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ANSPRACHE VON PAPST JOHANNES PAUL II.
AN DIE MITGLIEDER DES VERBANDS
KATHOLISCHER JURISTEN ITALIENS

7. Dezember 1979

 

Sehr geehrte Herren und geliebte Söhne!

1. Mit Hochachtung und Liebe begrüße ich Ihre Vereinigung, die in diesen Tagen ihren 30. Nationalen Studienkongreß abhält, und zwar über ein sehr aktuelles Thema: "Die soziale Dimension zwischen Öffentlichkeit und Privatbereich." 

Ich möchte vor allem meiner großen Freude Ausdruck geben über die willkommene Gelegenheit, die mir Ihr Besuch bietet, Kontakt aufzunehmen mit Ihrer sehr verdienten Vereinigung und meine Wertschätzung für den Einsatz zu bezeugen, den sie mit der Forderung einer vertieften Erforschung der Probleme der heutigen Welt im Lichte christlicher Grundsätze leistet.

Eine Berufsvereinigung, die sich katholisch nennt, ist vor allem und in bevorzugter Weise ein Ort, an dem sich die Laien bewußt werden, lebendiger Teil der Kirche zu sein, und daraus die verpflichtenden Konsequenzen ziehen, indem sie die verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen, ihren besonderen Berufsbereich christlich zu beleben. 

Das setzt natürlich die vorherige Untersuchung der nach und nach auftretenden Probleme voraus, die aufmerksame Analyse ihrer Komponenten, den Versuch einer Synthese, die nach Möglichkeit jeden in ihnen enthaltenen Wahrheitsaspekt einschließen sollte. Aus einem derartigen mit intellektueller Strenge und Redlichkeit geführten Bemühen werden sich ernsthafte, wohlüberlegte Vorschläge ergeben, die eine ausgewogene Lösung für die auf dem Spiel stehenden menschlichen Forderungen bieten.

2. Das ist es, was Sie sich lobenswerterweise auf diesem Kongreß für das besonders komplexe Problem der Beziehungen zwischen Öffentlichkeit und Privatbereich vorgenommen haben. Das gewählte Thema ist aktueller denn je. Bei genauem Zusehen stellt jenes Problem der Beziehungen zwischen Öffentlichkeit und Privatbereich einen kritischen Punkt in der Erfahrung der heutigen Menschheit dar, die in manchen Ländern auf Rechtsordnungen trifft, in welchen der öffentliche Bereich bis zu dem Grad vorherrschend ist, daß er nahezu der Aufhebung des Privatbereichs  gleichkommt, während sie in anderen Ländern hingegen innerhalb von Rechtssystemen leben und  handeln muß, die selbst grundlegende Forderungen und Interessen der Gemeinschaft dem Privaten und den Interessen des einzelnen unterordnen.

Leider ist es immer, im einen wie im anderen Ansatz, der Mensch, der in seiner privaten oder in seiner sozialen Dimension geopfert wird, wenn die gesetzgebende Gewalt als Mittel der Beherrschung des einzelnen oder der Gemeinschaft statt als Mittel der Gerechtigkeit eingesetzt wird.

Es ist daher dringend notwendig, auf bestimmte einseitige und entstellende Meinungsäußerungen zu reagieren und der bedenklichen Erscheinung der Enteignung des Privatbereiches durch die Öffentlichkeit einerseits und der Veruntreuung des öffentlichen Bereiches von privater Seite anderseits mutig Einhalt zu gebieten.

3. Das Kriterium, mit dessen Hilfe man sich in dem komplexen Problemkreis zurechtfinden kann, ist grundsätzlich nur das eine: die Achtung der menschlichen Person. Das hat das II. Vatikanische Konzil feierlich bestätigt, als es an Hand der bisherigen unveränderlichen Tradition versicherte, daß "Wurzelgrund, Träger und Ziel aller gesellschaftlichen Institutionen die menschliche Person ist und sein muß" (Gaudium et spes, Nr. 25).

Die Person nämlich "bezeichnet das, was das Vollkommenste in der ganzen Natur ist" (A. Th., I, q. 29, a. 3), wie es in der eindrucksvollen Formulierung des hl. Thomas heißt, die die nachfolgende Lehre immer wieder ausgelotet hat. Der Verstand, mit dem der Mensch ausgestattet ist, stellt ihn über alle Geschöpfe der sichtbaren Welt und begründet seine besondere Würde, indem er ihn zu einem Wesen macht, "das von Natur aus frei ist und durch sich selbst existiert" (S. Th., II-II, q. 64 ad 3). Aus dieser höheren Würde leitet sich auch die Folgerung ab, nach welcher die Gemeinschaft und ihre Ordnung Recht daran tun, den Menschen zu achten, wie der Doctor Angelicus präzise dargelegt hat: "Der Mensch ist weder sich selbst nach noch seinen Sachen nach der politischen Gemeinschaft untergeordnet" (S. Th., I-Ii, q. 21, a. 4 ad 3).

Das hebt jedoch nicht auf, daß der Mensch zu seiner vollen Selbstverwirklichung des Beitrags der Gemeinschaft bedarf, sei es, weil er nur in der Begegnung mit den anderen sich ganz entfalten kann, sei es, weil es ihm außerhalb eines entsprechenden Sozialgefüges, eines Gefüges, das man mit dem Begriff „Gemeinwohl" zu bezeichnen pflegt, nicht möglich wäre, die Fähigkeiten, die er in sich trägt, zu entfalten und zum Reifen zu bringen. Von daher ist sein Sein demzufolge der Gemeinschaft zugeordnet (vgl. S. Th., II-II, q. 47, a. 10).

Die Person also ordnet das Gemeinwohl, da die Gesellschaft ihrerseits der Person und ihrem Wohl zugeordnet ist, während beide dem höchsten Ziel, das Gott ist, untergeordnet sind. Durch Zurückgehen auf diese obersten Prinzipien kann man das Licht finden, das notwendig ist, um die Beziehungen zwischen privatem und öffentlichem Bereich richtig anzusetzen und eventuell sich ergebende Gegensätze zu überwinden.

4. Wenn die menschliche Gemeinschaft eine so tiefgreifende Krise durchläuft, daß grundlegende Werte gefährdet sind, auf denen man in der Vergangenheit mit großer Mühe ein gesellschaftliches Zusammenleben aufzubauen versucht hat, dann hat man das dem zuzuschreiben, daß in Brauch und Gesetzgebung die Würde der menschlichen Person und die daraus in logischer Weise entspringenden unverzichtbaren Forderungen verdunkelt und verschleiert wurden.

Es zeigt sich somit als höchst bedeutsam, daß die Katholiken und unter ihnen besonders jene, die, wie Sie, ihre Aktivität auf dem heiklen Sektor des Rechts entfalten zutiefst die Verpflichtung empfinden, ihren eigenen Beitrag zur Bestätigung und zum Schutz der Würde der Person zu leisten, die in dem ganzen vielgestaltigen Reichtum ihrer geistigen und körperlichen Existenz gesehen wird. Dem Menschen dienen und nicht einer Ideologie das muß die richtungweisende Norm für das Handeln der einzelnen wie des Staates sein. 

5. Ich bin sicher, daß sich Ihr Einsatz in dieser Richtung bewegt, und indem ich Ihnen zu allem, was Sie in den vergangenen Jahren geleistet haben, gratuliere, spreche ich den Wunsch aus, daß die Arbeiten Ihres Kongresses in der schwierigen Thematik, die zur Untersuchung steht, weise und klärende Antworten bieten mögen, Antworten, die imstande sind, die Erwartungen aufrichtiger und um das wahre Wohl der Nation bemühter Menschen zu befriedigen.

Während ich auf Sie und auf Ihr Bemühen den Beistand des Allmächtigen herabrufe, vertraue ich mein Gebet der Fürsprache derer an, die im ursprünglichen Glanz ihrer Unbefleckten Empfängnis zu feiern wir uns gerade vorbereiten. Ich bitte sie, Ihnen bei dem gemeinsamen überlegen dieser Tage Führerin zu sein und Sie dann bei der Erfüllung Ihrer jeweiligen Aufgaben in entsprechender Übereinstimmung mit den christlichen Werten, zu denen Sie sich bekannt haben, zu unterstützen.

Mit diesen Wünschen erteile ich Ihnen, die Sie hier anwesend sind, und allen, die Sie vertreten, von Herzen den Apostolischen Segen als Unterpfand meines Wohlwollens und als Zeichen reicher himmlischer Gnaden.

 

 

© Copyright 1979 - Libreria Editrice Vaticana




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