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ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE TEILNEHMER AM INTERNATIONALEN FORUM
DER KATHOLISCHEN AKTION
 (FIAC)

Synodenhalle,
Donnerstag, 27. April 2017

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Liebe Brüder und Schwestern!

Ich begrüße euch anlässlich der Feier dieses internationalen Kongresses der Katholischen Aktion. Er steht unter dem Leitwort: »Katholische Aktion ist Mission. Mit allen und für alle.« Ich möchte gerne einige Sorgen und Überlegungen mit euch teilen.

Charisma – Neuschöpfung im Licht von Evangelii gaudium

Die Mission der Katholischen Aktion bestand schon immer darin, Laien auszubilden, die ihre Verantwortung in der Welt übernehmen. Heute bedeutet dies konkret die Ausbildung missionarischer Jünger. Ich danke euch, dass ihr das Apostolische Schreiben Evangelii gaudium mit Entschlossenheit als »Magna Charta« angenommen habt.

Das Charisma der Katholischen Aktion ist das Charisma der Kirche, das wunderbar Gestalt annimmt im Hier und Heute jeder Diözesankirche, die in betender Betrachtung und mit aufmerksamem Blick das Leben ihres Volkes erwägt und unterscheidet sowie von den verschiedenen Wirklichkeiten der Pfarreien ausgehend nach erneuerten Wegen der Evangelisierung und der Mission sucht.

Die Katholische Aktion hat traditionell vier Stützpfeiler oder »Beine« wie ein Vierfüßer: Gebet, Ausbildung, Opfer und Apostolat. Dem jeweiligen Augenblick ihrer Geschichte entsprechend hat sie zunächst ein »Bein« und dann die anderen aufgesetzt. So trat in einigen Augenblicken das Gebet oder der Unterricht in der Lehre der Kirche besonders stark hervor. Aufgrund der Wesenszüge der heutigen Zeit muss das Apostolat das entscheidende Merkmal sein: es ist das »Bein«, das zuerst aufgesetzt wird. Es bedeutet nicht, die anderen Aspekte zu vernachlässigen, sondern bringt diese im Gegenteil hervor. Das missionarische Apostolat braucht Gebet, Ausbildung und Opfer. Das kommt im Schlussdokument von Aparecida und in Evangelii gaudium ganz klar zum Ausdruck. Es gibt eine ganzheitliche Dynamik in der Mission.

Bildet aus: indem ihr einen Wachstumsprozess im Glauben anbietet, einen kontinuierlichen Weg der Katechese, der auf die Mission ausgerichtet und jeder Wirklichkeit angemessen ist. Stützt euch dabei auf das Wort Gottes, um eine glückliche Freundschaft mit Jesus und die Erfahrung der brüderlichen Liebe zu fördern.

Betet: in dieser heiligen Extrovertiertheit, die das Herz den Nöten des Volkes, seinen Sorgen, seinen Freuden zuwendet. Ein Gebet, das unterwegs ist, das euch sehr weit bringt. So vermeidet  ihr es, ständig auf euch selbst zu schauen.

Bringt Opfer: aber nicht, um euch selbst sauberer zu fühlen. Ein großherziges Opfer ist das, was den anderen guttut. Opfert Zeit, um herauszufinden, wie ihr die anderen wachsen lassen könnt. Bringt das, was ihr in den Taschen habt, zum Opfer, indem ihr es mit denen teilt, die weniger haben. Bringt großherzig das Geschenk der persönlichen Berufung ein, um das gemeinsame Haus zu verschönern und wachsen zu lassen.

Erneuerter Einsatz für die Evangelisierung – Diözesen und Pfarrgemeinden

Die Mission ist keine Aufgabe unter vielen in der Katholischen Aktion, sondern es ist »die« Aufgabe. Die Katholische Aktion hat das Charisma, die Pastoral der Kirche zu fördern. Wenn die Mission nicht die charakteristische Kraft ist, dann wird das Wesen der Katholischen Aktion verfälscht und verliert seinen Daseinsgrund.

Es ist lebensnotwendig, den Einsatz der Katholischen Aktion für die Evangelisierung zu erneuern und zeitgemäß zu gestalten und alle Menschen an allen Orten, bei allen Gelegenheiten, in allen existentiellen Randgebieten zu erreichen – und zwar konkret und nicht in Form einer bloßen Formulierung von Grundsätzen. Das setzt voraus, eure Ausbildungspläne, eure Formen des Apostolats und sogar euer Gebet neu zu überdenken, um vom Wesen her und nicht nur gelegentlich missionarisch zu sein. Gebt das alte Kriterium auf: Das haben wir immer schon so gemacht. Es gibt Dinge, die wirklich sehr gut und verdienstvoll waren, die jedoch fehl am Platze wären, wenn wir sie heute wiederholen wollten.

Die Katholische Aktion muss die Gesamtheit der Sendung der Kirche annehmen, in großherziger Zugehörigkeit zur Diözesankirche, von der Pfarrgemeinde her. Die Sendung der Weltkirche wird in jeder Teilkirche in ihrer eigenen Ausprägung umgesetzt. Ebenso gewinnt die Katholische Aktion authentisches Leben, wenn sie auf die Pastoral jeder Diözesankirche in ihrer konkreten Einbindung von den Pfarrgemeinden her antwortet und sie sich zu eigen macht.

Die Katholische Aktion muss der Diözesankirche reife Laien schenken, die bereitwillig den Pastoralplänen eines jeden Ortes dienen und so ihre Berufung verwirklichen. Sie müssen konkrete Gestalt annehmen. Ihr dürft nicht zu jenen Gruppierungen gehören, die so universal sind, dass sie nirgends den Fuß auf die Erde setzen, niemandem Rechenschaft geben und überall nach den Dingen suchen, die ihnen am besten gefallen.

Handlungsträger – ausnahmslos

Alle Mitglieder der Katholischen Aktion sind auf dynamische Weise missionarisch. Kinder evangelisieren die Kinder, Jugendliche die Jugendlichen, Erwachsene die Erwachsenen und so weiter. Man kann seinesgleichen am besten zeigen, dass es möglich ist, die Freude des Glaubens zu leben.

Vermeidet die perfektionistische Versuchung der ewigen Vorbereitung auf die Mission und der ewigen Analysen, die, wenn sie abgeschlossen sind, bereits nicht mehr zeitgemäß oder nicht mehr aktuell sind. Das Vorbild ist Jesus mit den Aposteln: Er sandte sie aus mit dem, was sie hatten.

Danach versammelte er sie wieder und half ihnen, über das Erlebte nachzudenken. Lasst die Wirklichkeit euren Rhythmus bestimmen und lasst euch vom Heiligen Geist leiten. Er ist der innere Lehrmeister, der unser Handeln erleuchtet, wenn wir frei sind von Vorurteilen oder Konditionierungen. Man lernt evangelisieren, indem man evangelisiert, ebenso wie man beten lernt, indem man betet, wenn wir das Herz bereit machen.

Alle können missionieren, auch wenn nicht alle auf die Straße oder auf das Land hinausgehen können. Sehr wichtig ist der Platz, den ihr älteren Menschen überlasst, die schon lange dazugehören oder sich anschließen. Hier gibt es ein  passendes Wort: Sie können der kontemplative Teil innerhalb der verschiedenen Abteilungen der Katholischen Aktion sein und Fürbitte halten. Sie können den Schatz des Gebets und der Gnade  für die Mission schaffen. Ebenso die Kranken. Gott hört dieses Gebet mit besonderer Zärtlichkeit. Alle müssen sich zugehörig fühlen und erkennen, dass sie aktiv und notwendig sind.

Empfänger – alle Menschen und alle Randgebiete

Die Katholische Aktion muss in der politischen, unternehmerischen, beruflichen Welt präsent sein, aber nicht, weil sie sich für vollkommene, ausgebildete Christen hält, sondern um besser zu dienen. Die Katholische Aktion muss unbedingt in Gefängnissen, Krankenhäusern, auf der Straße, in den Häusern, in den Fabriken anwesend sein. Wenn es nicht so ist, wird sie zu einer Organisation von Exklusivisten, die niemandem etwas zu sagen hat, auch nicht der Kirche.

Ich wünsche eine Katholische Aktion mitten unter den Leuten, in der Pfarrgemeinde, in der Diözese, im Stadtteil, in der Familie, im Studium und in der Arbeit, auf dem Land, in allen Lebensbereichen. Auf diesen neuen Areopagen werden Entscheidungen getroffen, wird Kultur geschaffen. Macht die Eingliederung leichter. Seid keine Zollstellen. Ihr dürft nicht restriktiver sein als die Kirche und nicht päpstlicher als der Papst. Öffnet die Türen, prüft nicht die christliche Vollkommenheit, denn dadurch fördert ihr ein heuchlerisches Pharisäertum. Was gebraucht wird, ist aktive Barmherzigkeit. Die Verpflichtung, die die Laien der Katholischen Aktion übernehmen, ist nach vorn gerichtet. Es ist die Entscheidung, am Aufbau des Reiches Gottes mitzuarbeiten.

Diese besondere Gnade darf nicht »bürokratisiert« werden, denn die Einladung des Herrn kommt dann, wenn wir sie am wenigsten erwarten. Auch dürfen wir die offizielle Aufnahme nicht »sakramentalisieren« durch Mittel, die anderen Bereichen des Lebens und des Glaubens entsprechen und nicht der Evangelisierungstätigkeit. Alle haben das Recht, Evangelisierer zu sein. Die Katholische Aktion möge allen den Raum geben, dazuzugehören und christliche Erfahrungen zu machen, die sich aus persönlichen Gründen als »Christen zweiter Klasse« fühlen.

Form – Mitten unter dem Volk

Die Form hängt von den Empfängern ab. Wie das Konzil uns gesagt hat und wir oft in der Messe beten: aufmerksam, und indem wir die Kämpfe und Hoffnungen der Menschen teilen, um ihnen den Weg des Heils zu zeigen. Die Katholische Aktion darf nicht dem Volk fernstehen, sondern sie geht vielmehr aus dem Volk hervor und muss mitten unter dem Volk sein. Ihr müsst die Katholische Aktion volksnäher machen. Das ist keine Frage des Image, sondern der Wahrhaftigkeit und des Charismas. Auch ist es keine Demagogie, sondern es bedeutet, dem Meister nachzufolgen, der niemals Widerwillen empfand. Um diesen Weg verfolgen zu können, ist es gut, in ein einfaches Wohnviertel zu gehen. Das Leben mit den Menschen zu teilen und zu lernen, wo ihre Interessen liegen und wonach sie suchen, was ihre tiefsten Wünsche und Wunden sind; und was sie von uns brauchen. Das ist grundlegend, um nicht in die Unfruchtbarkeit derer zu verfallen, die Antworten auf Fragen geben, die keiner stellt. Über die Formen der Evangelisierung kann man am Schreibtisch nachdenken, aber erst nachdem man unter das Volk gegangen ist – und nicht umgekehrt.

Eine Katholische Aktion, die volksnäher ist und mehr der Wirklichkeit entspricht, wird für euch Probleme mit sich bringen, denn es werden Menschen um Aufnahme in die Einrichtung bitten, die scheinbar dafür nicht geeignet sind: Familien, in denen die Eltern nicht kirchlich verheiratet sind, Männer und Frauen, die eine schwierige Vergangenheit oder Gegenwart haben, aber kämpfen, orientierungslose und verletzte junge Menschen. Es ist eine Herausforderung für die kirchliche Mütterlichkeit der Katholischen Aktion: alle aufzunehmen und auf dem Weg des Lebens zu begleiten, mit den Kreuzen, die sie auf den Schultern tragen. Alle können dazugehören mit dem, was sie haben, und mit dem, was sie können. Für dieses konkrete Volk bildet ihr euch aus. Mit diesem und für dieses konkrete Volk betet ihr.

Schärft den Blick, um die Zeichen Gottes zu sehen, die in der Wirklichkeit vorhanden sind, vor allem in der Volksfrömmigkeit. Von hier aus könnt ihr das Herz der Menschen besser verstehen und entdecken, wie Gott auf überraschende und unsere Vorstellungen übersteigende Weise handelt.

Katholische Aktion im Aufbruch – Passion

für Christus und für unser Volk Ihr habe eine Katholische Aktion im Aufbruch geplant, und das ist sehr gut, weil euch das auf eure eigene Achse ausrichtet. Aufbruch bedeutet Offenheit, Großherzigkeit, Begegnung mit der Wirklichkeit über die eigenen vier Wände der Institution und der Pfarrgemeinden hinaus. Es bedeutet, darauf zu verzichten, die Dinge zu sehr zu kontrollieren und die Ergebnisse zu planen. Diese Freiheit, die Frucht des Heiligen Geistes ist, lässt euch wachsen.

Der Evangelisierungsplan der Katholischen Aktion muss folgende Schritte enthalten: »primerear « – die Initiative ergreifen –, sich einmischen, begleiten, Früchte tragen und feiern. Ein Schritt voran im Aufbruch, der Wirklichkeit entsprechend und gemeinsam auf dem Weg. Das ist bereits eine Frucht, die gefeiert wird. Steckt alle mit  der Freude des Glaubens an; man muss die Freude am Evangelisieren bei allen Gelegenheiten bemerken, zur Zeit und zur Unzeit.

Geratet nicht in die Versuchung des Strukturalismus. Seid mutig, ihr seid der Kirche nicht treuer, wenn ihr bei jedem Schritt darauf wartet, dass man euch sagt, was ihr tun sollt. Ermutigt eure Mitglieder, die Mission von Mensch zu Mensch zu nutzen, die zufällig sein oder vom missionarischen Handeln der Gemeinschaft ausgehen kann.

Klerikalisiert die Laien nicht. Das Bestreben eurer Mitglieder sei nicht die Zugehörigkeit zum Hohen Rat der Pfarrgemeinden, die sich um den Pfarrer scharen, sondern die Leidenschaft für das Reich Gottes. Vergesst jedoch nicht, das Thema der Berufung ernst zu nehmen: Sie ist Schule der Heiligkeit, die natürlich durch die Entdeckung der eigenen Berufung geht, die nicht darin besteht, ein Leiter oder Kirchenvorsteher mit Diplom zu sein, sondern vor allen Dingen eines: jemand, der evangelisiert.

Ihr müsst Ort der Begegnung für die übrigen institutionellen Charismen und Bewegungen in der Kirche sein, ohne Furcht, etwas von eurer Identität einzubüßen. Außerdem müssen aus euren Reihen Evangelisierer, Katecheten, Missionare, Sozialarbeiter hervorgehen, die die Kirche weiter wachsen lassen.

Oft heißt es, dass die Katholische Aktion der lange Arm der Hierarchie ist, und das ist durchaus keine Berechtigung, auf andere herabzuschauen, sondern eine sehr große Verantwortung, die Treue und Übereinstimmung mit dem voraussetzt, was die Kirche uns in jedem Augenblick der Geschichte zeigt – ohne sich an vergangene Formen zu klammern, als wären sie die einzig möglichen.

Die Treue zur Mission verlangt die »gute Formbarkeit« dessen, der mit einem Ohr auf das Volk und mit dem anderen auf Gott hört. In der geistlichen Broschüre »La Acción católica a luz de la teología Tomista« [Die Katholische Aktion im Licht der thomistischen Theologie] von 1937 erscheint folgender Titel: »Sollte die ›Katholische Aktion‹ nicht zur ›Katholischen Passion‹ werden?« Die katholische Passion, die Passion der Kirche bedeutet, die sanfte und tröstliche Freude des Evangelisierens zu leben. Das ist es, was wir von der Katholischen Aktion brauchen. Vielen Dank.

 



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