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BOTSCHAFT VON PAPST PAUL VI.
ZUM KATHOLIKENTAG IN ÖSTERREICH

Sonntag,13. Oktober 1974

 

Unserem ehrwürdigen Bruder Franz Kardinal König,
Erzbischof von Wien

Der Österreichische Katholikentag 1974, zu dem sich in diesen Tagen die Delegierten der katholischen Verbände Österreichs mit ihren Bischöfen, zahlreichen Gläubigen und Vertretern anderer christlicher Kirchen in Wien versammeln, ist Uns willkommener Anlass, Unseren Mitbrüdern im Bischofs- und Priesteramt, den Veranstaltern und Teilnehmern sowie allen Katholiken dieses von Uns so geschätzten Landes ein herzliches Wort des Grußes und Unsere aufrichtigsten Segenswünsche zu übermitteln.

Ehrwürdige Brüder, geliebte Söhne und Töchter!

Die Wahl des Themas «Versöhnung» für diese bedeutsamen Tage der Besinnung und brüderlichen Begegnung ist für Uns ein trostvoller Beweis dafür, mit welch hochherziger Bereitschaft der Aufruf des Heiligen Jahres zu «Erneuerung und Versöhnung» von der katholischen Kirche in Österreich aufgenommen worden ist. Die Kirche ist sich heute, wie es das II. Vatikanische Konzil und das Heilige Jahr selbst bezeugen, in besonderer Weise ihrer Sendung und verantwortungsvollen Aufgabe bewusst, «Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit» (Lumen gentium, 1) zu sein. Da Gott die Welt durch Christus mit sich versöhnt hat, hat er seiner Kirche das Wort und den Dienst der Versöhnung für alle Menschen übertragen (vgl. Kol 1, 20; 2 Kor 5, 18 f.).

Wie das Heilige Jahr nach dem Geist und in Umsetzung des Konzils dazu bestimmt ist, eine innere und sittliche Erneuerung im Bewusstsein der Menschen herbeizuführen, so ist die «Versöhnung», zu der der diesjährige österreichische Katholikentag die Gläubigen einlädt und ermahnt, insbesondere die Frucht einer aufrichtigen religiösen Umkehr. Sie ist «ein Geschehen, das sich vor allem in der Tiefe, im inneren Heiligtum des Menschen vollzieht, dort, wo das Gewissen aufgerufen ist, durch Glauben und Buße (vgl. Mt. 1, 15) seine Umkehr oder “Metanoia” zu wirken und nach der Fülle der Liebe zu streben» (Päpstliches Schreiben an Kardinal von Fürstenberg vom 31. Mai 1973).

Der Aufruf zur Versöhnung ermahnt die Gläubigen und alle Menschen guten Willens zur Wiederherstellung der von Gott gewollten Ordnung in ihrem Verhältnis zu Gott sowie in den zwischenmenschlichen Beziehungen in Kirche und Gesellschaft. Es geht also zunächst und vorrangig um unsere Versöhnung mit Gott. Christus hat uns, wie der Apostel Paulus sagt, durch seinen Tod versöhnt, um uns «in seinen Augen heilig, makellos und schuldlos zu machen» (Kol 1, 22). Deshalb gilt es, zuerst im Geist echter christlicher Buße durch Abkehr von der Sünde und ehrliche innere Selbsterneuerung aus unserem persönlichen Leben all jene Hindernisse zu beseitigen, die uns von Gott trennen. Die Wiederherstellung und Festigung unserer Freundschaft mit Gott geschehen hauptsächlich in der lebendigen Teilnahme am liturgischen Leben der Kirche und finden in der sakramentalen Versöhnung durch das Bußsakrament ihre Besiegelung.

Deshalb möchten Wir euch von Herzen dazu einladen und ermutigen, euch im Rahmen dieses Katholikentages und des Heiligen Jahres besonders um eine neue Wertschätzung dieses Sakramentes des göttlichen Erbarmens zu bemühen.

Zur inneren Umkehr und Erneuerung gehört sodann als deren unmittelbare Auswirkung notwendig die Versöhnung im Raum der Kirche. Die Kirche kann den ihr anvertrauten Dienst der Versöhnung nur wirksam erfüllen, wenn sie von sich selbst den Menschen ein glaubwürdiges Bild dieser Versöhnung darbietet. Deshalb ist die Wiederherstellung der geistigen und brüderlichen Einheit in ihrem eigenen Innern heute eines der dringlichsten Probleme der Kirche (vgl. Unsere Ansprache bei der Generalaudienz am 29. August 1973).

Wir alle sind aufgerufen, im Geiste der Versöhnung jenes christliche Ideal wieder lebendig werden zu lassen und neu zu verwirklichen, das die erste christliche Gemeinde beseelt hat, in der «die Menge der Gläubigen ein Herz und eine Seele» (Apg 4, 32) war. Umkehr und Versöhnung müssen uns als Glieder des einen Leibes Christi, seiner heiligen Kirche, tiefer miteinander verbinden und helfen, Polarisierungen und Spannungen innerhalb der Kirche zu überwinden sowie die Einheit mit dem Herrn in der Einheit mit den Hirten, die er ihr gegeben hat, zu bekräftigen und zu leben. Ebenso wird ein neuer Geist gegenseitigen Verstehens und der Brüderlichkeit auch die verschiedenen christlichen Kirchen und religiösen Gemeinschaften in ihrem ökumenischen Bemühen näher zueinander führen, indem sie gemeinsam die Wahrheit suchen auf dem Weg der Liebe zu Gott und den Brüdern.

Die Versöhnung mit Gott steht am Anfang aller wahrhaft brüderlichen Beziehungen unter den Menschen. Anderseits aber ist die Versöhnung mit dem Bruder das sicherste Zeichen und nach der Lehre des Herrn sogar die unerlässliche Vorbedingung für die Versöhnung mit Gott. Nicht einmal unsere Opfergaben auf dem Altar sind unserem himmlischen Vater angenehm, wenn wir uns nicht vorher mit dem Bruder versöhnt haben, der etwas gegen uns hat (vgl. Mt 5, 23 f.). Und dieser Bruder ist schließlich jeder Mensch, ungeachtet aller Unterschiede der Rasse, der Klasse oder der Nation. «Jeder Mensch ist mein Bruder!» (vgl. Thema des Weltfriedenstages 1971). Die menschliche Brüderlichkeit gründet in der allumfassenden Vaterschaft Gottes und der alle Verwandtschafts- und Volksbande überschreitenden Brüderlichkeit Christi, der vor allem jene Menschen, die hungern, dürsten, krank oder gefangen sind, seine Brüder nennt: «Was ihr einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan» (Mt 25, 40). Es ist an der Zeit, diese Brüderlichkeit aller Menschen in Christus tatsächlich als Fundament des menschlichen Zusammenlebens anzuerkennen und zu verwirklichen.

Doch müssen wir uns gerade als Christen stets dessen bewusst sein, dass die geforderte Bereitschaft zur Versöhnung in der Gesellschaft niemals sittliche und religiöse Gleichgültigkeit bedeuten kann.

Ein gegenseitiges Einvernehmen, das dazu führt, sich selbst untreu zu werden und seine sittlichen Überzeugungen wie seinen Glauben preiszugeben, ist keine echte Versöhnung und kann auch nicht die Grundlage einer gerechten öffentlichen Ordnung sein, zumal wenn in ihr dadurch die elementarsten sittlichen Werte wie das Recht auf Leben, dessen Unantastbarkeit und Schutzbedürftigkeit in Frage gestellt werden. Die Versöhnung der Herzen mit Gott im Gehorsam gegenüber seinen Geboten ist die notwendige Voraussetzung dafür, dass wahre Versöhnung der Menschen untereinander und ein dauerhafter Friede in der Gesellschaft gelingen können. Wenn es also auch nicht möglich sein wird, Konfliktsituationen von vornherein auszuschließen oder sogar für immer aus der Welt zu verbannen, so bleibt doch das stete aufrichtige Bemühen um eine solche Versöhnung in Wahrheit und Gerechtigkeit der einzige Weg, auf menschenwürdige und christliche Weise mit ihnen zu leben.

Wie wir es früher bei anderer Gelegenheit hinsichtlich des Friedens getan haben, so möchten wir heute, bevor wir diese Unsere Überlegungen beschließen, einem jeden von euch, geliebte Söhne und Töchter, die ihr unsere Grußbotschaft vernehmt, ganz persönlich zurufen: Das Gelingen dieser mitmenschlichen und umfassenden Versöhnung hängt auch von dir ab! Der Dienst der Kirche für die Versöhnung und den Frieden in der Welt ist jedem einzelnen ihrer Mitglieder anvertraut. Die Versöhnung erfolgt und vollzieht sich auf sehr konkrete und persönliche Weise: im Raum der Familie, am Arbeitsplatz, in den Pfarreien und Gemeinden, in den religiösen Gemeinschaften und Diözesen. Versöhnung ist gelebte brüderliche Liebe, die erlittenes Unrecht hochherzig verzeiht, getanes Böse wieder gutmacht und offen und bereit ist für die Verständigung mit allen Menschen. Es geht um die konkrete Anteilnahme am Leid der Brüder, an ihren Hoffnungen und Sorgen, um das Teilen unserer Güter mit ihnen, um das Angebot aufrichtiger Freundschaft und Solidarität. Es geht letztlich darum, in unseren Brüdern, in jedem einzelnen von ihnen, Christus selbst zu begegnen und ihnen durch unser selbstloses mitbrüderliches Verhalten seine Versöhnung und seine Liebe zu vermitteln.

Mit dem Wunsch, diese vielfältigen Aspekte der Versöhnung mögen in den Arbeiten des diesjährigen österreichischen Katholikentages in Wien sowie in der Feier des Heiligen Jahres die ihnen gebührende Erwägung und Vertiefung erfahren und es mögen sich daraus wichtige Impulse für das Leben und Wirken der katholischen Kirche in Österreich ergeben , erflehen Wir auf die Arbeiten dieses Katholikentages Gottes reichen Gnadenbeistand herab und erteilen euch allen, die ihr in Gemeinschaft mit euren Bischöfen versammelt seid, insbesondere Unseren bischöflichen und priesterlichen Mitbrüdern, sowie allen Gläubigen des katholischen Österreichs von Herzen unseren Apostolischen Segen.

Aus dem Vatikan, am 7. Oktober 1974

PAULUS PP. VI

Nach dem Verlesen dieser Botschaft richtete der Heilige Vater an die Teilnehmer des Katholikentages und an alle Katholiken Österreichs folgende, in Radio und Fernsehen übertragenen Grußworte:
 

Ehrwürdige Brüder, geliebte Söhne und Töchter!

Dies ist unsere Botschaft und väterliche Ermahnung, die Wir euch und der katholischen Kirche in Österreich zur Feier eures diesjährigen Katholikentages anvertrauen wollten. Da Wir, wie der hl. Paulus sagt, an Christi Statt des Amtes walten, ist es Gott selbst, der durch uns mahnt. An Christi Statt also bitten wir: Lasst euch mit Gott und euren Brüdern versöhnen! (vgl. 2 Kor 5, 20)

Dazu verhelfe euch und steige auf euch alle herab der Segen des allmächtigen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, und bleibe bei euch allezeit. Amen.

 

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