Kommentar zum Responsum ad dubium
Die vorliegende Maßnahme der Glaubenskongregation ist die Antwort auf eine Frage
– klassisch ausgedrückt: auf ein Dubium –, das, wie es normalerweise der
Fall ist, von Seelsorgern und Gläubigen aufgeworfen wird, die einer
orientierenden Klärung bei einem kontroversen Thema bedürfen. Gegenüber der
Unsicherheit, die durch problematische Aussagen oder Praktiken in Bereichen,
welche für das christliche Leben entscheidend sind, hervorgerufen wird, wird
gebeten, darauf positiv oder negativ zu antworten und sodann die Argumente
darzulegen, welche die eingenommene Position unterstützen. Der Zweck dieser
Äußerung ist es, die Weltkirche dabei zu unterstützen, besser den Forderungen
des Evangeliums zu entsprechen, Streitigkeiten zu schlichten und eine gesunde
Gemeinschaft im heiligen Volk Gottes zu fördern.
Die strittige Frage stellt sich im Rahmen des „aufrichtigen Willen[s] […],
homosexuelle Personen anzunehmen, sie zu begleiten und ihnen Wege des
Glaubenswachstums anzubieten“ (Erläuternde Note), wie der Heilige Vater
Franziskus zum Abschluss von zwei Synodenversammlungen über die Familie
angedeutet hat: „damit diejenigen, welche die homosexuelle Tendenz zeigen, die
notwendigen Hilfen bekommen können, um den Willen Gottes in ihrem Leben zu
begreifen und ganz zu erfüllen“ (Ap. Schreiben
Amoris laetitia, Nr. 250).
Das ist eine Einladung, die in diesem Zusammenhang angebotenen pastoralen
Entwürfe und Vorschläge mit angemessener Unterscheidungskraft zu bewerten. Dazu
gehören auch Segnungen von Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts. Es
wird deshalb also angefragt, ob die Kirche die Vollmacht hat, ihren Segen zu
erteilen. So lautet die im Quesitum enthaltene Formulierung.
Die Antwort – das
Responsum ad dubium – wird in der beigefügten
Erläuternden Note der Glaubenskongregation vom 22. Februar 2021 erklärt und
begründet, deren Veröffentlichung Papst Franziskus selbst gutgeheißen hat.
Im Mittelpunkt der Note steht die grundlegende und entscheidende
Unterscheidung zwischen Personen und deren Verbindung, sodass das negative
Urteil über die Segnung von Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts kein
Urteil über die betroffenen Personen impliziert.
Es geht vor allem um die Personen. Für sie gilt, und das ist ein Punkt, hinter
den es kein Zurück mehr gibt, was die Erwägungen zu den Entwürfen einer
rechtlichen Anerkennung der Lebensgemeinschaften zwischen homosexuellen Personen
– von derselben Kongregation herausgegeben – erklären (Nr. 4) und was
der Katechismus der Katholischen Kirche in Erinnerung ruft: „Nach der Lehre der
Kirche ist den Männern und Frauen mit homosexuellen Tendenzen «mit Achtung,
Mitleid und Takt zu begegnen. Man hüte sich, sie in irgendeiner Weise ungerecht
zurückzusetzen» (2358)“. Eine Lehre, die durch die besagte Note in
Erinnerung gerufen und bekräftigt wird.
Was die Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts betrifft, so erklärt die
Antwort auf das Dubium „jede Segnungsform für unzulässig, die dazu neigt,
ihre Verbindungen anzuerkennen“: eine Unzulässigkeit, auf die in der
Erläuternden Note durch drei Motive, die miteinander im Zusammenhang stehen,
verwiesen wird.
Das erste wird begründet durch die Wahrheit und den Wert der Segnungen. Diese
gehören zur Gattung der Sakramentalien und bedeuten „liturgische
Handlungen der Kirche“, welche die Übereinstimmung des Lebens mit dem, was sie
bezeichnen und bewirken, fordern. Es geht um Bedeutungen und Wirkungen der
Gnade, welche die Note in konziser Form darlegt. Daraus folgt, eine
Segnung einer menschlichen Beziehung erfordert, dass sie darauf hingeordnet ist,
das Gute, das ihr zugesagt und verliehen wird, zu empfangen und auszudrücken.
Damit kommen wir zum zweiten Grund: Die Ordnung, die befähigt, die Gabe zu
empfangen, ist durch die „Pläne Gottes, die in die Schöpfung eingeschrieben und
von Christus dem Herrn vollständig offenbart sind“, gegeben. Das meint Pläne,
denen „Beziehungen oder selbst stabile[…] Partnerschaften […], die eine sexuelle
Praxis außerhalb der Ehe“ – das heißt „außerhalb einer unauflöslichen Verbindung
eines Mannes und einer Frau, die an sich für die Lebensweitergabe offen ist“ –
einschließen, nicht entsprechen. Dies ist der Fall bei Verbindungen zwischen
Personen gleichen Geschlechts. Es betrifft nicht nur diese, so als ob das
Problem nur solche Verbindungen wären, sondern jede Verbindung, welche die
Ausübung der Sexualität außerhalb der Ehe beinhaltet, was vom moralischen
Standpunkt aus unerlaubt ist, entsprechend dem ununterbrochenen Lehramt der
Kirche.
Dies muss also von einer Vollmacht gesagt werden, die die Kirche nicht besitzt,
denn sie kann nicht über die Pläne Gottes verfügen, die sonst verkannt und
verleugnet würden. Die Kirche ist nicht die Schiedsrichterin über diese Pläne
und über die Lebenswahrheiten, die sie ausdrücken, sondern deren treue
Interpretin und Verkünderin.
Der dritte Grund liegt in dem Irrtum, zu dem man sich leicht verleiten lassen
würde, nämlich die Segnung der Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts
der Segnung ehelicher Verbindungen anzugleichen. Aufgrund des Bezugs, welchen
die Segnungen von Menschen zu den Sakramenten aufweisen, könnte die Segnung
dieser Verbindungen in gewisser Weise „eine Nachahmung oder einen analogen
Hinweis auf den Brautsegen“ darstellen, der dem Mann und der Frau erteilt wird,
die im Ehesakrament vereint werden. Das wäre verfehlt und irreführend.
Aus den oben genannten Gründen kann „die Segnung gleichgeschlechtlicher
Verbindungen nicht als zulässig angesehen werden“. Das ist eine Aussage, die in
keiner Weise die menschliche und christliche Rücksichtnahme beeinträchtigt, mit
der die Kirche jeder Person begegnet, und zwar so, dass die Antwort auf das
Dubium nicht ausschließt, „dass Segnungen einzelnen Personen mit
homosexueller Neigung gespendet werden, die den Willen bekunden, in Treue zu den
geoffenbarten Plänen Gottes zu leben, wie sie in der kirchlichen Lehre vorgelegt
werden“.
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