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APOSTOLISCHE REISE VON PAPST FRANZISKUS
IN DIE DEMOKRATISCHE REPUBLIK KONGO UND DEN SÜDSUDAN

(Ökumenische Pilgerreise in den Südsudan)
[31. Januar - 5. Februar 2023]

Begegnung mit Repräsentanten karitativer Hilfswerke

ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS 

Apostolische Nuntiatur (Kinshasa)
Mittwoch, 1. Februar 2023

[Multimedia]

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Liebe Brüder und Schwestern,

ich grüße euch herzlich und danke euch für die Lieder, die Zeugnisse und das, was ihr mir erzählt habt, aber vor allem für alles, was ihr tut! In diesem Land, in dem es viel Gewalt gibt, die wie der donnernde Schlag eines gefällten Baumes widerhallt, seid ihr der Wald, der jeden Tag in Stille wächst und die Luft besser macht, so dass man sie atmen kann. Natürlich macht der Baum, der fällt, mehr Lärm, aber Gott liebt und pflegt die Großherzigkeit, die im Stillen sprießt und Früchte trägt, und er schaut mit Freude auf diejenigen, die den Bedürftigen dienen. So wächst das Gute, in der Schlichtheit von Händen und Herzen, die sich auf die anderen zubewegen, mit dem Mut der kleinen Schritte, um im Namen Jesu auf den Schwächsten nahe zu sein. Das von Cecilia zitierte Sprichwort ist wirklich wahr: »Tausend Schritte beginnen immer mit einem«!

Eines hat mich besonders getroffen: Ihr habt mir nicht einfach nur soziale Probleme und viele Daten zur Armut aufgezählt, sondern habt vor allem mit Zuneigung über die Armen gesprochen. Ihr habt von euch selbst und von Menschen gesprochen, die ihr vorher nicht kanntet und die euch jetzt vertraut geworden sind: Namen und Gesichter. Danke für diesen Blick, der es versteht, Jesus in seinen kleinsten Brüdern und Schwestern zu erkennen. Den Herrn sucht und liebt man in den Armen, und als Christen müssen wir aufpassen, wenn wir uns von ihnen entfernen, denn es stimmt etwas nicht, wenn ein Gläubiger die von Christus besonders Geliebten auf Abstand hält.

Während viele sie heute ausschließen, nehmt umarmt ihr sie an; während die Welt sie ausbeutet, fördert ihr sie. Förderung gegen Ausbeutung: Dies ist der Wald, der wächst, während die Rodung der Ausgrenzung gewalttätig voranschreitet! Ich würde gern dem, was ihr tut, eine Stimme verleihen, um Wachstum und Hoffnung in der Demokratischen Republik Kongo und auf diesem Kontinent zu fördern. Ich bin hierhergekommen, weil ich denen eine Stimme verleihen möchte, die keine Stimme haben. Ich wünschte sehr, die Medien würden diesem Land und Afrika insgesamt mehr Platz einräumen! Dass die Völker, Kulturen, Leiden und Hoffnungen dieses jungen Kontinents der Zukunft bekannt werden! Man wird ungeheure Talente und Geschichten von wahrer menschlicher und christlicher Größe entdecken, Geschichten, die in einem lauteren Klima entstanden sind, dem die Achtung vor den Kleinen, den Alten und der Schöpfung vertraut ist.

Es ist schön, euch hier in der Nuntiatur eine Stimme zu verleihen, denn die Päpstlichen Vertretungen, die über die ganze Welt verstreuten „Häuser des Papstes“, sind und sollen Verstärker von menschlicher Förderung sein, Knotenpunkte der Nächstenliebe, in erster Linie durch eine Diplomatie der Barmherzigkeit, durch Begünstigung konkreter Hilfen und durch eine Förderung von Netzwerken der Zusammenarbeit. Dies geschieht bereits ohne großes Aufheben in vielen Teilen der Welt und hier seit langem; dieses Haus ist seit Jahrzehnten ein Ort der Nähe: Vor neunzig Jahren wurde es als Apostolische Delegation eröffnet, in wenigen Tagen wird es den sechzigsten Jahrestag seiner Erhebung zur Nuntiatur feiern.

Brüder und Schwestern, die ihr dieses Land liebt und euch seinen Menschen widmet: Was ihr tut, ist wunderbar, aber es ist keineswegs einfach. Es treibt einem die Tränen in die Augen, wenn man Geschichten hört, wie die, die ihr mir erzählt habt, von leidenden Menschen, die durch die allgemeine Gleichgültigkeit zu einem Leben auf der Straße verdammt sind, was sie der Gefahr körperlicher Gewalt und sexuellen Missbrauchs aussetzt und sogar der Gefahr der Anklage wegen Hexerei, obwohl sie nur Liebe und Fürsorge brauchen. Ich war beeindruckt von dem, was du uns gesagt hast, Tekadio, dass du dich wegen der Lepra auch heute noch, im Jahr 2023, »diskriminiert, verachtet und gedemütigt« fühlst, während die Menschen mit einer Mischung aus Scham, Unverständnis und Angst sich beeilen, dort zu putzen, wo auch nur dein Schatten vorübergezogen ist. Die Armut und die Ablehnung beleidigen den Menschen, sie entstellen seine Würde: Sie sind wie Asche, die das Feuer auslöscht, das sie in ihrem inneren birgt. Ja, jeder Mensch strahlt als Ebenbild Gottes ein helles Feuer aus, aber nur die Liebe entfernt die Asche, die es bedeckt: Nur durch das Wiederherstellen der Würde gibt man Menschlichkeit zurück! Ich bin betrübt zu hören, dass, wie in vielen Teilen der Welt, auch hier Kinder und alte Menschen verstoßen werden. Das ist nicht nur skandalös, sondern schadet auch der gesamten Gesellschaft, die gerade auf der Fürsorge für Alte und für Kinder, für die Wurzeln und für die Zukunft aufgebaut ist. Denken wir daran: Eine wirklich menschliche Entwicklung kann nicht ohne Erinnerung und Zukunft stattfinden. Die Erinnerung, die von den Älteren eingebracht wird, die Zukunft, die die Jüngeren bringen.

Brüder und Schwestern, heute möchte ich mich mit euch und über euch mit den vielen, die in diesem großen Land Gutes bewirken, über zwei Fragen austauschen. Zunächst einmal: Lohnt sich das? Lohnt sich der Aufwand angesichts eines Ozeans der Not, der ständig dramatisch anwächst? Ist das nicht ein vergebliches und oft auch entmutigendes Unterfangen? Dabei hilft uns, was Schwester Maria Celeste sagte: »Trotz unserer Kleinheit möchte der gekreuzigte Herr uns an seiner Seite haben, um die Not der Welt zu tragen«. Es ist wahr, die Nächstenliebe bringt uns mit Gott in Einklang, und er überrascht uns mit unverhofften Wundern, die durch diejenigen geschehen, die lieben. Eure Geschichten sind voll von erstaunlichen Ereignissen, die dem Herzen Gottes bekannt und für menschliche Kräfte allein unmöglich sind. Ich denke an das, was du uns gesagt hast, Pierre, als du erzähltest, dass du in der Wüste der Ohnmacht und der Gleichgültigkeit, im Meer des Kummers, zusammen mit deinen Freunden entdeckt hast, dass Gott dich nicht vergessen hat, weil er dir Menschen geschickt hat, die sich nicht abwandten, als sie euren Weg kreuzten. So habt ihr in ihrem Gesicht das von Jesus wiederentdeckt und wollt nun dasselbe für andere tun. So ist das Gute: Es breitet sich aus, es lässt sich nicht durch Resignation und Statistiken lähmen, sondern lädt dazu ein, den Anderen das zu geben, was man selbst unentgeltlich erhalten hat. Ich empfange und ich gebe. Das sollten vor allem junge Menschen sehen: Gesichter, die die Gleichgültigkeit überwinden, indem sie den Menschen in die Augen schauen, Hände, die nicht zu den Waffen greifen und nicht mit Geld hantieren, sondern sich demjenigen zuwenden, der am Boden ist und ihn zu seiner Würde erheben, zur Würde einer Tochter und eines Sohnes Gottes. Nur in einem Fall ist es erlaubt, auf eine Person herabzusehen: um ihr zu helfen, sich aufzurichten. Andernfalls darf man niemals auf einen Menschen herabsehen.

Es lohnt sich also und es ist ein schönes Zeichen, dass die Behörden durch die jüngsten Vereinbarungen mit der Bischofskonferenz die Arbeit derjenigen, die sich im sozialen und karitativen Bereich engagieren, anerkannt und gewürdigt haben. Das bedeutet sicher nicht, dass man die Sorge um die Schwächsten systematisch an das Ehrenamt delegieren kann, genau so wenig wie den Einsatz im Gesundheits- und Bildungswesen. Dies sind vorrangig Aufgaben der Regierenden, wobei darauf zu achten ist, dass die Grundversorgung auch für die Bevölkerung gewährleistet ist, die weit entfernt von den großen urbanen Zentren lebt. Gleichzeitig dürfen diejenigen, die an Christus glauben, das Zeugnis der Nächstenliebe, das ein Zeugnis für Gott ist, niemals durch das Streben nach Privilegien, Prestige, Sichtbarkeit und Macht besudeln. Das ist schlecht und das darf man niemals tun! Nein, die Mittel, Ressourcen und guten Ergebnisse sind für die Armen da, und diejenigen, die sich um sie kümmern, dürfen nie vergessen, dass Macht ein Dienst ist und dass Nächstenliebe nicht dazu führt, sich auf den Lorbeeren auszuruhen, sondern Eile und konkretes Handeln verlangt. In diesem Sinne möchte ich unter den vielen Dingen, die zu tun sind, eine Herausforderung hervorheben, die alle betrifft und besonders auch dieses Land. Die Ursache für Armut ist nicht so sehr der Mangel an Gütern und Möglichkeiten, sondern deren ungleiche Verteilung. Die Wohlhabenden – vor allem, wenn sie Christen sind – sind aufgefordert das, was sie haben, mit denen zu teilen, denen es am Nötigen fehlt, und das umso mehr, wenn sie demselben Volk angehören. Das ist keine Frage von Güte, sondern von Gerechtigkeit. Das ist nicht Menschenfreundlichkeit, sondern Glaube, denn, wie die Schrift sagt, »der Glaube ohne Werke [ist] tot« (Jak 2,26).

Nun also eine zweite Frage, gerade hinsichtlich der Verpflichtung und der Dringlichkeit des Guten: Wie soll man es tun? Wie soll man Nächstenliebe üben, welche Kriterien sind zu befolgen? Hier möchte ich drei einfache Punkte anführen. Es handelt sich um Aspekte, die den hier tätigen karitativen Einrichtungen bereits bekannt sind, es ist aber gut, sie in Erinnerung zu rufen, auf dass der Dienst an Jesus in den Armen ein immer fruchtbareres Zeugnis sei.

Die Nächstenliebe erfordert zunächst einmal Vorbildlichkeit: Sie ist nämlich nicht nur etwas, was man tut, sondern ein Ausdruck dessen, was man ist. Es ist eine Lebensweise, es ist ein Leben nach dem Evangelium. Deshalb sind Glaubwürdigkeit und Transparenz nötig: Ich denke an das finanzielle und administrative Projektmanagement, aber auch an die Verpflichtung, angemessene und qualifizierte Dienstleistungen anzubieten. Eben dies ist der Geist, der viele kirchliche Werke kennzeichnet, die diesem Land zugutekommen und die seine Geschichte geprägt haben. Möge es stets vorbildlich zugehen!

Zweiter Punkt: die Weitsichtigkeit, das bedeutet, vorausschauen zu können. Es ist von grundlegender Bedeutung, dass Initiativen und gute Werke nicht nur auf unmittelbare Bedürfnisse reagieren, sondern nachhaltig und dauerhaft sind. Nicht bloße Wohlfahrt, sondern auf der Grundlage dessen, was wirklich getan werden kann, und mit einer langfristigen Perspektive, so dass sie auf Dauer Bestand haben und nicht mit denen enden, die sie begonnen haben. In diesem Land gibt es zum Beispiel einen unglaublich fruchtbaren Boden, eine äußerst ergiebige Erde; die Großherzigkeit der Hilfskräfte kann nicht umhin, an diese Eigenheit anzuknüpfen und somit die innere Entwicklung der Menschen, die dieses Land bevölkern, zu fördern, ihnen beizubringen es zu bewirtschaften und Entwicklungsprojekte ins Leben zu rufen, welche die Zukunft in ihre Hände legen. Statt Güter zu verteilen, derer es immer bedürfen wird, ist es besser, Kenntnisse und Instrumente zu vermitteln, die eine selbständige und nachhaltige Entwicklung ermöglichen. In diesem Zusammenhang denke ich auch an den großen Beitrag des katholischen Gesundheitswesens, das in diesem Land, wie in vielen anderen Ländern der Welt, der Bevölkerung Linderung und Hoffnung gibt, indem es den Leidenden unentgeltlich und seriös beisteht und dabei stets versucht, ihnen mit modernen und angemessenen Mitteln zu helfen, so wie es sich gehört.

Vorbildlichkeit, Weitsichtigkeit und schließlich – das dritte Element – Vernetzung: Brüder und Schwestern, es ist wichtig, sich zu vernetzen, nicht nur virtuell, sondern ganz konkret, wie es hierzulande in der Lebenssinfonie des großen Waldes und seiner vielfältigen Vegetation geschieht. Sich vernetzen: mehr und mehr zusammenarbeiten, in ständiger wechselseitiger Synergie, in Gemeinschaft mit den Ortskirchen und dem Land. Vernetzt arbeiten: jeder mit seinem eigenen Charisma, aber gemeinsam, verbunden; Dringlichkeiten, Prioritäten, Bedürfnisse teilend, ohne Verschlossenheit und Selbstbezogenheit, bereit, mit anderen christlichen Gemeinschaften, anderen Religionen und den vielen anwesenden humanitären Organisationen an einem Strang zu ziehen. Alles zum Wohl der Armen. Sich mit allen venetzen.

Liebe Brüder und Schwestern, ich überlasse euch diese Anregungen und danke euch für das, was ihr heute in meinem Herzen hinterlassen habt. Ja, vielen Dank, denn ihr habt mein Herz berührt. Ihr seid wertvoll. Ich segne euch und bitte euch, weiterhin für mich zu beten, ich kann es brauchen. Danke!

 



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