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Dikasterium für die Glaubenslehre
Pressemitteilung über die Rezipierung der Erklärung
Fiducia supplicans
4. Januar 2024
Wir veröffentlichen diese Pressemitteilung, um zur Klärung der Annahme der
Erklärung
Fiducia supplicans beizutragen, und empfehlen gleichzeitig eine
vollständige und sorgfältige Lektüre dieser Erklärung, um die Bedeutung ihrer
Handlungsempfehlung besser zu verstehen.
1. Lehre
Die nachvollziehbaren Antworten einiger Bischofskonferenzen auf die Erklärung
unterstreichen die Notwendigkeit einer längeren Zeit pastoraler Reflexion. Was
von diesen Bischofskonferenzen zum Ausdruck gebracht wurde, kann nicht als
lehrmäßige Opposition interpretiert werden, denn das Dokument ist klar und
drückt sich in klassischer Weise zu Ehe und Sexualität aus. Die Erklärung
Fiducia supplicans enthält mehrere starke Formulierungen, die daran keinen
Zweifel lassen:
„Diese Erklärung bleibt fest bei der überlieferten Lehre der Kirche über die Ehe
stehen und lässt keine Art von liturgischem Ritus oder diesem ähnliche Segnungen
zu, die Verwirrung stiften könnten“. Es geht darum, gegenüber Paaren
in irregulären Beziehungen zu handeln, „ohne deren Status offiziell zu
konvalidieren oder die beständige Lehre der Kirche über die Ehe in irgendeiner
Weise zu verändern“ (Präsentation).
„Daher sind Riten und Gebete, die Verwirrung stiften könnten zwischen dem, was
für die Ehe konstitutiv ist, nämlich die ,ausschließliche, dauerhafte und
unauflösliche Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau, die von Natur aus
offen ist für die Zeugung von Kindern‘, und dem, was dem widerspricht,
unzulässig. Diese Überzeugung gründet sich auf die beständige katholische Lehre
von der Ehe. Nur in diesem Zusammenhang finden die sexuellen Beziehungen ihren
natürlichen, angemessenen und vollständig menschlichen Sinn. Die Lehre der
Kirche hält an diesem Punkt unverändert fest“ (4).
„Dies ist auch der Sinn des Responsums der vormaligen
Glaubenskongregation, in dem es heißt, dass die Kirche nicht befugt ist,
gleichgeschlechtlichen Verbindungen den Segen zu erteilen“ (5).
„Da die Kirche seit jeher nur solche sexuellen Beziehungen als sittlich erlaubt
ansieht, die innerhalb der Ehe gelebt werden, ist sie nicht befugt, ihren
liturgischen Segen zu erteilen, wenn dieser in irgendeiner Weise einer
Verbindung, die sich als Ehe oder außereheliche sexuelle Praxis ausgibt, eine
Form der sittlichen Legitimität verleihen könnte“ (11).
Von daher bietet die Erklärung keinen Rahmen, um ihr gegenüber lehrmäßig in
Distanz zu gehen oder sie als häretisch, der kirchlichen Tradition
zuwiderlaufend oder blasphemisch zu betrachten.
2. Rezipierung in der Praxis
Einige Bischöfe haben sich jedoch besonders zu einem praktischen Aspekt
geäußert, nämlich die möglichen Segnungen von Paaren in irregulären Beziehungen.
Die Erklärung enthält den Vorschlag einer kurzen Segnung im Sinne
pastoraler Annahme (weder liturgisch noch rituell) von Paaren in irregulären
Situationen (nicht Verbindungen), wobei betont wird, dass es sich um Segnungen außerhalb liturgischer Formen
handelt, die die Situation, in der sich diese Menschen befinden, weder billigen
noch rechtfertigen.
Die Dokumente des Dikasteriums für die Glaubenslehre, so
Fiducia supplicans,
können unter praktischen Aspekten mehr oder weniger Zeit für ihre Anwendung, je
nach den örtlichen Gegebenheiten und dem Urteil des jeweiligen Diözesanbischofs
in seiner Diözese, benötigen. An einigen Orten steht einer sofortigen Anwendung
nichts im Wege, während es an anderen notwendig erscheint, nichts zu erneuern
und sich so viel Zeit wie nötig für die Lektüre und Auslegung der Erklärung
zu nehmen.
So haben einige Bischöfe zum Beispiel entschieden, dass jeder Priester einen
Unterscheidungsprozess vornehmen muss und dass er diese Segnungen nur im
privaten Rahmen vornehmen kann. All dies stellt keine Schwierigkeit dar, wenn es
mit dem gebührenden Respekt vor einem vom Papst abgezeichneten und approbierten
Text geäußert wird, der versucht, die darin enthaltenen Überlegungen in
irgendeiner Weise zu berücksichtigen.
Jeder Ortsbischof hat kraft seines Amtes immer die Entscheidungsbefugnis vor
Ort, d. h. an dem konkreten Ort, den er besser kennt als andere, weil es
sich um seine ihm anvertraute Herde handelt. Umsicht und Aufmerksamkeit für den
kirchlichen Kontext und die örtliche Kultur können verschiedene Wege der
Anwendung erlauben, aber nicht eine totale oder endgültige Verweigerung dieses
Weges, der den Priestern vorgelegt wird.
3. Die schwierige Situation in einigen Ländern
Die Situation einiger Bischofskonferenzen muss im jeweils eigenen Kontext
verstanden werden. In mehreren Ländern gibt es starke kulturelle und sogar
rechtliche Schwierigkeiten, die Zeit und pastorale Strategien erfordern, die
über das Kurzfristige hinausgehen.
Dort, wo es Gesetzgebungen gibt, die die bloße Tatsache, sich als homosexuell zu
bekennen, mit Gefängnis und in einigen Fällen mit Folter und sogar mit dem Tod
bestrafen, versteht es sich von selbst, dass eine Segnung nicht angezeigt wäre.
Es liegt auf der Hand, dass die Bischöfe homosexuelle Menschen nicht der Gewalt
aussetzen wollen. Es bleibt weiterhin wichtig, dass diese Bischofskonferenzen
nicht für eine andere Lehre als die vom Papst unterzeichnete Erklärung
eintreten, da diese die Lehre aller Zeiten ist, sondern dass sie die
Notwendigkeit von weiterer Prüfung und Unterscheidung in den Blick nehmen, um in
einem solchen Kontext mit pastoraler Klugheit handeln zu können.
Es gibt tatsächlich nicht wenige Länder, die Homosexualität in unterschiedlichem
Maße verurteilen, verbieten und kriminalisieren. In diesen Fällen stellt sich
über die Frage der Segnungen hinaus ein großer und weitreichender pastoraler
Auftrag, der die Ausbildung, die Verteidigung der Menschenwürde, das Lehren der
Soziallehre der Kirche und verschiedene Strategien umfasst, die ihrerseits keine
Eile zulassen.
4. Das eigentliche Neue des Dokumentes
Das eigentliche Neue dieser Erklärung, das ein großherziges Bemühen der
Rezipierung erfordert und von der sich niemand ausschließen sollte, ist nicht
die Möglichkeit der Segnung von Paaren in irregulären Beziehungen. Es ist die
Aufforderung, zwischen zwei verschiedenen Formen von Segnung zu unterscheiden,
nämlich der „liturgischen oder rituellen“ und der eher „spontanen oder
seelsorgerisch motivierten“. In der Präsentation der Erklärung wird
deutlich erläutert, dass die eigentliche Bedeutung des Dokumentes darin besteht,
„einen spezifischen und innovativen Beitrag zur pastoralen Bedeutung von
Segnungen zu bieten, der es in enger Verbindung mit einer liturgischen
Perspektive ermöglicht, das klassische Verständnis von Segnungen zu erweitern
und zu bereichern. Diese theologische Reflexion, die sich auf die pastorale
Vision von Papst Franziskus stützt, beinhaltet eine wirkliche Weiterentwicklung
über das hinaus, was vom Lehramt und in den offiziellen Texten der Kirche über
die Segnungen gesagt wurde“.
Dies geschieht vor dem Hintergrund der positiven Bewertung der „volksnahen
Pastoral“, die in vielen Texten des Heiligen Vaters aufscheint. In diesem
Zusammenhang lädt der Heilige Vater zu einer Wertschätzung des einfachen
Glaubens des Volkes Gottes ein, das selbst inmitten seiner Sünden aus der
Immanenz hervortritt und sein Herz öffnet, um die Hilfe Gottes zu erbitten.
Aus diesem Grund hat der Text des Dikasteriums, mehr als bezüglich der Segnung
von Paaren in irregulären Beziehungen, das hohe Profil einer „Erklärung“
angenommen, die weit mehr darstellt als ein Responsum oder ein Schreiben.
Das zentrale Thema, das uns zu einer Vertiefung und einer Bereicherung unseres
pastoralen Handelns einlädt, ist das umfassendere Verständnis von Segnungen und
der Vorschlag, vermehrt solche Segnungen im Sinne pastoraler Fürsorge
vorzunehmen, die nicht dieselben Bedingungen erfordern wie Segnungen in einem
liturgischen oder rituellen Kontext. Jenseits der Polemik ruft der Text daher zu
einer gelassenen Reflexion mit dem Herzen eines Seelsorgers auf, die frei von
jeder Ideologie ist.
Auch wenn einige Bischöfe es für klug erachten, diese Segnungen vorläufig nicht
zu erteilen, so müssen wir doch alle in der Überzeugung wachsen, dass nicht
ritualisierte Segnungen keine Weihe der sie empfangenden Personen oder des
Paares sind, und dass sie keine Rechtfertigung für alle ihre Handlungen sind und
sie keine Bestätigung für das von ihm geführte Leben darstellen. Als der Papst
uns aufforderte, ein umfassenderes Verständnis des pastoralen Segens zu
entwickeln, schlug er uns vor, über eine Art des Segnens nachzudenken, die nicht
so viele Bedingungen für diese einfache Geste pastoraler Nähe fordert, die
vielmehr ein Mittel ist, um die Offenheit für Gott inmitten der
unterschiedlichsten Umstände zu fördern.
5. Wie sehen diese „Segnungen aus pastoraler Fürsorge“ konkret aus?
In deutlicher Unterscheidung zu liturgischen bzw. rituellen Segnungen sollen
„Segnungen aus pastoraler Fürsorge“ vor allem sehr kurz sein (vgl. Nr. 28). Es
handelt sich um Segnungen von einer Dauer weniger Sekunden, ohne Ritual und ohne
Benediktionale. Wenn zwei Personen gemeinsam herantreten, um einen Segen zu
erbitten, bittet man einfach den Herrn um Frieden, Gesundheit und andere Güter
für diese beiden Personen, die ihn erbitten. Gleichzeitig bittet man darum, dass
sie das Evangelium Christi in voller Treue leben mögen und dass der Heilige
Geist diese beiden Personen von allem befreien möge, was nicht seinem göttlichen
Willen entspricht und alles, was der Reinigung bedarf.
Diese nicht ritualisierte Form der Segnung erhebt in ihrer Einfachheit und Kürze
nicht den Anspruch das zu rechtfertigen, was moralisch nicht vertretbar ist.
Ganz offensichtlich handelt es sich nicht um eine Eheschließung, aber auch nicht
um eine „Approbation“ oder Ratifizierung von irgendetwas. Es geht lediglich um
die Antwort eines Hirten auf die Bitte zweier Menschen um Gottes Hilfe. Deshalb
stellt der Priester in diesem Fall keine Bedingungen und will auch nichts über
das Intimleben dieser Menschen erfahren.
Da einige die Frage aufgeworfen haben, wie ein solcher Segen aussehen könnte,
wollen wir ein konkretes Beispiel betrachten: Stellen wir uns vor, dass inmitten
einer großen Wallfahrt ein geschiedenes Ehepaar in einer neuen Verbindung zum
Priester kommt: „Bitte gib uns einen Segen, wir finden keine Arbeit, er ist sehr
krank, wir haben kein Haus, das Leben wird sehr beschwerlich: Gott möge uns
beistehen!“.
In diesem Fall kann der Priester ein einfaches Gebet wie das folgende sprechen:
„Herr, schau auf diese deine Kinder, gib ihnen Gesundheit, Arbeit, Frieden und
gegenseitige Hilfe. Befreie sie von allem, was deinem Evangelium widerspricht,
und gib ihnen, dass sie nach deinem Willen leben. Amen“. Und er schließt mit dem
Kreuzzeichen über einen jeden von ihnen.
Es ist eine Angelegenheit von 10 oder 15 Sekunden. Ist es sinnvoll, diesen
beiden Menschen, die darum bitten, diese Art von Segen zu verweigern? Sollten
wir nicht ihren Glauben unterstützen, sei es einen kleinen oder einen großen,
ihren Schwächen mit göttlichem Segen helfen und dieser Offenheit für die
Transzendenz einen Zugang zu geben, der sie dazu bringen könnte, dem Evangelium
treuer zu sein?
Um Missverständnissen vorzubeugen, fügt die Erklärung hinzu, dass, wenn der
Segen von einem Paar in einer irregulären Situation erbeten wird „und dies außerhalb der von den liturgischen Büchern vorgeschriebenen Formulare
geschieht, wird ein solcher Segen niemals im direkten Zusammenhang mit einer
standesamtlichen Feier, oder sonst in irgendeiner Verbindung damit, erteilt
werden können. Dies gilt auch für die Kleidung, die Gesten und die Worte, die
Ausdruck für eine Ehe sind. Dasselbe gilt, wenn die Segnung von einem
gleichgeschlechtlichen Paar erbeten wird” (39). Es ist daher klar, dass sie
nicht an einem wichtigen Platz im Kirchengebäude oder vor dem Altar stattfinden
sollte, denn auch dies würde Verwirrung stiften.
Aus diesem Grund ist jeder Bischof in seiner Diözese durch die Erklärung
Fiducia supplicans ermächtigt, diese Art von einfachem Segen zu erteilen,
verbunden mit allen Empfehlungen zur Vorsicht und Sorgfalt, aber keinesfalls ist
er befugt, Segnungen vorzuschlagen oder zu erteilen, die einer liturgischen
Feier ähneln könnten.
6. Katechese
An manchen Orten scheint eine Katechese erforderlich, die helfen könnte zu
verstehen, dass diese Art von Segnungen keine Bestätigung der Lebensführung
derjenigen darstellt, die einen solchen Segen erbitten. Noch weniger bedeutet
ein solcher Segen eine Absolution, denn diese Segenshandlungen sind weit davon
entfernt, ein Sakrament oder ein Ritus zu sein. Sie sind einfache
Ausdrucksformen pastoraler Nähe, die nicht die gleichen Anforderungen stellen
wie ein Sakrament oder ein formeller Ritus. Wir werden uns alle daran gewöhnen
müssen, die Tatsache zu akzeptieren, dass ein Priester, der diese Art von
einfachen Segnungen erteilt, kein Häretiker ist, nichts ratifiziert und die
katholische Lehre nicht leugnet.
Wir können dem Volk Gottes helfen zu entdecken, dass diese Art von Segnungen nur
einfache pastorale Mittel sind, die den Menschen helfen, ihren Glauben zu
manifestieren, auch wenn sie große Sünder sind. Wenn wir also zwei Menschen
segnen, die sich spontan zusammenfinden, um den Segen zu erbitten, bedeutet das
keinen Weiheakt oder dass wir sie beglückwünschen oder diese Art der Verbindung
gutheißen. Das Gleiche geschieht, wenn wir Einzelpersonen segnen, denn
derjenige, der um den Segen – nicht um die Absolution – bittet, mag ein großer
Sünder sein, aber wir verweigern ihm nicht diese väterliche Geste inmitten
seines Mühens um das Überleben.
Wenn dies durch eine gute Katechese deutlich gemacht wird, können wir uns von
der Angst befreien, dass unsere Segnungen etwas Unzulängliches ausdrücken
könnten. Wir können freiere und vielleicht fruchtbarere Diener in größerer Nähe
sein mit einem Dienst, gezeichnet durch väterliche Gesten seelsorgerlicher Nähe
und ohne Angst, missverstanden zu werden.
Erbitten wir vom neugeborenen Herrn seinen großzügigen und ungeschuldeten Segen
für alle, um ein heiliges und glückliches Jahr 2024 erleben zu dürfen.
Víctor Manuel Kard. Fernández
Präfekt
Msgr. Armando Matteo
Sekretär für die doktrinäre Sektion
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