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BOTSCHAFT VON JOHANNES PAUL II.
ANLÄSSLICH DES WELTERNÄHRUNGSTAGES 2004 

 

An Herrn JACQUES DIOUF
Generaldirektor
der Organisation
der Vereinten Nationen
für Ernährung
und Landwirtschaft (FAO)

1. Die heutige Feier des Welternährungstags bietet mir eine willkommene Gelegenheit, um erneut meiner Wertschätzung für die Tätigkeit der Organisation der Vereinten Nationen für Ernährung und Landwirtschaft Ausdruck zu verleihen. Ihre Bemühungen um die Bekämpfung der Armut in der ländlichen Welt sind wohlbekannt, vor allem durch die Entwicklungshilfe für die Menschen, die ihre tägliche und oft harte Arbeit in diesem Bereich ausüben.

Das Thema dieses Tages, »Biodiversität im Dienste der Ernährungssicherheit«, weist auf ein konkretes Mittel im Kampf gegen Hunger und Unterernährung vieler unserer Brüder und Schwestern hin. Um das Ziel einer angemessenen Nahrungssicherheit zu erreichen, ist in der Tat ein richtiger Umgang mit dem biologischen Artenreichtum nötig, um die unterschiedlichen Tier- und Pflanzenarten erhalten zu können. Diese Bemühungen erfordern Überlegungen im Bereich der Ethik und nicht nur einen rein technischen und wissenschaftlichen Ansatz, wenn auch letzterer unerläßlich ist, damit der Fortbestand dieser Ressourcen und ihre Verwendung im Einklang mit den tatsächlichen Bedürfnissen der Weltbevölkerung gewährleistet werden können.

2. Leider stehen den internationalen Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität auch heute noch viele Schwierigkeiten im Weg. Obwohl es immer angemessenere Regelungen gibt, scheinen andere Interessen das richtige Gleichgewicht zu verhindern zwischen der Souveränität der Staaten über die auf ihrem Gebiet vorhandenen Ressourcen einerseits und andererseits der Fähigkeit von Personen und Gemeinschaften, diese Ressourcen mit Blick auf die realen Bedürfnisse zu erhalten oder zu verwalten. Es muß also im Rahmen der Grundregeln für die internationale Kooperation der Grundsatz bestätigt werden, wonach die Souveränität über die in den unterschiedlichen Ökosystemen vorhandenen genetischen Ressourcen nicht exklusiver Art sein kann und auch nicht zur Ursache von Konflikten werden darf, sondern daß sie entsprechend den selbstverständlichen Regeln der Menschlichkeit, die das Miteinander der verschiedenen Völker innerhalb der Menschheitsfamilie tragen, ausgeübt werden muß.

Diese ideellen Grundlagen leiten die Tätigkeit der FAO und ermöglichten unter anderem die Verbreitung der im »Abkommen über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft« festgelegten Normen als wirksames Mittel zur Erreichung der erwünschten Ergebnisse. Es schützt auch die Rechte der Landwirte, denn es sichert ihnen die Beteiligung an den Entscheidungsprozessen zu und ermutigt sie, nicht nur für die Quantität, sondern auch für die Qualität der Nahrungsmittel Sorge zu tragen.

In diesem Zusammenhang sind ganz besonders die Gemeinschaften und Völker der Eingeborenen zu erwähnen, deren bedeutender Kultur- und Wissensstand bezüglich der Artenvielfalt wegen eines mangelnden Schutzes zu verschwinden droht. Zu erkennen ist auch die tatsächliche Gefahr einer mißbräuchlichen Ausbeutung ihrer Länder und einer Zerstörung ihres traditionellen Lebensraums; Sorge bereitet ebenfalls die Schutzlosigkeit ihres geistigen Eigentums, dessen Bedeutung für den Erhalt der Biodiversität offensichtlich ist.

3. In vielen Kreisen wird auf die Dringlichkeit einer Revision des bisher angewandten Konzepts zum Schutz der immensen, unersetzlichen Ressourcen unseres Planeten hingewiesen; damit soll eine nicht nur nachhaltige, sondern auch und vor allem solidarische Entwicklung verfolgt werden. Die Solidarität – in ihrer richtigen Bedeutung als Modell der Einheit, das die Handlungen von einzelnen, Regierungen, internationalen Organen und Einrichtungen und allen Mitgliedern der zivilen Gesellschaft inspirieren kann – wirkt für ein rechtes Wachstum der Völker und Nationen und hat das Wohlergehen aller und jedes einzelnen zum Ziel (vgl. Enzyklika Sollicitudo rei socialis, 40). Die Solidarität schützt, indem sie egoistische Einstellungen bezüglich der Ordnung der Schöpfung und ihrer Erträge überwindet, die unterschiedlichen Ökosysteme und ihre Ressourcen, die dort lebenden Menschen und ihre Grundrechte auf persönlicher wie gemeinschaftlicher Ebene.

Fest auf diesen Bezug zum Menschen, zu seiner Natur und seinen Bedürfnissen gegründet, vermag die Solidarität ökologisch vertretbare Projekte, Normen, Strategien und Aktionen zu stützen.

Eine solidarische Entwicklung kann darüber hinaus Antworten auf die Fragestellungen der nachhaltigen Entwicklung geben, indem nicht nur der reine Umweltschutz oder ein abstrakter Hinweis auf die Bedürfnisse der künftigen Generationen berücksichtigt werden, sondern auch die Forderungen der Gerechtigkeit, der fairen Güterverteilung und der Verpflichtung zur Zusammenarbeit. Es handelt sich dabei um grundlegend menschliche Forderungen, denen die katholische Kirche stets ihre Aufmerksamkeit gewidmet hat, um sie zu unterstützen und ihre korrekte, vollständige Durchsetzung zu fördern.

Wenn der Auftrag des Schöpfers an die Menschheit, sich die Erde zu unterwerfen und ihre Erträge zu nutzen (vgl. Gen 1,28), im Hinblick auf die Tugend der Solidarität betrachtet wird, beinhaltet er den Respekt vor dem Schöpfungsplan durch eine menschliche Tätigkeit, die die natürliche Ordnung und ihre Gesetze nicht herausfordert, nur um immer neue Horizonte zu eröffnen, sondern die im Gegenteil die Ressourcen erhält und ihren Fortbestand und ihre Verwendung seitens der kommenden Generationen sichert.

4. Dies sind einige Überlegungen, die ich all denen unterbreiten möchte, die in vielen Teilen der Erde den Welternährungstag begehen, wie auch den Menschen, die in verschiedenen Ämtern und Funktionen dazu beitragen, die Menschheit von der Plage des Hungers und der Unterernährung zu befreien. Es bleibt zu wünschen, daß die heutige Feier den Fortschritt eines vermehrten »Teilens« der Früchte der Erde, sowohl auf globaler als auch auf lokaler Ebene, fördern möge.

Auf Sie, Herr Generaldirektor, und auf alle, die engagiert und dienstbereit bei der Verwirklichung der Ziele der FAO mitarbeiten, rufe ich den reichen Segen des Allerhöchsten in Fülle herab.

Aus dem Vatikan, am 15. Oktober 2004

JOHANNES PAUL II.

 

 



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