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KARFREITAG
»LEIDEN UND STERBEN UNSERES HERRN«
KREUZWEG
COLOSSEUM
ROM,
18. APRIL 2025
[Multimedia]
Einführung
Der Kreuzweg führt mitten durch die Straßen unseres Alltags. Wir, Herr, gehen
für gewöhnlich in die entgegengesetzte Richtung zu der deinen. Gerade so kann es
uns passieren, dass wir dein Angesicht sehen, dass wir deinen Blick kreuzen. Wir
gehen unsere gewohnten Wege und du kommst auf uns zu. Deine Augen sehen in
unsere Herzen. Dann zögern wir so weiterzugehen, als ob nichts geschehen wäre.
Wir können uns umdrehen, dich ansehen, dir folgen. Wir können uns in deinen Weg
hineinversetzen und erahnen, dass es besser ist, die Richtung zu ändern.
Aus dem Evangelium nach Markus (10,21)
Da sah ihn Jesus an, gewann ihn lieb und sagte: »Eines fehlt dir noch: Geh,
verkaufe, was du hast, gib es den Armen und du wirst einen Schatz im Himmel
haben; dann komm und folge mir nach!«
Jesus ist dein Name, und wahrlich, »Gott rettet« durch dich. Der Gott Abrahams,
der ruft, der Gott Isaaks, der fürsorglich ist, der Gott Jakobs, der segnet, der
Gott Israels, der befreit: in deinem Blick, Herr, der du durch Jerusalem gehst,
liegt eine ganze Offenbarung. In deinen Schritten, die aus der Stadt
hinausgehen, sehen wir unseren Aufbruch in ein neues Land. Du bist gekommen, um
die Welt zu verändern: Das bedeutet für uns, die Richtung zu ändern, das Gute zu
sehen, das du hinterlassen hast, und die Erinnerung an deinen Blick in unseren
Herzen weiterwirken zu lassen.
Die Via Crucis ist das Gebet derer, die in Bewegung sind. Sie unterbricht
unsere gewohnten Pfade, damit wir von der Müdigkeit zur Freude gelangen. Es ist
wahr, dass der Weg Jesu uns einiges kostet: In dieser Welt, in der alles
berechnet wird, hat die Freigebigkeit einen hohen Preis. Doch in der Hingabe
erblüht alles neu: Eine in Parteiungen gespaltene und von Konflikten zerrissene
Stadt nähert sich der Versöhnung; eine verdorrte Religiosität entdeckt wieder
die Fruchtbarkeit der Verheißungen Gottes; selbst ein Herz aus Stein kann sich
in ein Herz aus Fleisch verwandeln. Wir brauchen bloß auf die Einladung zu
hören, »Komm und folge mir nach!«, und jenem liebevollen Blick vertrauen.
I. Station
Jesus wird zum Tode verurteilt
Aus dem Evangelium nach Lukas (23,13-17)
Pilatus rief die Hohepriester und die anderen führenden Männer und das Volk
zusammen und sagte zu ihnen: »Ihr habt mir diesen Menschen hergebracht und
behauptet, er wiegle das Volk auf. Und siehe, ich selbst habe ihn in eurer
Gegenwart verhört und habe an diesem Menschen die Schuld, wegen der ihr ihn
anklagt, nicht gefunden, auch Herodes nicht, denn er hat ihn zu uns
zurückgeschickt. Ihr seht also: Er hat nichts getan, worauf die Todesstrafe
steht. Daher will ich ihn auspeitschen lassen und dann freilassen.«
So ist es nicht gekommen. Er hat dich nicht freigelassen. Und doch hätte es auch
anders gehen können. Das ist das dramatische Spiel unserer Freiheit. Das, wofür
du, Herr, uns so sehr geschätzt hast. Du hast Herodes und Pilatus, Freunden und
Feinden vertraut. Du bist unerschütterlich in dem Vertrauen, mit dem du dich in
unsere Hände gibst. Daraus können Wunder entstehen: wenn wir zu Unrecht
Angeklagte befreien, wenn wir die Vielschichtigkeit von Situationen ergründen,
wenn wir uns Urteilen widersetzen, die töten. Selbst Herodes hätte der heiligen
Unruhe folgen können, die ihn zu dir hinzog: Er tat es nicht, nicht einmal, als
er schließlich vor dir stand. Pilatus hätte dich freilassen können: Er hatte
dich bereits freigesprochen. Er tat es nicht. Der Kreuzweg, Jesus, ist eine
Möglichkeit, die wir schon zu oft verworfen haben. Dazu bekennen wir uns, wir,
die wir gefangen sind in den Rollen, die wir nicht ablegen wollten, weil uns die
Unannehmlichkeiten eines Richtungswechsels Sorgen bereiteten. Du stehst
weiterhin still vor uns: in jeder Schwester und jedem Bruder, die Urteilen und
Vorurteilen ausgesetzt sind. Immer wieder gibt es religiöse Argumente,
juristische Spitzfindigkeiten, einen scheinbar gesunden Menschenverstand, der
sich vom Schicksal anderer nicht berühren lässt: Tausend Gründe ziehen uns auf
die Seite von Herodes, den Priestern, Pilatus und der Volksmenge. Und doch kann
es auch anders gehen. Jesus, du wäschst dir die Hände nicht rein. Du liebst
weiter, im Stillen. Du hast Deine Entscheidung getroffen und jetzt sind wir an
der Reihe.
Lasst uns beten: Öffne mein Herz, Jesus
Wenn eine verurteilte Person vor mir steht. |
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Öffne mein Herz, Jesus |
Wenn meine Gewissheiten Vorurteile sind. |
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Öffne mein Herz, Jesus |
Wenn Starrheit mein Leben bestimmt. |
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Öffne mein Herz, Jesus |
Wenn mich das Gute heimlich anzieht. |
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Öffne mein Herz, Jesus |
Wenn ich gern mutig wäre, aber Angst habe, etwas zu verlieren. |
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Öffne mein Herz, Jesus |
II. Station
Jesus nimmt das Kreuz auf seine Schultern
Aus dem Evangelium nach Lukas (9,43b-45)
Und alle waren außer sich vor Staunen über die Größe Gottes. Alle Leute staunten
über das, was Jesus tat; er aber sagte zu seinen Jüngern: »Behaltet diese Worte
in euren Ohren: Der Menschensohn wird nämlich in die Hände von Menschen
ausgeliefert werden.« Doch die Jünger verstanden den Sinn seiner Worte nicht; er
blieb ihnen verborgen, sodass sie ihn nicht begriffen. Aber sie scheuten sich,
Jesus zu fragen, was er damit sagen wollte.
Seit Monaten, vielleicht seit Jahren, lag diese Last auf deinen Schultern,
Jesus. Wenn du davon sprachst, hat niemand auf dich gehört: ein unüberwindbarer
Widerstand, der sich nur erahnen lässt. Du hast das Kreuz nicht gesucht, aber du
hast gespürt, wie es immer deutlicher auf dich zukam. Du hast es angenommen,
aber nur, weil du nicht bloß die Last, sondern auch die Verantwortung gespürt
hast. Dein Kreuzweg, Jesus, führt nicht nur bergauf. Auf ihm steigtst du herab
zu denen, die du geliebt hast, in die Welt, die Gott liebt. Er ist eine Antwort,
Übernahme von Verantwortung. Er kostet etwas, so wie die wahrhaftigsten
Bindungen und schönsten Liebesbeziehungen etwas kosten. Die Last, die du trägst,
erzählt von dem Atem, der dich bewegt, von jenem Geist, „der Herr ist und
lebendig macht“. Wer weiß, warum wir geradezu Angst haben, dich hierzu zu
befragen. In Wirklichkeit sind wir es, die einen kurzen Atem haben, weil wir
ständig der Verantwortung ausweichen. Es würde genügen, nicht wegzulaufen und zu
bleiben: bei denen, die du uns gegeben hast; in dem Umfeld, in das du uns
hineingestellt hast. Uns zu binden und dabei zu spüren, dass wir nur so
aufhören, Gefangene unserer selbst zu sein. Der Egoismus ist belastender als das
Kreuz. Die Gleichgültigkeit ist belastender als das Miteinander-Teilen. Der
Prophet hatte es verkündet: Die Jungen werden müde und matt, junge Männer
stolpern und stürzen. Die aber auf den Herrn hoffen, empfangen neue Kraft, wie
Adlern wachsen ihnen Flügel. Sie laufen und werden nicht müde, sie gehen und
werden nicht matt (Jes 40,30-31).
Lasst uns beten: Befreie uns von der Müdigkeit, Herr!
Wenn wir in unseren Sorgen um uns selbst kreisen. |
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Befreie uns von der Müdigkeit, Herr! |
Wenn wir meinen, wir hätten keine Kraft, uns um andere zu kümmern. |
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Befreie uns von der Müdigkeit, Herr! |
Wenn wir nach Ausreden suchen, um uns unserer Verantwortung zu entziehen. |
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Befreie uns von der Müdigkeit, Herr! |
Wenn wir Talente und Fähigkeiten haben, die wir einbringen können. |
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Befreie uns von der Müdigkeit, Herr! |
Wenn sich unser Herz von Ungerechtigkeit noch erschüttern lässt. |
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Befreie uns von der Müdigkeit, Herr! |
III. Station
Jesus fällt zum ersten Mal unter dem Kreuz
Aus dem Evangelium nach Lukas (10,13-15)
»Weh dir, Chorazin! Weh dir, Betsaida! Denn wenn in Tyrus und Sidon die
Machttaten geschehen wären, die bei euch geschehen sind – längst schon wären sie
in Sack und Asche umgekehrt. Doch Tyrus und Sidon wird es beim Gericht
erträglicher ergehen als euch. Und du, Kafarnaum, wirst du etwa bis zum Himmel
erhoben werden? Bis zur Unterwelt wirst du hinabsteigen!«
Es war wie ein erster Tiefpunkt und du, Jesus, hast harsche Worte für jene Orte
gefunden, die dir so teuer waren. Die Saat deines Wortes schien ins Leere
gefallen zu sein, ebenso wie jede deiner befreienden Gesten. Jeder Prophet hat
das niederschmetternde Gefühl der Erfolglosigkeit erfahren, um dann wieder auf
den Wegen Gottes weiterzugehen. Dein Leben, Jesus, ist ein Gleichnis: Du fällst
nie vergebens in unseren Boden. Sogar bei jenem ersten Mal wurde die
Enttäuschung schon bald unterbrochen von der Freude der Deinen, die du
ausgesandt hattest: Sie kehrten von ihrer Mission zu dir zurück und berichteten
dir von den Zeichen des Reiches Gottes. Da hast du in spontaner,
überschwänglicher Freude gejubelt, deren ansteckende Energie uns mitreißt. Du
hast den Vater gepriesen, der den Gelehrten und Klugen seine Pläne verbirgt, um
sie den Unmündigen zu offenbaren. Auch der Kreuzweg ist tief in die Erde
eingezeichnet: Die Mächtigen kommen ihr nicht nahe, sie würden gern den Himmel
berühren. Doch der Himmel ist hier, er ist herabgekommen, man begegnet ihm sogar
im Fallen, wenn man auf dem Boden bleibt. Die Erbauer von Babel sagen uns, dass
man nichts falsch machen darf und dass diejenigen, die fallen, verloren sind.
Das ist die Baustelleder Hölle. Die Ökonomie Gottes hingegen tötet nicht, sie
sondert niemanden aus, erdrückt nicht. Sie ist demütig, der Erde treu. Dein Weg,
Jesus, ist der Weg der Seligpreisungen. Er zerstört nicht, sondern pflegt,
schützt und bewahrt.
Lasst uns beten: Dein Reich komme
Für diejenigen, die sich als Versager fühlen. |
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Dein Reich komme |
Gegen eine Wirtschaft, die tötet. |
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Dein Reich komme |
Um denen, die gefallen sind, wieder Kraft zu geben. |
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Dein Reich komme |
In den Wettbewerbsgesellschaften und bei denen, die nach den ersten Plätzen
streben. |
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Dein Reich komme |
In denen, die an den Ländergrenzen lagern und sich am Ende ihres Weges wähnen. |
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Dein Reich komme |
IV. Station
Jesus begegnet seiner Mutter
Aus dem Evangelium nach Lukas (8,19-21)
Es kamen aber seine Mutter und seine Brüder zu ihm; sie konnten jedoch wegen der
vielen Leute nicht zu ihm gelangen. Da sagte man ihm: »Deine Mutter und deine
Brüder stehen draußen und möchten dich sehen.« Er erwiderte ihnen: »Meine Mutter
und meine Brüder sind die, die das Wort Gottes hören und tun.«
Deine Mutter ist da, am Kreuzweg: Sie war deine erste Jüngerin. Deine Mutter ist
da mit sanfter Entschlossenheit, mit ihrem Verstand, der alles im Herzen bewahrt
und bedenkt. Von dem Moment an, als sie nach ihrer Bereitschaft gefragt wurde,
dich in ihrem Schoß aufzunehmen, wandte sie sich dir zu, kehrte sie sich dir zu.
Sie hat ihre Wege nach den deinen ausgerichtet. Es war kein Verzicht, sondern
eine fortwährende Entdeckung, bis hin zu Golgota: Dir zu folgen bedeutet, dich
gehen zu lassen; dich bei sich zu haben, bedeutet, Platz für das Neue zu
schaffen, das du schenkst. Jede Mutter weiß das: Ein Kind überrascht. Geliebter
Sohn, du erkennst diejenigen als deine Mutter und deine Geschwister an, die
zuhören und sich verändern lassen. Sie reden nicht, sondern handeln. Bei Gott
sind Worte Taten, Verheißungen sind Wirklichkeit: Auf dem Kreuzweg, o Mutter,
gehörst du zu den wenigen, die sich daran erinnern. Jetzt ist es der Sohn, der
dich braucht: Er spürt, dass du nicht verzweifelst. Er spürt, dass du weiterhin
in deinem Schoß das ewige Wort hervorbringst. Auch wir können dir, Jesus, nur
folgen, weil wir Nachkommen derer sind, die dir gefolgt sind. Auch wir werden
neu zur Welt gebracht durch den Glauben deiner Mutter und der zahllosen Zeugen,
die selbst dort fruchtbar sind, wo alles vom Tod gezeichnet ist. Damals in
Galiläa waren sie es, die dich sehen wollten. Nun, da du den Kalvarienberg
hinaufsteigst, suchst du deinerseits den Blick derer, die hören und danach
handeln. Unsagbares Einvernehmen. Unauflöslicher Bund.
Lasst uns beten: Siehe, meine Mutter
Maria hört zu und spricht. |
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Siehe, meine Mutter |
Maria fragt und sinnt nach. |
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Siehe, meine Mutter |
Maria verlässt das Haus und bricht entschlossen auf. |
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Siehe, meine Mutter |
Maria jubelt und tröstet. |
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Siehe, meine Mutter |
Maria nimmt auf und umsorgt. |
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Siehe, meine Mutter |
Maria wagt und beschützt. |
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Siehe, meine Mutter |
Maria fürchtet keine Urteile und Unterstellungen. |
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Siehe, meine Mutter |
Maria wartet und bleibt. |
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Siehe, meine Mutter |
Maria orientiert und begleitet. |
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Siehe, meine Mutter |
Maria gibt dem Tod keinen Raum. |
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Siehe, meine Mutter |
V. Station
Simon von Kyrene hilft Jesus das Kreuz tragen
Aus dem Evangelium nach Lukas (23,26)
Als sie Jesus hinausführten, ergriffen sie Simon, einen Mann aus Kyrene, der
gerade vom Feld kam. Ihm luden sie das Kreuz auf, damit er es hinter Jesus
hertrage.
Er bot sich nicht selbst an, sie hielten ihn dazu an. Simon war auf dem Rückweg
von seiner Arbeit und sie luden ihm das Kreuz eines Verurteilten auf. Er hatte
wohl einen passenden Körperbau, aber gewiss war sein Ziel ein anderes, seine
Pläne waren andere. Gott kann man auf diese Weise begegnen. Wer weiß warum,
Jesus, aber dieser Name – Simon von Kyrene – wurde unter deinen Jüngern bald
unvergesslich. Auf dem Kreuzweg waren sie nicht dabei und wir auch nicht, aber
Simon schon. Das gilt bis heute: Während einer alles gibt, kann man woanders
sein, sogar auf der Flucht, oder man kann in die Angelegenheit hineinverwickelt
werden. Wir glauben, Jesus, dass wir uns an den Namen von Simon erinnern, weil
dieses unerwartete Ereignis ihn für immer verändert hat. Er hörte nicht mehr
auf, an dich zu denken. Er wurde zu einem Teil deines Leibes, ein direkter Zeuge
davon, wie sehr du dich von jedem anderen Verurteilten unterscheidest. Simon von
Kyrene musste dein Kreuz tragen, ohne darum gebeten zu haben, wie das Joch, von
dem du einst gesprochen hast: »Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist
leicht« (Mt 11,30). Auch die Tiere arbeiten besser, wenn sie sich
gemeinsam vorwärtsbewegen. Und du, Jesus, liebst es, uns in dein Wirken mit
einzubeziehen, das den Erdboden lockert, damit neu eingesät werden kann. Wir
brauchen diese erstaunliche Leichtigkeit. Wir brauchen jemanden, der uns
bisweilen anhält und uns ein Stück Wirklichkeit auf die Schultern lädt, das
schlicht und einfach getragen werden muss. Man kann den ganzen Tag lang
arbeiten, doch ohne dich ist es vergebens. Umsonst mühen sich die Bauleute,
vergeblich wacht der Hüter der Stadt, wenn nicht Gott sie erbaut (vgl. Ps
127). So entsteht auf dem Kreuzweg das neue Jerusalem. Und wir schlagen, wie
Simon von Kyrene, einen neuen Weg ein und arbeiten mit dir zusammen.
Lasst uns beten: Halte unser Eilen auf, Herr
Wenn wir unseren eigenen Weg gehen, ohne jemandem ins Gesicht zu sehen. |
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Halte unser Eilen auf, Herr |
Wenn uns die Nachrichten nicht berühren. |
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Halte unser Eilen auf, Herr |
Wenn Personen zu Zahlen werden. |
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Halte unser Eilen auf, Herr |
Wenn wir nie Zeit haben, zuzuhören. |
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Halte unser Eilen auf, Herr |
Wenn wir es eilig haben, zu entscheiden.
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Halte unser Eilen auf, Herr |
Wenn Planänderungen nicht zulässig sind. |
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Halte unser Eilen auf, Herr |
VI. Station
Veronika reicht Jesus das Schweißtuch
Aus dem Evangelium nach Lukas (9,29-31)
Und während er betete, veränderte sich das Aussehen seines Gesichtes und sein
Gewand wurde leuchtend weiß. Und siehe, es redeten zwei Männer mit ihm. Es waren
Mose und Elija; sie erschienen in Herrlichkeit und sprachen von seinem Ende, das
er in Jerusalem erfüllen sollte.
Aus dem Buch der Psalmen (27,8-9a)
Mein Herz denkt an dich: »Suchet mein Angesicht!«
Dein Angesicht, Herr, will ich suchen. Verbirg nicht dein Angesicht vor mir.
In deinem Angesicht, Jesus, sehen wir dein Herz. Wir sehen die Entschlossenheit
in deinen Augen, sie zeichnet dein Gesicht, sie verleiht deinen Zügen einen
Ausdruck von unverwechselbarer Aufmerksamkeit. Du nimmst Veronika wahr, so wie
du mich wahrnimmst. Ich suche dein Angesicht, das von deiner Entschlossenheit
zeugt, uns bis zum letzten Atemzug zu lieben: Und sogar darüber hinaus, denn
»stark wie der Tod ist die Liebe« (Hld 8,6). Das, was unsere Herzen
verändert, ist dein Angesicht, das ich gern betrachten und bewahren möchte. Du
schenkst dich uns, Tag für Tag, im Antlitz eines jeden Menschen, das ein
lebendiges Andenken an deine Menschwerdung ist. Denn jedes Mal, wenn wir uns den
Geringsten zuwenden, widmen wir den Gliedern deines Leibes Aufmerksamkeit und du
bleibst bei uns. So erhellst du unser Herz und unseren Blick. Statt abzuweisen,
nehmen wir nun auf. Auf dem Kreuzweg kann unser Angesicht endlich strahlend
werden wie das deine und Segen verbreiten. Du hast uns die Erinnerung daran
eingeprägt, eine Vorahnung deiner Wiederkunft, wenn du uns auf den ersten Blick
erkennen wirst, jeden einzelnen. Vielleicht werden wir dir dann ähnlich sein.
Und wir werden eintreten in einen unaufhörlichen Dialog von Angesicht zu
Angesicht, in einer Vertrautheit, derer wir als Familie Gottes nie müde werden.
Lasst uns beten: Präge deine Erinnerung in uns ein, Jesus
Wenn unser Gesicht ausdruckslos ist. |
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Präge deine Erinnerung in uns ein, Jesus |
Wenn unser Herz unbeteiligt ist. |
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Präge deine Erinnerung in uns ein, Jesus |
Wenn unsere Taten spalten. |
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Präge deine Erinnerung in uns ein, Jesus |
Wenn unsere Entscheidungen verletzen. |
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Präge deine Erinnerung in uns ein, Jesus |
Wenn unsere Pläne andere ausschließen.
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Präge deine Erinnerung in uns ein, Jesus |
VII. Station
Jesus fällt zum zweiten Mal unter dem Kreuz
Aus dem Evangelium nach Lukas (15,2-6)
Die Pharisäer und die Schriftgelehrten empörten sich darüber und sagten: »Dieser
nimmt Sünder auf und isst mit ihnen.« Da erzählte er ihnen dieses Gleichnis und
sagte: »Wenn einer von euch hundert Schafe hat und eins davon verliert, lässt er
dann nicht die neunundneunzig in der Wüste zurück und geht dem verlorenen nach,
bis er es findet? Und wenn er es gefunden hat, nimmt er es voll Freude auf die
Schultern, und wenn er nach Hause kommt, ruft er die Freunde und Nachbarn
zusammen und sagt zu ihnen: „Freut euch mit mir, denn ich habe mein Schaf
wiedergefunden, das verloren war!“«.
Hinfallen und aufstehen; hinfallen und erneut aufstehen. So hast du, Jesus, uns
gelehrt, das Abenteuer des menschlichen Lebens zu verstehen. Es ist menschlich,
weil es offen ist. Maschinen dürfen keine Fehler machen: Wir erwarten, dass sie
perfekt funktionieren. Menschen hingegen zögern, lassen sich ablenken, verirren
sich. Doch sie kennen auch die Freude: des Neubeginns, der Neugeburt. Menschen
entstehen nicht mechanisch – sie sind wie „handgemacht“: Wir sind Unikate, ein
Flechtwerk von Gnade und Verantwortung. Jesus, du bist einer von uns geworden;
du hattest keine Angst zu stolpern und zu fallen. Wem das peinlich ist, wer sich
mit Unfehlbarkeit brüstet, wer seine Stürze verheimlicht und die Stürze anderer
nicht verzeiht, der verleugnet den Weg, den du gewählt hast. Du, Jesus, bist der
Herr der Freude. Durch dich werden wir alle wiedergefunden und nach Hause
zurückgebracht, wie das eine Schaf, das sich verirrt hatte. Unmenschlich ist
eine Wirtschaft, in der neunundneunzig mehr wert sind als einer. Und doch haben
wir eine Welt errichtet, die so funktioniert: eine Welt der Berechnungen und
Algorithmen, kalter Logik und unerbittlichen Interessen. Das Gesetz deines
Hauses, der göttlichen Ökonomie, ist anders, Herr. Sich dir zuzuwenden, der du
fällst und wieder aufstehst, bedeutet eine Kursänderung, einen Tempowechsel –
eine Kehrtwende, die wieder Freude schenkt und uns nach Hause bringt.
Lasst uns beten: Richte uns wieder auf, Gott, unser Heil
Wir sind Kinder, die manchmal weinen. |
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Richte uns wieder auf, Gott unser Heil |
Wir sind Jugendliche, die sich unsicher fühlen.
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Richte uns wieder auf, Gott unser Heil |
Wir sind junge Menschen, die von zu vielen Erwachsenen verachtet werden. |
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Richte uns wieder auf, Gott unser Heil |
Wir sind Erwachsene, die Fehler gemacht haben. |
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Richte uns wieder auf, Gott unser Heil |
Wir sind alte Menschen, die noch träumen wollen. |
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Richte uns wieder auf, Gott unser Heil |
VIII. Station
Jesus begegnet den Frauen von Jerusalem
Aus dem Evangelium nach Lukas (23,27-31)
Es folgte ihm eine große Menge des Volkes, darunter auch Frauen, die um ihn
klagten und weinten. Jesus wandte sich zu ihnen um und sagte: Töchter
Jerusalems, weint nicht über mich; weint vielmehr über euch und eure Kinder!
Denn siehe, es kommen Tage, da wird man sagen: Selig die Frauen, die unfruchtbar
sind, die nicht geboren und nicht gestillt haben. Dann wird man zu den Bergen
sagen: Fallt auf uns! und zu den Hügeln: Deckt uns zu! Denn wenn das mit dem
grünen Holz geschieht, was wird dann erst mit dem dürren werden?
In den Frauen hast du, Jesus, schon immer eine besondere Übereinstimmung mit dem
Herzen Gottes erkannt. Deshalb hast du in der großen Menschenmenge, die an jenem
Tag ihre Richtung änderte und dir folgte, sofort die Frauen erblickt und wieder
einmal ein besonderes Einvernehmen mit ihnen hergestellt. Die Stadt ist anders,
wenn man ihre Bewohner im Schoß trägt, wenn man ihre Kinder stillt: Wenn man
also nicht das Register der Herrschaft kennt, sondern die Dinge von innen heraus
erlebt. Den Frauen, die pflichtgemäß das Klageritual vollziehen, rührst du das
Herz an. Im Herzen nämlich verbinden sich die Ereignisse und dort entstehen
Gedanken und Entscheidungen. »Weint nicht über mich.« Das Herz Gottes schlägt
für sein Volk, es lässt eine neue Stadt entstehen: »Weint vielmehr über euch und
über eure Kinder«. Es gibt nämlich ein Weinen, durch das alles neu ersteht. Es
braucht jedoch Tränen des Bedauerns, für die man sich nicht schämen muss,
Tränen, die man nicht für sich behält. Unser verletztes Zusammenleben in dieser
zerrissenen Welt, o Herr, braucht aufrichtige Tränen, keine der Höflichkeit
geschuldeten. Andernfalls wird wahr, was die Apokalyptiker vorausgesagt haben:
Wir bringen nichts mehr hervor und dann bricht alles zusammen. Der Glaube
hingegen versetzt Berge. Berge und Hügel fallen nicht auf uns herab, sondern
zwischen ihnen tut sich ein neuer Weg auf. Es ist dein Weg, Jesus: ein Weg
bergauf, auf dem dich die Apostel verlassen haben, aber deine Jüngerinnen –
Mütter der Kirche – sind dir gefolgt.
Lasst uns beten: Gib uns ein mütterliches Herz, Jesus
Du hast der Kirche in der Geschichte viele heilige Frauen geschenkt. |
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Gib uns ein mütterliches Herz, Jesus |
Du hast Überheblichkeit und Dominanz abgelehnt. |
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Gib uns ein mütterliches Herz, Jesus |
Du hast dich der Tränen der Mütter angenommen und sie getröstet. |
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Gib uns ein mütterliches Herz, Jesus |
Du hast den Frauen die Botschaft der Auferstehung anvertraut. |
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Gib uns ein mütterliches Herz, Jesus |
Du hast der Kirche neue Charismen und ein neues Einfühlungsvermögen geschenkt. |
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Gib uns ein mütterliches Herz, Jesus |
IX. Station
Jesus fällt zum dritten Mal
Aus dem Evangelium nach Lukas (7,44-49)
[Jesus] sagte zu Simon: Siehst du diese Frau? Als ich in dein Haus kam, hast du
mir kein Wasser für die Füße gegeben; sie aber hat meine Füße mit ihren Tränen
benetzt und sie mit ihren Haaren abgetrocknet. Du hast mir keinen Kuss gegeben;
sie aber hat, seit ich hier bin, unaufhörlich meine Füße geküsst. Du hast mir
nicht das Haupt mit Öl gesalbt; sie aber hat mit Balsam meine Füße gesalbt.
Deshalb sage ich dir: Ihr sind ihre vielen Sünden vergeben, weil sie viel
geliebt hat. Wem aber nur wenig vergeben wird, der liebt wenig. Dann sagte er zu
ihr: Deine Sünden sind dir vergeben. Da begannen die anderen Gäste bei sich
selbst zu sagen: Wer ist das, dass er sogar Sünden vergibt?
Nicht nur ein- oder zweimal, Jesus: Du fällst erneut. Schon als Kind bist du
hingefallen, wie jedes Kind. So hast du unser Menschsein verstanden und
angenommen. Wir fallen und wir fallen immer wieder. Wenn uns auch die Sünde von
dir entfernt, so bringt dich dein Ohne-Sünde-Sein jedem Sünder näher, es
verbindet dich unauflöslich mit seinem Fallen. Und dies bewegt zur Umkehr. Das
ist ein Skandal für diejenigen, die auf Abstand gehen zu ihren Mitmenschen und
zu sich selbst. Ein Skandal für diejenigen, die im Zwiespalt leben zwischen dem,
was sein sollte und dem, was wirklich ist. Angesichts deiner Barmherzigkeit,
Jesus, zerfällt jede Heuchelei. Masken und schöne Fassaden nützen nichts mehr.
Gott sieht das Herz. Er liebt das Herz. Er erwärmt das Herz. Und so richtest du
mich auf und lässt mich weitergehen auf noch nie begangenen, kühnen und
großherzigen Wegen. Wer bist du, Jesus, dass du sogar Sünden vergibst? Wieder
auf der Erde liegend, auf dem Kreuzweg, bist du der Retter dieser unserer Erde.
Wir bewohnen sie nicht nur, sondern wir sind aus ihr geformt. Am Boden liegend
formst du uns weiterhin, wie ein geschickter Töpfer.
Lasst uns beten: Wir sind Ton in deinen Händen
Wenn die Dinge scheinbar nicht zu ändern sind, erinnere uns daran: |
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Wir sind Ton in deinen Händen |
Wenn kein Ende der Konflikte in Sicht ist, erinnere uns daran: |
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Wir sind Ton in deinen Händen |
Wenn die Technik uns glauben macht, wir seien allmächtig, erinnere uns daran: |
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Wir sind Ton in deinen Händen |
Wenn Erfolge uns von der Erde „abheben“ lassen, erinnere uns daran: |
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Wir sind Ton in deinen Händen |
Wenn wir mehr auf den äußeren Schein bedacht sind als auf das Herz, erinnere uns
daran: |
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Wir sind Ton in deinen Händen |
X. Station
Jesus wird seiner Kleider beraubt
Aus dem Buch Ijob (1,20-22)
Da stand Ijob auf, zerriss sein Gewand, schor sich das Haupt, fiel auf die Erde,
betete und sprach: Nackt kam ich hervor aus dem Schoß meiner Mutter; nackt kehre
ich dahin zurück. Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen; gelobt sei der
Name des Herrn. Bei alldem sündigte Ijob nicht und gab Gott keinen Anstoß.
Du entkleidest dich nicht, du wirst entkleidet. Der Unterschied ist uns allen
klar, Jesus. Nur wer uns liebt, darf unsere Verletzlichkeit in seine Hände und
in seinem Blick nehmen. Wir fürchten hingegen die Augen derer, die uns nicht
kennen und die nur besitzen wollen. Du bist nackt und allen ausgeliefert, aber
du verwandelst selbst Demütigung in Vertrautheit. Du willst dich selbst denen,
die dich zerstören, als Vertrauter offenbaren, du betrachtest diejenigen, die
dich entkleiden, als geliebte Menschen, die dir der Vater gegeben hat. Hier ist
noch mehr Geduld und sogar noch mehr Glaube als bei Ijob. Du bist der Bräutigam,
der sich einnehmen und berühren lässt und alles zum Guten wendet. Du hinterlässt
uns deine Kleider als Reliquien einer vollendeten Liebe. Sie sind in unseren
Händen, weil du bei uns, weil du mit uns warst. Wir haben deine Kleider behalten
und werfen nun das Los um sie, doch das Los begünstigt hier nicht nur einen,
sondern alle. Du kennst jeden Einzelnen von uns, um alle, alle, alle zu retten.
Und wenn dir die Kirche heute wie ein zerrissenes Gewand erscheint, dann lehre
uns, das Gewebe unserer Geschwisterlichkeit, die auf deiner Gabe beruht, zu
erneuern. Wir sind dein Leib, dein unteilbares Gewand, deine Braut. Das sind wir
gemeinsam. Für uns ist die Messschnur auf liebliches Land gefallen, unser Erbe
ist herrlich (vgl. Ps 16,6).
Lasst uns beten: Schenke deiner Kirche Frieden und Einheit
Herr Jesus, du siehst deine Jünger gespalten. |
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Schenke deiner Kirche Frieden und Einheit |
Herr Jesus, der du die Wunden unserer Geschichte trägst. |
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Schenke deiner Kirche Frieden und Einheit |
Herr Jesus, der du die Zerbrechlichkeit unserer Liebe kennst. |
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Schenke deiner Kirche Frieden und Einheit |
Herr Jesus, der du willst, dass wir Glieder deines Leibes sind. |
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Schenke deiner Kirche Frieden und Einheit |
Herr Jesus, der du das Gewand der Barmherzigkeit trägst. |
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Schenke deiner Kirche Frieden und Einheit |
XI. Station
Jesus wird an das Kreuz genagelt
Aus dem Evangelium nach Lukas (23,32-34a)
Zusammen mit Jesus wurden auch zwei Verbrecher zur Hinrichtung geführt. Sie
kamen an den Ort, der Schädelhöhe heißt; dort kreuzigten sie ihn und die
Verbrecher, den einen rechts von ihm, den andern links. Jesus aber betete:
Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!
Nichts erschreckt uns mehr als Unbeweglichkeit. Und du bist angenagelt,
bewegungsunfähig, fixiert. Das bist du – jedoch zusammen mit anderen: nie
allein, du hast entschieden, dich auch am Kreuz als der Gott mit uns zu
offenbaren. Die Offenbarung bleibt nicht stehen, sie ist nicht festgenagelt. Du,
Jesus, zeigst uns, dass in jeder Situation eine Entscheidung zu treffen ist. Das
ist das Schwindelerregende an der Freiheit. Nicht einmal am Kreuz bist du
neutralisiert: Du entscheidest, für wen du dort bist. Du schenkst dem einen wie
dem anderen der mit dir Gekreuzigten deine Aufmerksamkeit: Du lässt die
Beleidigungen des einen an dir abgleiten und nimmst die Bitte des anderen an. Du
schenkst demjenigen Aufmerksamkeit, der dich kreuzigt und siehst in das Herz
desjenigen, der nicht weiß, was er tut. Deine Aufmerksamkeit gilt dem Himmel: Du
hättest ihn gerne heller, aber du durchbrichst den Bann der Dunkelheit mit dem
Licht der Fürsprache. Ja, während du angenagelt bist, legst du Fürsprache ein:
Du begibst dich zwischen die Parteien, zwischen die Gegensätze. Und du bringst
sie vor Gott, denn dein Kreuz lässt Mauern fallen, lässt Schulden nach, hebt
Urteile auf, schafft Versöhnung. Du bist das wahre Jubeljahr. Bekehr uns zu dir,
Jesus, der du, ans Kreuz genagelt, alles vermagst.
Lasst uns beten: Lehre uns lieben
Wenn wir Kraft haben und wenn wir meinen, keine mehr zu haben. |
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Lehre uns lieben |
Wenn wir durch ungerechte Gesetze oder Entscheidungen eingeschränkt werden. |
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Lehre uns lieben |
Wenn wir von denen angegangen werden, die keine Wahrheit und Gerechtigkeit
wollen. |
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Lehre uns lieben |
Wenn wir versucht sind, zu verzweifeln. |
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Lehre uns lieben |
Wenn wir sagen: „Da ist nichts mehr zu machen“. |
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Lehre uns lieben |
XII. Station
Jesus stirbt am Kreuz
Aus dem Evangelium nach Lukas (23,45-49)
Die Sonne verdunkelte sich. Der Vorhang im Tempel riss mitten entzwei. Und Jesus
rief mit lauter Stimme: Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist. Mit diesen
Worten hauchte er den Geist aus. Als der Hauptmann sah, was geschehen war, pries
er Gott und sagte: Wirklich, dieser Mensch war ein Gerechter. Und alle, die zu
diesem Schauspiel herbeigeströmt waren und sahen, was sich ereignet hatte,
schlugen sich an die Brust und gingen weg. Alle seine Bekannten aber standen in
einiger Entfernung, auch die Frauen, die ihm von Galiläa aus nachgefolgt waren
und die dies mit ansahen.
Wo sind wir auf Golgota? Unter dem Kreuz? Mit etwas Abstand? Weit weg? Oder
vielleicht sind wir wie die Apostel nicht mehr da. Du atmest, und dieser
Atemzug, der letzte und der erste, verlangt nur danach, angenommen zu werden.
Herr Jesus, führe uns hin zu deinem Geschenk. Lass nicht zu, dass dein
Lebensatem sich verflüchtigt. Unsere Dunkelheit sucht das Licht. Unsere Tempel
wollen endgültig offenbleiben. Jetzt ist der Heilige nicht mehr jenseits des
Schleiers verborgen: Sein Geheimnis ist allen offenbart. Dies wird von einem
Soldaten wahrgenommen, der aus der Nähe beobachtet, wie du stirbst, und eine
neue Art von Stärke erkennt. Dies begreift die Menschenmenge, die sich mit ihren
Schreien gegen dich gewandt hatte: zunächst war sie auf Distanz gegangen, nun
begegnet sie dem Schauspiel einer noch nie gesehenen Liebe, einer Schönheit, die
sie zum Umdenken bewegt. Denen, die dich sterben sehen, Herr, gibst du
Gelegenheit sich an die Brust zu schlagen und umzukehren, sich an das Herz zu
schlagen, damit seine Härte bricht. Jesus, gewähre uns, die wir dich oft noch
aus der Ferne beobachten, dass wir in unserem Leben stets deiner gedenken, damit
selbst der Tod uns eines Tages, wenn du kommen wirst, lebend antrifft.
Lasst uns beten: Komm, Heiliger Geist!
Wir haben uns von den Wunden des Herrn ferngehalten. |
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Komm, Heiliger Geist! |
Beim Anblick unserer darniederliegenden Brüder und Schwestern haben wir uns
abgewandt. |
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Komm, Heiliger Geist! |
Die Barmherzigen und die Armen im Geiste erscheinen als Verlierer. |
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Komm, Heiliger Geist! |
Gläubige und Ungläubige stehen vor dem Kreuz. |
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Komm, Heiliger Geist! |
Die ganze Welt sucht nach einem neuen Anfang. |
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Komm, Heiliger Geist! |
XIII. Station
Jesus wird vom Kreuz abgenommen
Aus dem Evangelium nach Lukas (23,50-53a)
Und siehe, da war ein Mann mit Namen Josef, ein Mitglied des Hohen Rats und ein
guter und gerechter Mensch. Dieser hatte ihrem Beschluss und Vorgehen nicht
zugestimmt. Er war aus Arimathäa, einer jüdischen Stadt, und wartete auf das
Reich Gottes. Er ging zu Pilatus und bat um den Leichnam Jesu. Und er nahm ihn
vom Kreuz.
Dein Leib ist nun endlich in den Händen eines guten und gerechten Menschen. Du
bist in den Schlaf des Todes gehüllt, Jesus, doch ein lebendiges und
entschiedenes Herz nimmt sich deiner an. Josef gehörte nicht zu denen, die reden
und nichts tun. »Er hatte ihrem Beschluss und Vorgehen nicht zugestimmt«, sagt
das Evangelium. Und das ist eine gute Nachricht: Er, der die gängige Meinung
nicht angenommen hat, nimmt dich an, Jesus. Es nimmt sich jemand deiner an, der
Verantwortung übernommen hat. Du, Jesus, hast deinen Platz, in den Armen des
Josef von Arimathäa, der „auf das Reich Gottes wartete“. Du hast deinen Platz
bei denen, die noch hoffen, bei denen, die sich nicht damit abfinden, dass
Ungerechtigkeit unvermeidlich ist. Du durchbrichst die Kette des
Unausweichlichen, Jesus. Du durchbrichst die Automatismen, die das gemeinsame
Haus und die Geschwisterlichkeit zerstören. Du gibst denen, die auf dein Reich
warten, den Mut, vor die Obrigkeit hinzutreten: wie Mose vor den Pharao, wie
Josef von Arimathäa vor Pilatus. Du befähigst uns zu großer Verantwortung, du
machst uns mutig. So bist du gestorben und deine Herrschaft dauert fort. Und für
uns, Jesus, heißt das: Dir zu dienen ist herrschen.
Lasst uns beten: Dir dienen ist herrschen
Die Hungrigen speisen. |
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Dir dienen ist herrschen |
Den Durstigen zu trinken geben. |
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Dir dienen ist herrschen |
Die Nackten kleiden. |
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Dir dienen ist herrschen |
Die Fremden beherbergen. |
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Dir dienen ist herrschen |
Die Kranken besuchen. |
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Dir dienen ist herrschen |
Die Gefangenen besuchen. |
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Dir dienen ist herrschen |
Die Toten begraben. |
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Dir dienen ist herrschen |
XIV. Station
Jesus wird in das Grab gelegt
Aus dem Evangelium nach Lukas (23,53b-56)
[Er] hüllte ihn in ein Leinentuch und legte ihn in ein Felsengrab, in dem noch
niemand bestattet worden war. Das war am Rüsttag, kurz bevor der Sabbat anbrach.
Die Frauen in seiner Nachfolge, die mit Jesus aus Galiläa gekommen waren, sahen
das Grab und wie der Leichnam bestattet wurde. Dann kehrten sie heim und
bereiteten wohlriechende Salben und Öle zu. Am Sabbat aber hielten sie die vom
Gebot vorgeschriebene Ruhe ein.
In einem System, das niemals zur Ruhe kommt, erlebst du, Jesus, deinen Sabbat.
Auch die Frauen erleben ihn, zu denen die Aromen und Wohlgerüche bereits von der
Auferstehung sprechen möchten. Lehre uns, nichts zu tun, wenn von uns verlangt
ist, einfach abzuwarten. Lass uns nach den Zeiten der Erde leben, die nicht
künstlich sind. Im Grabe liegend, teilst du Jesus unser Menschsein, das uns alle
vereint, du gelangst hinab bis zu den Abgründen, die uns so sehr ängstigen. Sieh
nur, wie wir ihnen entfliehen, indem wir unsere Betriebsamkeit vervielfachen.
Wir drehen uns oft im Kreis, doch der Sabbat leuchtet mit seinen Lichtern: Er
erzieht uns und verlangt von uns zu ruhen. Das göttliche Leben, das Leben, das
dem Menschen angemessen ist, kennt die Ruhe des Sabbats. »Und ein jeder sitzt
unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum und niemand schreckt ihn auf«
(Mi 4,4), prophezeite Micha. Und Sacharja greift dies auf: »An jenem Tag
– Spruch des Herrn der Heerscharen – werdet ihr einander einladen unter
Weinstock und Feigenbaum« (vgl. Sach 3,10). Jesus, der du in unserer
stürmischen Welt zu schlafen scheinst, nimm uns alle mit in den Frieden des
Sabbats. Dann wird uns die ganze Schöpfung sehr schön und gut erscheinen,
bestimmt für die Auferstehung. Und es wird Friede sein über deinem Volk und
zwischen allen Völkern.
Lasst uns beten: Dein Friede komme
Für Erde, Luft und Wasser. |
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Dein Friede komme |
Für die Gerechten und die Ungerechten. |
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Dein Friede komme |
Für die, die nicht gesehen werden und keine Stimme haben. |
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Dein Friede komme |
Für die, die weder Macht noch Geld haben. |
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Dein Friede komme |
Für die, die auf einen gerechten Aufbruch warten. |
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Dein Friede komme |
Abschließendes Gebet
»„Laudato si’, mi’ Signore – Gelobt seist du, mein Herr“, sang der
heilige Franziskus von Assisi. In diesem schönen Lobgesang erinnerte er uns
daran, dass unser gemeinsames Haus wie eine Schwester ist, [...]. Diese
Schwester schreit auf wegen des Schadens, den wir ihr […] zufügen« (Enzyklika
Laudato si', 1-2).
»„Fratelli tutti“ schrieb der heilige Franz von Assisi und wandte sich damit an
alle Brüder und Schwestern, um ihnen eine dem Evangelium gemäße Lebensweise
darzulegen« (Enzyklika
Fratelli tutti, 1).
»„Er hat uns geliebt“, sagt Paulus über Christus […], um uns erkennen zu lassen,
dass uns nichts von dieser Liebe „scheiden kann“« (Enzyiklika
Dilexit nos,
1).
Wir sind den Kreuzweg gegangen; wir haben uns der Liebe zugewandt, von der uns
nichts scheiden kann. Jetzt, da der König schläft und sich eine große Stille
über die ganze Erde senkt, erbitten wir mit den Worten des heiligen Franziskus
die Gabe der Umkehr des Herzens.
Höchster, glorreicher Gott,
erleuchte die Finsternis meines Herzens
und schenke mir rechten Glauben,
sichere Hoffnung,
vollkommene Liebe
und tiefgründende Demut.
Gib mir, Herr, das rechte Empfinden und Erkennen,
damit ich deinen heiligen und wahrhaften Auftrag erfülle. Amen.