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FEST DER DARSTELLUNG DES HERRN
XII. TAG DES GEWEIHTEN LEBENS

ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.

Petersdom
Samstag, 2. Februar 2008

 

Liebe Brüder und Schwestern!

Ich freue mich, aus Anlaß des Tages des geweihten Lebens mit euch zusammenzutreffen, jener traditionellen Begegnung, die durch den liturgischen Rahmen des Festes der Darstellung des Herrn noch an Bedeutung gewinnt. Ich danke Herrn Kardinal Franc Rodé, der für euch die Eucharistie gefeiert hat, und mit ihm dem Sekretär und den anderen Mitarbeitern der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens. Ganz herzlich begrüße ich die anwesenden Generaloberen und Generaloberinnen und euch alle, die ihr diese einzigartige Versammlung – Ausdruck des vielfältigen Reichtums des geweihten Lebens in der Kirche – bildet.

Im Bericht über die Darstellung Jesu im Tempel betont der Evangelist Lukas dreimal, daß Maria und Josef »gemäß dem Gesetz des Herrn« handelten (vgl. Lk 2,22.23.39), und im übrigen scheinen sie immer aufmerksam auf das Wort Gottes zu hören. Diese ihre Haltung ist ein beredtes Vorbild für euch, Ordensmänner und Ordensfrauen; für euch, Mitglieder der Säkularinstitute und anderer Formen des geweihten Lebens. Die nächste Ordentliche Vollversammlung der Bischofssynode wird dem Wort Gottes im Leben der Kirche gewidmet sein: Ich bitte euch, liebe Brüder und Schwestern, euren Beitrag zu dieser kirchlichen Aufgabe zu leisten, indem ihr davon Zeugnis gebt, wie wichtig es ist, in den Mittelpunkt von allem das Wort Gottes zu stellen; das gilt besonders für alle, die der Herr so wie euch in seine engste Nachfolge beruft. Das geweihte Leben ist nämlich im Evangelium verwurzelt; es hat sich die Jahrhunderte hindurch immer an ihm als seiner obersten Regel inspiriert und ist gerufen, ständig zu ihm zurückzukehren, um lebendig und fruchtbar zu bleiben, indem es Frucht bringt für das Heil der Seelen.

Am Anfang der verschiedenen Ausdrucksformen des geweihten Lebens steht immer eine starke Eingebung durch das Evangelium. Ich denke an den heiligen Mönchsvater Antonius, der sich bewegen ließ, als er die Worte Christi hörte: »Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf deinen Besitz und gib das Geld den Armen; so wirst du einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach« (Mt 19,21) (vgl. Vita Antonii, 2,4). Antonius hat diese Worte so gehört, als hätte der Herr sie persönlich an ihn gerichtet. Der hl. Franz von Assisi seinerseits versichert, Gott habe ihm offenbart, daß er nach Art und Weise des Evangeliums leben sollte (Testamento, 17: FF 116). Tommaso da Celano schreibt: »Als Franziskus hörte, daß die Jünger Christi weder Gold noch Silber noch Geld besitzen sollen, keine Vorratstasche, kein Brot, keinen Wanderstab, kein zweites Hemd mit auf den Weg nehmen sollen…, da rief er, vom Heiligen Geist erfaßt, jubelnd aus: Das mit ganzem Herzen zu tun – das ist mein Wille, mein Verlangen, meine Sehnsucht!« (Celano, 83: FF 670, 672).

»Es war der Heilige Geist« – erinnert die Instruktion Neubeginn in Christus –, »der die Gründer und Gründerinnen das Wort Gottes in einem neuen Licht sehen ließ. Diesem Wort entspringt jedes Charisma, und jede Ordensregel will sein Ausdruck sein« (Nr. 24). Und tatsächlich regt der Heilige Geist einige Menschen dazu an, das Evangelium auf radikale Weise zu leben und es in einem Stil besonders großherziger Nachfolge umzusetzen. So entsteht daraus ein Werk, eine Ordensfamilie, die eben durch ihre Präsenz dann ihrerseits zur lebendigen »Exegese« des Wortes Gottes wird. Die ständige Aufeinanderfolge der Charismen des geweihten Lebens kann also, wie das II. Vatikanische Konzil sagt, verstanden werden als ein Sich-Entfalten Christi im Laufe der Jahrhunderte, als ein lebendiges Evangelium, das sich in immer neuen Formen aktualisiert (vgl. Konstitution Lumen gentium, 46). In den Werken der Gründerinnen und Gründer spiegelt sich ein Geheimnis Christi, ein Wort von ihm wider, bricht sich ein Strahl des Lichts, das von seinem Antlitz ausstrahlt, die Herrlichkeit des Vaters (vgl. Nachsynodales Apostolisches Schreiben Vita consecrata, 16).

Die kompromißlose Nachfolge Christi, wie sie im Evangelium nahegelegt wird, war daher jahrhundertelang die letzte und oberste Norm des Ordenslebens (vgl. Perfectae caritatis, 2). Der hl. Benedikt verweist in seiner Ordensregel auf die Heilige Schrift als »verläßliche Wegweisung für das menschliche Leben« (Regula, Nr. 73,2–5). Der hl. Dominikus »erwies sich überall, in den Worten wie in den Werken, als ein Mann des Evangeliums« (Libellus, 104: in P. Lippini, San Domenico visto dai suoi contemporanei, Ed. Studio Dom., Bologna, 1982, S. 110) und wollte, daß auch seine Predigerbrüder »Männer des Evangeliums« wären (Erste Konstitutionen oder Consuetudines, 31). Die hl. Klara von Assisi greift voll und ganz die Erfahrung des hl. Franziskus auf, wenn sie schreibt: »Dies ist die Lebensform der armen Schwestern: Befolgung des Heiligen Evangeliums unseres Herrn Jesus Christus« (Regel, I,1–2: FF 2750). Der hl. Vinzenz Pallotti bestimmt: »Die Grundregel unserer sehr kleinen Kongregation ist das Leben unseres Herrn Jesus Christus, das möglichst vollkommen nachgeahmt werden soll« (vgl. Opere complete, II, 541–546; VIII, 63,67, 253,254,466). Und der hl. Luigi Orione schreibt: »Unsere erste Regel und unser Leben soll sein, das Heilige Evangelium in großer Demut und inniger, glühender Gottesliebe zu befolgen« (Lettere di Don Orione, Rom 1969, Bd. II, 278).

Diese so reiche Tradition zeugt davon, daß das geweihte Leben »tief im Beispiel und in der Lehre Christi, des Herrn, verwurzelt ist« (Vita consecrata, 1) und »wie ein Baum mit vielen Zweigen erscheint, dessen Wurzeln tief in das Evangelium hineinreichen, und der in jeder Epoche der Kirche üppige Früchte hervorbringt« (ebd., Nr. 5). Ihre Aufgabe ist es, daran zu erinnern, daß alle Christen vom Wort zusammengerufen werden, um vom Wort zu leben und unter seiner Herrschaft zu bleiben. Es ist daher die besondere Aufgabe der Ordensmänner und Ordensfrauen, »in den Getauften das Bewußtsein für die wesentlichen Werte des Evangeliums lebendig zu erhalten« (ebd., Nr. 33). Dadurch verleiht ihr Zeugnis der Kirche »einen wertvollen Impuls zu einer immer konsequenteren Verwirklichung des Evangeliums« (ebd., Nr. 3), ja, wir könnten sagen, es ist eine »beredte, wenn auch oft schweigende Verkündigung des Evangeliums« (ebd., Nr. 25). Deshalb habe ich es in meinen beiden Enzykliken sowie bei anderen Gelegenheiten nicht versäumt, auf das Beispiel von Heiligen und Seligen hinzuweisen, die Instituten des geweihten Lebens angehören.

Liebe Brüder und Schwestern, bereichert euren Tag durch Gebet, Meditation und Hören des Gotteswortes. Ihr, die ihr mit der altehrwürdigen Praxis der »lectio divina« vertraut seid, sollt auch den Gläubigen helfen, diese in ihrem Alltagsleben aufzuwerten. Und ihr sollt dazu fähig sein, alles, was das Wort empfiehlt, in Zeugnis umzusetzen, indem ihr euch von diesem Wort – das wie der Same, der auf guten Boden fiel, reiche Frucht bringt – formen laßt. So werdet ihr immer für den Geist offen sein und in der Verbundenheit mit Gott wachsen; ihr werdet die brüderliche Gemeinschaft unter euch pflegen und werdet bereit sein, den Brüdern, vor allem jenen, die sich in Not befinden, hochherzig zu dienen. Mögen die Menschen eure guten Werke, Frucht des Wortes Gottes, das in euch lebt, sehen können und euren Vater im Himmel preisen (vgl. Mt 5,16)! Indem ich euch diese Gedanken anvertraue, danke ich euch für den wertvollen Dienst, den ihr für die Kirche leistet. Während ich den Schutz Mariens und der heiligen und seligen Gründer eurer Institute herabrufe, erteile ich euch und euren Ordensfamilien von Herzen den Apostolischen Segen; ganz besonders denke ich dabei an die jungen Männer und Frauen in der Ausbildung und an eure Mitbrüder und Mitschwestern, die krank oder alt oder in Schwierigkeiten sind. Alle versichere ich eines Gedenkens in meinem Gebet.

 



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