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DICASTERIUM PRO DOCTRINA FIDEI

 

FOGLIO PER L’UDIENZA

 

Falscher Mystizismus’ e abuso spirituale

 

Der sogenannte „falsche Mystizismus” erscheint in der Rahmenordnung des Dikasteriums für die Glaubenslehre [DDF] in einem ganz präzisen Kontext, nämlich in den Fragestellungen im Zusammenhang mit der Spiritualität und mutmaßlichen übernatürlichen Phänomenen, die heute in der doktrinären Sektion angesiedelt sind, also die Behandlung von “Probleme[n] und Verhaltensweisen im Zusammenhang mit der Glaubensdisziplin, wie Fälle von Pseudomystik, mutmaßlichen Erscheinungen, Visionen und Botschaften, die übernatürlichen Ursprungs zugeschrieben werden...“ (Art. 10, 2).

In diesem Zusammenhang bezieht sich „falscher Mystizismus“ auf geistliche Angebote, die nicht im Einklang der katholischen Sichtweise von Gott und unserer Beziehung zum Herrn stehen. Genau in diesem Sinne erscheint er im Lehramt, beispielsweise in der Enzyklika Haurietis Aquas, in der Papst Pius XII. jene Vorstellung von Gott als „falsche mystische Lehre“ ablehnt, die in jansenistischen Gruppen vorherrschte, die in ihrer Spiritualität dem Geheimnis der Menschwerdung nicht Rechnung trugen:

„Es ist also unrecht, zu behaupten, die Betrachtung des leiblichen Herzens Jesu hindere daran, zur inneren Gottesliebe zu kommen, und die Seele werde auf dem Wege zur höchsten Tugend aufgehalten. Diese falsche mystische Lehre verwirft die Kirche durchaus, wie durch Unseren Vorgänger seligen Andenkens Innozenz XI. auch das Gerede derer zurückgewiesen wurde, die solches behaupteten: ‚Auch dürfen sie (die Seelen dieses inneren Weges) keine Liebesakte zur allerseligsten Jungfrau, den Heiligen oder der Menschheit Christi erwecken; denn, da diese Gegenstände sinnlich sind, es auch die Liebe zu ihnen. Kein Geschöpf, auch nicht die allerseligste Jungfrau, noch die Heiligen dürfen einen Platz haben in unserem Herzen, denn Gott allein will es einnehmen und besitzen‘“  (Enzyklika Haurietis Aquas, 15. Mai 1956, IV: AAS 48 [1956], 344).

Das Recht der Kirche kennt kein Delikt, das unter dem Namen „falscher Mystizismus“ typisiert wäre, auch wenn der Ausdruck manchmal von Kanonisten in einem engen Zusammenhang mit Missbrauchsdelikten verwendet wird.

Andererseits, in den neuen Normen zur Verfahren zur Beurteilung mutmaßlicher übernatürlicher Phänomene hat das DDF präzisiert, dass „die Verwendung behaupteter übernatürlicher Erfahrungen oder anerkannter mystischer Elemente als Mittel oder Vorwand, um Menschen zu beherrschen oder Missbrauch zu begehen, […] als moralisch besonders schwerwiegend anzusehen [ist]“ (Art. 16, Verfahrensrechtliche Normen). Diese Überlegung ermöglicht es, die dort beschriebene Situation als erschwerenden Umstand zu bewerten, wenn sie zusammen mit Straftaten auftritt.

Zugleich ist es möglich, “geistlichen Missbrauch als Straftat einzuordnen, während der zu weit gefasste und polysemische Ausdruck „falscher Mystizismus“ zu meiden wäre.

Es wird vorgeschlagen, die Aufgabe des Studiums dieser Möglichkeit, sowie der Erarbeitung konkreter Vorschläge, dem Dikasterium für die Gesetzestexte und dem DDF anzuvertrauen und daher eine entsprechende Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz des Präfekten des Dikasteriums für die Gesetzestexte einzurichten.

Víctor Manuel Kard. Fernández
Präfekt

Ex Audientia Die 22.11.2024
Franciscus

 

Der Präfekt des Dikasteriums für Gesetzestexte hat den Vorschlag angenommen und leitet die Einrichtung der vorgesehenen Arbeitsgruppe ein, die sich aus von beiden Dikasterien benannten Mitgliedern zusammensetzt, um die ihm übertragene Aufgabe so rasch wie möglich zu erfüllen.