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BRIEF VON BENEDIKT XVI.
AN DIE DELEGIERTEN UND TEILNEHMER
DER DRITTEN EUROPÄISCHEN ÖKUMENISCHEN VERSAMMLUNG

 

An Kardinal Péter Erdö,
Präsident des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE),
und an Pasteur Jean-Arnold de Clermont,
Präsident der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK)

Von Herzen grüße ich alle Delegierten und Teilnehmer der Dritten Europäischen Ökumenischen Versammlung in Sibiu, die sich mit dem für die Neuevangelisierung Europas wichtigen Thema beschäftigt: „Das Licht Christi scheint auf alle Menschen. Hoffnung auf Erneuerung und Einheit in Europa“, und die es sich zur Aufgabe gemacht hat, „in dem gekreuzigten und auferstandenen Christus wieder neues Licht zu erkennen für den Weg der Versöhnung zwischen den Christen in Europa“.

Ich grüße jeden von Ihnen, und durch Sie richte ich meinen Gruß an den Rat der Europäischen Bischofskonferenzen und die Konferenz Europäischer Kirchen. Es ist meine aufrichtige Hoffnung, daß diese wichtige Versammlung dazu beiträgt, auf dem ökumenischen Weg voranzuschreiten, um die volle, sichtbare Einheit aller Christen wiederzufinden. Dies ist eine pastorale Priorität, der ich seit Beginn meines Pontifikats große Aufmerksamkeit geschenkt habe. Die Sorge um die sichtbare Einheit aller Christen ist wesentlich, damit das Licht Christi allen Menschen leuchten kann.

Das Zweite Vatikanische Konzil hat, wie es mein verehrter Vorgänger Papst Johannes Paul II. zum Ausdruck brachte, „die katholische Kirche unumkehrbar dazu verpflichtet, den Weg der Suche nach der Ökumene einzuschlagen und damit auf den Geist des Herrn zu hören, der uns lehrt, aufmerksam die ‚Zeichen der Zeit’ zu lesen“ (Ut unum sint, 3). „An Christus glauben heißt, die Einheit wollen; die Einheit wollen, heißt, die Kirche wollen“ (ebd., 9). In diesem Bewußtsein wird die katholische Kirche stets voll Zuversicht auf dem Weg der Einheit und der Gemeinschaft unter den Christen voranschreiten, der zwar schwierig, aber reich an Freude ist (vgl. ebd., 2).

Wie viele „Zeichen der Zeit“ haben uns in den vergangenen Jahrzehnten und bei den vorangegangenen ökumenischen europäischen Versammlungen in Basel (1989) und Graz (1997) bis hin zur Unterzeichnung der Charta Oecumenica in Straßburg (2001) auf diesem Weg ermutigt und unterstützt! Auch die zahlreichen ökumenischen Begegnungen und Feiern zusammen mit dem geduldigen theologischen Dialog auf lokaler und internationaler Ebene haben ermutigende Zeichen gesetzt und uns „die Kirche als Geheimnis der Einheit wieder mehr bewußt gemacht“ (Novo millenio ineunte, 48). Wirklicher Dialog entsteht erst, wo nicht nur das Wort, sondern wo auch Hören ist, und wo im Hören sich Begegnung, in der Begegnung Beziehung und in der Beziehung Verstehen als Vertiefung und Verwandlung unseres Christseins vollzieht. So betrifft der Dialog nicht bloß den Bereich des Wissens und dessen, was wir tun können. Er bringt vielmehr die glaubende Person, ja den Herrn in unserer Mitte selber zur Sprache.

Zwei Elemente müssen für unsere Bemühungen richtungweisend sein: der Dialog der Wahrheit und die Begegnung im Zeichen der Brüderlichkeit. Sie brauchen als Fundament den geistlichen Ökumenismus. Schon das Zweite Vatikanische Konzil formulierte: „Diese Bekehrung des Herzens und die Heiligkeit des Lebens sind zusammen mit den privaten und öffentlichen Bittgebeten für die Einheit der Christen als Seele der ganzen ökumenischen Bewegung zu erachten“ (Unitatis Redintegratio, 8). Das Gebet für die Einheit stellt den Königsweg zur Ökumene dar. Es leitet die Christen Europas zu einem neuen Blick auf Christus und die Einheit Seiner Kirche an. Zudem befähigt es dazu, sich schmerzhaften Erinnerungen, an denen es in der  europäischen Geschichte nicht fehlt, sowie sozialen Belastungen im Zeitalter des  heute weithin vorherrschenden Relativismus mutig zu stellen. In jedem Zeitalter waren Menschen des Gebetes, zu denen die zahlreichen Blutzeugen des Glaubens aller Konfessionen zählen, die hauptsächlichen Bauleute von Versöhnung und Einheit. Sie inspirierten die getrennten Christen, den Weg der Versöhnung und der Einheit zu suchen.

Wir Christen müssen uns unserer Aufgabe bewußt sein, Europa und der Welt die Stimme dessen zu geben, der gesagt hat: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben“ (Joh 8, 12). Es ist unsere Aufgabe, vor den Männern und Frauen von heute das Licht Christi leuchten zu lassen: nicht das eigene Licht, sondern das Licht Christi. Erbitten wir von Gott die Einheit und den Frieden für die Menschen in Europa und erklären wir unsere Bereitschaft, für eine wahre gesellschaftliche Entwicklung des Kontinents in Ost und West zusammenzuarbeiten. Beim Treffen in Sibiu werden gewiß wertvolle Erkenntnisse zur Weiterführung und Vertiefung der besonderen Berufung Europas gewonnen werden können, die dann helfen mögen, eine bessere Zukunft für seine Völker zu schaffen.

Ich wünsche der Dritten Europäischen Ökumenischen Versammlung in Sibiu, daß es ihr gelingt, Begegnungsräume der Einheit in legitimer Vielfalt zu schaffen. In einer Atmosphäre des gegenseitigen Vertrauens und des Bewußtseins, daß die gemeinsamen Wurzeln viel tiefer liegen als unsere Spaltungen, wird falsche Selbstgenügsamkeit aufgebrochen, Fremdheit überwunden und das gemeinsame Fundament des Glaubens geistlich erfahren. Europa braucht Orte der Begegnung und  geistgeführte Einheitserfahrungen im Glauben. Ich bitte Gott, mit seinem Geist Ihre Versammlung in Sibiu zu einem solchen Ort werden zu lassen.

Das Licht Christi erhelle den Weg des europäischen Kontinents! Der Herr segne Ihre Familien, Gemeinschaften, Kirchen und alle diejenigen, die sich in jeder Region Europas als Jünger Christi bekennen.

Aus Castel Gandolfo, am 20. August 2007

 

BENEDICTUS PP. XVI

 

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