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JOHANNES PAUL II.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 24. November 2004

 

Lesung: Kol 1,3.12.15–17.

3 Wir danken Gott, dem Vater Jesu Christi, unseres Herrn, jedesmal, wenn wir für euch beten.
12 Dankt dem Vater mit Freude! Er hat euch fähig gemacht, Anteil zu haben am Los der Heiligen, die im Licht sind.
15 Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung.
16 Denn in ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare, Throne und Herrschaften, Mächte und Gewalten; alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen.
17 Er ist vor aller Schöpfung, in ihm hat alles Bestand.

1. Soeben ist der großartige Christushymnus erklungen, mit dem der Brief an die Kolosser beginnt. In ihm steht die glorreiche Gestalt Christi, Herz der Liturgie und Mitte des ganzen kirchlichen Lebens, im Vordergrund. Der Horizont des Hymnus öffnet sich jedoch sehr bald auf die Schöpfung und Erlösung, indem er jedes Geschöpf und die ganze Geschichte einbezieht.

In diesem Hymnus wird der Atem des Glaubens und Betens der frühen Christengemeinde spürbar, und der Apostel fängt ihre Stimme und ihr Zeugnis ein, drückt aber dem Hymnus sein eigenes Siegel auf.

2. Nach einer Einführung, in der Gott, dem Vater, für die Erlösung gedankt wird (vgl. V. 12–14), folgt der in zwei Strophen untergliederte Hymnus, den die Liturgie der Vesper jede Woche anbietet. Die erste Strophe preist Christus als »Erstgeborenen der ganzen Schöpfung«, das heißt gezeugt vor allen Geschöpfen, und bekräftigt so seine Ewigkeit, die Raum und Zeit übersteigt (vgl. V. 15–18a). Er ist das »Ebenbild«, die sichtbare »Ikone« Gottes, der in seinem Geheimnis unsichtbar bleibt. Das hat Mose erfahren, als er in seinem tiefen Wunsch, einen Blick auf die persönliche Wirklichkeit Gottes zu werfen, die Antwort erhielt: »Du kannst mein Angesicht nicht sehen; denn kein Mensch kann mich sehen und am Leben bleiben« (Ex 33,20; vgl. auch Joh 14,8–9).

Das Antlitz des Vaters, des Schöpfers der Welt, wird hingegen in Christus zugänglich, dem Urheber der geschaffenen Wirklichkeit: »Denn in ihm wurde alles erschaffen … in ihm hat alles Bestand« (Kol 1,16–17). Christus ist also den geschaffenen Wirklichkeiten einerseits überlegen, aber anderseits auch in ihre Schöpfung einbezogen. Darum kann er von uns als »Ebenbild des unsichtbaren Gottes« gesehen werden, der uns durch den Schöpfungsakt nahegekommen ist.

3. Der Lobpreis zur Ehre Christi wird in der zweiten Strophe (vgl. V. 18b–20) mit Blick auf einen anderen Horizont fortgesetzt: dem des Heils, der Erlösung, der Wiedergeburt der von Ihm geschaffenen Menschheit, die aber gesündigt hatte und in den Tod gestürzt war.

Jetzt bewirkt die »Fülle« der Gnade und des Heiligen Geistes, die der Vater in den Sohn gelegt hat, daß er uns durch seinen Tod und seine Auferstehung ein neues Leben schenken kann (vgl. V. 19–20).

4. Er wird deshalb als »der Erstgeborene der Toten« (1,18b) gefeiert. Durch seine göttliche »Fülle«, aber auch durch sein am Kreuz vergossenes Blut »versöhnt« er alle himmlischen und irdischen Wirklichkeiten und »stiftet Frieden«. Er versetzt sie wieder in ihre ursprüngliche Lage, indem er die ursprüngliche Harmonie wiederherstellt, die Gott entsprechend seinem Plan der Liebe und des Lebens gewollt hat. Schöpfung und Erlösung sind deshalb als Etappen ein und desselben Heilsplans miteinander verbunden.

5. Wie gewohnt geben wir jetzt der Meditation der großen Glaubenslehrer, der Kirchenväter, Raum. Einer von ihnen wird uns beim Nachdenken über das von Christus in seinem Opferblut vollbrachte Heilswerk führen.

In dem ihm zugeschriebenen Kommentar zu den Briefen des Apostel Paulus schreibt Johannes von Damaskus, als er unseren Hymnus kommentiert, wie folgt: »Der hl. Paulus spricht von ›Erlösung durch sein Blut‹ (vgl. Eph 1,7). In der Tat wird als Lösegeld das Blut des Herrn gegeben, der die Gefangenen vom Tod zum Leben führt. Für diejenigen, die dem Reich des Todes unterworfen waren, war es einfach nicht möglich, auf eine andere Weise gerettet zu werden als durch den, der mit uns den Tod geteilt hat … An dem Vorgang seines Kommens haben wir das Wesen Gottes erkannt, das vor seinem Kommen war. Denn es ist Werk Gottes, daß der Tod ausgelöscht, das Leben zurückgegeben und die Welt zu Gott zurückgeführt wurden. Deshalb sagt er: ›Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes‹ (Kol 1,15), um offenbar zu machen, daß er Gott ist, auch wenn er nicht der Vater, sondern das Ebenbild des Vaters ist und mit ihm die gleiche Identität hat, obwohl er nicht der Vater ist« (I libri della Bibbia interpretati dalla grande tradizione, Bologna 2000, Ss. 18.23).

Johannes von Damaskus schließt dann mit einem Überblick über das Heilswerk Christi: »Der Tod Christi hat den Menschen erlöst und erneuert; und er hat die Engel zur ursprünglichen Freude zurückgeführt auf Grund der Erlösten, und er hat die niedrigeren mit den höheren Wirklichkeiten verbunden … Denn er schloß Frieden und beseitigte die Feindschaft. Deshalb sangen die Engel: ›Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden‹« (ebd., S. 37).


Im Mittelpunkt des Lebens und der Liturgie der Kirche steht Jesus Christus. Der Christushymnus des Kolosserbriefes gibt Zeugnis vom Glauben der ersten Christen und von ihrem Beten zum Herrn Jesus: Er ist der Erstgeborene der ganzen Schöpfung und derer, die von den Toten auferstehen (vgl. Kol 1, 15.18).

Mit der Fülle seiner Gottheit und durch sein am Kreuz vergossenes Blut hat Christus alles im Himmel und auf Erden versöhnt und Frieden gestiftet. So stellt er die ursprüngliche Ordnung wieder her, wie Gott sie in seinem Plan der Liebe und des Lebens gewollt hat.

***

Herzlich grüße ich die deutschsprachigen Pilger und Besucher. Jesus Christus ist die Mitte und das Ziel unseres Lebens. Denn „in ihm hat alles Bestand" (Kol 1, 17). Übereignet dem Herrn euer ganzes Leben! Sein Friede sei immer mit euch.

 



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