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ANSPRACHE VON JOHANNES PAUL II.
AN DIE STUDENTEN DES
PONTIFICIUM COLLEGIUM GERMANICUM ET HUNGARICUM

18. Oktober 1981

 

Meine lieben Alumnen,
liebe Patres und Brüder der Gesellschaft Jesu,
liebe Schwestern, liebe Kollegsfamilie!

1. Im ersten Thessalonikerbrief, der von heute an in der Sonntagsliturgie verlesen wird, schreibt der Apostel Paulus mit Silvanus und Timotheus: ”Ja, wir hatten uns fest vorgenommen, zu euch zu kommen...“.

Zwischen den Pastoralreisen in zwei von euren Heimatländern, nach Deutschland und in die Schweiz, war es besonders angezeigt, daß der Papst auch dem Pontificium Collegium Germanicum et Hungaricum einen Besuch abstattete. Ihr wißt, was diesen Besuch bei euch und meine Reise in die Schweiz zum geplanten Zeitpunkt unmöglich machte. Ihr wißt aber auch, ”daß Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt“. Und so ist uns heute in vertiefter Glaubensfreude und noch größerer Dankbarkeit und Offenheit gegenüber Gott und füreinander die ersehnte Begegnung geschenkt.

Mit der heutigen Lesung sehe ich auch in euch eine ”Gemeinde..., die in Gott, dem Vater, und im Herrn Jesus Christus lebt“, und wie Paulus ”danke ich Gott für euch alle, für das Werk eures Glaubens, für die Opferbereitschaft eurer Liebe und für die Standhaftigkeit eurer Hoffnung“. Voll Freude darf ich mit dem Apostel bekennen: ”Wir wissen, von Gott geliebte Brüder, daß ihr erwählt seid“. Diese gnadenhafte Erwählung in Christus gilt allen Gliedern des neuen Gottesvolkes; in einer besonderen Weise aber gilt sie denjenigen, die in seine engere Nachfolge und Jüngerschaft berufen wurden.

Euch, liebe Priester und Priesteramtskandidaten im Germanicum-Hungaricum, ist dieser Ruf in die besondere Nachfolge Christi zuteil geworden. Das geschichtliche Erbe eures Kollegs berechtigt euch zu stolzer Freude; es ermahnt euch zugleich aber auch w demütigem Ernst. Ihr seid aufgerufen, im Sinne seiner Gründer in euren Heimatländern der Verkündigung der Frohbotschaft und insbesondere jener Einheit zu dienen, die als Abschiedsanliegen Jesu gerade in unseren Tagen von der Christenheit (und nicht nur von ihr!) so tief ersehnt wird. Mögen eure Heimatländer, einst Ausgangspunkt von Spaltung, nun auch Ausgangspunkt von Versöhnung sein.

2. Um die große Bedeutung des ökumenischen Anliegens in unserer Zeit zu unterstreichen, war es mein besonderer Wunsch, gerade im Jubiläumsjahr der Confessio Augustana meinen Pastoralbesuch in Deutschland abzustatten, wo Gott mir gesegnete Begegnungen mit den Amtsträgern der anderen christlichen Kirchen geschenkt hat – wie wir es auch für die erhoffte Reise in die Schweiz innig von Gott erbitten.

Mein denkwürdiger Besuch in der Bundesrepublik Deutschland zum 700. Todestag des hl. Albertus Magnus galt natürlich zunächst meinen Glaubensbrüdern und -schwestern, dem vertieften Erlebnis der kirchlichen Gemeinschaft im gemeinsamen Gotteslob und brüderlichen Austausch; er galt der Erneuerung und Verlebendigung des religiösen Lebens in den Familien und Gemeinden. Aber auch dadurch diente dieser Besuch gleichzeitig dem großen Anliegen der Ökumene: ”ut unum sint“. Denn nur eine in ihrem Glauben lebendige und gefestigte Kirche kann eine Kirche echten Dialoges sein.

3. Wie unverdient unsere Erwählung ist und in welche Radikalität sie führt, hält uns die alttestamentliche Lesung der heutigen Liturgie vor Augen: ”Ich habe dir einen Ehrennamen gegeben, ohne daß du mich kanntest. Ich bin der Herr und sonst keiner; außer mir gibt es keinen Gott“.
Das Evangelium, das wir soeben gehört haben, zeigt uns den Herrn, wie er diesen radikalen Anspruch Gottes den Anforderungen der Welt gegenüberstellt: ”Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!“.

Dieses Wort, vom Evangelisten festgehalten, geht über den unmittelbaren Zusammenhang des Streitgesprächs Jesu mit den Pharisäern hinaus und wurde zu einem grundsätzlichen Schlüsselwort für die Bewältigung der Spannung zwischen unserem In-der-Welt-Sein und unserem Auf-Gott-hin-Sein. Wer unsere Verflochtenheit mit dem Kosmos und der menschlichen Gesellschaft ernst nimmt, muß sich hüten, den Anspruch Gottes dabei zu vernachlässigen. Wer Gott zur bewußten Mitte seines Lebens macht, muß darauf bedacht sein, daß er zugleich auch der Schöpfung Gottes und den Anforderungen des menschlichen Zusammenlebens gerecht wird.

Liebe Alumnen des Germanicum-Hungaricum! In dem persönlichen Bemühen, unsere Ausrichtung auf Gott und unsere Beheimatung in der Welt in wahrhaft katholischer Weise zusammenzuschauen und entsprechend zu leben, kann euch der Umstand behilflich sein, daß euer Kolleg vom heiligen Ignatius von Loyola gegründet worden ist, dessen Spiritualität euch in diesem Haus vermittelt wird.

Nach dem ”principium et fundamentum“, das er uns in seinem Exerzitienbuch gegeben hat, ist der Mensch ”geschaffen dazu hin, Gott, unseren Herrn, zu loben, ihn zu verehren und ihm zu dienen und so seine Seele zu retten. Die anderen Dinge auf Erden sind zum Menschen hin geschaffen, um ihm bei der Verfolgung seines Zieles zu helfen“.

Möge euer Leben immer dem Leib, der Natur, der Umwelt, den menschlichen Strukturen geben, was ihnen gebührt, aber nie darin aufgehen, sondern sich in allem Gott darbringen, wie Ignatius uns lehrt: ”Sume, Domine, et suscipe!“. Dann entsprecht ihr euer priesterlichen Berufung; dann seid ihr für die Gläubigen und für die Welt ein lebendiges ”Sursum corda“.

Ihr seid in diesen Jahren des Kollegs von jener Arbeit freigestellt, die später eure Last und Freude sein wird. Für den späteren Dienst im Künden des Wortes seid ihr jetzt auf das Hören des Wortes verpflichtet, auf das treue und streckenweise auch trockene Studium. Vielleicht habt ihr sogar Angst, daß euch der lange Umgang mit den Büchern den Zugang zu den Menschen erschweren wird. Seht aber doch auch die Chance, die darin liegt, euch in ungestörter Sammlung ein gediegenes Rüstzeug anzueignen, bevor ihr ”dem täglichen Andrang in der Sorge um die Gemeinde“ ausgesetzt seid. Den Zugang zu den Menschen übt ein im Umgang mit jedem, der jetzt euer Nächster ist. Schenkt ihm jene wache, taktvolle, einfühlende, selbstlose Aufmerksamkeit, mit welcher ihr euch später im Namen Jesu den euch Anvertrauten zuwenden wollt.

4. Das Apsismosaik eurer Kirche zeigt uns Maria als die Königin der Apostel, die Braut des Heiligen Geistes, die Mutter der Kirche. Am heutigen Missionssonntag empfehlen wir ihr besonders jene, die einst Alumnen dieses Kollegs waren und dann, einer besonderen Einladung Gottes folgend, Missionare wurden als Ordensleute oder – gemäß den Richtlinien von ”Fidei Donum“ und mit der hochherzigen Einwilligung ihrer Bischöfe – als Diözesanpriester. Ihr missionarischer Geist möge auch jene beseelen, die von hier, dem Gründungsziel des Kollegs entsprechend, in ihr Heimatland zurückkehren, damit sie das weltkirchliche Denken und Fühlen, das ihnen in dieser alle Völker beheimatenden Stadt so reich geschenkt wird, in sich lebendig erhalten und in ihrem Wirkungskreis bestärken.

Missionarisches Denken und Fühlen, Beten und Opfern konnte ich mit großer Freude bei meinem Pastoralbesuch in Deutschland erleben – als Anliegen der Einzelnen, der Familien, der Gemeinden, der Diözesen und in den interdiözesanen Werken ”Missio“ und ”Adveniat“. Durch einen solchen Einsatz der einzelnen Ortskirchen und das treue Gebet und Opfer aller Gläubigen kann immer mehr Wirklichkeit werden, was uns der Psalmist im heutigen Zwischengesang zuruft: ”Singt dem Herrn, alle Lande! Erzählt bei den Völkern von seiner Herrlichkeit, von seinen Wundertaten in allen Nationen!“.

Liebe Brüder und Schwestern! Das Germanicum-Hungaricum versammelt hier in Rom beim Bischofsstuhl Petri Seminaristen und Priester aus verschiedenen Völkern und Sprachen. Es ist somit in besonderer Weise ein Ort der Begegnung und ein verbindendes, Einheit stiftendes Band zwischen verschiedenen Ortskirchen in Europa. Möge das Kolleg fortfahren, jene Einheit der Kirche zu vertiefen und zu festigen, für die Rom Zeichen und dienender Mittelpunkt ist.

Für alle jetzigen und ehemaligen Obern, Mitarbeiter und Alumnen dieses verdienten Kollegs, wo immer sie in diesem Augenblick der Kirche Jesu Christi dienen, laßt uns in dieser Eucharistiefeier mit den Worten der heutigen Liturgie beten:
”Allmächtiger Gott, du bist unser Herr und Gebieter. Mach unseren Willen bereit, deinen Weisungen zu folgen, und gib uns ein Herz, das dir aufrichtig dient“. Amen.



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