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ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE MITGLIEDER DER SYNODE DER ARMENISCHEN PATRIACHATSKIRCHE VON KILIKIEN

Nebenraum der Audienzhalle
Mittwoch, 28. Februar 2024

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Eure Seligkeit,
liebe Brüder im Bischofsamt!

Herzlich willkommen! Es ist eine Freude, euch in Rom zu empfangen, beim Grab der Apostel Petrus und Paulus, gleich im Anschluss an den feierlichen Gedenktag des heiligen Kirchenlehrers Gregor von Narek.

Als Bischöfe, Nachfolger der Apostel, haben wir die Verantwortung, das heilige Gottesvolk zu Jesus, dem Herrn und Freund der Menschen, unserem guten Hirten, zu begleiten. Darum haben wir uns am Tag der Bischofsweihe verpflichtet, den Glauben zu bewahren, die Hoffnung zu stärken und die Liebe Christi zu verbreiten.

Liebe Brüder, eine der großen Verantwortungen der Synode besteht darin, eurer Kirche die Bischöfe von morgen zu geben. Ich bitte euch, sie mit Sorgfalt auszuwählen, damit sie der Herde zugewandt, der Seelsorge treu, nie karrieresüchtig sind. Sie dürfen nicht auf der Grundlage eigener Sympathien oder Neigungen ausgewählt werden, und man muss sehr achtgeben auf solche Männer, die »Geschäftssinn« oder »immer den Koffer in der Hand« haben und das Volk als Waisen zurücklassen. Ein Bischof, der seine Eparchie als Durchgangsort zu einer anderen, »renommierteren« betrachtet, vergisst, dass er mit der Kirche verheiratet ist und läuft Gefahr – gestattet mir den Ausdruck –, »pastoralen Ehebruch« zu begehen. Dasselbe geschieht, wenn man Zeit damit verliert, über neue Bestimmungsorte oder Beförderungen zu verhandeln: Bischöfe werden nicht auf dem Markt gekauft, Christus wählt sie aus als Nachfolger seiner Apostel und Hirten seiner Herde.

In einer Welt voll Einsamkeit und Distanz müssen alle, die uns anvertraut sind, von uns die Wärme des guten Hirten, unsere väterliche Fürsorge, die Schönheit der Geschwisterlichkeit, die Barmherzigkeit Gottes spüren. Die Kinder eures geliebten Volkes brauchen die Nähe ihrer Bischöfe. Ich weiß, dass sie in sehr großer Zahl in aller Welt verstreut sind und manchmal in sehr großen Gebieten, wo sie nur schwer besucht werden können. Aber die Kirche ist eine liebevolle Mutter und muss einfach nach allen möglichen Mitteln suchen, um sie zu erreichen, damit sie die Liebe Gottes in ihrer eigenen kirchlichen Tradition empfangen. Und es ist nicht so sehr eine Frage der Strukturen, die nur Hilfsmittel zur Verbreitung des Evangeliums sind; es ist vor allem eine Frage der Hirtenliebe, es geht darum, nach dem Wohl zu streben und es zu fördern, mit einem Blick und einer Offenheit, die dem Evangelium entsprechen. Ich denke auch an die wesentliche Notwendigkeit einer noch engeren Zusammenarbeit mit der Armenischen Apostolischen Kirche.

Liebe Brüder, in dieser heiligen Fastenzeit sind wir aufgerufen, auf das Kreuz zu blicken und auf Christus zu bauen, der die Wunden mit Vergebung und Liebe heilt. Wir sind angehalten, für alle Fürsprache zu halten, mit Herzens- und Geistesgröße. Wie der heilige Gregor von Narek, der so betete: Herr, »gedenke […] jener, die im Menschengeschlecht unsere Feinde sind, aber zu ihrem Wohl: Bringe in ihnen Vergebung und Barmherzigkeit hervor«. Und weiter schrieb er mit beeindruckender prophetischer Aktualität: »Vernichte jene nicht, die mich verletzen: Verwandle sie! Rotte das lasterhafte irdische Verhalten aus und pflanze das gute Verhalten in mir und in ihnen ein« (Buch der Klagen , LXXXIII).

Ihr, Brüder, tragt zusammen mit den Priestern, den Diakonen, den geweihten Frauen und Männern sowie mit allen Gläubigen eurer Kirche eine große Verantwortung. Der heilige Gregor der Erleuchter brachte das Licht Christi zum armenischen Volk, und es war das erste Volk, das es als solches in der Geschichte empfangen hat. Ihr seid also Zeugen und sozusagen »Erstgeborene« dieses Lichtes, ihr seid eine Morgendämmerung, die dazu berufen ist, die christliche Prophezeiung in einer Welt auszustrahlen, die oft die Dunkelheit des Hasses, der Spaltung, der Gewalt, der Rache vorzieht. Gewiss – so könntet ihr mir sagen – ist unsere Kirche zahlenmäßig nicht groß. Aber denken wir daran, dass Gott gerne Wunder vollbringt mit denen, die klein sind. Und in diesem Sinne darf bitte nicht die Sorge gegenüber den Kleinen und den Armen vernachlässigt werden, indem man ihnen das Vorbild eines Lebens nach dem Evangelium zeigt, weit entfernt von der Pracht der Reichtümer und von der Anmaßung der Macht; indem man die Flüchtlinge aufnimmt und die Brüder und Schwestern, Söhne und Töchter  in der Diaspora unterstützt.

Ich möchte noch einen weiteren Aspekt mit euch teilen, den ich als vorrangig wahrnehme: viel beten, auch um jene innere Ordnung zu bewahren, die es gestattet, in Eintracht zu wirken, indem man die Prioritäten des Evangeliums erkennt, die dem Herrn am Herzen liegen. Wie es in dem alten lateinischen Spruch heißt: »Bewahre die Ordnung, und die Ordnung wird dich bewahren.« Eure Synoden sollen daher gut vorbereitet sein, die Probleme mit Sorgfalt untersucht und mit Weisheit erwogen werden; die Lösungen, immer nur für das Wohl der Seelen, sollen mit Klugheit, Konsequenz und Sachkenntnis angewandt und überprüft werden, indem man vor allem volle Transparenz gewährleistet, auch im wirtschaftlichen Bereich. Die Gesetze müssen nicht aus Formalismus gekannt und angewandt werden, sondern weil sie Hilfsmittel einer Ekklesiologie sind, die es auch denen, die keine Macht haben, gestattet, sich mit vollen kodifizierten Rechten an die Kirche zu wenden, unter Vermeidung der Willkür des Stärkeren.

Noch einen Gedanken möchte ich euch mitteilen und anvertrauen, im Zusammenhang mit der Berufungspastoral. In einer säkularisierten Welt müssen die Seminaristen und jene, die im Ordensleben ausgebildet werden, heute mehr denn je in einem echten christlichen Leben verwurzelt sein, weit entfernt von jeglichem »Hoheitsgefühl«. So brauchen auch die Priester, insbesondere die jungen Priester, die Nähe der Hirten, die die brüderliche Gemeinschaft unter ihnen fördern, damit sie angesichts der Mühen nicht entmutigt und Tag für Tag immer fügsamer werden gegenüber der Kreativität des Heiligen Geistes, um dem Gottesvolk zu dienen mit der Freude der Nächstenliebe, nicht mit der Starrheit und unfruchtbaren Eintönigkeit der Bürokraten. In allem Hoffnung: Auch wenn die Ernte groß und die Arbeiter stets wenige sind, zählen wir auf den Herrn, der Wunder vollbringt in allen, die auf ihn vertrauen.

Eure Seligkeit, liebe Brüder, wie sollte man nicht abschließend mit den Worten, vor allem aber mit dem Gebet Armenien erwähnen, insbesondere all jene, die aus Bergkarabach fliehen, die zahlreichen vertriebenen Familien, die Zuflucht suchen! Viele Kriege, viel Leiden. Der Erste Weltkrieg sollte der letzte sein, und die Staaten haben sich im Völkerbund zusammengeschlossen, dem »Vorgänger« der Vereinten Nationen, in der Meinung, dass dies genüge, um das Geschenk des Friedens zu bewahren. Wie viele Konflikte und Massaker, die immer tragisch und immer nutzlos sind, hat es dennoch seitdem gegeben. Oftmals habe ich gefleht: »Genug!« Lassen wir alle den Schrei nach Frieden erklingen, auf dass er die Herzen berühre, auch jene, die gefühllos sind gegenüber dem Leiden der Armen und Einfachen. Und beten wir vor allem. Ich tue es für euch und für Armenien; und bitte denkt ihr an mich!

Ich danke euch für eure Anwesenheit und für euren Dienst. Bevor ich euch den Segen  erteile, möchte ich ein Gebet sprechen,  dem anzuschließen  ich euch einlade, ein Gebet des heiligen Nerses des Begnadigten, in Erwartung, ihn, so Gott will, mit den Geschwistern der Armenischen Apostolischen Kirche feiern zu können: »Du, der du Sorge trägst für Alle, habe Barmherzigkeit mit allen Treuen, mit meinen Anverwandten, mit Fremden, mit meinen Bekannten oder Unbekannten, mit den Lebenden und mit den Toten. Vergib meinen Feinden, was sie gegen mich gesündigt haben; bringe sie wieder zur Besserung von dem Bösen, und von dem Hasse, den sie gegen mich tragen, damit sie würdig werden mögen der Gnade deiner Barmherzigkeit. Und erbarme dich über deine Werke und über mich armen Sünder« (Ich bekenne mit dem Glauben , XXIII). Danke.



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