"MITTELEUROPÄISCHER KATHOLIKENTAG 2004"
BOTSCHAFT VON PAPST JOHANNES PAUL II.
AN BISCHOF GEBHARD FÜRST
BISCHOF VON ROTTENBURG-STUTTGART
Meinem verehrten Bruder
Bischof Gebhard Fürst
Bischof von Rottenburg-Stuttgart
Verehrter Mitbruder im Bischofsamt!
Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
1. „Leben aus Gottes Kraft“ – Unter diesem Motto haben sich viele katholische Christen mit zahlreichen Gästen aus anderen Konfessionen sowie aus Politik und Gesellschaft zum 95. Deutschen Katholikentag in Ulm versammelt. Aus Rom grüße ich alle, die sich zur Eröffnungsveranstaltung auf dem Platz vor dem Ulmer Münster eingefunden haben. Das Münster wirkt mit seinem gewaltigen Turm wie ein großer Fingerzeig zum Himmel und verweist uns auf Gott, den Schöpfer allen Lebens. Er ist die Quelle unserer Hoffnung und Kraft. Die Freude an ihm ist unsere Stärke (vgl. Neh 8, 10). Mein Gruß gilt auch allen, die über Radio und Fernsehen an dieser Veranstaltung teilnehmen. Der Friede des gekreuzigten und auferstandenen Herrn Jesus Christus, der seiner Kirche immer nahe bleibt, sei mit Euch! Einen besonderen Gruß richte ich an den Bischof des Bistums Rottenburg-Stuttgart und an das Zentralkomitee der deutschen Katholiken, die gemeinsam diesen Katholikentag veranstalten. Darüber hinaus grüße ich alle Bischöfe aus Deutschland und aus anderen Ländern Europas, ja aus der ganzen Welt, deren Anwesenheit die gelebte Gemeinschaft der Katholiken in den Diözesen Deutschlands mit den Brüdern und Schwestern gleichen Bekenntnisses in der großen Weltkirche unterstreicht.
2. „Leben aus Gottes Kraft“ – An diesem Leitwort, das dem 2. Korintherbrief entlehnt ist, orientiert sich das Programm des Ulmer Katholikentags. Das Motto lädt dazu ein, all Eure Gottesdienste und Feiern, Gespräche und Gebete aus Gottes Kraft lebendig werden zu lassen. Ich rufe Euch auf, mit wachen Augen und offenen Herzen durch diese gemeinsamen Tage zu gehen, damit Ihr Euch neu bewußt werdet, wie stark Gottes Kraft in Euch wirkt und durch Euer glaubhaftes Zeugnis auch in der Gesellschaft erfahrbar werden kann. Laßt Euch durch die Veranstaltungen dieses großen Katholikentreffens, zu dem auch viele andere Christen gekommen sind, ermuntern, als gläubige Christen mutig die Stimme zu erheben, wenn die Fundamente des christlichen Glaubens und des menschlichen Zusammenlebens in Frage gestellt werden, wenn die hohen Werte der christlichen Ehe und Familie zur Disposition gestellt werden sollen und wenn die Einmaligkeit menschlichen Lebens als Geschenk Gottes auf dem Spiel steht. Spornt Euch gegenseitig zu neuem Engagement an für Arme und Benachteiligte, für Frieden und Gerechtigkeit auf der ganzen Erde! Gebt allen Zeugnis von der Hoffnung, die Euch erfüllt! (vgl. 1 Petr 3, 15).
3. Der Ort Eurer Begegnung, die Stadt Ulm, liegt an der Donau, dem großen Strom, der den Westen und den Osten Europas miteinander verbindet. In den letzten Jahrzehnten ist auf dem Kontinent das Bewußtsein einer europäischen Identität und der Zusammengehörigkeit der europäischen Völker immer stärker geworden. Erst vor wenigen Wochen sind weitere zehn Staaten, darunter acht aus Mittel- und Osteuropa, in die Europäische Union aufgenommen worden. Diese Erweiterung kann zu einem großen Gewinn für die Gemeinschaft werden. Europa ist ja kein bloß zufälliger Zusammenschluß von Staaten, die geographisch miteinander verbunden sind. Europa muß bei aller bleibenden kulturellen Vielfalt auf der Grundlage der menschlichen und christlichen Werte immer mehr eine Einheit des Geistes werden, die das Handeln der Menschen inspiriert. Nutzen wir also die Chancen eines geeinten Europas für eine bessere Ausbreitung des Evangeliums Christi, damit keinem Menschen das großartige Heilsangebot Gottes vorenthalten bleibt! Christen haben für die Einheit Europas gearbeitet und bleiben diesem Ziel weiter verpflichtet. Europa braucht auch heute den Beitrag der Christen und des Christentums für eine gute Entwicklung seiner Völker. Wie ich im Postsynodalen Apostolischen Schreiben Ecclesia in Europa ausgeführt habe, benötigt Europa „bei der Bewußtwerdung seines geistigen Erbes einen qualitativen Sprung. Dieser Impuls kann ihm nur von einem erneuerten Hören auf das Evangelium Christi zukommen“ (Nr. 120). Wer aus Gottes Kraft leben und in dieser Kraft die Gesellschaft mitgestalten will, muß sich zu jeder Zeit und an jedem Ort dieser Aufgabe stellen.
4. Liebe Brüder und Schwestern! Laßt Euch in diesen Tagen in Bewegung bringen von der Dynamik Gottes, die erleuchtet und befreit. Legt alles menschliche Leid, Euer Unvermögen und Begrenztsein hinein in die Weite Gottes, dessen Liebe größer ist als unser Herz. Er will uns an seinem göttlichen Leben teilhaben lassen und uns die Liebe und die Kraft geben, die wir zum Dienst an unseren Mitmenschen und zum Zeugnis unseres gemeinsamen Glaubens mitten in Zeit und Gesellschaft brauchen. Damit Ihr aus Gottes Kraft leben könnt: dazu erteile ich Euch allen, die Ihr in Ulm zum Katholikentag versammelt seid – auf die Fürsprache der Allerseligsten Jungfrau und Gottesmutter Maria sowie des heiligen Bonifatius, dessen Martyrium vor 1250 Jahren die Kirche in Deutschland in diesen Tagen feiert – von Herzen meinen Apostolischen Segen.
Aus dem Vatikan, am Hochfest des Leibes und Blutes Christi 2004
IOANNES PAULUS II
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