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APOSTOLISCHE REISE VON PAPST FRANZISKUS 
ZUR ABSCHLUSSMESSE DES 
52. EUCHARISTISCHEN WELTKONGRESSES IN BUDAPEST UND IN DIE SLOWAKEI 
(12.-15. SEPTEMBER 2021)

BEGEGNUNG MIT DEN JUGENDLICHEN

 ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS 

Lokomotiva-Stadion (Kosice)
Dienstag, 14. September 2021

[Multimedia]

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Liebe junge Leute, liebe Brüder und Schwestern, dobrý večer! (Guten Abend!)

Über die Worte von Bischof Bernard, über eure Zeugnisse und eure Fragen habe ich mich sehr gefreut. Ihr habt drei Fragen gestellt, und ich möchte zusammen mit euch versuchen, Antworten zu finden.

Ich beginne mit Peter und Zuzka, mit eurer Frage nach der Liebe in der Partnerschaft. Die Liebe ist der größte Traum im Leben, aber sie ist kein billiger Traum. Sie ist schön, aber nicht einfach, wie alle großen Dinge im Leben. Sie ist der Traum schlechthin, dieser ist aber nicht leicht zu deuten. Ich möchte einen Satz von euch aufgreifen: „Wir haben begonnen, dieses Geschenk mit ganz neuen Augen zu sehen“. Wir brauchen in der Tat, wie ihr gesagt habt, neue Augen, Augen, die sich nicht vom Schein täuschen lassen. Liebe Freunde, lasst uns die Liebe nicht banalisieren, denn die Liebe ist nicht nur ein Gefühl und eine Empfindung, und wenn doch, dann ist das nur der Anfang. Bei der Liebe geht es nicht darum, alles sofort zu haben, sie folgt nicht einer „Einweg-Logik“. Liebe ist Treue, Geschenk, Verantwortung.

Die wahre Originalität heute, die wahre Revolution, besteht darin, sich gegen die Kultur des Provisorischen aufzulehnen, über den Instinkt und den Augenblick hinauszugehen, das Leben lang und mit der ganzen eigenen Person zu lieben. Wir sind nicht hier, um uns irgendwie durchzuschlagen, wir sind hier, um aus unserem Leben ein Abenteuer zu machen. Ihr alle habt gewiss bedeutende Geschichten im Kopf, die ihr in Romanen gelesen, in unvergesslichen Filmen gesehen oder in bewegenden Erzählungen gehört habt. Wenn man darüber nachdenkt, gibt es in großen Geschichten immer zwei Komponenten: eine ist die Liebe, die andere das Abenteuer, der Heldenmut. Diese beiden Komponenten gehören immer zusammen. Damit das Leben großartig wird, braucht es beides: Liebe und Heldenmut. Schauen wir auf Jesus, schauen wir auf den Gekreuzigten, da finden wir beides: grenzenlose Liebe und den Mut, sein Leben ganz und gar – und nicht nur teilweise – hinzugeben. Hier vor uns steht die selige Anna, eine Heldin der Liebe. Sie sagt uns, dass wir nach höherem streben sollen. Bitte, lassen wir die Tage unseres Lebens nicht wie die Episoden einer Seifenoper vorüberziehen.

Wenn ihr also von der Liebe träumt, glaubt nicht an Spezialeffekte, sondern daran, dass jeder von euch ganz speziell, etwas Besonderes ist, jeder von euch. Jeder Mensch ist ein Geschenk und jeder kann sein Leben, das eigene Leben, zu einem Geschenk machen. Die Anderen, die Gesellschaft, die Armen warten auf euch. Träumt von einer Schönheit, die über das Äußere, über das Make-up und über Modetrends hinausgeht. Träumt und habt keine Angst, eine Familie zu gründen, Kinder zu bekommen und zu erziehen, und im Leben alles mit einem anderen Menschen zu teilen, ohne dass ihr euch für eure Schwächen schämen müsstet, denn es gibt diesen anderen Menschen, der deine Unvollkommenheiten annimmt und liebt, der dich liebt, so wie du bist. Das ist Liebe: den anderen lieben wie er ist – und das ist schön! Die Träume, die wir haben, sagen uns etwas über das Leben, das wir uns wünschen. Die großen Träume erschöpfen sich nicht etwa in leistungsstarken Autos, modischer Kleidung oder einem extravaganten Urlaub. Hört nicht auf diejenigen, die euch von Träumen erzählen und euch stattdessen Illusionen verkaufen. Das eine ist der Traum, das Träumen, und etwas anderes ist es, Illusionen zu haben. Diejenigen, die Illusionen verkaufen, dabei aber von Träumen sprechen, sind Manipulatoren des Glücks. Wir wurden für eine größere Freude geschaffen. Jeder von uns ist einzigartig und auf der Welt, um sich in seiner Einzigartigkeit geliebt zu erfahren und die Anderen zu lieben, so, wie es kein anderer an seiner Stelle tun kann. Man lebt nicht, um auf der Reservebank zu sitzen und den Ersatzmann für jemand anderen zu spielen. Nein, jeder Mensch ist in den Augen Gottes einzigartig. Lasst euch nicht „vereinheitlichen“; wir sind keine Serienprodukte, wir sind einzigartig, wir sind frei, und wir sind auf der Welt, um eine Liebesgeschichte mit Gott zu leben, um mit Kühnheit starke Entscheidungen zu treffen, um das wunderbare Risiko der Liebe zu wagen. Ich frage euch: Glaubt ihr das? Ich frage euch: Ist das euer Traum? [Jugendliche antworten „Ja!“] Sicher? [„Ja!“] Gut!

Ich möchte euch einen weiteren Rat geben. Damit die Liebe Früchte trägt, dürft ihr die Wurzeln nicht vergessen. Und was sind eure Wurzeln? Eure Eltern und vor allem eure Großeltern. Ja, die Großeltern. Sie haben euch den Boden bereitet. Gießt diese Wurzeln, geht zu euren Großeltern, das wird euch guttun. Stellt ihnen Fragen, nehmt euch Zeit und hört euch an, was sie zu erzählen haben. Die Menschen heute laufen Gefahr entwurzelt aufzuwachsen, weil wir zur Eile neigen und alles schnell erledigen wollen. Was wir im Internet sehen, können wir sofort zu uns nach Hause holen; ein Klick und Menschen und Dinge erscheinen auf dem Bildschirm. Und dann passiert es, dass diese uns vertrauter werden als die Personen, denen wir unser Leben verdanken. Voll von virtuellen Botschaften riskieren wir, unsere realen Wurzeln zu verlieren. Sich aus dem Leben auszukoppeln und in einem Vakuum herumzufantasieren ist nicht gut für uns, es ist eine Versuchung des Bösen. Gott möchte, dass wir fest auf dem Boden stehen, in Verbindung mit dem Leben, niemals verschlossen, sondern immer offen für alle! Verwurzelt und offen. Habt ihr verstanden? Verwurzelt und offen.

Ja, das stimmt, aber – so werdet ihr mir sagen – die Welt denkt anders. Es wird viel von Liebe gesprochen, aber in Wirklichkeit gilt ein anderes Prinzip: Jeder muss an sich selbst denken. Liebe junge Menschen, lasst euch davon nicht beeinflussen, von dem, was falsch ist, von dem Bösen, das um sich greift. Lasst euch nicht von der Traurigkeit, von der resignierten Mutlosigkeit derer gefangen nehmen, die sagen, dass sich nie etwas ändern wird. Wenn man das glaubt, erkrankt man an Pessimismus. Habt ihr schon mal das Gesicht eines Jugendlichen, eines pessimistischen jungen Menschen gesehen? Habt ihr gesehen, was für ein Gesicht die machen? Ein verbittertes Gesicht, ein Gesicht voller Bitterkeit. Der Pessimismus lässt uns an Verbitterung erkranken, er macht uns innerlich alt. Und man wird jung alt. Heute gibt es so viele zersetzende Kräfte, so viele, die alles und jeden beschuldigen, „Negativitätsverstärker“, „Beschwerde-Profis“. Hört nicht auf sie, denn Jammern und Pessimismus sind nicht christlich, der Herr verabscheut Traurigkeit und Selbstmitleid. Wir sind nicht dazu geschaffen, den Kopf hängen zu lassen, sondern unsere Augen zum Himmel zu erheben, zu den Mitmenschen, zur Gesellschaft.

Und was können wir tun, wenn wir niedergeschlagen sind – und wir alle sind in gewissen Lebenssituationen ein bisschen niedergeschlagen, wir alle kennen diese Erfahrung – also, was können wir da tun? Es gibt ein sicheres Mittel, um wieder aufzustehen, nämlich das, was du uns empfohlen hast, Petra: die Beichte. Habt ihr Petra zugehört? [„Ja!“] Das Heilmittel der Beichte. Du hast mich gefragt: „Wie kann ein junger Mensch die Hindernisse auf dem Weg zur Barmherzigkeit Gottes überwinden?“. Auch hier ist die Blickrichtung entscheidend, dass man auf das blickt, was zählt. Wenn ich euch frage: „Woran denkt ihr, wenn ihr zur Beichte geht?“ – sagt es nicht laut – dann bin ich mir der Antwort fast sicher: „An die Sünden“. Aber – so frage ich euch, antwortet – sind die Sünden wirklich das Zentrale an der Beichte? [„Nein!“] Ich höre nichts… [„Nein!“] Gut! Möchte Gott, dass du an dich und deine Sünden denkst, wenn du zu ihm kommst, oder will er, dass du an ihn denkst? Was will Gott? Dass zu dich ihm zuwendest, oder deinen Sünden? Was will er? Antwortet. [„Ihm!“] Lauter, ich höre nichts… [„Ihm!“] Was ist hier zentral – die Sünden oder der Vater, der alle Sünden vergibt? Der Vater. Man geht nicht zur Beichte wie Skrupulanten, die sich demütigen müssen, sondern als Kind, das sich in die Arme des Vaters wirft. Und der Vater richtet uns in jeder Situation auf, er vergibt uns jede Sünde. Hört gut zu: Gott vergibt immer! Habt ihr verstanden? Gott vergibt immer!

Ich gebe euch einen kleinen Ratschlag: Nehmt euch nach jeder Beichte noch einige Augenblicke Zeit, um euch die Vergebung bewusst zu machen, die ihr empfangen habt. Bewahrt euch diesen Frieden im Herzen, diese Freiheit, die ihr in euch spürt. Nicht die Sünden, die nicht mehr da sind, sondern die Vergebung, die Gott dir geschenkt hat, die Liebkosung Gottes, des Vaters. Behaltet das und lasst euch das nicht wegnehmen. Und wenn ihr das nächste Mal zur Beichte geht, denkt wieder daran: Ich empfange jetzt wieder diese Umarmung, die mir so gutgetan hat. Ich gehe nicht zu einem Richter, um Rechnungen zu begleichen, ich gehe zu Jesus, der mich liebt und mich heilt. Da kommt mir gerade ein Ratschlag an die Priester in den Sinn: Ich möchte den Priestern sagen, sie sollen sich als Stellvertreter Gottes, des Vaters, fühlen, der immer vergibt und umarmt und annimmt. Räumen wir Gott in der Beichte den ersten Platz ein. Wenn Gott der Protagonist ist, wird alles schön und die Beichte wird zum Sakrament der Freude. Ja, der Freude, nicht der Angst und nicht der Verurteilung, sondern der Freude. Und es ist wichtig, dass die Priester barmherzig sind. Nie sollen sie neugierig sein, nie Inquisitoren, bitte, sondern Brüder, die die Vergebung des Vaters schenken, Brüder, die zu dieser Umarmung des Vaters hin begleiten.

Nun könnte aber jemand sagen: „Ich schäme mich aber trotzdem so, ich kann die Scham vor der Beichte nicht überwinden.“ Das ist kein Problem, das ist etwas Gutes! Manchmal im Leben tut es gut, sich zu schämen. Wenn du dich schämst, bedeutet das, dass du nicht einfach akzeptierst, was du getan hast. Scham ist ein gutes Zeichen, aber wie jedes Zeichen verlangt es, dass man darüber hinausgeht. Bleib nicht ein Gefangener der Scham, denn Gott schämt sich deiner nie. Wo du dich für dich selber schämst, genau da liebt dich Gott. Und er liebt dich immer. Ich sage euch etwas, das nicht auf dem Großbildschirm zu sehen ist. In meinem Heimatland nennen wir ungezogene Menschen, die immer etwas Schlechtes im Schilde führen, „schamlos“.

Und noch ein letzter Zweifel: „Aber Pater, ich kann mir selbst nicht vergeben, also wird auch Gott mir nicht vergeben können, denn ich werde immer wieder in dieselben Sünden zurückfallen“. Aber hör mal, wann ist Gott beleidigt? Wenn du ihn um Vergebung bittest? Nein, niemals. Gott leidet, wenn wir denken, dass er uns nicht vergeben kann, denn das ist, als würde man ihm sagen: „Deine Liebe ist schwach!“. Ich würde sagen, das ist Gott gegenüber nicht schön! Ihm zu sagen „deine Liebe ist schwach“. Gott freut sich vielmehr darüber, uns zu vergeben – jedes Mal. Wenn er uns aufrichtet, glaubt er an uns, als wäre es das erste Mal, er verliert den Mut nicht. Wir lassen uns entmutigen, nicht er. Er sieht da nicht Sünder, die beurteilt gehören, sondern liebenswerte Kinder. Er sieht da keine verfehlten Existenzen, sondern geliebte Kinder; vielleicht sind sie verwundet, aber das weckt in ihm nur noch mehr Mitgefühl und Liebe. Und jedes Mal, wenn wir beichten – vergesst das nie – gibt es im Himmel ein Fest. Möge es auch auf Erden so sein!

Und zum Schluss: Peter und Lenka, ihr habt in eurem Leben die Erfahrung des Kreuzes gemacht. Vielen Dank für euer Zeugnis. Ihr habt gefragt, wie man „junge Menschen ermutigen kann, so dass sie keine Angst haben, das Kreuz anzunehmen und zu umarmen“. Umarmen ist ein schönes Verb. Die Umarmung hilft, Angst zu überwinden. Wenn wir umarmt werden, gewinnen wir das Vertrauen in uns selbst und auch in das Leben zurück. Lassen wir uns also von Jesus umarmen. Denn wenn wir Jesus umarmen, fassen wir wieder Hoffnung. Das Kreuz kann man nicht alleine annehmen; der Schmerz rettet niemanden. Es ist die Liebe, die den Schmerz verwandelt. Deshalb muss man sein Kreuz zusammen mit Jesus annehmen, niemals allein! Wenn man sich auf Jesus einlässt, lebt die Freude wieder auf. Und die Freude Jesu verwandelt sich im Schmerz in Frieden. Liebe junge Menschen, ich wünsche euch diese Freude, die stärker ist als alles andere. Ich möchte, dass ihr sie an eure Freunde weitergebt. Keine Predigten, sondern Freude. Bringt Freude! Nicht Worte, sondern ein Lächeln, geschwisterliche Nähe. Ich danke euch, dass ihr mir zugehört habt, und ich bitte euch zum Schluss um noch etwas: Vergesst nicht, für mich zu beten. Ďakujem! [Danke!]

Stehen wir alle auf und beten wir zu Gott, der uns liebt, beten wir das Vaterunser: „Vater unser…“ [auf Slowakisch]

[Segen]



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