05 - 06.10.2008 INHALT - ERSTE GENERALKONGREGATION (MONTAG, 6. OKTOBER 2008 - VORMITTAG) - ZWEITE GENERALKONGREGATION (MONTAG, 6. OKTOBER 2008 - NACHMITTAG) ERSTE GENERALKONGREGATION (MONTAG, 6. OKTOBER 2008 - VORMITTAG) - ANSPRACHE DES HEILIGEN VATERS Zur Eröffnung der ersten Generalkongregation an diesem Vormittag, Montag, den 6. Oktober 2008, hat der Heilige Vater Benedikt XVI. beim Gebet der Terz nach der Lesung folgende Ansprache gehalten: Liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern! Zu Beginn unserer Synode legt uns das Stundengebet einen Abschnitt aus Psalm 119 über das Wort Gottes vor: einen Lobgesang auf sein Wort, Ausdruck der Freude Israels darüber, es kennen zu dürfen und in diesem Wort den Willen und das Antlitz Gottes erkennen zu können. Ich möchte mit euch einige Verse dieses Psalms betrachten. Er beginnt mit den Worten: In aeternum, Domine, verbum tuum constitutum est in caelo... firmasti terram, et permanet. Es ist die Rede von der Festigkeit des Wortes Gottes. Es steht fest, es ist die wahre Realität, auf der man sein Leben aufbauen kann. Erinnern wir uns an die Worte Jesu, die dieses Psalmwort weiterführen: Himmel und Erde werden vergehen, meine Worte aber werden nicht vergehen. Menschlich gesehen ist das Wort, unser menschliches Wort, gleichsam ein Nichts in der Wirklichkeit, ein Hauch. Kaum ausgesprochen, verschwindet es. Es scheint nichts zu sein. Und doch hat das menschliche Wort eine unglaubliche Macht. Es sind die Worte, die Geschichte machen, die Worte verleihen den Gedanken Ausdruck, den Gedanken, aus denen das Wort kommt. Es ist das Wort, das die Geschichte, die Wirklichkeit formt. Noch mehr ist das Wort Gottes das Fundament von allem, es ist die wahre Wirklichkeit. Und wenn wir realistisch sein wollen, müssen wir mit genau dieser Wirklichkeit rechnen. Wir müssen uns von der Vorstellung lösen, dass die Materie, die konkreten Dinge, die wir anfassen können, die solideste, sicherste Realität sind. Am Ende der Bergpredigt spricht der Herr von den zwei Möglichkeiten, das Haus des eigenen Leben zu bauen: auf Sand oder auf Felsen. Auf Sand baut derjenige, der nur auf die sichtbaren und greifbaren Dinge baut, auf den Erfolg, die Karriere, das Geld. Scheinbar ist dies die wahre Wirklichkeit. Aber dies alles wird eines Tages vorbei sein. Wir sehen das jetzt beim Zusammenbruch der großen Banken: diese Gelder verschwinden, sie sind nichts. Und so sind all diese Dinge - die als die wahre Wirklichkeit erscheinen, auf die man sich verlassen kann - zweitrangige Wirklichkeiten. Wer sein Leben auf diese Wirklichkeiten baut, auf das Materielle, den Erfolg, alles, was glänzt, der baut auf Sand. Nur das Wort Gottes ist das Fundament der gesamten Wirklichkeit, es steht fest wie der Himmel und mehr als der Himmel, es ist die Realität. Folglich müssen wir unseren Begriff des Realismus ändern. Realist ist der, der im Wort Gottes, dieser scheinbar so gebrechlichen Realität, das Fundament von allem erkennt. Realist ist derjenige, der sein Leben auf dieses Fundament baut, das ewig bleibt. Und so laden uns diese ersten Verse des Psalms ein zu entdecken, was Realität ist und so das Fundament unseres Lebens zu finden, die Art und Weise unser Leben aufzubauen. Im anschließenden Vers wird gesagt: Omnia serviunt tibi. Alles geht hervor aus dem göttlichen Wort, ist eine Frucht des Wortes. Im Anfang war das Wort. Am Anfang sprach der Himmel. Und so entsteht die Wirklichkeit aus dem Wort, sie ist creatura Verbi. Alles wird vom Wort geschaffen, und alles ist dazu gerufen, dem Wort zu dienen. Das bedeutet, dass letztendlich die gesamte Schöpfung dazu bestimmt ist, den Ort der Begegnung zwischen Gott und seinem Geschöpf zu schaffen, einen Ort, wo die Liebe des Geschöpfes auf die göttliche Liebe antwortet, einen Ort, an dem sich die Liebesgeschichte zwischen Gott und seinem Geschöpf entwickelt. Omnia serviunt tibi. Die Heilsgeschichte ist keine unbedeutende Begebenheit auf einem kleinen Planeten in der Unendlichkeit des Universums. Sie ist nicht irgendetwas Nichtiges, das zufällig auf einem abgelegenen Planeten geschieht. Sie ist der Beweggrund von allem, der Urgrund der Schöpfung. Alles wurde geschaffen, damit es diese Geschichte gäbe, die Begegnung zwischen Gott und seinem Geschöpf. Aus diesem Blickwinkel geht die Heilsgeschichte, der Bundesschluss, der Schöpfung voraus. Im Zeitalter des Hellenismus hat das Judentum die Vorstellung entwickelt, dass die Thora der Erschaffung der materiellen Welt vorausgegangen sei. Diese materielle Welt sei nur geschaffen worden, um einen Raum zu schaffen für die Thora, dieses Wort Gottes, das die Antwort hervorruft und zur Liebesgeschichte wird. Hier scheint auf geheimnisvolle Weise das Mysterium Christi hindurch. Das ist es, was die Briefe an die Epheser und an die Kolosser uns sagen: Christus ist der protòtypos, der Erstgeborene der Schöpfung, die Idee, durch die das Universum erdacht wurde. Er nimmt alles auf. Wir treten in die Bewegung des Universums ein, wenn wir uns mit Christus vereinen. Man kann sagen, dass, während die materielle Schöpfung die Bedingung für die Heilsgeschichte ist, die Geschichte des Bundes die wahre Ursache für den Kosmos ist. Wir erreichen die Wurzeln des Seins, wenn wir das Mysterium Christi erreichen, sein lebendiges Wort, das das Ziel der ganzen Schöpfung ist. Omnia serviunt tibi. Wenn wir dem Herrn dienen, verwirklichen wir das Ziel unseres Seins, das Ziel unseres Lebens. Wir überspringen jetzt einige Verse: Mandata tua exquisivi. Wir sind immer auf der Suche nach dem Wort Gottes. Es ist nicht einfach da in uns. Wenn wir beim Buchstaben stehen bleiben, haben wir das Wort Gottes nicht notwendigerweise wirklich verstanden. Es besteht die Gefahr, dass wir nur die menschlichen Worte sehen und in ihnen nicht den wirklichen Urheber finden, den Heiligen Geist. Wir finden in den Worten nicht das göttliche Wort. Der heilige Augustinus erinnert uns in diesem Zusammenhang an die Schriftgelehrten und Pharisäer, die bei der Ankunft der Weisen aus dem Morgenland von Herodes befragt werden. Er will wissen, wo der Erlöser der Welt geboren werden soll. Sie wissen es und geben die richtige Antwort: in Betlehem. Es sind große Spezialisten, die alles wissen. Und dennoch sehen sie die Realität nicht, kennen sie den Erlöser nicht. Der heilige Augustinus sagt: Sie weisen anderen den Weg, aber sie selbst bewegen sich nicht. Das ist auch eine große Gefahr für uns, wenn wir die Heilige Schrift lesen: wir bleiben bei den menschlichen Worten stehen, Worten der Vergangenheit, der vergangenen Geschichte, und wir entdecken in der Vergangenheit nicht die Gegenwart, den Heiligen Geist, der in den Worten der Vergangenheit heute zu uns spricht. So treten wir nicht in die innere Bewegung des Wortes Gottes ein, das in menschlichen Worten göttliche Worte verbirgt und offenbart. Deshalb ist dieses exquisivi immer notwendig. Wir müssen in den Worten auf der Suche sein nach Gottes Wort. So ist die Exegese, das wahre Lesen der Heiligen Schrift, nicht nur ein literarisches Phänomen, es handelt sich nicht nur um die Lektüre eines Textes. Es ist die Bewegung meines Daseins. Es bedeutet, sich auf das Wort Gottes in den menschlichen Worten hinzubewegen. Nur indem wir dem Geheimnis Gottes gleichförmig werden, dem Herrn, der das Wort ist, können wir in das Innere des Wortes eintreten, können wir wirklich in menschlichen Worten das Wort Gottes finden. Bitten wir den Herrn, dass er uns helfen möge, nicht nur mit dem Intellekt, sondern mit unserer ganzen Existenz auf der Suche zu sein, um das Wort zu finden. Der letzte Vers lautet: Omni consummationi vidi finem, latum praeceptum tuum nimis. Alles Menschliche, alles was wir erfinden und schaffen können, ist endlich. Auch alle menschlichen religiösen Erfahrungen sind begrenzt, sie zeigen einen Aspekt der Wirklichkeit, weil unser Sein endlich ist und immer nur einen Teil, einige Elemente versteht: latum praeceptum tuum nimis. Nur Gott ist unendlich. Und deshalb ist auch sein Wort universal und kennt keine Grenzen. Wenn wir also in das Wort Gottes eintreten, betreten wir wirklich das göttliche Universum. Wir verlassen die Begrenztheit unserer Erfahrungen und treten ein in die Realität, die wahrhaft universal ist. Wenn wir in die Gemeinschaft mit dem Wort Gottes eintreten, treten wir in die Gemeinschaft der Kirche ein, die das Wort Gottes lebt. Wir treten nicht ein in eine kleine Gruppe, in die Regeln einer kleinen Gruppe, sondern wir verlassen unsere Begrenztheit. Wir treten hinaus ins Weite, in die wahre Weite der einzigen Wahrheit, der großen Wahrheit Gottes. Wir sind wirklich im Universalen. Und so treten wir hinaus in die Gemeinschaft aller Brüder und Schwestern, der ganzen Menschheit, weil in unserem Herzen die Sehnsucht nach dem einen Wort Gottes verborgen ist. Deshalb sind auch die Evangelisierung, die Verkündigung des Evangeliums, die Mission nicht eine Art kirchlicher Kolonialismus, mit dem wir andere in unsere Gruppe einfügen wollen. Es bedeutet, aus der Begrenztheit der verschiedenen Kulturen hinauszutreten in die Universalität, die alle verbindet und vereint, die uns alle zu Brüdern macht. Bitten wir erneut den Herrn, dass er uns helfe, wirklich in die Weite seines Wortes einzutreten und wir uns so dem universalen Horizont der Menschheit öffnen können, jenem Horizont, der uns in all unseren Verschiedenheiten vereint. Kehren wir schließlich noch zu einem vorhergehenden Vers zurück: Tuus sum ego: salvum me fac. Der italienische Text übersetzt: Ich bin dein. Das Wort Gottes ist wie eine Leiter, auf der wir hinaufsteigen und mit Christus auch in die Tiefen seiner Liebe hinabsteigen können. Es ist eine Leiter, um zum göttlichen Wort in den Worten zu gelangen. Das göttliche Wort hat ein Antlitz, es ist eine Person, Christus. Noch bevor wir sagen können: Ich bin dein, hat Er schon zu uns gesagt: Ich bin dein. Der Hebräerbrief sagt mit den Worten aus Psalm 40: Einen Leib hast du mir bereitet... Da sagte ich: Ja, ich komme. Der Herr ließ sich für sein Kommen einen Leib bereiten. Mit seiner Menschwerdung hat er gesagt: Ich bin dein. In der heiligen Eucharistie sagt er immer wieder von neuem: Ich bin dein; damit wir antworten können: Herr, ich bin dein. Auf dem Weg des göttlichen Wortes - indem wir in das Geheimnis seiner Menschwerdung, seines Mit-uns-Seins eintreten - wollen wir uns das Sein Jesu aneignen, wollen wir uns unserer Existenz entledigen, indem wir uns Ihm schenken, der sich uns geschenkt hat. Ich bin dein. Bitten wir den Herrn, dass wir lernen können, dieses Wort mit unserem ganzen Leben zu sagen. So werden wir im Herzen des Wortes Gottes sein. So werden wir gerettet sein. [00020-05.08] [NNNNN] [Originalsprache: Italienisch] ZWEITE GENERALKONGREGATION (MONTAG, 6. OKTOBER 2008 - NACHMITTAG) - BERICHTE AUS DEN KONTINENTEN - VORTRAG VON S. EM. KARD. ALBERT VANHOYE SJ, EMERITIERTER REKTOR DES PÄPSTLICHEN BIBELINSTITUTS IN ROM (FRANKREICH) Heute um 16.30 Uhr hat in Gegenwart des Heiligen Vaters mit dem Gebet des Adsumus die Zweite Generalkongregation begonnen. In der Synodenaula wurden die Berichte aus den Kontinenten zum Thema der XII. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode Das Wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche verlesen. Turnusmäßiger delegierter Präsident ist S.Em. Kard. William Joseph LEVADA, Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre. Nach einer Zeit der Diskussionsbeiträge der Synodenväter zu den Berichten aus den Kontinenten und vor dem Vortrag von S.Em. Kard. Albert Vanhoye SJ, em. Rektor des Päpstlichen Bibelinstituts, Rom (Frankreich), hat der als Sondergast anwesende Oberrabbiner von Haifa (Israel), Shear-Yashuv Cohen, gesprochen. Bei dieser Generalkongregation, die um 18.55 mit dem Gebet des Angelus beendet wurde, waren 245 Väter anwesend. BERICHTE ÜBER DIE KONTINENTE - Für Afrika: S.Exz. John Olorunfemi ONAIYEKAN, Erzbischof von Abuja (NIGERIA) - Für Asien: S.Exz. Thomas MENAMPARAMPIL, S.D.B., Erzbischof von Guwahati (INDIEN) - Für Amerika: Kardinal Oscar Andrés RODRÍGUEZ MARADIAGA, S.D.B., Erzbischof von Tegucigalpa, Präsident der Bischofskonferenz (HONDURAS) - Für Europa: Kardinal Josip BOZANIĆ, Erzbischof von Zagreb (KROATIEN) - Für Ozeanien: S.Exz. Michael Ernest PUTNEY, Bischof von Townsville (AUSTRALIEN) Es folgen die Veröffentlichungen der Berichte über die Kontinente: - Für Afrika: S.Exz. John Olorunfemi ONAIYEKAN, Erzbischof von Abuja (NIGERIA) Das wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche: Die afrikanische Geschichte Im Instrumentum Laboris (IL) lesen wir unter Nr. 7b folgende wichtige Anmerkung: In den jüngeren Ortskirchen ist die Lektüre der Bibel weiter verbreitet als andernorts. Im Rahmen der zeitlichen Grenzen, die mir für diesen Vortrag gesetzt sind, möchte ich nun in der gebotenen Kürze darlegen, dass die oben angeführte Anmerkung für den afrikanischen Kontinent von großer Bedeutung ist. Zwei wichtige Veranstaltungen zum Thema Bibel haben uns auf dem afrikanischen Kontinent die Gelegenheit gegeben, für den oben genannten Sachverhalt ein klares Zeugnis abzulegen. Das erste Ereignis war der 40. Jahrestag der Veröffentlichung des Konzilsdokuments Dei Verbum, an den bei einem Kongress zum Bibelapostolat in Afrika erinnert wurde, der im Juni 2005 in Abuja (Nigeria) stattfand. Das zweite Ereignis fand vor kurzem, im Jahr 2008, statt, als die Katholische Bibelföderation ihre Vollversammlung zum ersten Mal auf dem afrikanischen Kontinent, und zwar in Dar es Salam (Tansania), abhielt. Bei beiden Gelegenheiten konnten wir Berichte darüber hören, was Gott alles vollbringt, um das Wort Gottes an alle Ecken und Enden des afrikanischen Kontinents zu bringen, und dies insbesondere seit dem II. Vatikanischen Konzil. Heute schauen wir auf unseren Kontinent und können sagen, dass das Wort Gottes in der Tat jene gute Nachricht ist, die an allen Ecken und Enden verbreitet worden ist. Sicherlich stehen wir vor vielen Herausforderungen, aber es gibt auch viel Trostreiches zu berichten. In meinen kurzen Ausführungen möchte ich der Gliederung des Synodenthemas in drei Teile folgen, die wir in den Lineamenta und im Instrumentum Laboris finden, nämlich: (a) das Wort Gottes in Afrika (b) das Wort Gottes im Leben der Kirche in Afrika und (c) das Wort Gottes in der Sendung der Kirche in Afrika I. DAS WORT GOTTES IN AFRIKA 1. Semina Verbi in der afrikanischen Tradition: Die vorsynodalen Dokumente unterstreichen die Bedeutung eines globalen Konzeptes des Wortes Gottes, das weit über den bloßen Schrifttext hinaus geht. Das Wort Gottes ist der Dialog Gottes mit der gesamten Menschheit, der sich auf alle Menschen aller Zeiten und Orte erstreckt. Die Afrika-Synode rehabilitierte endlich und endgültig die traditionelle afrikanische Religion und Kultur und erkannte in einem offiziellen und maßgebenden Dokument an, dass die traditionelle afrikanische Religion ein monotheistischer Glaube ist (EIA 7), der an den einen wahren Gott glaubt und ihn, den Schöpfer (EIA 57), verehrt. Es ist derselbe Gott, der sich niemals vor einem Volk verbergen würde, das ihn mit aufrichtigem Herzen sucht, (LG 15). Offensichtlich nähert man sich diesem Gott aufgrund der menschlichen Unvollkommenheiten mit Bildern und vagen Reflexionen. Doch die grundlegende Wahrheit besteht darin, dass dieses höchste Wesen, der Schöpfer des Himmels und der Erde, das Ziel des Gottesdienstes und der Gebete unserer traditionellen afrikanischen Religion ist. Die grundlegenden Normen der Moral, die sich in diesen Religionen finden, sind, so unvollkommen sie auch sein mögen, ein Widerschein jenes Lichtes, das jeden Geist erleuchtet (Joh 1,9). All dies kann nicht ohne die Gnade Gottes geschehen, wie es das II. Vatikanum deutlich hervorhebt (LG 15). Es war nicht nur eine preparatio evangelica für eine etwaige Rezeption der Botschaft des Evangeliums, sondern in der Tat ein willkommenes Umfeld und ein fruchtbarer Boden für die Verkündigung des Wortes Gottes im Hinblick auf die Schrift und auf den Dienst der Kirche (EIA 57). Ich glaube, es ist wichtig, dies anzuerkennen, wenn wir erklären wollen, wie sich der christliche Glaube im letzten Jahrhundert so weit über den afrikanischen Kontinent ausbreiten konnte: Es war ein wunderbares Werk der göttlichen Gnade (EIA 33). Mein verstorbener Vater, der um 1920 als einer der Ersten in unserem Dorf den christlichen Glauben annahm, klärte mich darüber auf, dass er, als er Christ wurde, nicht an einen neuen Gott zu glauben begann. Es war derselbe Olorun, das höchste Wesen der Yoruba, den er bereits aus der traditionellen Religion kannte. Darauf baute er seinen christlichen Glauben auf, kraft der Gnade Gottes und dank der Verkündigung des Evangeliums durch die Missionare. So war auf dem sogenannten Schwarzen Kontinent das Licht des Ewigen Wortes Gottes niemals abwesend. 2. Afrika in der Heiligen Schrift: Dem Wort Gottes kommt die besondere Bedeutung zu, jene inspirierte Schrift zu sein, die von der Geschichte des Volkes Gottes im Alten und im Neuen Bund berichtet. In dieser göttlichen Geschichte war der afrikanische Kontinent stets deutlich präsent. Schon in frühesten Zeiten zog der Patriarch Abraham nach Ägypten hinab (Gen 12,10-20). Wir sollten auch nicht vergessen, dass Ägypten durch die Vorsehung auch zum historischen Brutkasten des Volkes Israel wurde. Die Familie Jakobs Israel , die aus dem Land Kanaan nach Ägypten zog, umfasste zu Zeiten Josephs 70 Personen (Ex 1,5). Diese blieben für rund 430 Jahre im Gebiet von Goschen (Ex 12,40). Als sie beim Exodus fortzogen, waren sie zu einem großen Volk von 600.000 Mann geworden, Frauen und Kinder nicht gerechnet (Ex 12,37). Würden wir ihre Familienangehörigen mitzählen und dabei von durchschnittlich fünf Personen pro Familie ausgehen, so ließe sich hochrechnen, dass sich insgesamt rund 3 Millionen Menschen auf den Weg gemacht haben! Sein erstes und frühestes Anwachsen erfuhr Israel als Volk also in Ägypten. Für das Volk Israel ist Ägypten also nicht nur das Land der Verfolgung und des Exodus, sondern auch das Land der Zuflucht und des Schutzes. Für einen großen Teil seiner Geschichte war Israel ein kleines Land, das zwischen den großen Ländern Ägypten im Süden, Syrien im Norden und Mesopotamien im Osten lag. Im Neuen Testament war wiederum Ägypten das Land, in dem die Heilige Familie Zuflucht fand (Mt 2,13-15). Der Afrikaner Simon von Zyrene half Jesus bei seiner Passion, das Kreuz zu tragen (Mk 15,21). An Pfingsten kamen viele Pilger aus Afrika, aus Ägypten und den Landstrichen Libyens gegen Zyrene (Apg 2,10). Der äthiopische Eunuch (Apg 8,26-39) war einer der ersten, die die christliche Botschaft in seine Heimat, ins weit entfernte Herz Afrikas brachten. Es verwundert daher nicht, dass einige der ersten Zentren des Christentums und zwar sowohl im Hinblick auf die Theologie und die Theologen als auch hinsichtlich der Märtyrer und Bekenner in Nordafrika liegen: an dieser Stelle seien nur Alexandria, Karthago und Hippo genannt. All dies wird gebührend anerkannt und gewürdigt im Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Ecclesia in Afrika von Johannes Paul II, und zwar unter Nr. 31. Ich glaube, es ist wichtig, uns diese Tatsache in Erinnerung zu rufen, damit wir nicht weiterhin fälschlicherweise denken, dass für Afrika die gesamte Heilsgeschichte etwas Neues und Fremdes sei und wir mit den inspirierten Schriften zuvor nichts zu tun gehabt hätten. Unser Kontinent kann sich rühmen, biblisches Land zu sein, und dies in einem solchen Maße, wie es viele der großen christlichen Nationen unserer Zeit nicht von sich behaupten könnten. 3. Die Heilige Schrift im heutigen Afrika. Das II. Vatikanum forderte dazu auf, dass der Zugang zur Heiligen Schrift allen Gläubigen weit offenstehen müsse (DV 22). Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurde einiges unternommen, um den Christen in Afrika diesen Zugang zu ermöglichen. Wir stehen in dieser Hinsicht jedoch noch immer vor vielen Schwierigkeiten. 3.1. Der materielle Text der Heiligen Schrift stellt vielerorts ein großes Problem dar. Der Preis für eine Bibel mag an einigen Orten der Welt sehr niedrig sein. In Afrika kann er hingegen so hoch sein wie ein Monatslohn. Daraus folgt, dass viele Menschen nicht genug Geld haben, um eine eigene Bibel zu erwerben. Es wurden viele Anstrengungen unternommen, um Bibelausgaben zu erschwinglichen Preisen zu produzieren. In diesem Zusammenhang müssen wir die Initiativen unserer protestantischen Brüder loben, die dieses Anliegen zu einer Priorität ihres Apostolates gemacht haben. Vielerorts arbeitet die katholische Kirche mit anderen Christen zusammen, insbesondere im Bereich der Bibelgesellschaften. Diese Zusammenarbeit bringt reiche Früchte. 3.2. Abgesehen vom materiellen Text gibt es auch die Problematik der Sprache. Der Text der Bibel ist in viele Sprachen noch nicht adäquat übersetzt worden. Daher bleibt der direkte Zugang zum Wort Gottes all jenen versperrt, die nur diese Sprachen beherrschen. Von großer Bedeutung ist daher die Übersetzungsarbeit, die in der Tat keine leichte Aufgabe ist. Auch in diesem Bereich der Bibelübersetzung engagieren sich unsere protestantischen Brüder in vielen Gebieten Afrikas sehr stark. Die katholische Kirche hat sich insbesondere nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil mit großem Elan dieser Aufgabe gewidmet und stieß dabei nicht selten auf Schwierigkeiten. Oft sind die Mittel, um dieses Ziel zu erreichen, sowie die Sachkenntnis, um es dann konkret in die Tat umzusetzen, äußerst unzureichend. Die Übersetzungsarbeit ist in Afrika sehr wichtig, wobei es nicht nur darum geht, das Wort Gottes in eine andere Sprache zu übertragen, sondern wir stehen auch vor der Problematik des Analphabetismus, der in vielen Gebieten Afrikas weit verbreitet ist. Unter diesen Umständen macht die Übersetzung der Bibel in die verschiedenen lokalen Sprachen den Bibeltext auch für jene Menschen verfügbar und zugänglich, die des Lesens unkundig sind. Sie können zuhören, wenn die Bibel in ihren Sprachen vorgelesen wird, und können somit durch das Zuhören das Wort Gottes in sich aufnehmen. In einer in hohem Maße mündlich geprägten Kultur wie der afrikanischen kann die Bedeutung des Hörens des Gotteswortes gar nicht deutlich genug hervorgehoben werden. Jesus, unser Herr, sagte ja: Selig sind vielmehr die, die das Wort Gottes hören und befolgen (Lk 11,28). Auch wenn ich fest daran glaube, dass jene, die das Wort Gottes lesen, gesegnet werden, so scheint es doch, dass jene, die das Wort Gottes schlicht und einfach hören, noch mehr Segen erfahren. 3.4. Aber nachdem wir das in unseren Sprachen vorgelesene Wort Gottes gehört haben, stehen wir noch vor der Aufgabe, dieses Wort so auszulegen, dass wir die wahre Bedeutung der Botschaft in uns aufnehmen, die der Heilige Geist den Empfängern dieses Wortes übermitteln will. Dabei stellt sich uns die Aufgabe der Schriftauslegung,, der Exegese sowohl auf wissenschaftlichem als auch auf seelsorgerischem Niveau. Uns wurde ein reiches Zeugnis gegeben von den Wundern, die der Heilige Geist in den Herzen und Seelen der vielen einfachen Christen bewirkt, die sich dem Wort Gottes in tiefem Glauben und tiefer Liebe nähern. Es gibt eine Art geistlichen Instinkts für das rechte Verständnis des Wortes Gottes, der einige Wissenschaftler und Exegeten, die mitunter verantwortungslose Spekulationen betreiben, beschämen müsste. Die Lineamenta (Nr. 19, 25) und das Instrumentum Laboris (Nr. 38) berichten sehr ausführlich von der Lectio Divina. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist sie grundlegender Bestandteil des Bibelapostolats in Afrika, wobei wir verschiedene Methoden zur Lektüre, Betrachtung und zur konkreten Umsetzung der Schrift im alltäglichen Leben unserer Mitmenschen aufgezeigt haben. So kamen beispielsweise wertvolle Methoden zum Bibelstudium aus Stätten wie dem Dzogbegan-Kloster in Nordtogo und dem Lumko Pastoralzentrum in Südafrika, um hier nur einige zu nennen. Diese Methoden fanden in der ganzen Welt Verbreitung, und sie werden, mitunter etwas abgeändert, mit großem Nutzen angewandt. 3.5. Die neuen Medien: Auch bei diesem kurzen Überblick kommen wir nicht umhin, auf die Herausforderung der neuen Medien hinzuweisen. Computer und Satelliten haben die Kommunikation in unseren Tagen revolutioniert. Wenn das Gotteswort so vermittelt werden soll, wie Gott dies beabsichtigt, dann dürfen wir nicht die Entwicklung außer Acht lassen, die sich im Bereich der neuen Kommunikationstechnologien vollzieht. Leider öffnet sich die Schere zwischen den reichen und den armen Nationen von Tag zu Tag mehr. Aber die gute Nachricht ist, dass diese Technologien wiederum auf vielerlei Weise dazu beitragen, diese Kluft zu überbrücken. Mobiltelefone und Internet stehen mittlerweile selbst in entlegenen Gebieten ohne Strom und Telefonnetz zur Verfügung. Die Möglichkeiten zur Verbreitung des Wortes Gottes übersteigen alle Vorstellungskraft. In vielen Teilen Afrikas gibt es viele kreative Programme und Projekte zur Verbreitung der Botschaft der Heiligen Schrift, die über die traditionellen Texte und Bücher hinausgehen. Es besteht der dringende Bedarf an einer weltweiten Solidarität und an der gemeinsamen Nutzung der Ressourcen. II. DAS WORT GOTTES IM LEBEN DER KIRCHE VON AFRIKA Das Wort Gottes trägt die Kirche durch ihre Geschichte hindurch (Lin. 19). Dies trifft auch für die Kirche in Afrika zu. 1. Die frühe Kirche wurde um das in der Heiligen Schrift verkündete Wort Gottes herum errichtet. Dies trifft in gleicher Weise für die frühe Kirche in Nordafrika zu. Diese Tradition setzt sich bis in unsere Tage ununterbrochen fort. In diesem Zusammenhang teilen sich die koptischen Kirchen Ägyptens und Äthiopiens denselben Reichtum an Schriften wie andere orientalische und nach östlichem Ritus praktizierende Kirchen. 2. Die Aufmerksamkeit gilt heute jedoch mehr den jüngeren Kirchen des subsaharischen Afrikas. Während die katholische Kirche in einigen Teilen Afrikas auf das 15.Jahrhundert zurückgeht und in Ländern wie Mosambik und Angola seit 500 Jahren ununterbrochen fortbesteht, ist die Kirche in den meisten Gebieten des heutigen Afrikas eine Frucht der Evangelisierung in jüngerer Zeit, so vor allem im 20. Jahrhundert, jener Epoche schnellen Wachstums, als welche sie in Ecclesia in Africa unter Nummer 33 beschrieben wird. Die Missionare, die Ende des 19. Jahrhunderts und nahezu im gesamten 20. Jahrhundert den katholischen Glauben nach Afrika gebracht haben, waren Männer und Frauen ihrer Zeit und ihrer jeweiligen Herkunftsorte. Es versteht sich von selbst, dass die Bibel als schriftlich abgefasster Text nicht so sehr das vorrangige Anliegen im Leben der Kirche jener Tage war. Daher waren die frühen katholischen Gemeinschaften eher vertraut mit der Glaubenslehre, die sie aus dem Katechismus und den Predigten der Missionare gelernt hatten, als mit dem Zitieren von Kapiteln und Versen aus der Bibel. Dies soll jedoch nicht bedeuten, dass sie im Bereich der Heiligen Schrift unkundig gewesen wären. Der Katechismus selbst gründete ja indirekt auf der Heiligen Schrift. Und noch wichtiger war die Liturgie: In der heiligen Messe wurden regelmäßig Texte aus der Bibel gelesen und Predigten darüber gehalten. Das vorkonziliare Messbuch enthielt zwar weniger Lesungen als das heutige Messbuch. Dennoch wies es eine beachtliche Auswahl von Texten aus dem Alten und Neuen Testament auf. Nicht zu unterschätzen ist auch der weitverbreitete Gebrauch von Bibelgeschichten, die sich vor allem bei Kindern und jungen Menschen besonderer Beliebtheit erfreuten. Dank solcher Veröffentlichungen lernten sie mit großem Gewinn die wichtigsten biblischen Geschichten aus dem Alten und Neuen Testament. Natürlich gab es katholische Bibeln, die aber nicht sehr weit verbreitet waren, und es lagen auch nicht so viele Bibelübersetzungen vor. Man muss sagen, dass die Protestanten mit ihrer Bibel in der Hand zum Gottesdienst gingen, während die Katholiken mit ihrem Rosenkranz oder ihren Messbüchern zur Kirche gingen, soweit sie eines besaßen. 3. Dann kam das Zweite Vatikanische Konzil mit seiner Revolution im Bereich der Bibel, wodurch das Leben der Kirche in Hinsicht auf die Heilige Schrift geöffnet wurde. Das Konzil gab klare Richtlinien vor, und zwar nicht nur in Dei Verbum (vor allem in Kapitel 6), sondern auch in anderen Dokumenten wie etwa in der Dogmatischen Konstitution zu Liturgie, Sacrosanctum Concilium und zurPriesterausbildung,,Optatam Totius, wo die Heilige Schrift als Seele der Theologie bezeichnet wird (OT 16). Diese Richtlinien wurden von der Kirche in Afrika mit großer Ernsthaftigkeit umgesetzt. Man kann durchaus behaupten, dass damals eine Welle der Begeisterung für das in der Heiligen Schrift enthaltene Wort Gottes ihren Anfang nahm. Vor allem viele Laiengläubige waren erfüllt von einem großen Durst nach dem Wort Gottes in der Heiligen Schrift. Sie taten das ihnen Mögliche, um so viel zu lernen wie sie konnten. In der Tat schreckten sie zeitweilig nicht einmal davor zurück, schmutziges Wasser aus vergifteten Brunnen in nichtkatholischen Gebieten zu trinken. Das Konzil legte die Verantwortung für den rechten Umgang mit der Heiligen Schrift fest auf die Schultern der Verantwortlichen der jeweiligen Ortskirchen, also der Bischöfe. Die Bischöfe Afrikas haben diese Aufgabe nie vernachlässigt. Nahezu jede Bischofskonferenz verfügt über eine eigene Bibelkommission und über Kommissionen für das Bibelapostolat. Diese Kommissionen arbeiten auch eng zusammen mit anderen Bischofskonferenzen auf regionaler und kontinentaler Ebene. Auf kontinentaler Ebene hat die SECAM ein eigenes Koordinierungsbüro, das Biblical Centre for Africa and Madagascar (BICAM) genannt wird. Zuvor hatte es seinen Sitz in Nairobi, es befindet sich aber mittlerweile im Hauptsitz der SECAM in Accra in Ghana. Die Struktur auf afrikanischer Ebene wird auf weltweiter Ebene koordiniert und integriert durch die Katholische Bibelföderation, zu deren größten Förderern die Kirche in Afrika gehört. Durch diese Strukturen verfügt das kirchliche Lehramt in Afrika über die Möglichkeit, zum Gebrauch der Heiligen Schrift in der Kirche zu ermutigen, zu fördern und zu koordinieren. Bibelprojekte wie die Produktion von Bibelausgaben, Übersetzungsarbeiten und die Veröffentlichung von Arbeitsmaterial zur Bibel werden genauestens von kompetenten Fachleuten beaufsichtigt, die von den zuständigen Autoritäten eigens für diese Aufgabe ausgewählt wurden. Dadurch wurden in den meisten Ländern reiche Früchte hervorgebracht. In diesem Bereich ist die afrikanische Kirche den zahlreichen Instituten geweihten Lebens, die sich in besonderer Weise dem Bibelapostolat widmen, zu großem Dank verpflichtet. Erwähnt werden sollen an dieser Stelle vor allem die Patres und die Schwestern vom Hl. Paulus (Paulus-Familie), die zahlreiche Bibelausgaben und Arbeitsmaterial zur Bibel produzieren, sowie die Gesellschaft vom Göttlichen Wort, um nur einige von ihnen zu nennen. Im Bereich der wissenschaftlichen Exegese hat die afrikanische Kirche die Notwendigkeit erkannt, dass den afrikanischen Exegeten und Theologen eine angemessene Unterstützung, Ermutigung und Anleitung in ihrer Arbeit gegeben werden muss. Die SECAM hat ein eigenes Bibelkomitee, das Commibible genannt wird und als ihre Bibelkommission fungiert. Seine Aufgaben bestehen genau gesagt darin, die Arbeit der BICAM und der anderen Einrichtungen des Bibelapostolats in Afrika zu beaufsichtigen. Mit der Commibible arbeitet sehr eng die Vereinigung Afrikanischer Bibelexegeten zusammen, die Pan-African Association of Catholic Exegetes (PACE) genannt wird. Diese Vereinigung kommt regelmäßig alle zwei Jahre zu Kongressen und wissenschaftlichen Tagungen zusammen, wo auf exegetisch höchstem Niveau über bestimmte Fragen zur Heiligen Schrift beraten wird. Auch Fachleute aus anderen Regionen der Weltkirche zollen ihren Veröffentlichungen hohen Respekt und hohe Anerkennung. Diese Arbeit verdient größte Unterstützung und Ermutigung. III. DAS WORT GOTTES IN DER SENDUNG DER KIRCHE IN AFRIKA Wir haben nun einige der Initiativen kennengelernt, die die Kirche im Rahmen ihrer Sendung in Afrika durch die Verkündigung des Wortes Gottes unternimmt. Wir möchten im Folgenden nur einige Aufgaben kurz zusammenfassen: 1. Erstevangelisierung: Zunächst sei angemerkt, dass Afrika noch immer der Kontinent der Erstevangelisierung ist. Aktuelle Statistiken zeigen, dass der Anteil der Katholiken an der afrikanischen Bevölkerung rund 14% beträgt (EIA 38). Die Ernte auf dem Feld ist also sehr reich (EIA 74). Der Auftrag der Erstevangelisierung erfordert natürlich, dass das Wort Gottes in all seiner Macht und Stärke verkündet wird. Dazu ist es nötig, dass wir all jenen angemessen die Heilige Schrift nahebringen, die wir zur Annahme der christlichen Botschaft einladen. Die Katechese, die wir im Rahmen unserer Erstevangelisierung erteilen, ist immer tiefer in der Heiligen Schrift verwurzelt, gemäß den Richtlinien des Allgemeinen Direktoriums für Katechese und nach dem Vorbild des Katechismus der Katholischen Kirche. 2. Seelsorge: Der Sendungsauftrag der Kirche besteht auch darin, ihre Glieder dazu anzuleiten, ihren christlichen Glauben konsequent in ihrem alltäglichen Leben und ihren alltäglichen Tätigkeiten zu leben. Dabei ist das Wort Gottes in der Heiligen Schrift ein konstanter Bezugspunkt, ein Licht auf unserem Weg (Ps 119,105). Die Heranführung an das Alte und Neue Testament in der Heiligen Schrift sind von bleibendem Wert, da das Wort Gottes alle Zeiten überdauert. Der Christ, der in dieser Welt lebt und für die Botschaft des Evangeliums Zeugnis ablegen soll, muss ermutigt werden, mit den Quellen seines Glaubens vertraut zu werden, und vor allem mit dem inspirierten Wort Gottes. So spielt die Heilige Schrift eine große Rolle im Sendungsauftrag, den die Kirche gegenüber ihren Gliedern erfüllt. 3. Ökumene: Die Kirche hat auch einen Sendungsauftrag gegenüber all jenen, die nicht direkt zu ihr gehören. Wir denken dabei zunächst an die anderen Christen, die nicht unserer Kirche angehören. Wir hatten bereits die Gelegenheit, von unserer Zusammenarbeit auf ökumenischer Ebene im Bereich der Produktion von Bibeln und deren Übersetzung zu berichten. Zu unserer eigenen Freude und ganz gewiss zur größeren Ehre Gottes haben wir feststellen können, dass die größere Vertrautheit der Katholiken mit der Heiligen Schrift uns näher an unsere Brüder aus anderen christlichen Traditionen heranführt, für welche die Heilige Schrift oft die wichtigste und vielleicht die einzige Quelle für eine christliche Lebensführung ist. Wenn wir fähig werden, gemeinsam die Bibel zu lesen und gemeinsam auf Grundlage der Bibel zu beten, könnten viele Missverständnisse aus dem Weg geräumt werden. Auch würde dadurch eine fruchtbarere Zusammenarbeit ermöglicht und der gesamte Sendungsauftrag der Kirche gestärkt. Gewiss gibt es in diesem Bereich auch Schwierigkeiten, vor allem mit Gruppen, die nicht nur fundamentalistisch, sondern eindeutig antikatholisch sind. Afrika ist da bedauerlicherweise der Müllabladeplatz für alle möglichen verrückten Ideen aus anderen Kontinenten. Es wird sogar behauptet, dass unsere Kirche die Bibel nicht achte und nicht als wirklich katholisch angesehen werden könne. Zahlreiche Glieder unserer Kirche werden oft belästigt durch die Übergriffe und Schikanen dieser Gruppen, vor allem wenn wir selbst nicht richtig darauf vorbereitet sind, unsere eigenen katholischen Standpunkte zu verteidigen. Viele unserer Gläubigen stellen sich jedoch der Herausforderung, die Heilige Schrift noch ernster zu nehmen und für ihre eigenen Überzeugungen einzustehen, wenn sie oder ihre Kirche von anderen angegriffen werden. Ich glaube aber, dass die allmählich immer enger werdenden Beziehungen zu unseren protestantischen Brüdern in Afrika insgesamt in die richtige Richtung gehen. 4. Interreligiöse Dimension: In diesem Bereich führen wir großangelegte Gespräche mit den traditionellen afrikanischen Religionen und dem Islam. Es gibt zwar auch einige Anhänger anderer Weltreligionen wie etwa dem Judentum, dem Hinduismus, dem Buddhismus usw., diese sind jedoch in pastoraler Hinsicht von eher geringerer Bedeutung für uns. Wir stehen also vor der Herausforderung, Beziehungen aufzunehmen mit unseren afrikanischen Brüdern und Schwestern, die diesen oder anderen Religionen angehören, und wir sollen dabei ausgerüstet sein mit dem in unseren Heiligen Schriften enthaltenen Wort Gottes. Ich habe bereits von den Anhängern der traditionellen afrikanischen Religionen berichtet und von den vielen Wahrheiten und Werten, die sie mit unserem christlichen Glauben gemeinsam haben. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Anhänger der traditionellen afrikanischen Religionen gerne die biblischen Berichte hören und vieles von dem annehmen, was in der Bibel gesagt wird. Dies kann bis zu einem gewissen Grade auch von den Moslems gesagt werden, die Jesus zumindest als Propheten anerkennen. Sie sprechen vom Evangelium, worunter aber nicht notwendigerweise dasselbe Evangelium zu verstehen ist, das wir lesen. Es gibt aber die Gemeinsamkeit, dass Gott durch seine Propheten zu uns gesprochen hat. Der Respekt vor den Heiligen Schriften wird daher im Allgemeinen als selbstverständlich angesehen. Da der Heilige Koran so viele Stellen aufweist, die auch in unseren Heiligen Schriften vorkommen, gibt es eine breite Basis für die gemeinsamen Gespräche, die wir mit unseren muslimischen Brüdern und Schwestern führen. Die Tragödie ist jedoch, dass in dieser Richtung nicht viel getan wird, da sich die Rivalitäten zwischen Christen und Moslems vielerorts mehr auf die Unterschiede als auf unsere Gemeinsamkeiten konzentrieren. Außerdem gibt es Fanatiker, die verwegen behaupten, dass der Heilige Koran die von Gott selbst gemachte Korrektur und Weiterentwicklung unserer Schriften sei. Wo Menschen solche wenig hilfreichen Ideen verbreiten, da wird der gegenseitige Respekt gegenüber unseren Heiligen Schriften eher problematisch. Das Zweite Vatikanische Konzil gab die Empfehlung, eigene Bibelausgaben für Anhänger anderer Glaubensrichtungen auszuarbeiten. So viel ich weiß, wurde in dieser Richtung bisher recht wenig unternommen. Ich glaube, wir sollten zumindest in Afrika mehr in dieser Hinsicht tun. SCHLUSSBEMERKUNG Vieles geschieht also in unseren Tagen im Hinblick auf das Wort Gottes in der Kirche und vor allem im Leben und in der Sendung der Kirche in Afrika. Wir haben versucht, hier einen kurzen, schlagwortartigen Überblick zu geben über die Realität, in der wir leben. Es ist das Werk des Geistes unseres Herrn, der in unseren Ortskirchen wirkt. Vieles von dem, was dort passiert, ist nicht eigens dokumentiert. Es geschieht auf lokaler Ebene und bleibt dort verborgen. Doch gerade dort ist der Geist am Wirken. Wir erhoffen uns von dieser Synode, dass die Begeisterung für das Wort Gottes, die wir derzeit auf unserem Kontinent feststellen können, gestärkt und vertieft wird. Auch hoffen wir, dass unserer Bericht über die Herausforderungen, vor denen wir stehen, und über die Begrenztheit unserer Mittel dazu führen wird, dass uns in den oben erwähnten Bereichen noch mehr Unterstützung zuteil wird. Wir vertrauen auch weiterhin auf den Geist unseres Herrn Jesus, des Urhebers und erhabenen Lehrers dieser Schriften, auf dass er sein Wort allen erschließe, die es mit offenem Herzen hören. Das Wort Gottes möge in all seiner Fülle in unseren Herzen wohnen. Amen. (Kol 3,16). [00012-05.05] [NNNNN] [Originalsprache: Englisch] - Für Asien: S.Exz. Thomas MENAMPARAMPIL, S.D.B., Erzbischof von Guwahati (INDIEN) Das Wort Gottes in Asien Und das Wort ist Fleisch geworden 1. Das Wort ist in Asien Fleisch geworden. Von hier aus wurde Seine heilbringende Botschaft in die ganze Welt getragen: Paulus hörte auf den Ruf des Mazedoniers und machte sich auf den Weg nach Westen, nach Europa; Petrus setzte die Segel in Richtung Rom; Jakobus ging nach Spanien, Markus nach Alexandrien, Thomas nach Indien; Irenäus gelangte nach Lyon und andere bis an die Grenzen der Erde. 2. Das Wort Gottes wurde von Einzelpersonen und Gemeinschaften aufgenommen und meditiert, es nahm Gestalt an in den spirituellen Traditionen Asiens, die zum gemeinsame Erbe der frühen Kirche wurden. Die ersten Konzilien der Kirche, die in Asien abgehalten wurden, vertieften die Reflexion. Wir werden nie wissen, wie viel vom kulturellen Reichtum und dem religiösen Ernst Asiens in die Denkweisen und die Praxis eingeflossen sind, die wir heute als Teil des allgemeinen christlichen Erbes betrachten, zum Beispiel in den Bereichen der Lehre, der Liturgie, des Mönchtums, der kirchlichen Disziplin, des missionarischen Geistes u.a. Sie bleiben ein ununterscheidbarer Teil unseres gemeinsamen Erbes. Wir können in der Tat die Augen nicht verschließen vor dem speziell asiatischen Charakter des biblischen und frühchristlichen Vermächtnisses. Das verkündete Wort 3. Die Geschichte lehrt uns, dass syrische Mönche das Wort Gottes voll Begeisterung nach Persien, Afghanistan, Zentralasien, Westchina und Südindien gebracht haben. Sie pflegten den Dialog und die Lehre, aber in jeder Situation gaben sie mit außerordentlichen Eifer die Botschaft Jesu weiter. Es gibt Belege dafür, dass sie mit Anhängern der Zoroastrischen Lehre, mit Buddhisten, Manichäern, Taoisten, Konfuzianern, Hindus, Muslimen und Oberhäuptern der Stammesreligionen unter den Turkvölkern, Hunnen und Mongolen Kontakte pflegten. Christliche Gemeinschaften entstanden an so weit entfernten Orten wie Xian (China). Klöster entwickelten sich als Zentren der Gelehrsamkeit und als Bollwerke der Theologie und der Spiritualität (zum Beispiel Edessa, Nisibis). Die Mönche schöpften aus der Fundgrube der einheimischen Sprachen, Kulturen, Religionen und Ideen, die sie bei den verschiedenen Völkern vorfanden. Spontan nahmen lokale Ausdrucksweisen des Glaubens Form an. 4. All diese Gemeinden zusammengenommen mögen etwa 70 Millionen Christen gezählt haben. Aber unglücklicherweise gingen viele von ihnen aufgrund des Auftretens mächtiger feindlicher Kräfte im Herzen Asiens in späteren Jahren zugrunde oder wurden stark geschwächt. Die Gemeinschaften in Südindien und Westasien jedoch blieben bestehen. Kultureller Widerstand 5. Abgesehen von diesen Rückschlägen gab es auch andere Gründe, warum die asiatischen Gesellschaften das Angebot der christlichen Verkündigung ignorierten. Wie die zu sehr auf ihre philosophische Weisheit vertrauenden Athener nicht leicht dazu geneigt waren, einer Verkündigung Aufmerksamkeit zu schenken (der Botschaft des hl. Paulus), die einen anderen kulturellen Hintergrund hatte, so dachten auch die führenden Persönlichkeiten der asiatischen Hochkulturen nicht, dass sie etwas nötig hätten, was sie nicht schon durch ihre eigenen großen intellektuellen Anstrengungen und ihre religiöse Suche erlangt hätten. Während sie von außen kommenden Ideen und Erfahrungen immer eine leichte Neugier entgegenbrachten, konnten sie es sich nicht vorstellen, dass der von ihnen angesammelte, überwältigend große Schatz an Weisheit nach einer ernsthaften Korrektur oder Ergänzung verlangte. 6. Historisch gesehen ließ auch die Tatsache, dass das Christentum zur offiziellen Staatsreligion des Römischen Reiches erklärt worden war, den Persern die christliche Religion als eng verbunden mit Rom erscheinen, dem Hauptrivalen und Feind Persiens. Seit dieser Zeit haftete den christlichen Gemeinschaften in den verschiedenen Teilen Asiens immer das Bild an, Loyalität gegenüber ausländischen, fremden Kräften zu pflegen. Das wurde die Zeit des Kolonialismus hindurch und bis in unsere Tage so gesehen, insbesondere weil das Christentum für die meisten den Westen repräsentierte[1]. Deshalb setzten die herrschenden Klassen der christlichen Verkündigung Widerstand entgegen, während die Randgruppen wie zum Beispiel kleinere ethnische Gruppen, Stammesgemeinschaften, Fischer, unterdrückte Minderheiten, ärmere Klassen und Ausgestoßene, die die gesellschaftlichen Wirklichkeiten aus einem anderen Blickwinkel sahen als die dominierenden Gemeinschaften die befreiende Kraft der Frohen Botschaft gern annahmen (Lk 4,18; Mt 5,3). Die Ausbreitung des Christentums 7. Die großen Leistungen der späteren Missionare, die meist aus der westlichen Welt kamen, ist uns noch lebendig im Gedächtnis: das, was Franz Xaver, Valignano, de Rhodes, Britto, Vaz, Lievens erreicht haben, die voll Eifer hier wirkten; Menschen, die sich den Kulturen anzupassen wussten wie De Nobili, Ricci. Diese und viele andere heldenhafte Seelen drangen in die abgelegensten Regionen vor, begegneten mutig den abweisendsten Herrschern, überwanden immense kulturelle Barrieren, verkündeten das Evangelium, bauten Gemeinden auf, erfanden die Schrift für eine Sprache, versahen Sprachgruppen mit einer Literatur, betrieben ethnologische Studien, machten unbekannte Gemeinschaften einem weiteren Kreis bekannt, weckten das Interesse für anthropologische Reflexionen, intervenierten zugunsten von unterdrückten Gemeinschaften, boten ihre Dienste an im Bereich des Gesundheitswesens und der Erziehung und Bildung und schufen dort beeindruckende Einrichtungen. Sie setzten sich ein für Sozialreformen, führten ganze Gesellschaften in die Moderne, sie pflanzten den Menschen Ideen in die Herzen ein, um ihre Gesellschaft zur Freiheit zu führen, sie stellten sich für leitende Positionen in der Kirche und in der weiteren Gesellschaft zur Verfügung. Verbunden mit einem erbaulichen Maß an Selbstkritik, begannen sie in den verschiedenen kulturellen Kontexten mit der theologischen Reflexion, die den Grundstein legte für das heutige missiologische Denken. Die Kirche in Asien ist heute das, was sie ist, dank ihres äußert großherzigen Dienstes [2]. Die Fortsetzung dieses Werkes liegt heute in unseren Händen. Das in das Leben umgesetzte Wort: das Zeugnis 8. Seit den ersten Anfängen des Christentums wohnte den Verkündern des Evangeliums eine überzeugende Kraft inne, weil ihr Wort in die Tat umgesetzt wurde. Mutter Teresa ist ein neueres Beispiel dafür. Missionare blieben kreativ und betraten immer neue Wirkungsfelder. Ihr Dienst in den Bereichen des Gesundheitswesens und der Bildung und Erziehung werden hoch geschätzt. Über diese Bereiche hinaus haben sie die Gebiete neuer Formen der Armut betreten: Analphabetismus, Arbeitslosigkeit, städtische Gewalt, Diskriminierung aufgrund des Geschlechts oder der Kastenzugehörigkeit, Ermordung weiblicher Föten, Drogenabhängigkeit. Sie haben ihre Dienste für Straßenkinder, ledige Mütter, zerbrochene Familien, Behinderte, AIDS-Patienten, Kranke im Endstadium, Opfer von Gewalt, Migranten, in den Slums lebende Menschen, die Landlosen und die Gefangenen vermehrt. Sie beteiligen sich aktiv am Kampf um Gerechtigkeit für unterdrückte Bevölkerungsgruppen, am Einsatz für einen gesellschaftlichen Wandel, die kulturelle Förderung, den Umweltschutz, die Verteidigung des Lebens und der Familie, sie treten ein für die Schwachen, Unterdrückten und Ausgegrenzten und verleihen denen, die keine Stimme haben, eine Stimme. 9. Auch wo dem Evangelium viel Widerstand entgegengebracht wird, wird das dem Evangelium entsprechende Zeugnis der sozial bedeutsamen Werke gerne angenommen. Ein stiller, aber aufrichtiger Dienst hat eine ganz eigene Beredsamkeit, ohne Worte und ohne Reden, unhörbar bleibt ihre Stimme. Doch ihre Botschaft geht in die ganze Welt hinaus, ihre Kunde bis zu den Enden der Erde (Ps 19,4-5). In Asien gibt es Orte, an denen man die Botschaft besser hinter verschlossenen Türen ins Ohr flüstert als auf den Dächern verkündet (Lk 12,3). Das ist eine strategische Entscheidung in Situationen, wo die Religionsfreiheit eingeschränkt ist, und bedeutet nicht, dass man seine Pflicht aufgibt. Denn die Pflicht, die Botschaft weiterzugeben, bleibt. Manche sind in dieser Hinsicht äußerst weit gegangen und haben die Werte des Evangeliums und die Sache Jesu mit der Hingabe ihres Lebens bezeugt. Das Wort wird weiter verkündet 10. Es wurden in Asien große Anstrengungen unternommen, um das Wort Gottes dem Volk näherzubringen. Diese Anstrengungen wurden seit dem Zweiten Vatikanum verstärkt. Die Kenntnis der Bibel ist größer geworden. Bibelübersetzungen sind zahlreicher geworden [3], viele sind in ökumenischer Zusammenarbeit entstanden. Die Begeisterung für die Botschaft der Bibel hat zugenommen. Bibelsonntage werden abgehalten. Die Zahl der Gruppen, die gemeinsam die Bibel studieren, hat zugenommen: Christliche Basisgemeinschaften, BECs, kleine christliche Gemeinschaften, charismatische Gruppen, Laienvereinigungen, Jugendgruppen, Familientreffen. Gläubige lesen das Wort Gottes in kleinen Gruppen, denken darüber nach, wenden die Botschaft auf ihre persönliche Situation an und beten (einige folgen der LUMKO und der ASIPA Methode). Sie brauchen Hilfe, denn ohne Führung kann der überschwängliche Enthusiasmus zu einer freien Interpretation der Heiligen Schrift führen und auch Menschen, die schon lange gläubig sind, können so weit kommen, die Kirche zu verlassen und sich fundamentalistischen Gruppen anzuschließen. Es ist ebenso eine Herausforderung für Priester und Gottgeweihte, sich selbst stärker in der Heiligen Schrift zu verwurzeln. 11. Biblische Studien werden über Fernkurse, auch in der Landessprache, durchgeführt. Bibeln und biblische Literatur stehen den Schülern in unseren Schulen, den Patienten in den Krankenhäusern und den Menschen im allgemeinen in den verschiedenen Lebenssituationen zur Verfügung. Bibelschulen bieten einen neuartigen Dienst an. In unseren Büchereien wächst weiterhin die Zahl der Bücher, die einen Bezug zur Bibel haben. Kreativ angelegte Bibel- und theologische Kurse werden den Gottgeweihten, den Laien und den engagierten Jugendlichen angeboten. Wochenendkurse erfreuen sich einer steigenden Beliebtheit[4]. Hilfen für das Studium der Bibel werden in großem Rahmen hergestellt (Audiovisuelle Materialien, Bilder, Kunstgegenstände, Filme, CD, Kassetten, Lektionen im Internet und Botschaften auf dem Handy, Poster an öffentlichen Plätzen). Wochen des Bibelstudiums und Bibelsonntage werden abgehalten. Die Bibel wird immer stärker in der Pastorale eingesetzt. Die Bibel erhält in immer mehr Familien einen herausragenden Platz. Es gibt ein wachsendes Interesse für die Tradition der Lectio divina. In den Predigten der Liturgiefeiern wird das Wort Gottes erklärt. Wahrscheinlich sollten diese weniger akademisch sein und eine größere Bedeutung für das christliche Leben haben. 12. Volkstümliche Ausdrucksformen (Tänze, Sketche, Theaterstücke, Rezitationen, Geschichten erzählen) werden geschickt genutzt, um die biblischen Geschichten nachzuerzählen. Die Printmedien interpretieren die aktuellen Ereignisse aus christlicher Sicht. Die elektronischen Medien (Radio Veritas, Shalom TV) bringen katholische Nachrichten und Kommentare in die entferntesten Dörfer. Katholische Informationszentren sind zahlreicher geworden, und Menschen wenden sich auf ihrer Sinnsuche Christus zu. Der Einsatz für die biblische Botschaft bildet einen gemeinsamen Boden für ökumenische Initiativen. 13. Große Anstrengungen werden unternommen, um der nächsten Generation die christliche Lehre treu weiterzugeben. Kinder werden im traditionellen Katechismus unterrichtet, verbunden mit Wettbewerben, Ratespielen und Theaterstücken, um das Lernen interessant zu machen. Dennoch sollte kulturell bedeutsamen Kommunikationsstilen eine größere Bedeutung beigemessen werden. Junge Erwachsene lesen die Bibel. Sie suchen ihr Verständnis der zentralen biblischen Botschaften zu vertiefen und versuchen sie auf ihre soziale Situation anzuwenden. Sie möchten voll Begeisterung die Frohe Botschaft mit anderen teilen. Es ist von Interesse zu erwähnen, dass 65% der Asiaten junge Menschen sind. Das Wort Gottes nährt das Gebetsleben und fördert das Wachstum der Kirche Athener, nach allem, was ich sehe, seid ihr besonders fromme Menschen (Apg 17,22) 14. Diese Worte richten sich zurecht auch an die heutige Bevölkerung Asiens; denn sie misst ihren Religionen in einer sich schnell säkularisierenden Welt weiterhin große Bedeutung bei. So zeigen die Religionen Asiens trotz der Beeinflussung durch Modernisierung und Verweltlichung eine große Vitalität und Erneuerungsfähigkeit, wie die Reformbewegungen innerhalb der verschiedenen Religionsgruppen beweisen (EA 6). Der Dialog mit den Mitgliedern lebendiger Religionen kann auch impulsgebend sein für den eigenen Glauben. Der Sinn für das Heilige, den sie fördern, ist ein hoher menschlicher Wert. 15. Wir sind Gott dankbar dafür, dass der Kirchenbesuch auf unserem Kontinent ermutigend hoch ist. Die Sonntage werden heilig gehalten. In weit entfernten Dörfern, wo es nicht jeden Sonntag die Möglichkeit einer heiligen Messe gibt, versammeln sich die Menschen mit großer Ehrfurcht und Frömmigkeit um das Wort Gottes. Das Gebetsleben, sowohl das liturgische als auch das in persönlichen Situationen, wird durch Lesungen aus der Bibel bereichert. Die Zahl und die Größe der Gebetsgruppen steigt weiter an. Das Wort Gottes vermittelt eine starke Motivation für das Apostolat und lässt die Verbreitung des Evangeliums fruchtbar werden. Große Scharen strömen zu charismatischen Einkehrtagen, die das Wort Gottes mit all seiner Kraft verkünden. Menschen ändern ihr Leben. Heilungsgebete ziehen auch Nichtchristen in großer Zahl an. Es geschehen Wunder der Heilung und der Bekehrung. 16. Ein bedeutungsvolles Wachstum der Kirche ist feststellbar, wo unsere Mitarbeiter im apostolischen Dienst (Priester, Schwestern und Katecheten) sich aktiv für die Missionsarbeit in dafür empfänglichen Gemeinschaften einsetzen. Sie bereisen die Dörfer, machen Hausbesuche, sie schaffen Kontakt zu Einzelpersonen und Gruppen durch direkte Begegnung. Unter diesen Gruppen sind die vielen ethnischen Minderheiten (Volksstämme) in verschiedenen Teilen Chinas, der indonesischen Inseln, Nord-Myanmars, Thailands und Nordost-Indiens zu erwähnen sowie andere Orte, die begeistert auf diese Art der Mitteilung des Wortes Gottes reagiert haben. Und die Botschaft Jesu hallt wider von den Höhen des Himalaja bis zu den fernen Ozeanen. Und sie findet ein erneutes Echo in Zentralasien. Die Vorbereitung der Verkünder des Wortes: eine Blüte der Berufungen in Asien 17. Es ist selbstverständlich, dass die Verkünder des Wortes Gottes eine ernsthafte theologische und spirituelle Ausbildung erhalten sollten. Die Ernte ist in der Tat groß, und, Gott sei Dank, steigt auch die Zahl der Arbeiter weiter an. Berufungen entstehen in Asien auch in neuen christlichen Gemeinschaften. Die Zahl der Priesterseminare und Bildungshäuser steigt. Theologische Institute, Ausbildungszentren für Katecheten und andere Einrichtungen zur Ausbildung von Gottgeweihten und Laien werden zahlreicher. Die bereits bestehenden, erweitern ihr Angebot und bieten eine größere Vielfalt von Diensten. 18. Das Leben der Ordensleute und Gottgeweihten wird in Asien verstanden, seine Bedeutung anerkannt, sein Beitrag geschätzt und deren Vertreter werden respektiert. Denn es gibt einheimische Vorbilder anderer asiatischer Religionen für das religiöse Leben. Religiöse Werte wie Verzicht, Askese, Stille, Gebet, Kontemplation und Zölibat werden hoch geschätzt. Neue Kongregationen und Gesellschaften des apostolischen Lebens werden gegründet und neue religiöse Bewegungen entstehen, weil diese Tendenz der in der Gesellschaft vorherrschenden Atmosphäre entspricht, wo jede Religion sich erneuert und spirituelle Führer sehr gesucht sind. Gottgeweihte Menschen werden in Asien als Hüter der religiösen und menschlichen Weisheit betrachtet. Mit einer entsprechenden Ausbildungen können junge Ordensleute und Gottgeweihte wirksame Verkünder der christlichen Botschaft werden. Vertiefung der theologischen Reflexion Bei dem Prozess der Begegnung mit den verschiedenen Kulturen der Welt vermittelt die Kirche, die Kulturen von innen her erneuernd, nicht nur ihre Wahrheit und ihre Werte, sondern sie schöpft auch aus deren schon existierenden positiven Elementen (EA 21). 19. Eine vertiefte theologische Ausbildung beinhaltet auch eine anspruchsvollere Reflexion über das Wort Gottes im asiatischen Kontext von Armut und Ungerechtigkeit und ebenso einer Vielfalt von Religionen, Zivilisationen und Kulturen. Das schließt den Gebrauch von Denkkategorien, Symbolen, geistlichen Traditionen ein, die für Menschen in Asien bedeutungsvoll sind. Hier liegt eine herausfordernde Aufgabe für den Lehrer des Wortes Gottes. 20. Wie wir wissen, haben Worte in einem anderen kulturellen Kontext auch andere Bedeutungen oder Konnotationen. Wenn man zu nahe an den traditionellen christlichen Ausdrücken bleibt, kann die Botschaft von Außenstehenden vielleicht nicht leicht verstanden werden. Wenn die Hauptsorge darin liegt, verständlich zu sein, kann es dazu kommen, dass man sich von der ursprünglichen Ausdrucksweise entfernt. So kann es zu Missverständnissen kommen. 21. Dennoch sind dies keine unüberwindbaren Hindernisse. Nach einem ernsthaften Studium und reiflicher Überlegung findet Inkulturation auf einer sehr tiefen Ebene statt; denn bei der Inkulturation handelt es sich nicht um ein paar Äußerlichkeiten. Im Lauf der Geschichte hat das Evangelium in unterschiedlichen Teilen der Welt viele kulturelle Barrieren überwunden: zur hellenistischen, germanischen, keltischen, slawischen, syrischen und ägyptischen Kultur. Jeder Schritt förderte die Entwicklung der Theologie und bereicherte das Leben der Kirche. Aber es erforderte eine große Sensibilität gegenüber der jeweiligen Kultur und den Empfindungen der Glaubensgemeinschaft, zugleich großes Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Ortskirche und der Gesamtkirche und Treue zum Wort Gottes. Das Lehramt stellte immer eine wertvolle Hilfe dar. Um diese Bemühungen zu unterstützen, bieten die theologischen Zeitschriften in Asien eine große Auswahl an einheimischer theologischer Reflexion. Auf diese Art und Weise möchte die Kirche in Asien zum Wachstum des Wortes Gottes (vgl. Apg 6,7; 12,24; 19,20) beitragen. 22. Wenn eine Zivilisation engen Bezug hat zu einer der größeren Religionen (z.B. Islam, Hinduismus, Konfuzianismus, Schintoismus), sind die diesen Religionen entnommenen Anleihen verschiedener Elemente, die für Glauben und Gottesdienst geeignet erscheinen, sehr vorsichtig zu behandeln. Wenn der Lehrer des Wortes Gottes Ausdrücke verwendet, die die Anhänger dieser großen Religionen als ihre eigenen betrachten, könnten sie dies als Entweihung dessen betrachten, was ihnen heilig ist, und die christliche Gemeinschaft als Aufbürdung von etwas Fremdem. Dieser Schritt könnte in beiden Gemeinschaften Anstoß erregen. Andererseits ist die traditionelle christliche Ausdrucksweise vielleicht nicht imstande, das kollektive Bewusstsein der Gesellschaft, an welche die Botschaft gerichtet ist, anzusprechen. Doch wir wollen unsere Bemühungen um Inkulturation wegen dieser Schwierigkeiten nicht aufgeben. 23. Wenn respektvolle Aufmerksamkeit für Kulturen und Gemeinschaften mit apostolischem Mut und Treue zum Wort Gottes verbunden sind, wird Neuland erschlossen und der Raum für neue Ausdrucksweisen des Glaubens und des Gottesdienstes in der jeweiligen Kulturwelt wird größer. Dank dieses Handelns der Ortskirchen, wird die Gesamtkirche selbst in ihren verschiedenen Lebensbereichen an Ausdrucksformen und Werten bereichert (RM 52). Und Christus wird Mensch und nimmt Gestalt an in dieser Kultur. Aber wir müssen vorsichtig weitergehen. Denn es handelt sich hier um Gebiete, denen gegenüber die Gemeinschaften höchst sensibel sind. Die Asiaten haben ein tiefen Sinn für das Heilige. 24. Während die moderne Gesellschaft in der Religion nach der Bedeutung sucht, um einen Sinn in ihr zu finden, suchen die Asiaten vor allem nach Tiefe. Johannes Paul II. sagte: Der Kontakt mit Vertretern der wichtigsten nichtchristlichen Traditionen, insbesondere mit jenen Asiens, hat mich darin bestärkt, dass die Zukunft der Mission grossenteils von der Kontemplation abhängt (RM 91). Diese spirituelle Tiefe, die aus der Gotteserfahrung kommt, suchen die Menschen in Asien. Wer ihnen dies geben kann, ist ihrer Aufmerksamkeit sicher. Mit Gotteserfahrung ist in diesem Zusammenhang nicht eine Art ekstatischer Erfahrung gemeint, sondern sie bezieht sich auf Aufrichtigkeit und Authentizität, Echtheit, mit den Worten übereinstimmende Taten, Selbstlosigkeit, die im Einsatz für das Gemeinwohl deutlich wird. Solche Menschen verschaffen sich immer Gehör, wenn sie mit der geistiger Salbung sprechen. Das Wort Gottes in verschiedenen Lebenssituationen miteinander teilen 25. Die Frohe Botschaft Jesu hinterlässt die größte Wirkung, wenn sie in aktuellen Lebenssituationen geteilt wird. Ein Großteil der uns überlieferten Lehren Jesu sind anlässlich gewöhnlicher menschlicher Begegnungen erteilt worden. Herzen wurden berührt, die Menschen änderten ihr Leben und der Gemeinschaft der Gläubigen wurden neue Mitglieder hinzugefügt. Dies geschieht zur Zeit in Asien in unauffälliger, aber wirksamer Weise durch den Einsatz der christlichen Gläubigen: in Konfliktsituationen eine Botschaft des Friedens bringen, eine Botschaft der Gerechtigkeit zu unterdrückten Gemeinschaften, eine Botschaft der Rechtschaffenheit in von Korruption beherrschten Gesellschaften, eine Botschaft der Gleichberechtigung in von Ungerechtigkeit gekennzeichneten Situationen (bezogen auf die Kaste, die Klasse, das Geschlecht, die Rasse, die Ethnie), eine Botschaft der Hilfe für die Armen und Hungrigen. Dieser Einsatz unterscheidet sich von einer lehrbuchmäßigen, theoretischen Verkündigung Jesu, die sich auf Wahrheitsansprüche, Debatten und Argumente stützt. Aber er erläutert sehr ausdrucksvoll die Lehre des Evangeliums. Er setzt die christliche Botschaft ins Leben um. 26. In vielen Ländern Asiens sind die Christen großem Druck ausgesetzt. Die Freiheit ist eingeschränkt, Neubekehrte werden schikaniert und die Glaubensgemeinschaft wird verfolgt, wie es kürzlich in Orissa (Indien) geschehen ist. Doch die von der Gemeinschaft bezeugte Geduld, ihre Beherrschtheit, die maßvolle Antwort, der Geist der Vergebung
all dies hat eine evangelisierende Kraft. Der Einsatz der christlichen Gemeinschaft für das Gemeinwohl und das große Interesse für die zentralen Themen und Sorgen der Menschheit (Gerechtigkeit, Frieden, Familie, Umwelt, Freiheit, Fairness, Solidarität, Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit, Achtung vor dem Leben, Sorge für die Armen, hohes Verantwortungsbewusstsein für die menschlichen Geschicke) sprechen für sich selbst. Diese Themen haben eine universale Anziehungskraft und eine Sprache, die jeder versteht; sie werden zu kraftvollen Trägern der Botschaft des Evangeliums. 27. Die christliche Gemeinschaft Asiens ist Gott dankbar, dass es in ihr aktive Laien gibt, die sich bemühen, das Evangelium in die verschiedenen Lebensbereiche zu bringen: Erziehung, Regierung, Verwaltung, Gesetzgebung, Rechtsprechung, Wissenschaft, Technologie, Familie, Jugend, Kunst und Musik. Sie werden zu Brückenbauern zwischen den Kulturen, Ethnien, Ideologien, Philosophien, politischen und ökonomischen Interessen. Diese Aufgaben bleiben immer eine Herausforderung. 28. Petrus mahnte: Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt; aber antwortet bescheiden und ehrfürchtig (1 Petr 3,15-16). Ein Grossteil der frühchristlichen Theologie entwickelte sich in den Schriften der Kirchenväter, die versuchten, Freund und Feind den Glauben zu erläutern. So geschieht dies auch heute. Unsere Theologen und die christlichen Denker in Asien versuchen ihre Botschaft an alle zu richten, an die Kritiker der Religion, die Fundamentalisten, die Ultra-Modernisten, die radikalen Denker und Aktivisten, Christen und Nichtchristen. Diejenigen, die diesen Dienst tun, verdienen unseren Dank so wie auch alle anderen, die sich der Verkündigung des Evangeliums widmen. Diese Bemühungen können, wenn sie in verantwortlicher Weise unternommen werden, zu neuen Formulierungen und auch zu einem tieferen Selbstverständnis innerhalb der christlichen Gemeinschaft führen. Das Evangelium bringt geistlich motivierte Menschen hervor 29. Den Historikern wird bewußt, dass in bestimmten Epochen der Geschichte der Atheismus einem tiefen Gefühl der Ungerechtigkeit in einer gläubigen Gesellschaft entsprungen sein könnte, auch bestimmte Formen des Antiklerikalismus und des Glaubensabfalls mögen aufgrund des Versagens von kirchlichem Personal entstanden sein. Häresien und Schismata könnten durch eine Distanz auf der kulturellen Ebene verschärft worden sein. In Epochen des sozialen Ungleichgewichts finden schnelle Veränderungen statt und können auch zu Revolutionen führen. Asien macht zum jetzigen Zeitpunkt eine solche Phase der schnellen Veränderungen und Unsicherheiten durch: die Zurückweisung der kolonialen Ausbeutung und die Akzeptanz von selbstauferlegten Formen der Ausbeutung, die Durchsetzung der Unabhängigkeit und die Akzeptanz neuer Formen der Abhängigkeit, eine Bewegung hin zur Demokratie und eine gleichzeitige Gegenbewegung weg von ihr, Streben nach wirtschaftlicher Gleichheit und aufkommende Ungleichheit, das Streben nach Modernität und zugleich eine starke erneute Geltendmachung der traditionellen Kultur. 30. Es gibt in der Gesellschaft und den traditionellen Kulturen Umbrüche, Werte werden bedroht. Trotzdem scheint die Religion in Asien nicht schwächer zu werden. Sie manifestiert sich in neuen Formen, manchmal mit einem politischen Anstrich. Der gedankliche Pluralismus hat in Asien nicht zu einer totalen Säkularisierung oder zum Nihilismus geführt, sondern er hat gelehrt, einander zu achten. Dies sollte aber nicht zur Gleichgültigkeit führen. 31. Inmitten vieler politischer und sozialer Unsicherheiten hält die kleine Kirche in Asien den Menschen keine neue Utopie vor Augen, sie verspricht nicht, Helden zu schaffen. Aber sie sucht nach Wegen, ethisch und spirituell motivierte Menschen zu formen sowie Personengruppen, die sich ernstlich für das Wohl der Menschheit einsetzen. Und sie wird weiterhin die Menschen an ihre ewige Bestimmung in Christus erinnern. Das Evangelium offenbart seine innere Stärke auch unter all diesen sozialen Spannungen. Das heilige Wort Gottes in Asien 32. Kehren wir dorthin zurück, wo wir begonnen haben: zum Wort Gottes. Während die Menschen das weitreichende und beeindruckende Wirken der Christen bewundern, kann nur die Macht des Wortes Gottes sie berühren und verwandeln. Das heilige Wort Gottes ist für die Menschen in Asien von großer Bedeutung, denn es gibt hier alte Schriften, die als heilig und maßgeblich betrachtet werden und die ihr Leben und ihre Kultur tief beeinflussen: Überzeugungen, Verhaltensweisen, Beziehungen, Gottesverehrung, moralische Prinzipien. Ihnen wird die Fähigkeit zugeschrieben, den Weg zur Rettung zeigen zu können. Diese Schriften, die als heilig betrachtet werden, haben einen festgelegten Kanon und können nur von bevollmächtigten Personen (Priester, Mönche, Gelehrte, Rat) ausgelegt werden. Sie werden gelesen und gesungen, sie werden meditiert, wiederholt, auswendig gelernt, in Bildern dargestellt, in der Kalligraphie der Nachwelt überliefert. Sie sollen verstanden werden, mit dem Herzen aufgenommen werden und die Möglichkeit erhalten, die menschliche Wirklichkeit zu verwandeln. Eines ist sicher: Es gibt in Asien immer noch einen religiösen Durst. Diese asiatische Ernsthaftigkeit in Bezug auf die Religion ist für die gesamte Menschheit wertvoll, nicht nur für den östlichen Kontinent. Religiöse Bewegungen sind in der kollektiven Psyche der asiatischen Gemeinschafen tiefer verwurzelt als politische Bewegungen. Auch Menschen, die ihren Glauben nicht ändern wollen, sind auf der Suche nach einer größeren spirituellen Tiefe. Die Menschen in Asien sind offen für das Wort Gottes. Biblisches Denken berührt das Leben der einzelnen, die Werte der Gemeinschaft, es verwandelt Beziehungen, korrigiert Philosophien, beeinflußt die Pläne für soziale Verbesserungen. Denn in Asien weiß man:Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt (Mt 4,4). Mögen diese Worte sich im Hinblick auf das heutige Asien bewahrheiten, Ich werde von meinem Geist ausgießen über alles Fleisch. Eure Söhne und eure Töchter werden Propheten sein (Apg 2,17) und die Botschaft Gottes verkünden. Möge diese Botschaft die Enden der Erde erreichen. Noten [1] Mit dem in letzter Zeit geschehenen Wandel der Bevölkerungsstrukturen des Christentums in andere Teile der Welt könnte sich das oben beschriebene Bild wandeln. [2] Einige wollen nur die Verbindung der Missionare zu den Kolonialmächten unterstreichen. Das wäre äußerst ungerecht, denn diese waren durch viele Zwänge beschränkt und hatten wenig Möglichkeiten. Sie selbst wurden oft von antiklerikalen kolonialen Behörden verfolgt. Es bedurfte ihrerseits eines reifen Glaubens, um mit Ausdauer unüberwindbaren Schwierigkeiten entgegenzutreten und ihre Sendung fortzusetzen, das Evangelium mit anderen zu teilen. [3] Es wurde kürzlich berichtet, dass in Nanjing (China) die Amity Printing Company im Jahr 2007 sechs Millionen Bibeln gedruckt hat. Die Druckerei plant, ihre Kapazität zu verstärken, um zwölf Millionen Bibeln pro Jahr zu drucken, das heißt 23 Bibeln pro Minute (SAR News, 16.-30. Juni 2008, S. 22). Solche Initiativen wurden 1987 ins Leben gerufen. Über 50 Millionen Bibeln wurden bereits gedruckt. Eine japanische Ausgabe des Lexikons Biblischer Theologie ist in elektronischer Form verfügbar. Es gibt einen allgemeinverständlichen Kurs mit dem Namen Die Bibel in 100 Wochen. [4] Es gibt Klagen darüber, dass die jetzige Art und Weise, die Bibel zu unterrichten, zu akademisch bleibt und nicht genug am spirituellen und pastoralen Einsatz der Bibel ausgerichtet ist. [00013-05.07] [NNNNN] [Originalsprache: Englisch] - Für Amerika: Kardinal Oscar Andrés RODRÍGUEZ MARADIAGA, S.D.B., Erzbischof von Tegucigalpa, Präsident der Bischofskonferenz (HONDURAS) Der Text dieses Beitrags hat uns nicht vor Redaktionsschluss der Verlautbarungen erreicht. - Für Europa: Kardinal Josip BOZANIĆ, Erzbischof von Zagreb (KROATIEN) Das Wort Gottes und Europa: revelatio - interpretatio - celebratio Vorschlag für eine neue Lectio divina Bozanić Josip 1. Der Heilige Vater Benedikt XVI. traf sich im September d. J. am Collège des Bernardins in Paris mit den Vertretern aus der Welt der Kultur. Er schloss seine Ansprache folgendermaßen ab: Das, was die Kultur Europas begründet hat, die Suche nach Gott und die Bereitschaft Ihm zu zuhören, bleibt auch heute noch das Fundament jeder wahren Kultur. Wenn man über das Verhältnis zwischen dem Wort Gottes und Europa spricht, könnte man jede geschichtliche Epoche auf die Einflüsse der Bibel im Hinblick auf die einzelnen kulturellen, ökonomischen und politischenAspekte untersuchen. Aber dies ist weder im Umfang noch inhaltlich die Aufgabe meines Vortrags. Die unveränderliche Tatsache, von der ich ausgehe, besteht darin, dass Europa nicht vom Christentum getrennt werden kann, vor allen Dingen deshalb, weil das Christentum der Hauptschlüssel zum Verständnis unseres Kontinents insgesamt ist. Wenn wir von einem geografischen Gesichtspunkt ausgehen, ist es tatsächlich schwierig, Europa abzugrenzen und vor allem die Grenzen nach Osten und Süd-Osten zu bestimmen. Betrachten wir Europa aus der politischen Perspektive und der hier zugrundeliegenden Sichtweise, sehen wir uns vor dieselben Schwierigkeiten gestellt, weil das Erbe Europas mehr ist als politische Ordnung menschlichen Zusammenlebens an einem bestimmten Ort. Es ist offensichtlich, dass der Prozess der Christianisierung bestimmte Elemente des europäischen Gewebes zusammengefügt hat. Die Christianisierung bedeutet aber - mit einfachen Worten gesagt - die Verkündigung des Wort Gottes, die Licht für die verschiedenen Bereiche des menschlichen Lebens bringt. Offensichtlich ist auch, dass Europa in seiner geschichtlichen Entwicklung nicht nur vom Christentum bestimmt wurde. Dennoch kann man zu Recht behaupten, dass Europa dank des Christentums entstanden ist und die Kirche ihren Beitrag zum Bau Europas, dank des unermüdlichen Einsatzes der Verkünder des Heils Christi, wie z. B. die Heiligen Benedikt, Cyrillus und Methodius, geleistet hat. Es fehlen natürlich nicht die dunklen Seiten der christlichen Geschichte, die heute in klarem Kontrast zu der Frohen Botschaft des Neuen Testaments stehen; wenn sie auch im Zusammenhang mit der Verbreitung des Christentums nur eine schmerzhafte, negative Seite sind, sie sind Ausdruck der Sünde, die im Herzen der Menschen wohnt. Hier kommen wir zu einer Seite der europäischen Geschichte, die zum mysterium iniquitatis gehört. Die Bibel und Europa sind durch ein unauflösbares Band miteinander verbunden. Die ganze Bedeutung der europäischen Kultur und Zivilisation - das Europa der tausend Kathedralen, Hüterin von Kunstschätzen, Literatur und christlicher Musik, das Europa, das in der starken Kraft seiner christlichen Nächstenliebe konkrete Zeichen der Solidarität und des Dienstes an den Armen zu setzten wusste, nimmt seinen eigenen Ausgangspunkt in der Bibel. Themen wie die Anerkennung der Menschenrechte und die Trennung von Kirche und Staat - um hier nur einige Beispiele anzuführen - haben ihren Ursprung in der Bibel. Soziale Gerechtigkeit, Rechtsprechung, Kritik an jeder Art von Götzenanbetung, die Verweigerung, sich ein falsches Bild von Gott zu machen sind in der Bibel begründet. Die Bibel vereint den Osten und den Westen, den Norden und den Süden des Kontinents wie auch die verschiedenen christlichen Kirchen und Gemeinschaften. 2. Die Beziehung zwischen dem Wort Gottes und Europa zu verstehen, kann von Nutzen sein, wenn man das Instrumentum laboris mit seiner dreiteiligen Struktur zu Grunde legt: das Mysterium Gottes, das zu uns spricht - das Wort Gottes im Leben der Kirche - das Wort Gottes in der Sendung der Kirche. Diese thematische Unterscheidung bietet Inhalte und Methoden für einen Weg an, der - wenn er auf Europa angewendet wird - gewiss eine neue Bewusstseinsbildung in Bezug auf die Tatsache fördert, dass das Gotteswort im Leben unserer Gemeinschaften im Mittelpunkt steht. Ich versuche hier einen Weg in drei Schritten aufzuzeigen: revelatio - interpretatio - celebratio und jeder der Schritte stellt die Praxis der Lectio divina in den Mittelpunkt. Im Gotteswort offenbart sich uns Gott, der dem Menschen entgegengeht und ihm die Möglichkeit gibt, Ihn im Mysterium des eigenen Lebens zu entdecken. Der Gott des Bundes, der Gott Jesu Christi und des Ostergeheimnisses, der die Erfüllung der Versprechen des Alten Testament wahrmacht - und im Fundament des jüdischen spirituellen Erbes zu finden ist - wurde auf europäischem Boden zuerst den Völkern der griechisch-römischen Welt unter Umständen verkündet, die oft das Zeugnis des Märtyrer erforderten. Die revelatio bedeutete notwendigerweise eine neue Distanz und die Überwindung der in diesen Gesellschaften gültigen Vorschriften. Diese Revolution und Rekulturation vollzog sich, indem sie sich an das Verständnis und die Sprache ihrer Zeit anpasste. Die Missionsarbeit hat auch in späteren Zeiten aus der Offenbarung geschöpft, die sie verkündete. Deshalb brachte sie als Folge und nicht als erstrangiges Ziel die Inkulturation und gab so dem Gotteswort, das durch die Tradition und das Lehramt der Kirche ausgelegt wurde, die Möglichkeit, dem Menschenleben neue Formen zu geben. Dieser Prozess wiederholte sich im Kontakt der römischen Kultur mit der fränkisch-germanischen Kultur, den slawischen und anderen Völkern, die nach und nach evangelisiert wurden. Diese Dynamik durchdrang die Herausbildung des europäischen Bewusstseins trotz aller äußerlichen im Mittelalter bestehendenUnterschied. Die interpretatio hat sich natürlich in jeder Zeitspanne entwickelt -erinnern wir uns doch nur an die Patristik - aber es war vor allem im zweiten Jahrtausend und vor allem mit der Reform, dass es zu entscheidenden Veränderungen kam, die jedoch leider manchmal zu unterschiedlichen Ansätzen und auch zu Auseinandersetzungen führten. Aber aus der Auslegung, die die Evangelisierung notwendigerweise begleiten muss und Frucht des Wirkens des Heiligen Geists in der Kirche und im Herzen der Gläubigen ist, entwickelte sich schlussendlich ein fruchtbarer Abstand zu den Brüchen, wodurch weitere Brüche verhindert wurden. Die europäische Theologie und die Pastoral mit ihren hermeneutischen Visionen haben sich gegenseitig bereichert. Deshalb baut die Notwendigkeit, die Bibel zu verbreiten, die heute mehr denn je gegeben ist, der Gefahr neuerfundamentalistischer Auslegungen und ideologischer Abweichungen vor.Die Offenbarung ist also nicht statisch, noch kann sie chronologisch von den anderen Prozessen abgetrennt werden: Die revelatio wird also immer von der interpretatio begleitet, die schlussendlich zur celebratio wird. Es handelt sich immer um Gott, der zu uns spricht; es geht darum, die Wahrheit über den Menschen und die Welt zu entdecken, die zum gelebten und zelebrierten Wort und Grund für die Sendung und die Aktion in der Kirche wird. 3. Heute gibt es in Europa Anzeichen für ein neues Interesse an der Bibel. Es ist deshalb notwendig, vom Wort Gottes und von seiner Offenbarung auszugehen und gleichzeitig den Mut zu haben, die Lectio divina neu und in reiferer Form vorzuschlagen. Wenn ich von Lectio divina spreche, dann meine ich nicht nur das Lesen des heiligen Texts, der immer grundlegender Bezugspunkt für das kirchliche Erkennen sein wird. Ich denke auch keinesfalls an ein rein subjektiv beschränktes Lesen, sondern eher daran, dass man auf Gott hört, Der ständig in der Geschichte wirkt und dass man seine Präsenz in jedem Ereignis entdeckt. Das erlaubt es uns auch, im Leben der Kirche in Europa wie an einem Ort zu lesen, an dem Er Sich offenbart. Das gilt für die Lectio divina als ein Lesen im Heiligen Geist, der zur göttlich-menschlichen Erfahrung wird, deren Beziehungspunkt Gott selbst ist, der im Leib der Kirche wirkt. Aus einer ähnlichen Perspektive stellt sich die Frage, wie man die verschiedenen Meinungen in der Kirche und die Kriege zwischen den Völkern, aber auch die kulturelle Ausgrenzung des Christentums, die Suche nach Freiheit außerhalb der Präsenz Gottes verstehen soll. Wenn nun das Christentum das begründende Prinzip ist, dass Europa umfasst und einigt, dann müssen wir das Wirken Gottes sehen, der Sich auch dann offenbart, wenn wir den Weg verlassen, wenn wir uneins sind und Konflikte austragen, aber auch wenn wir in Einheit, Achtung und Altruismus leben. Das regt uns zu einem Christentum an, dass sich nicht solange ins Spiel der Politik und Wirtschaft verwickeln lässt, bis es unkenntlich geworden ist. Die Verantwortung der Christen in Europa muss dazu führen, dass wir uns nicht auf ein rein politisches und wirtschaftliches Verständnis der Ereignisse beschränken. Wenn wir nicht die Methode übernehmen, die uns in der Lectio divina angeboten wird - und bei der wir zulassen, dass uns Gott liest- dann hat dies direkte Auswirkungen auf die Zelebration Gottes, das offenbarte und gegebene Mysterium und die Sendung der Kirche. In der christlichen Auffassung bedeutet die celebratio in der Tat immer auch die Verwirklichung des Gottesereignisses, das sich in Jesus Christus offenbart. Der hier und jetzt in der Geschichte der Menschen kommt (re-presentatio). Celebratio wird also in der ganzen Bedeutung zur Lectio divina. Es ist ja in der Kirche, die den auferstandenen Herrn feiert, dass das Wort Gottes Fleisch und Heilsinstrument für alle Menschen wird. 4. Europa erlebt seine Identitätskrise auf allen drei von uns berücksichtigten Ebenen und scheint vor dem offenbarten Gott flüchten zu wollen und die Quelle seiner Identität zu suchen, indem sie sich im humanum verschließt, ein Konzept, das absichtlich vage ist. Wenn der Mensch nicht hört, was Gott ihm sagen will, beginnt er immer, an seiner statt zu sprechen, aber im Grunde herrscht in seinem Reden die Angst vor. Europa ohne Gott ist in Gefahr, ein Nest der Angst zu werden und eine Zivilisation der Angst zu schaffen. Das Wort Gottes dagegen gibt Hoffnung und Freude zurück. In Europa kommt es zu einer Krise, wenn man nicht die Kraft der Auslegung des Gottesworts akzeptiert, das im Glauben und in der Eingebung ihr eigentliches Fundament hat. Diese Aufgabe fällt in den Wissenschaften und besonders der Theologie schwer. Zu Recht rühmt sich Europa, dass es ein eigenes theologisches Gedankengut entwickelt hat, aber es bedarf weiterer Anstrengungen in einer fruchtbaren Gegenüberstellung mit den neuen Auslegungen und wissenschaftlichen Forschungen, die oft mit Absicht von den hermeneutischen Paradigmen der christlichen Wahrheit getrennt werden. Die Weigerung gegenüber dem Wort Gottes als interpretierender Instanz führt Europa in eine Kultur der Entmutigung und Unsicherheit. Eine Kultur, die mit der christlichen Feier bricht, d.h. mit der Feier des Mysteriums der Güte Gottes und der Erlösung von Jesus Christus, läuft Gefahr, die eigene Freude zu verlieren und macht Europa zu einer Zivilisation der Trauer und Bedrängnis, welche das Gewicht von Alter und Tod spürt. Das Gotteswort gibt dem europäischen Menschen die Möglichkeit zurück, das Leben zu feiern. Dort, wo die christlichen Mysterien gefeiert werden, ist die Kirche jung und das garantiert die Jugend Europas. 5. Die Lektio divina ist nicht nur die innere Kraft für ein neu eingegebenes Apostolat, sondern auch Fundament für die ökumenische Bewegung und den interreligiösen Dialog; sie ist ein Weg zum Verständnis des Wortes Gottes, für das Transzendenz notwendig ist. Sie ist auch der Ort der Freiheit, in der man die menschliche Antwort sucht. In dieser menschlich-göttlichen Dynamik stellt die Lectio divina eine Kraft der Transfiguration dar, ja, man kann behaupten, dass Christus selbst divina Lectio ist. Christ sein, auf Christus ausgerichtet zu sein, im Christentum zu leben bedeutet Lectio - divina - sein. Deshalb ist es dringlich, der Aufforderung zu folgen, die Lectio divina im Gebet und in der Meditation des Gottesworts zu praktizieren. Dabei muss man auch in der tagtäglichen Praxis der Seelsorge von der Heiligen Schrift ausgehen, denn in ihr ruht diese Kraft der Metaphorizität (der Bedeutung über den Text hinaus) und der Transfiguration (der Erfahrung der Gabe, einer Erfahrung, die über das Sich-Selbst-Genügen hinausgeht). Dann kann man auch mit dem hl. Paulus sagen: Für mich ist Christus das Leben. In diesem Jahr werden wir oft auf das Leben und die Schriften des hl. Paulus zurückkommen können. Der Apostel der Völker sieht seine Sendung wie einen Ruf, eine Gabe der Gnade und nie als eine eigenständige Initiative. Der hl. Paulus legt das Fundament, damit die christliche Spiritualität nicht nur eine Spiritualität der Nachahmung, sondern auch eine Spiritualität der Übereinstimmung sei. In ersterer spielt das Ich die Hauptrolle, die Vorschrift ist Gesetz und die grundsätzliche Tugend ist, dass sich der Einzelne ständig bemühen muss. In der Spiritualität der Übereinstimmung ist dagegen der Heilige Geist ausschlaggebend, der Christus im Gläubigen nachbildet; die Vorschrift ist die Anerkennung der Gnade, die an erster Stelle steht; die grundsätzliche Tugend ist die Bereitschaft zuzulassen, dass Christus in der eigenen Lebenserfahrung Gestalt annimmt. 6. Da ich aus Zagreb, aus Kroatien komme, wo wir in den letzten Tagen den zehnten Jahrestag der Seligsprechung von Kardinal Alojzje Stepinac gefeiert haben, möchte ich noch kurz seiner gedenken. Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone zeigte in seiner Predigt eine besonders eindrucksvolle Parallele zwischen dem hl. Paulus und dem sel. Alojzije Stepinac auf. Er sprach zuerst von ihrer Begegnung mit dem auferstandenen Christus und hob dann hervor: dass das, was uns bei dem Apostel Paulus und Kardinal Stepinac beeindruckt, ist, dass viele, die sie verfolgten, sklavisch gewalttätigen und lügnerischen Ideologien anhingen, aber sie, die - äußerlich gesehen unfrei waren- in ihrem Inneren frei blieben: sie konnten so die Freunde ermutigen und führen, waren in der Lage, die Brüder im Glauben zu unterstützen und bereit, für die Feinde zu beten und auch für die, die ihnen Böses antaten. Wir kommen aus einem Teil Europas, in dem verschiedenen Diktaturen, zuletzt der Kommunismus, herrschten und haben verstanden, dass Hirten und Gläubige nur dann der Grausamkeit und dem Schrecken der Ideologien widerstehen konnten, wenn sie Gottes Wort vertrauten. Viele vom Geist Christi erfüllte europäische Katholiken und Christen haben im zwanzigsten Jahrhundert auf Grund der Heiligen Schrift zwischen Gut und Böse unterscheiden und der Herausforderung der totalitären Regimes widerstehen können und deren Heimtücke und teuflische Verirrungen aufgezeigt. Die Heilige Schrift erlaubte es ihnen, nicht nur die eigenen Schwächen und die der Anderen, sondern vor allem die Hoffnung zu entdecken, die aus dem Gotteswort hervorströmt. Hoffnung auf das Leben, das stärker als Tod und Zerstörung ist, Hoffnung im Sinne, dass sie stärker ist als die Sinnlosigkeit, Hoffnung auf die Hilfe Gottes für die Unterdrückten und Armen, für die, die am Rande der Gesellschaft leben, Hoffnung, die sie getrieben hat, einer besseren und gerechteren Welt Gestalt zu verleihen. Sich wieder das christliche Gedächtnis und Erbe anzueignen und das aufzugreifen, was vergangene Generationen gelehrt haben, bedeutet also für uns Europäer, dass wir zu den Wurzeln unserer geschichtlichen Identität zurückkehren und aus der lebendigen Quelle des Gottesworts schöpfen. Wir Europäer müssen das Bekenntnis unseres Glaubens, das durch das Hören auf das Gotteswort und durch kirchliche Erfahrung bereichert worden ist, als ein Zeugnis ansehen, dass alle Gläubigen und Nicht-Gläubigen herausfordert, den gleichen Wunsch auszusprechen, den Johannes Paul II. am Ende des Nachsynodalen Apostolischen Schreibens Ecclesia in Europa ansprach: neue Wege gehen, die in ein Europa des Heiligen Geistes einmünden, Europa zu einem gemeinsamen Haus zu machen, in dem man mit Freude lebt (EE,121). [00018-05.10] [NNNNN] [Originalsprache: Italienisch] - Für Ozeanien: S.Exz. Michael Ernest PUTNEY, Bischof von Townsville (AUSTRALIEN) Das Wort Gottes in Ozeanien Während der Prozession mit dem Evangeliar anlässlich des Eröffnungsgottesdienstes zum Weltjugendtag in Sydney zelebrierte eine Gruppe junger Studenten von den Torres Strait Islands im Nordosten Australiens den Ritus des Coming of the Light,d.h. der Ankunft des Lichtes, der an die Ankunft eines europäischen Missionars mit der Bibel in der Hand erinnert. Die Bevölkerung des Ortes stand seinem Angebot des Wortes Gottes anfänglich ablehnend gegenüber. Doch dann ändert sie ihr Verhalten und nimmt das Wort Gottes auf, das ihr Leben verwandeln wird. Nach einigen anfänglichen Kontakten in den Jahrhunderten zuvor wurde das Wort Gottes im 19. Jahrhundert sowohl von protestantischen als auch katholischen Missionaren nach Ozeanien gebracht. Im Unterschied zu der westlichen Kultur in Australien und Neuseeland reichte das Spektrum der Kultur in Ozeanien von der schriftlichen bis zur vorwiegend mündlichen Tradition. Hier wurden die Schriften zu Hause aufbewahrt und gelesen, oft mehr noch als in Australien und Neuseeland. Dort wird auch heute noch die Botschaft des Wortes Gottes wirksamer durch mündliche Überlieferung, Riten, Gesänge und Darstellungen mitgeteilt als durch einfaches Lesen eines Textes. In vielen Gegenden ist die Prozession mit dem Wort Gottes während der Liturgiefeier der lebendige Ausdruck einer Kultur des Glaubens an das Wort Gottes. Das wurde auch auf dem Weltjugendtag sehr deutlich beim Empfang des Heiligen Vaters und auch während des Schlussgottesdienstes, als Pilger aus Tokelau, beziehungsweise von den Fidschi-Inseln das Evangelium in feierlicher Prozession vorantrugen. Diese ehrfürchtige Anerkennung des Wortes Gottes kann Australier und Neuseeländer noch viel lehren; diese halten das Privileg, das Wort Gottes lesen zu können, oft für selbstverständlich. Das unglaublich hingebungsvolle und manchmal sogar heldenhafte Wirken der Missionare, die das Wort Gottes durch die Verkündigung des Evangeliums, der Sakramente und der Lehre der Tradition der Kirche mit so vielen Menschen im Pazifik geteilt haben, hat Frucht getragen. Diese Frucht war nicht ohne Ambiguität, wie in Ecclesia in Oceania schon bemerkt worden war, da die Missionare manchmal Elemente einführten, die der Kultur der einheimischen Bevölkerung fremd waren (Nr. 3). Es ist allerdings auch wahr, dass manchmal Elemente aus der einheimischen Kultur, die mit dem Wort Gottes nichts zu tun haben, das Leben der Menschen weiterhin beeinflussen. Angesichts dieser Herausforderungen bedarf es qualifizierter Lehrkräfte, die den Unterricht an den Seminaren und höheren Lehrinstituten der verschiedenen Länder Ozeaniens mit Kompetenz durchführen können. Die neuen Kirchen im pazifischen Raum stehen heute vor der Herausforderung durch eine kulturelle Übergangsphase, die an einigen Orten den Übergang von der Dorfgemeinschaft zum städtischen Leben mit sich bringt und auch die Teilhabe an der globalen Wirtschaft. Auf Grund dieser Übergangsentwicklung kann es zu Krisen im Leben der Familien und zu einem Zusammenbruch des sozialen Gefüges kommen. Außerdem befinden sie sich dadurch manchmal im Konflikt mit der politischen Entwicklung im Westen, die die meisten von ihnen von ihren europäischen Kolonialherren geerbt haben, und vor einer steigenden Bedrohung der Umwelt auf Grund der Klimaveränderungen. Darüber hinaus gibt es in den verschiedenen Ländern Ozeaniens eine unglaublich hohe Anzahl an Sprachen, in denen das Wort Gottes verkündet werden müßte. So gibt es z. B. in Papua Neu-Guinea allein achthundertsiebenundvierzig Sprachen. In ganz Ozeanien sind es ungefähr tausendzweihundert völlig unterschiedliche Sprachen. Nach Australien und Neuseeland kam das Wort Gottes mit den ersten Europäern, die sich auf diesen Inseln niederließen. Die Kirche wuchs und gedieh. Doch heute muss sich das Wort Gottes oft mit einer Kultur der völligen Gleichgültigkeit auseinander setzen. Australien gehört zu den am meisten säkularisierten Ländern der Welt. In Neuseeland leben mehr Einwohner, die von den Pazifischen Inseln kommen und die religiöser sind, doch die vorherrschend europäische Kultur ist ebenso säkularisiert wie die australische. Doch eine wunderbare Woche lang, während des Weltjugendtages, waren die Straßen Sydneys durchdrungen von den mitreißenden Anzeichen der Präsenz Gottes, und die gegen Religion immune Kultur kapitulierte vor der Macht des Heiligen Geistes, der sich auf den Gesichtern und in den Stimmen der über 200.000 Jugendlichen ausdrückte. Das Leben vieler australischer und neuseeländischer Katholiken ist tief von ihrem Glauben an das Wort Gottes geprägt. Doch dieser Glaube wird nicht immer sichtbar und wird in dieser säkularisierten Gesellschaft fast wie ein Geheimnis behandelt, und zwar nicht, weil diese Menschen nicht aufrichtig gläubig sind, sondern weil die Existenz Gottes im täglichen Leben der Durchschnittsaustralier und vieler Neuseeländer nicht anerkannt wird. Die Mehrheit lebt gewöhnlich so, als würde Gott nicht existieren, auch wenn sie gläubig ist. Nach dem Weltjugendtag gibt es Australier und Neuseeländer, die das Gefühl haben, dass trotz der scheinbaren Undurchlässigkeit der säkularisierten Gesellschaft die versprochene neue Evangelisierung endlich wahr wird. In seiner Beschreibung des Kontextes, in dem das Wort Gottes in Australien und zum großen Teil auch auf Neuseeland, verkündet werden muss, sprach der Heilige Vater auf dem Weltjugendtag von dem unheilvollen Phänomen der Freiheit und der Intoleranz, die so häufig von der Wahrheit getrennt werden, und von einem Relativismus, der die Erfahrung zum alleinigen Kriterium erhoben hat, ohne dabei in Betracht zu ziehen, was gut oder wahr ist. Er beschreibt die säkularisierte Gesellschaft Australiens und Neuseelands sehr treffend, wenn er von einer geistlichen Wüste spricht und weiter ausführt: Wie viele unserer Zeitgenossen haben in ihrer verzweifelten Suche nach Sinn nach dem letzten Sinn, den nur die Liebe schenken kann rissige und leere Zisternen gegraben (vgl. Jer 2,13). Darin liegt die große und befreiende Gabe des Evangeliums. Die Herausforderung, der sich Australien und ein Großteil Ozeaniens stellen müssen, ist die Suche nach einem neuen Weg, um dieses Geschenk des Wortes Gottes wieder allen nahe zu bringen. Wenn wir uns die Empfehlungen der Ecclesia in Oceania ins Gedächtnis zurückrufen, wie zum Beispiel die Praxis der Lectio divina und die biblische Ausbildung der Gläubigen, wird uns klar, dass nur ein Teil davon befolgt wurde. Das nachsynodale Apostolische Schreiben sah im Wort Gottes die unerschöpfliche Quelle für die Evangelisierung (Nr. 10). Mit wachsender Intensität wendet die Kirche Australiens und Neuseelands und der anderen Länder Ozeaniens ihre Aufmerksamkeit der Notwendigkeit zu, diesen Teil der Welt, besonders aber die säkularisierte Gesellschaft Australiens und Neuseelands, neu zu evangelisieren,. Doch gibt es derzeit noch keine Methode, ja nicht einmal ein gemeinsames Verständnis für das, was praktisch notwendig wäre. Nach ihrer Rückkehr vom Weltjugendtag baten viele junge australische Pilger um die Möglichkeit einer Katechese in ihren Diözesen und um einen Gedankenaustausch mit ihren Bischöfen, da sie sich ihrer völligen Ignoranz bewusst waren und nach ihrer Erfahrung auf dem Weltjugendtag den Wunsch hatten, die Botschaft des Wortes Gottes und die Lehren der Kirche zu hören. Das gibt Bischöfen und Priestern die Möglichkeit, den jungen Menschen zu helfen, das Wort Gottes, so wie wir es in der apostolischen Tradition und in den kirchlichen Lehren finden, besser zu verstehen. Die Kirche in Ozeanien verkündet das Wort Gottes in einer Gesellschaft, in der auch andere das zu tun versuchen, wie z. B. Gruppen von Protestanten, die bei ihrer Evangelisierung den kulturellen Kontext ignorieren und sich auf eine fundamentalistische Auslegung des Wortes Gottes stützen. Deshalb kann es geschehen, dass die Evangelisierung der katholischen Kirche abgelehnt wird, da sie von der fundamentalistischen Version nicht unterschieden wird. Gleichzeitig sind die Beziehungen zu den großen christlichen Kirchen und die Verbindung zu den Jüdischen Gemeinschaften, den islamischen Gemeinschaften und zu denen anderer Weltreligionen eine sehr positive Erfahrung für die Kirche in fast allen Gebieten Ozeaniens. Zusammen versuchen wir, in dieser Zeit der allgemeinen Säkularisierung den grundlegenden Wert des Glaubens an Gott sowie das Recht der Gläubigen, ihren Beitrag in unserer Gesellschaft zu leisten, zu bekräftigen. Das sind einige der Herausforderungen, denen sich die Kirche in Ozeanien stellen muss. Dem gegenüber stehen einige Anzeichen für eine neue Lebendigkeit und das Zeugnis Tausender engagierter Katholiken, die trotz des starken Einflusses der Säkularisierung ihren Glauben bewahrt haben. Der Weltjugendtag hat uns große Hoffnung gegeben. Wir müssen nun seine Früchte ernten. [00016-05.10] [NNNNN] [Originalsprache: Englisch] VORTRAG VON S.EM. KARD. ALBERT VANHOYE SJ, EMERITIERTER REKTOR DES PÄPSTLICHEN BIBELINSTITUTS IN ROM (FRANKREICH) Das dokument der Päpstlichen Bibelkonferenz über Das jüdische volk und Heiligen Schriften in der christlichen Bibel Die Päpstliche Bibelkommission wurde 1996 nach ihrer Teilerneuerung von ihrem Vorsitzenden, Kardinal Joseph Ratzinger eingeladen, sich ein neues Studienthema zu suchen, das für das Leben und die Sendung der Kirche heute wichtig sein würde. Mehrere Themen wurden vorgeschlagen und man stimmte darüber ab. Das Thema, das die meisten Stimmen erhielt, war Judenfeindlichkeit und die Bibel. Der Ausdruck Judenfeindlichkeit wurde dem Wort Antisemitismus vorgezogen, weil es genauer ist. In der Tat gibt es ja andere semitische Völker als die Juden. Die Bibelkommission hat in der Folge bewiesen, dass sie ihrem gewählten Ausdruck treu blieb, aber sie ließ ihn nicht im Titel ihrer Arbeit einfließen, sondern entschied sich für eine umfassendere und positivere Perspektive und formulierte ihr Thema, dem sie eine andere Überschrift gab: Das jüdische Volk und ihre Heiligen Schriften in der christlichen Bibel.Ein Kollege wies darauf hin, dass der Ausdruck ihre Schriften zu weit gefasst ist, da es nicht nur auf die jüdische Bibel, sondern auch auf die Mishna, die Tospehta und den Talmud angewandt wird. Deshalb änderten wir den Ausdruck und es hieß dann Heilige Schriften, den der Apostel Paulus am Anfang des Römerbriefs gebrauchte. Dieser Ausdruck hat den Vorteil, dass er Achtung für die religiösen Schriften beweist. Das jüdische Volk und ihre Heiligen Schriften in der christlichen Bibel: diese beiden verschiedenen und sich ergänzenden Themen können in dieser Überschrift gefunden werden, die auf zwei Fragen antwortet. Die erste Frage lautet: Wie wird das jüdische Volk in der christlichen Bibel, d.h. in dem Alten und Neuen Testament dargestellt?Die zweite Frag: Welche Bedeutung haben die Heiligen Schriften des jüdischen Volks in der christlichen Bibel? Das Dokument behandelt diese beiden Fragen in umgekehrter Ordnung. Es nimmt zuerst das Alte Testament und seine Bedeutung in der christlichen Bibel und dann geht man darauf ein, wie das jüdische Volk in dem Alten und dem Neuen Testament dargestellt wird. Es sei dabei sofort vorausgeschickt, dass diese Fragestellung besonders offen und positiv war und vermeiden sollte, dass das Wort judenfeindlich in einer Überschrift des Dokuments, der Kapitel oder Abschnitte erschien. Andrerseits ist es vielerorts im Text zu finden, da das natürlich nicht vermieden werden konnte. In diesem Fall setzte man sich damit auseinander, ohne das ganze Spektr abdecken zu können. So blieb das Dokument vor allem positiv und ist - sagen wir es ruhig - ein effizientes Gegengift der Judenfeindlichkeit. Die Arbeit der Bibelkommission erfolgte wie gewöhnlich in drei Schritten. Zu Beginn wurden monographische Studien von jedem Kommissionsmitglied geschrieben, dann in der Vollversammlung diskutiert. Sobald der Plan für das Dokument ermittelt war, wurde die Erstellung der Rohfassung einiger Kollegen anvertraut und dann zur Diskussion gestellt. Der dritte Schritte, in dem die verschiedenen Beiträge zusammengefasst wurden, wurden dann diskutiert, beabsichtigt und kamen dann zur Abstimmung. Die Endfassung war deshalb das Ergebnis der Gruppe. Die Arbeit wurde mit wissenschaftlicher Strenge und in voller Achtung und Liebe für das jüdische Volk durchgeführt. Die Texte wurden keineswegs oberflächlich behandelt, sondern durch Studien und Forschungsarbeit ermittelt, was das Leben nicht immer leichter macht. Die Texte selbst flößen Achtung und Liebe für das jüdische Volk ein. Im alten Testament ist ja in der Tat der Plan Gottes, ein Bund der Liebe mit seinem Volk in väterlicher, ehelicher Liebe zu schmieden. Obwohl Israel immer wieder abfiel, wird Gott nie auf diesen Bund verzichten, sondern ihn in Ewigkeit bestätigen (Jes. 54, 8; Jer 31,1). Im Neuen Testament überwindet die Liebe Gottes die größten Hindernisse; obwohl die Menschen nicht an seinen Sohn glauben, den Er ihnen als Messias und Erlöser sandte, liebt Gott immer noch das jüdische Volk(das bestätigt der hl. Paulus in seinem Brief an die Römer 11,28) . Die Bibelkommission richtete sich klar und deutlich in die von Papst Paul VI. in seiner Predigt vom 28. Oktober 1965 angegebenen Richtung, dem Tag, an dem das Konzilsdokument Nostra aetate verkündet wurde, das sich mit den Beziehungen zu den nichtchristlichen Religionen beschäftigt und insbesondere mit der jüdischen beschäftigte.Paul VI. Sprach von den Juden und wünschte sich, dass wir Achtung vor ihnen und sie lieben sollten und fügte noch hinzu wir sollten Hoffnung auf sie setzen. Diese äußerst positive Einstellung lässt keinen Raum für Judenfeindlichkeit. Daran sollten wir uns strikt haslten. Das Dokument hat 3 lange Kapitel. Das Erste trägt den Titel: Die Heiligen Schriften des jüdischen Volkes, die ein grundlegender Teil der christlichen Bibel sind.Vorher sprachen wir von einem ergänzenden Teil, was bedeutete, dass die christliche Bibel ohne die Heiligen Schriften des jüdischen Volkes nicht vollständig wäre. Das stimmt zwar genau, reicht aber nicht aus. Das Alte Testament ist nicht einfach eines von vielen Teilen der Christlichen Bibel. Es ist die Grundlage, der grundlegende Teil. Wenn das Neue Testament auf einer anderen Grundlage beruhen würde, hätte es keinen wirklichen Wert. Wenn es nicht den Heiligen Schriften des jüdischen Volkes entspräche, dann könnte es nicht als eine Erfüllung des Gottesplans vorgestellt wurde. Als der Apostel Paul ein wesentliches Element des christlichen Glaubens ausdrücken wollte, unterstrich er diese Übereinstimmung zweimal und sagte: Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift, und isst begraben worden. Er ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift und erschien dem Kephas, dann den Zwölf (1Kor 15,3-5). Der christliche Glauben beruht nicht nur auf Ereignissen, sondern auch auf der Übereinstimmung dieser Ereignisse mit der Offenbarung, die in den Heiligen Schriften des jüdischen Volks enthalten sind (Nr. 7). Das stellt offensichtlich ein ganz starkes Band zwischen Christen und Juden dar. Das erste Kapitel gibt eine lange Beschreibung der in der Überschrift enthaltenen Bestätigung. Erst zeigt es, dass das Neue Testament die Autorität der Heiligen Schriften des jüdischen Volkes implizit anerkennt, indem es ständig die gleich Sprache hat wie die, die wir in den Heiligen Schriften finden und sich oft auf die Stellen in diesen Texten bezieht. Es erkennt dies auch an, indem es ausdrücklich aus ihnen zitiert. Das Dokument erinnert detailliert an die große Vielfalt, in der diese ausdrücklichen Zitate in dem Neuen Testament erscheinen. Dem Leser mag das zu viel werden, aber diese Aufmerksamkeit auf diese auch kleinen Details zeigen den ganzen Wert auf. Oft gebraucht das Neue Testament einige Texte aus der jüdischen Bibel als Argument. Das Neue Testament erkennt einen entscheidenden Wert in den Argumenten, die auf den Schriften des jüdischen Volkes beruhen. In den vier Evangelien erklärt Jesus, dass die Schriften hier nicht vergessen werden können (Joh. 10,35).Ihr Wert ist darauf zurückzuführen, dass es das Wort Gottes ist (ebenda). Der Apostel Paulus bezieht sich in seiner lehramtlichen Argumentation insbesondere ständig auf die Schriften seines Volkes und unterscsheidet klar zwischen den Argumenten der Schriften und menschlichem Denken. Er gibt der schriftlichen Argumentation einen unbedingten Wert. Für ihn hatten die jüdischen Schriften immer einen aktuellen Wert in der Führung des spirituellen Lebens der Christen. In seinem Brief an die Römer schreibt er: und alles, was einst geschrieben worden ist, ist zu unserer Belehrung geschrieben, damit wir durch Geduld und Trost der Schrift Hoffnung haben (Rm 15,4; vgl. Kor 10,11). Das Dokument zeigt, dass das Neue Testament seine Konformität mit den Schriften des jüdischen Volks bestätigt. In dem Neuen Testament finden wir in der Tat eine doppelte Überzeugung: Einerseits muss das, was in der jüdischen Bibel geschrieben steht, notwendigerweise dort erfüllt werden, wo es den Gottesplan, der umgesetzt werden muss, offenbart. Andrerseits entspricht das Leben, der Tod und die Auferstehung Christi ganz dem, was in diesen Schriften steht. Das Dokument beschäftigt sich eingehend mit dem Thema der Erfüllung in der Bibel, denn dieses komplexe Thema ist in den Beziehungen zwischen Christen und Juden von großer Bedeutung. Zuerst behandelt man das Thema im 8. Abschnitt, dann wird es noch einmal ausführlich in dem 2.Kapitel, in den Absätzen 19 - 21 aufgegriffen. Die Erfüllung der Schriften beinhaltet notwendigerwiese drei Aspekte: einen grundsätzlichen Aspekt , nämlich die Fortführung der Offenbarung des Alten Testaments, gleichzeitig ist es aber ein Aspekt, der die Unterschiede in gewissen Punkten und einen weiterführenden Aspekt aufzeigt. Eine einfache Wiederholung dessen, was in dem Alten Testament stand, kann nicht ausreichen, wenn wir über Erfüllung sprechen. Hier ist es notwendig, dass man entschieden weitergeht. Nehmen wir zum Beispiel das Thema, dass Gott unter seinem Volk weilt. Die erste Erfüllung war der Bau des Tempels in Jerusalem durch Salomon, welcher trotz aller Pracht nicht vollkommen war. Salomon wusste dies und sagte Gott: Siehe, selbst der Himmel und die Himmel der Himmel fassen dich nicht, wie viel weniger dieses Haus, das ich gebaut habe (1Kön. 8, 27). Der Tempel Salomons wurde durch die Sünden des Volkes beschmutzt, zerstört und die Juden in die Verbannung getrieben. Als sie aus dem Exil zurückkehrten, wurde der Tempel wieder aufgebaut. War das dann die Erfüllung des Gottesplans? Nein, denn wiederum geht es nur um einen materiellen Bau, der von Menschen geschaffen wurde und wirklich nicht das Haus Gottes sein konnte. Es war anders als der Tempel Salomons, aber bedeutete keinen entscheidenden Fortschritt, sondern war geringer einzu stufen. Das sah auch der Prophet Haggai, der die zurückkehrenden Juden fragte: Ist unter euch noch einer übrig, der diesen Tempel in seiner früheren Herrlichkeit gesehen hat? Und was seht ihr jetzt? Erscheint er euch nicht wie ein Nichts? (Hag 23). Der Prophet verkündete deshalb einen Eingriff Gottes, der im Ostergeheimnis Christi gesehen werden kann. Jesus verkündete es den Juden, als er sprach: Reißt diesen Tempel nieder, in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten (Joh 2,19). Der Evangelist fügte hinzu: Er aber meinte den Tempel seines Leibes (Joh 2,21). Diesmal ist der Unterschied grundsätzlich. Der hl. Markus sagte es anders. Anstatt von einem von Menschen gebauten Tempel spricht er von einem Tempel, der nicht von Menschenhand gemacht ist (Mk 14,58) und dieser Unterschied geht hin bis zu einer unendlichen Überlegenheit. Der verherrlichte Leib Christi ist wirklich die Wohnung Gottes:Denn in ihm allein wohnt wirklich die ganz Fülle Gottes, so wurde es in dem Brief an die Kolosser verkündet (Kol 2-9).Im 8. Absatz des Dokuments heißt es, dass die Übereinstimmung des Neuen Testaments mit den Schriften des jüdischen Volks nicht vollkommen ist, sondern einige Aspekte enthält, in dem es kein Übereinstimmung gibt. Ein Beispiel dafür finden wir in den Briefen des hl. Paulus. In den Briefen an die Galater und in dem einen Brief an die Römer geht der Apostel vom Gesetz aus - d.h. dsem Alten Gesetz - um zu zeigen, dass der Glauben an Christus die Herrschsaft des Gesetzes beendet. Es zeigt, dass das Gesetz als Offenbarung das eigene Ende als die notwendige Einrichtung für die Erlösung verkündet. Wir könnten nun darauf hinweisen, dass es in Wirklichkeit gar keine Nicht-Übereinstimmung mit den Schriften des jüdischen Volks insgesamt, sondern eine Nicht-Übereinstimmung mit ihren institutionellen Aspekt und eine Übereinstimmung mit ihrem prophetischen Aspekt gibt, der in der Thora gegeben ist. Das Alte Testament zeigt in der Tat viel Spannung zwischen diesen beiden Aspekten auf. In diesen Briefen des hl. Paulus ist der wichtigste Satz der aus Röm 3,21, wo der Apostel feststellt, dass der Beweis für die Gerechtigkeit Gottes zwar in der Rechtfertigung durch den Glauben in Christus und unabhängig vom Gesetz gegeben ist, aber trotzdem mit dem Zeugnis von Gesetz und den Propheten übereinstimmt. In ähnlicherweise zeigt der Brief an die Hebräer, dass das Ostergeheimnis Christi mit den Prophezeiungen und dem präfigurativen Aspekt der Schriften übereinstimmt, aber gleichzeitig einen Aspekt der Nichtübereinstimmung mit den traditionellen Institutionen enthält. Das persönliche Opfer Christ stimmt mit den Prophezeiungen überein, die die fehlenden Tiersopfer beklagten, obwohl diese von dem Gesetz vorgeschrieben waren. Die Lage Christi in Seiner Herrlichkeit entspricht der Prophezeiung aus PS 109 (110), 4 zu dem Priesteramt gemäß Melchizedek, weil es deshalb nicht dem levitischen Priestertum entsprach. Oft finden wir beides, Übereinstimmung und dann wieder keine Übereinstimmung. Im 21. Absatz kehrt das Dokument zu dem begriff der Erfüllung zurück und erklärt, dass es ein äußerst komplexer Begriff ist, der einfach gefälscht werden kann, wenn man einseitig auf Weiterführung und Bruch besteht. Deshalb muss die Seelsorge aufpassen, dass der Begriff der Erfüllung in den Schriften nicht verfälscht werden darf. Im Dokument heißt es weiter, dass der christliche Glauben die Erfüllung in Christus, den Schriften und in den Versuchen Israels anerkennt, dieses aber nicht als die Umsetzung dessen anerkennt, was geschrieben steht. Ein solches Konzept wäre eine Minderung. Das Geheimnis des gekreuzten und auferstandenen Christus ist wirklich eine Erfüllung, die auf unvorhergesehene Weise erreicht wird. Es ist ein Übergang. Jesus beschränkt sich nicht darauf, eine vorgegebene Rolle, die Rolle des (siegreichen) Messias zu spielen, sondern Er bestätigt eine Fülle der Begriffe vom Messias und der Erlösung, die wir uns vorher nicht vorstellen konnten. Er schuf eine neue Wirklichkeit, man könnte sogar von einer neuen Schöpfung sprechen ) 2Kor 5,17; Gal 6,15) . Die Bedeutung des Begriffs Messiasist neu und unbekannt. So hat man die Möglichkeit, auf ein übertriebenes Daran-Festhalten zu verzichten, die für eine apolegetische Besonderheit in Bezug auf den Beweis charakteristisch ist, der der Erfüllung der Prophezeiungen zugeordnet wird. Dieses Darauf-Bestehen trug dazu bei, dass das Urteil der Christen über die Juden und ihre Auslegung des Alten Testaments härter ausfällt: Je öfter wir Beweise für die Erwähnung Christi auf den Seiten des AltenTestaments finden, desto obstinater und unentschuldbar finden wir die Ungläubigkeit der /großen Mehrheit) der Juden. Das Dokument erklärt dann später: Obwohl der christliche Leser weiß, dass die im Alten Testament innewohnende Dynamik ihr Ziel in Jesus findet, so ist dies eine rückschauende Wahrnehmung, deren Anfang nicht in dem Text an sich liegt, sondern in den Ereignissen des Neuen Testaments, das durch das Predigen der Apostel verkündet wurde. Das Dokument kommt dann hinsichtlich der Juden, die nicht an Christus glauben, zu einer Schlussfolgerung: es kann also nicht gesagt werden, dass die Juden nicht sehen, was in dem Alten Testament verkündigt wird und was die Christen im Lichte Christi und des Hl. Geists darin als weitere Bedeutung sehen, die dort verborgen war. Das bedeutet - wie sie verstehen können - tiefreichend Untertöne. Die christliche Auslegung geht über den wortwörtlichen Sinn gewisser Texte hinweg und bestätigt - aber nicht willkürlich - ein Übermaß an Bedeutung, entdeckt dieses Übermaß an Bedeutung in den Texten, das dort verborgen war. Unter Punkt 64 drückt das Dokument das gleiche in anderen Worten aus. Hier heißt es: Christliche Leser sind davon überzeugt, dass ihr Verständnis von der Hermeneutik im Alten Testament zwar wesentlich von der des Judentums abweicht, aber das trotzdem ein Potential an Bedeutung in den Texten zu finden ist. Die Person Jesu und die Ihn betreffenden Ereignisse sind wie eine Offenbarung im Prozess photographischer Entwicklung und erscheinen jetzt in den Schriften mit in einer Fülle von Bedeutungen, die vor her nicht wahrgenommen werden konnten. Gemäß dem Dokument folgt daraus, dass Christen zugeben können und sollten, dass das jüdische Verständnis der Bibel in Kontinuität mit den Heiligen Schriften der Juden auch möglich ist und diese Auslegung analog zu der christlichen gesehen werden kann, die parallel dazu verlief: Das Dokument klärt aber, dass es zwar für Juden möglich ist, die nicht an Christus glauben, das gleiche aber nicht für Christen gilt, denn es bedeutet die Annahme aller Voraussetzungen des Judentums, insbesondere jene, die den Glauben an Jesus als Messias und Sohn Gottes ausschließen. Beide Auslegungen sind in der Sicht ihres jeweiligen Glauben enthalten, deren Auslegungen Ergebnis und Ausdruck sind. Deshalb müssen beide, so wie sie sind, beibehalten werden. Diese Einstellung gilt für alle jüdische Auslegungen. Es gilt nicht für die Auslegung aller Details der biblischen Texte, denn diese Auslegung bedeutet oft nicht die Ablehnung des Glaubens an Christus, sondern entspricht einfach der Auslegung vor dem Kommen Christi. Deshalb kann auch im Dokument erklärt werden, dass die Christen praktisch bei ihrer Exegese viel aus der Exegese der Juden lernen können, so wie diese sie über zweitausend Jahre praktiziert haben und die natürlich im Laufe der Geschichte viel hinzugelernt haben. Es heißt weiter, dass die christlichen Exegeten hoffen sollen, dass die Jude ebenfalls aus der christlichen Forschung in der Exegese lernen können (Nr. 22). Das Dokument rundet die Untersuchung der Beziehungen zwischen Altem und Neuem Testament ab, indem es die Beziehungen untersucht, die es zwischen dem Judentum und Urchristentum, zwischen Schriften und Tradition gab, und auch fand. Die Tradition bringt die Schriften hervor und begleitet sie dann, denn kein schriftlicher Text kann das reiche Erbe der Tradition angemessen ausdrücken.Die Tradition entschied vor allem das Gesetz (canon) der Schriften. Das alles geschah nacheinander und führte für Christen und Juden nicht zu den gleichen Ergebnissen. Die Christen haben ihre Schriften im Neuen Testament, das über den Büchern des Alten Testaments steht. Was das Alte Testament betrifft, ist der christliche canon umfassender als der jüdische der Schriften und schließt auch in griechisch geschriebene Bücher ein, während der Text nicht in der in Hebräisch geschriebenen Bibel enthalten ist. Im Dokument wird das berücksichtigt. Andrerseits wird darauf hingewiesen, dass die Auslegung der Schriften bei den Christen nicht der im Judentum gleicht. Trotz aller Verschiedenheit im Judentum während der Zeit, in der das csnon geschrieben wurde, stand das Gesetz im Mittelpunkt, in dem man sogar die wesentlichen, von Gott Selbst offenbarten Einrichtungen finden konnte, die das religiöse, moralische, rechtliche und politische Leben der jüdischen Nation nach dem Exil ordnete. Im Neuen Testament besteht dagegen die allgemeine Tendenz, den prophetischen Texten mehr Gewicht einzuräumen, dieals Ankündigung des Geheimnisses Christi verstanden werden. Der Apostel Paulus zögert in seinem Brief an die Hebräer keinesfalls, gegen das Gesetz zu wettern. Diese unterschiedliche Sichtweise erklärt sich durch die Tatsache, dass die Kirche Christi keine Nation ist. Der Apostel Paul kämpfte verbissen dagegen, dass den in heidnischen Nationen lebenden Urchristen Das Gesetz und die Gebräuche der jüdischen Nation auferlegt werden könnten. Das zweite Kapitel des Dokuments überprüft die Lage detaillierter und berücksichtigt die grundlegenden Themen in den jüdischen Schriften und ihre Umsetzung im Glauben Christi (Nr. 19 - 65). Die Schriften des jüdischen Volks werden in der christlichen Bibel unter dem Namen Altes Testament aufgenommen. Im Dokument heißt es dann sofort, dass die christliche Kirche mit dem Wort Altes Testament keinesfalls sagen möchte, dass die jüdischen Schriften veraltet oder überholt sind. Im Gegenteil hat man sich immer bemüht zu bestätigen, dass das Alte und das Neue Testament nicht voneinander getrennt werden können. Das nämlich ist die Beziehung an erster Stelle. Zu Beginn des Zweiten Jahrhunderts, als Marcion ? das Alte Testament weglegen wollte, stieß er auf heftigen Widerstand seitens der post-apostolischen Kirche. Die Bezeichnung Altes Testament ist ein von dem Apostel Paulus geprägter Name, um die Moses zugeschriebenen Schriften zu bezeichnen (vgl. 2 Kor 3, 14-15). Paulus spricht dort von dem das Alte-Testament-Lesen und wenn wir Moses lesen. So kam es zu dieser Bedeutung, die seit dem Ende des zweiten Jahrhunderts auch auf andere Heilige Schriften des jüdischen Volksangewandt wurde, die in der christlichen Bibel gefunden wurden. Heute besteht in gewissen Kreisen die Tendenz, von einem Ersten Testament zu sprechen, um die negative Note, die bei dem Ausdruck Altes Testament entstehen mag, zu vermeiden. Altes Testament ist aber ein biblischer, traditioneller Ausdruck, der an sich keine negative Bedeutung hat: die Kirche erkennt voll und ganz die Bedeutung des Alten Testament als das Wort Gottes an. Was dsen Ausdruck Erstes Testament betrifft, so findet man im Lateinischen entsprechend prius testamentum oder primum in der Übersetzung des Briefes an die Hebräer (9,15; primum in 9,18), aber es handelt sich dabei nicht um die Heilige Schrift, sondern um den Bund, der auf dem Sinai geschlossen wird und von diesem ersten Bund kann gesagt werden, dass er alt wurde, als Gott den neuen Bund verkündete , was das Verschwinden des Alten bedeutete (Hebr. 8, 13) Deshalb hat im Neuen Testament der Ausdruck Primum Testamentum eine negative Bedeutung und der Ausdruck Altes Testament nicht. Die Polemik im Brief an die Hebräer wird allgemein gesagt bewusst oder unbewusst in den beschwichtigenden Erklärungen hinsichtlich der ewigen Wertigkeit des ersten Bunds ignoriert. Das Dokument zitiert nicht diesen Text, berücksichtigt ihn aber, da es nicht die ewige Wertigkeit des Bundes auf dem Sinai bestätigt. Es erwähnt die ewige Wertigkeit des Bundes und Versprechens von Gott der kein gegenseitiger Pakt ist wie der Bund auf dem Sinai, der von den Hebräern so oft gebrochen wurde. Er ist ganz barmherzig und kann nicht aufgehoben werden (Nr. 41). Er ist endgültig und kann nicht aufgelöst werden. In diesem Sinn bleibt Israel weiterhin in einem Bund mit Gott (Nr. 42). Im zweiten Kapitel überprüft das Dokument nicht weniger als neun grundsätzliche Themen der Schriften des jüdischen Volks, die von dem christlichen Glauben übernommen wurden. Die ersten beiden haben eine große Tiefe, denn es handelt sich um Gottes Offenbarung und die Lage der menschlichen Person in Bezug auf diese wei gegensätzlichen Aspekte der Größe und Armseligkeit. Die anderen Themen sprechen von dem Plan Gottes, einem befreienden und erlösenden Plan der durch die Wahl Israels erreicht wurde, dem Volk, dem Gott Bund und Gesetzanbietet. Dann kommen die göttlichen oracles der Vorwürfe und Verdammung und schl ussendlichdie oracles der Versprechen. In dem Dokument steht, das Neue Testament nimmt auch voll die grossen Themen der Theologie Israels, aber es wird darin auch nicht davon abgelassen zu wiederholen, was diesbezüglich schon geschrieben wurde.Es wird weiter darin nachgeforscht, wobei Unübertreffliches notwendig ist, um weiter voranzukommen. Die Person und das Werk Christi ebenso wie die Existent der Kirche fügen sich in die Verlängerung dieser geschichte ein. Gleichwohl lässt sich nicht leugnen, dass der Übergang vom einen zum andern Testament auch Brüche mit sich bringt. Diese stellen die Kontinuität nicht in Frage. Sie setzen sie vielmehr in den wesentlichen Punkten voraus. Immerhin betreffen sie ganze Bereiche des Gesetzes: Institutionen wie das levitische Priestertum und den Tempel von Jerusalem; Gottesdienstformen wie die Tieropfer; religiöse und rituelle Bräuche wie die Beschneidung, die Regeln über Rein und Unrein oder die Speisegesetze; unvollkommene Gesetze wie dasjenige über die Scheidung oder enge Gesetzesinterpretationen wie bei den Sabbatvorschriften. Es liegt auf der Hand, dass es sich hier von einem bestimmten Gesichtspunkt aus dem des Judentums um bedeutende Elemente handelt, die verschwinden. Aber es ist ebenso offensichtlich, dass die im Neuen Testament vorgenommene grundlegende Akzentverschiebung bereits im Alten Testament vorbereitet war und demnach eine berechtigte potentielle Lesart des Alten Testaments darstellt. (Nr. 65) Die Diskontinuität in einigen Punkten ist nur die negative Seite einer Wirklichkeit, deren positive Seite Progression heißt. Das Neue Testament bezeugt, dass Jesus, weit davon entfernt, sich der israelitischen Schrift zu widersetzen, ihr ein Ende zu bereiten oder sie außer Kraft zu setzen, sie in seiner Person, in seiner Sendung und ganz besonders in seinem Ostergeheimnis zur Vollendung bringt. In der Tat entzieht sich keines der großen Themen der Theologie des Alten Testaments der neuen Sicht im Lichte Christi. (Nr. 65) Gleichwohl lässt sich nicht leugnen, dass der Übergang vom einen zum andern Testament auch Brüche mit sich bringt. Diese stellen die Kontinuität nicht in Frage. Sie setzen sie vielmehr in den wesentlichen Punkten voraus. Immerhin betreffen sie ganze Bereiche des Gesetzes: Institutionen wie das levitische Priestertum und den Tempel von Jerusalem; Gottesdienstformen wie die Tieropfer; religiöse und rituelle Bräuche wie die Beschneidung, die Regeln über Rein und Unrein oder die Speisegesetze; unvollkommene Gesetze wie dasjenige über die Scheidung oder enge Gesetzesinterpretationen wie bei den Sabbatvorschriften. Es liegt auf der Hand, dass es sich hier von einem bestimmten Gesichtspunkt aus dem des Judentums um bedeutende Elemente handelt, die verschwinden. Aber es ist ebenso offensichtlich, dass die im Neuen Testament vorgenommene grundlegende Akzentverschiebung bereits im Alten Testament vorbereitet war und demnach eine berechtigte potentielle Lesart des Alten Testaments darstellt.(Nr. 64) .Insbesondere, Das Neue Testament übernimmt als unwiderrufliche Wirklichkeit die Erwählung Israels als Bundesvolk: Es bewahrt uneingeschränkt seine Vorzüge (Röm 9,4) und seine Vorrangstellung in der Geschichte bezüglich des Angebots von Gottes Heil (Apg 13,23) und Wort (13,46). Doch hat Gott Israel einen »neuen Bund« angeboten (Jer 31,31); dieser gründet sich auf das Blut Jesu. 306 Die Kirche setzt sich zusammen aus Israeliten, die diesen neuen Bund angenommen haben, und anderen Gläubigen, die sich ihnen angeschlossen haben. Als Volk des neuen Bundes ist sich die Kirche bewusst, nur aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu Jesus Christus, dem Messias Israels, und dank ihrer Bande mit den Aposteln, die alle Israeliten waren, zu existieren. Fern davon, sich an die Stelle Israels zu setzen, 307 bleibt sie mit ihm solidarisch. Den Christen, die aus dem Heidentum gekommen sind, erklärt Paulus, dass sie auf den guten Ölbaum Israel aufgepfropft sind (Röm 11,16.17). Damit zeigt die Kirche das Bewusstsein, dass Christus ihr eine universale Öffnung verliehen hat im Sinne der Berufung Abrahams, dessen Nachkommenschaft sich jetzt erweitert zugunsten einer Sohnschaft, die auf den Glauben an Christus gründet (Röm 4,11-12). Deshalb ist im Neuen Testament gegenüber der Heiligen Schrift des jüdischen Volkes eine tiefe Treue wiederzufinden, eine Treue, die jedoch zugleich auch kreativ ist, in Einklang mit den prophetischen Orakeln, die den neuen Bund und das Geschenk eines neuen Herzens und eines neuen Geistes/Ez 36:26) ankündigten. Das dritte Kapitel des Dokuments heisst Die Juden im Neuen Testament. Jedoch beginnt es mit einer notwendigen Erklärung, die nicht unnütz ist, über die unterschiedlichen Ausprägungen des nachexilischen Judentums.(Nr.66-69). In der Tat wäre es ein Fehler gewesen den Judaismus zur damaligen Zeit als eine monolythische Realität aufzufassen. Im Gegenteil müüsen wir die Existenz verschiedener Gedankenströmungen und Verhaltensweisen feststellen, die oft entgegengesetzt waren. Der jüdische Historiker Josephus unterscheidet drei Parteien oder Philosophenschulen: die Pharisäer, die Sadduzäer und Essener. Doch ist die Liste nicht vollständig. : Die Beziehungen zwischen den verschiedenen Gruppen waren gelegentlich äußerst gespannt bis hin zu offener Feindseligkeit (...) Die Schriften von Qumran überschütten die sadduzäische Hierarchie von Jerusalem mit Anklagen als schlechte Priester, die das Gesetz missachten, und sie malen auch die Pharisäer in schwarzen Farben. Im Dokument wird die Situation vor Augen gehalten, die in den Schriften des Neuen Testaments wiedergegeben wird. Es werden mehrere aufeinander folgende Zeitabschnitte unterschieden: erstens, die letzten Jahrhunderte vor Christus, dann das 1. Jahrhundert nach Jesus Christus, in drei Drittel unterteilt. Das erste Drittel In diesen Zeitabschnitt fällt das Leben Jesu. Nur hat es ein wenig früher begonnen, da Jesus vor dem Tode Herodes' des Großen geboren wurde, der im Jahre 4 vor unserer Zeitrechnung starb. Das Dokument erklärtSo gehört Jesus wahrscheinlich keiner der Gruppierungen an, die es im damaligen Judentum gab. Er war schlicht mit dem einfachen Volk solidarisch. Neuere Studien haben versucht, ihn in verschiedene soziale Kontexte seiner Zeit einzuordnen: charismatische Rabbis aus Galiläa, kynische Wanderprediger oder selbst revolutionäre Zeloten. Doch lässt er sich in keine dieser Gruppen einzwängen.Was die Gruppierung der Jünger anbelangt, sokonnte der Kreis seiner Jünger die ganze Vielfalt des damaligen Palästina widerspiegeln(Nr. 67). Das zweite Drittel des 1. Jahrhunderts ist die Zeit wurden die Jünger des auferstandenen Christus sehr zahlreich und organisierten sich in »Kirchen« (»Gemeinden«).Das letzte Drittel beginnt mit dem jüdischen Aufstand 66-70 , der zum jüdischen Krieg und zur Zerstörung des Tempels von Jerusalem führte.Wenn die christlichen Schriften aus dieser Zeit vom Judentum sprechen, dann tun sie es zunehmend unter dem Einfluss der Beziehungen zu diesem in Entstehung befindlichen rabbinischen Judentum. Auf manchen Gebieten war der Konflikt zwischen den Leitern der Synagogen und den Jüngern Jesu scharf..(Nr. 69). Nach dieser notwendigen Einführung wird untersucht, wie die Juden in den Evangelien und in der Apostelgeschichte dargestellt werden. Dann in den Briefen des Paulus, Jakobus, Petrus und Judas und in der Offenbarung.Der erste Abschnitt ist sehr wichtig. Er besagt, Von den Juden haben die Evangelien und die Apostelgeschichte eine sehr positive Grundauffassung, denn sie erkennen das jüdische Volk als das Volk an, das Gott zur Verwirklichung seines Heilsplans auserwählt hat. Diese göttliche Auswahl findet ihren höchsten Ausdruck in der Person Jesu, des Sohnes einer jüdischen Mutter. Er wird geboren, um sein Volk zu retten, und er wird seinem Auftrag gerecht, (...)Der Anschluss einer großen Anzahl von Juden an Jesus während seines öffentlichen Lebens und nach seiner Auferstehung bestätigt diese Sicht, und ebenso die Auswahl von zwölf Juden durch Jesus, die an seiner Sendung teilhaben und sein Werk weiterführen sollten. (Nr. 70). Ein weiterer Aspekt dieser Situation wird auf folgende Weise zum Ausdruck gebracht:Das Evangelium wurde zunächst von vielen Juden freudig aufgenommen, doch stieß es auf den Widerstand der jüdischen Führer, denen sich schließlich die Mehrheit des Volkes anschloss. So kam es zwischen den jüdischen und den christlichen Gemeinden zu einer Konfliktsituation, die selbstverständlich die Abfassung der Evangelien und der Apostelgeschichte beeinflusst hat.(Nr. 70). Diese zwei Aspekte der Situation, der erste sehr positiv und der zweite negativ, können in allen Schriften des Neuen Testaments gefunden werden. In Bezug auf den zweiten Aspekt wurden Ablehnung und polemische Texte zum Ausdruck gebracht.. Dennoch, der Text erklärt: Im Neuen Testament sind die an die Juden gerichteten Vorwürfe weder häufiger noch heftiger als die Anklagen, die im Gesetz und in den Propheten gegen die Juden gerichtet werden. So dürfen sie nicht mehr für Antijudaismus in Anspruch genommen werden. Sie in dieser Weise zu benutzen, liefe der Gesamtausrichtung des Neuen Testaments zuwider. Einen echten Antijudaismus, d. h. eine Haltung von Verachtung, von Feindschaft und von Verfolgungswut gegenüber den Juden als Juden findet sich in keinem Texte des Neuen Testaments und ist mit der Lehre des Neuen Testaments unvereinbar. Was es gibt, sind Vorwürfe gegenüber bestimmten Arten von Juden aus religiösen Gründen und auf der anderen Seite polemische Texte, die die christliche apostolische Verkündigung gegenüber Juden in Schutz nehmen sollen, die ihr Widerstand entgegenbringen. (Nr. 87)Vorwurf ist nie das gleiche wie Hass. Das Dokument erinnert uns an das, was in der Apostelgeschichte steht Die Schuld der »Israeliten« bestand darin, den »Urheber des Lebens zu töten« (3,15). Diese Schuld, die vor allem diejenige der »Führer des Volkes« (4,8) oder des »Hohen Rates« (5,27.30) war, wird nur in Erinnerung gebracht, um einen Aufruf zur Umkehr und zum Glauben zu begründen. Petrus mindert im übrigen die Schuldhaftigkeit nicht nur der »Israeliten«, sondern auch der »Führer«, indem er erklärt, sie hätten »aus Unwissenheit« gefehlt (3,17). Eine solche Entschuldigung beeindruckt. Sie entspricht aber der Lehre und dem Verhalten Jesu (Lk 6,36-37; 23,34).(Er betete, für die, die Ihn kreuzigten) (Nr. 75) Der Heilige Stephanus, der erste der Märtyrer, folgte getreu seinem Vorbild (Apg 7:60). Was polemische Texte anbelangt, die dadurch bei der jüdischen Opposition gegenüber dem Christlichen Apostolat provoziert wurden, hebt der Text hervor, Nachdem sich die Lage grundsätzlich gewandelt hat, besteht nicht mehr die Notwendigkeit in die Beziehung zwischen Christen und Juden einzugreifen. (Nr. 71) Abschließend besagt das Dokument, Dadurch dass das Neue Testament von seinem Wesen her Verkündigung der Erfüllung des Heilsplans Gottes in Jesus Christus ist, steht es in grundlegendem Widerspruch zur großen Mehrheit des jüdischen Volkes, das nicht an diese Erfüllung glaubt (...) So tief die Uneinigkeit auch reichen mag, so rechtfertigt sie doch in keiner Weise wechselseitige Feinseligkeit. Das Beispiel von Paulus in Röm 9 11 zeigt vielmehr eine Haltung des Respekts, der Hochschätzung und der Liebe gegenüber dem jüdischen Volk. Diese ist die einzige wirklich christliche Haltung in einer heilsgeschichtlichen Situation, die in geheimnisvoller Weise Teil des ganz positiven Heilsplans Gottes ist. Der Dialog bleibt möglich, da Juden und Christen ein reiches gemeinsames Erbe besitzen, das sie verbindet. Er ist auch in höchstem Maße wünschenswert, damit es gelingt, fortschreitend auf beiden Seiten Vorurteile und Missverständnisse zu überwinden zugunsten einer besseren Kenntnis des gemeinsamen Erbes und zur Stärkung der wechselseitigen Bande. In diesem Sinne drängt die Fügsamkeit gegenüber dem Wort Gottes die Kirche dazu fortzuschreiten. [00014-05.29][NNNNN] [Originalsprache: Französisch] BRIEFING DER SPRACHGRUPPEN Das erste Briefing für die Sprachgruppen wird morgen, am 7. Oktober 2008 um circa 14.00 Uhr stattfinden (an den im Pressebulletin Nr.2 angegebenen Orten und Pressebeauftragten), im Anschluss an das Briefing der American Bible Society um 13.00 Uhr in der Aula Johannes Paul II. des Presseamtes des Heiligen Stuhls (ursprünglich vorgesehen für Mittwoch, den 8. Oktober). Es wird daran erinnert, dass die Mitarbeiter der audiovisuellen Medien (Kameramänner und Techniker) und Fotographen gebeten werden, sich für die Akkreditierung an den Päpstlichen Rat für die sozialen Kommunikationsmittel zu wenden (sehr beschränkte Zulassung). Am Briefing der American Bible Society nehmen teil: S.Em. Kard. Peter Kodwo Appiah TURKSON, Erzbischof von Cape Coast (GHANA); P. Thomas ROSICA CSB, Exekutivdirektor des katholischen Fernsehkanals Kanadas Salt and Light (KANADA); Rev. Dennis DICKERSON, Präsident, Board of Trustees, American Bible Society; Rev. Giuseppe Costa, Direktor der Vatikanischen Verlagsbuchhandlung. |