sie, Ihr Wirken für den Frieden fortzusetzen.

« Die größte Armut ist der Krieg. Er ist die Armut, die zerstört. Und dies aus dem Mund eines Mannes zu hören, der materielle Armut erlitten hat, arm an Gesundheit war, ist ein Appell, für den Frieden zu wirken. Der Friede, der für uns Christen im Stall einer ausgegrenzten Familie begonnen hat, der Friede, den Gott für jedes seiner Kinder will. Und ihr, ausgehend von eurer Armut, von eurer Situation, seid und könnt Friedensstifter sein. Kriege werden zwischen den Reichen geführt, um mehr zu haben, um mehr Land zu besitzen, mehr Macht, mehr Geld… Es ist sehr traurig, wenn es so weit kommt, dass zwischen Armen Krieg geführt wird, weil das selten ist: die Armen neigen gerade wegen ihrer Armut eher dazu, Friedensstifter zu sein. Macht Frieden! Schafft Frieden! Gebt ein Beispiel des Friedens!

Wir brauchen Frieden in der Welt. Wir brauchen Frieden in der Kirche; alle Kirchen brauchen Frieden. Für alle Religionen ist es notwendig, im Frieden zu wachsen, weil alle Religionen Boten des Friedens sind, aber sie müssen im Frieden wachsen. Helft dabei, ein jeder von euch in seiner eigenen Religion. Jener Friede, der aus dem Leiden, aus dem Herzen kommt, im Bemühen um jene Harmonie, die dir Würde gibt. Ich danke euch, dass ihr gekommen seid, um mich zu besuchen. Ich danke für die Zeugnisse. Und ich bitte euch um Entschuldigung, wenn ich euch manchmal mit meinen Worten beleidigt habe oder weil ich nicht gesagt habe, was ich hätte sagen sollen. Ich bitte euch um Vergebung im Namen der Christen, die das Evangelium nicht so lesen, dass sie im Mittelpunkt die Armut finden. Ich bitte euch um Vergebung für all die Male, wo wir Christen von einem Armen oder einer Situation der Armut den Blick abwenden. Entschuldigt!

Eure Vergebung für Männer und Frauen der Kirche, die den Blick nicht auf euch richten wollen oder wollten, ist Weihwasser des Segens für uns, es ist Reinigung für uns, es bedeutet, uns zu helfen, damit wir wieder glauben, dass im Herzen des Evangeliums die Armut als großartige Botschaft steht und dass wir – die Katholiken, die Christen, alle – eine arme Kirche für die Armen sein müssen und dass jeder Mann und jede Frau jeglicher Religionszugehörigkeit in jedem Armen die Botschaft Gottes sehen muss, der sich nähert und der arm wird, um uns im Leben zu begleiten. Gott segne einen jeden von euch. Ich möchte jetzt ein Gebet für euch sprechen. Ihr bleibt sitzen,  so wie ihr seid, und ich werde das Gebet sprechen.

Gott, Vater von uns allen, von jedem deiner Kinder, ich bitte dich, uns Kraft zu geben, uns Freude zu geben, uns zu lehren… dass du uns lehren mögest, zu träumen, um vorwärts zu blicken; dass du uns lehrst, solidarisch zu sein, weil wir Brüder sind, und dass du uns hilfst, unsere Würde zu verteidigen. Du bist der Vater von einem jeden von uns. Segne uns, oh Vater. Amen.

 



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