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EUCHARISTIEFEIER AM FEST DER DARSTELLUNG DES HERRN -
TAG DES GEWEIHTEN LEBENS

PREDIGT VON PAPST BENEDIKT XVI.

 Petersdom
Samstag, 2. Februar 2013

 

Liebe Brüder und Schwestern!

Der hl. Lukas unterstreicht in seiner Erzählung von der Kindheit Jesu, daß Maria und Josef dem Gesetz des Herrn treu waren. Mit großer Frömmigkeit erfüllen sie all das, was nach der Geburt eines männlichen Erstgeborenen vorgeschrieben ist. Es handelt sich um zwei sehr alte Vorschriften: eine davon betrifft die Mutter, die andere das neugeborene Kind. Für die Frau ist vorgeschrieben, daß sie sich 40 Tage der rituellen Praktiken enthalten und danach ein zweifaches Opfer darbringen soll: ein Lamm als Brandopfer und eine junge Taube oder Turteltaube als Sündopfer; wenn die Frau aber arm ist, dann braucht sie nur zwei Turteltauben oder zwei junge Tauben zu opfern (vgl. Lev 12,1–8). Der hl. Lukas erläutert, daß Maria und Josef das Opfer der Armen darbrachten (vgl. 2,24), um zu unterstreichen, daß Jesus in einer Familie einfacher, armer, aber sehr gläubiger Menschen geboren wurde: eine Familie, die zu jenen Armen Israels zählt, die das wahre Volk Gottes bilden. Für die männliche Erstgeburt, die nach dem Gesetz des Mose Eigentum Gottes ist, war dagegen eine Auslösung vorgeschrieben, deren Preis auf fünf Schekel festgelegt war, die einem Priester an jedem beliebigen Ort gezahlt werden konnten. Dies geschah zu ewigem Gedenken der Tatsache, daß Gott in der Zeit des Exodus die Erstgeborenen der Juden verschont hatte (vgl. Ex 13,11–16).

Es ist wichtig festzustellen, daß es für diese beiden Akte – die Reinigung der Mutter und die Auslösung des Sohnes – nicht notwendig war, sich in den Tempel zu begeben. Maria und Josef dagegen wollen alles in Jerusalem erfüllen, und der hl. Lukas zeigt, wie die ganze Szene auf den Tempel zuläuft und sich damit auf Jesus ausrichtet, der den Tempel betritt. Und damit wird gerade durch die Gesetzesvorschriften das Hauptereignis ein anderes, nämlich die »Darstellung« Jesu im Tempel Gottes, die bedeutet, daß der Sohn des Höchsten dem Vater, der ihn gesandt hat (vgl. Lk 1,32.35), übergeben wird.

Diese Erzählung des Evangelisten findet eine Entsprechung im Wort des Propheten Maleachi, das wir zu Beginn der ersten Lesung gehört haben: »Seht, ich sende meinen Boten; er soll den Weg für mich bahnen. Dann kommt plötzlich zu seinem Tempel der Herr, den ihr sucht, und der Bote des Bundes, den ihr herbeiwünscht. Seht, er kommt! … Er reinigt die Söhne Levis … Dann werden sie dem Herrn die richtigen Opfer darbringen « (3,1.3). Offensichtlich ist hier nicht von einem Kind die Rede, und dennoch findet dieses Wort seine Erfüllung in Jesus, denn dank des Glaubens seiner Eltern wurde er »sofort, plötzlich « in den Tempel gebracht; und im Akt seiner »Darbringung« oder seines persönlichen »Opfers« an Gottvater klingt wie im Abschnitt aus dem Propheten deutlich das Thema des Opfers und des Priestertums an. Das Jesuskind, das sofort im Tempel dargebracht wird, ist derselbe, der als Erwachsener den Tempel reinigen (vgl. Joh 2,13 – 22; Mk 11,15,19 parr.) und vor allem selbst zum Opfer und Hohenpriester des Neuen Bundes werden wird.

Das ist auch die Perspektive des Hebräerbriefs, aus dem in der zweiten Lesung ein Abschnitt verkündet wurde, mit dem das Thema des neuen Priestertums unterstrichen wird: eines Priestertums – des von Jesus begründeten Priestertums –, das grundlegend ist: »Denn da er selbst in Versuchung geführt wurde und gelitten hat, kann er denen helfen, die in Versuchung geführt werden « (Hebr 2,18). Und so stoßen wir auch auf das Thema des Leidens, das im Evangeliumsabschnitt stark hervortritt, wo Simeon sein prophetisches Wort über das Kind und die Mutter ausspricht: »Dieser ist dazu bestimmt, daß in Israel viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird. … Dir selbst aber, [Maria], wird ein Schwert durch die Seele dringen« (Lk 2,34–35). Das »Heil«, das Jesus seinem Volk bringt und das er selbst verkörpert, geht über das Kreuz, über den gewaltsamen Tod, den er durch das Opfer des Lebens aus Liebe besiegen und verwandeln wird. Dieses Opfer ist in der Geste der Darstellung im Tempel bereits ganz angekündigt, eine Geste, die sicherlich von den Traditionen des Alten Bundes veranlaßt ist, die aber innerlich beseelt ist von der Fülle des Glaubens und der Liebe, die der Fülle der Zeit entspricht, der Gegenwart Gottes und seines Heiligen Geistes in Jesus. Der Geist schwebt in der Tat über der gesamten Szene der Darstellung im Tempel, insbesondere über der Gestalt Simeons, aber auch Hannas. Er ist der »Paraklet«, der den »Trost Israels« bringt und die Schritte und Herzen derer bewegt, die ihn erwarten. Es ist der Geist, der die prophetischen Worte von Simeon und Hanna anregt, Worte des Segens, des Lobes an Gott, des Glaubens an seinen Gesalbten, des Dankes, weil unsere Augen endlich »sein Heil« sehen und in die Arme nehmen können (vgl. 2,30).

»Ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel« (2,32): So beschreibt Simeon den Messias des Herrn am Ende seines Lobgesangs. Das Thema des Lichtes, das das erste und zweite Lied vom Gottesknecht im Deuterojesaja (vgl. Jes 42,6; 49,6) anklingen läßt, ist in dieser Liturgiefeier stark präsent. Sie hat begonnen mit einer eindrücklichen Prozession, an der die Generaloberen und Generaloberinnen der hier vertretenen Institute des geweihten Lebens mit brennenden Kerzen teilgenommen haben. Dieses für die liturgische Tradition des Festes charakteristische Zeichen ist sehr ausdrucksstark. Es verdeutlicht die Schönheit und den Wert des geweihten Lebens als Widerschein des Lichtes Christi; ein Zeichen, das auf den Einzug Marias in den Tempel verweist: die Jungfrau Maria, die Gottgeweihte par excellence, trug das Licht selbst auf den Armen, das fleischgewordene Wort, das gekommen ist, um mit der Liebe Gottes die Finsternis aus der Welt zu vertreiben.

Liebe gottgeweihte Brüder und Schwestern, ihr alle seid vertreten in dieser symbolischen Pilgerschaft, die im Jahr des Glaubens noch mehr Ausdruck ist für euer Zusammenkommen in der Kirche, um im Glauben gestärkt zu werden und eure Hingabe an Gott zu erneuern. An jeden von euch und eure Institute richte ich voller Zuneigung meinen ganz herzlichen Gruß und danke euch für eure Anwesenheit. Im Licht Christi wirkt ihr mit den zahlreichen Charismen des kontemplativen und apostolischen Lebens am Leben und an der Sendung der Kirche in der Welt mit. In diesem Geist der Dankbarkeit und der Gemeinschaft möchte ich drei Aufforderungen an euch richten, damit ihr ganz durch jene »Tür des Glaubens« eintreten könnt, die uns immer offen steht (vgl. Apostolisches Schreiben Porta fidei, 1).

Zuerst lade ich euch ein, einen Glauben zu nähren, der in der Lage ist, eure Berufung zu erhellen. Deshalb lade ich euch ein, gleichsam in einer inneren Pilgerschaft der ersten Liebe zu gedenken, mit der der Herr Jesus Christus euer Herz erwärmt hat, nicht aus Nostalgie, sondern um diese Flamme zu nähren. Und dafür ist es notwendig, bei ihm zu sein in der Stille der Anbetung und so den Willen und die Freude wieder zu erwecken, sein Leben zu teilen, seine Entscheidungen, den Glaubensgehorsam, die Seligkeit der Armen, die Radikalität der Liebe. Immer neu von dieser Begegnung der Liebe ausgehend, verlaßt ihr alles, um bei ihm zu sein und euch wie er in den Dienst Gottes und den Dienst der Brüder und Schwestern zu stellen (vgl. Nachsynodales Apostolisches Schreiben Vita consecrata, 1).

Zweitens lade ich euch zu einem Glauben ein, der die Weisheit der Schwäche zu erkennen weiß. Zweifelt in den Freuden und Kümmernissen unserer Zeit, wenn die Härte und das Gewicht des Kreuzes spürbar werden, nicht daran, daß die Kenosis Christi bereits der österliche Sieg ist. Gerade mit den menschlichen Grenzen und Schwächen sind wir gerufen, die Gleichgestaltung mit Christus zu leben, in einer allumfassenden Spannung, die im in der Zeit möglichen Maß die eschatologische Vollkommenheit vorwegnimmt (ebd., 16). In den von Leistung und Erfolg bestimmten Gesellschaften wird euer Leben – gekennzeichnet von der »Unterlegenheit« und Schwäche der Kleinen und vom Einfühlungsvermögen mit denen, die keine Stimme haben – zu einem evangeliumsgemäßen Zeichen des Widerspruchs.

Schließlich lade ich euch ein, den Glauben zu erneuern, der euch Pilger auf dem Weg in die Zukunft sein läßt. Seinem Wesen nach ist das geweihte Leben eine Pilgerschaft des Geistes auf der Suche nach einem Antlitz, das sich manchmal offenbart und manchmal verhüllt: »Faciem tuam, Domine, requiram« (Ps 27,8). Dies soll die beständige Sehnsucht eures Herzens sein, das Grundkriterium, das euren Weg leitet, sowohl in den täglichen kleinen Schritten als auch in den wichtigeren Entscheidungen. Schließt euch nicht den Unheilpropheten an, die das Ende oder die Sinnlosigkeit des geweihten Lebens in der Kirche unserer Tage verkünden; bekleidet euch vielmehr mit Jesus Christus und legt die Waffen des Lichts an, wie der hl. Paulus mahnt (vgl. Röm 13,11–14), indem ihr wach bleibt und wachsam seid. Der hl. Chromatius von Aquileia schreibt: »Der Herr möge diese Gefahr von uns abwenden, damit wir uns nie vom Schlaf der Untreue beschweren lassen; sondern er gewähre uns seine Gnade und Barmherzigkeit, damit wir immer in der Treue zu ihm wachen können. Denn unsere Treue kann in Christus wachen« (Sermone 32,4).

Liebe Brüder und Schwestern, die Freude des geweihten Lebens geht notwendigerweise über die Teilhabe am Kreuz Christi. So war es für die allerseligste Jungfrau Maria. Ihr Leiden ist das Leiden des Herzens, das ganz eins wird mit dem aus Liebe durchbohrten Herzen des Gottessohnes. Aus jener Wunde strömt das Licht Gottes, und auch aus den Leiden, Opfern, der Selbsthingabe, die die geweihten Personen aus Liebe zu Gott und zu den anderen leben, strömt dasselbe Licht, das den Völkern das Evangelium verkündet. An diesem Fest wünsche ich insbesondere euch, den Gottgeweihten, daß euer Leben immer den Geschmack der evangeliumsgemäßen Parrhesia haben möge, damit die frohe Botschaft durch euch gelebt, bezeugt, verkündet werde und als Wort der Wahrheit erstrahle (vgl. Apostolisches Schreiben Porta fidei, 6). Amen.

 

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