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VIDEOBOTSCHAFT DES PAPSTES
ZUM FORUM »WO STEHEN WIR MIT AMORIS LAETITIA? STRATEGIEN FÜR DIE PASTORALE ANWENDUNG DES APOSTOLISCHEN SCHREIBENS VON PAPST FRANZISKUS«

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Liebe Mitbrüder im bischöflichen Amt, liebe Brüder und Schwestern!

Ich wende mich an euch aus Anlass des vom Dikasterium für die Laien, die Familie und das Leben organisierten Forums, fünf Jahre nach der Veröffentlichung des Apostolischen Schreibens Amoris laetitia. Ich danke dem Dikasterium dafür, dass es trotz der durch die Pandemie verursachten praktischen Schwierigkeiten die Initiative ergriffen hat. Und ich bin euch allen dankbar, dass ihr der Einladung gefolgt seid: heute sind die Delegierten der Familienbüros von über 60 Bischofskonferenzen und von über 30 internationalen Bewegungen hier, die für dieses Treffen zugeschaltet sind.

Im Panorama der wichtigsten Initiativen des Jahres »Familie Amoris laetitia« steht das Forum für einen wesentlichen Augenblick des Dialogs zwischen dem Heiligen Stuhl, den Bischofskonferenzen, den kirchlichen Bewegungen und den Familienverbänden. Möge der Heilige Geist es zu einem fruchtbaren Augenblick für die Kirche, Hirten und Laien zusammen, machen, damit wir auf die konkreten Bedürfnisse der Familien hören und uns gegenseitig helfen, die notwendigen Prozesse zur Erneuerung der kirchlichen Verkündigung einzuleiten.

Die Frage, die ihr euch stellt – »Wo stehen wir bei der Anwendung von Amoris laetitia?« – soll dazu anregen, eine fruchtbare kirchliche Unterscheidung über Stil und Ziel der Familienpastoral in der Perspektive der Neuevangelisierung vorzunehmen. Das Nachsynodale Apostolische Schreiben Amoris laetitia ist das Ergebnis einer eingehenden synodalen Reflexion über Ehe und Familie und erfordert als solche eine geduldige Arbeit der Umsetzung und eine missionarische Umkehr. Dieses Forum stellt sich in den Zusammenhang des synodalen Weges, der sich in den Ortskirchen verwirklichen können muss und der Zusammenarbeit, Aufgabenteilung, Unterscheidungsfähigkeit und Bereitschaft, den Familien nahe zu sein, erfordert.

Mitten in den durch die Pandemie verursachten Schwierigkeiten, die »das Leben der Familie und ihre innige Lebens- und Liebesgemeinschaft auseinander brechen lassen«(1), erweist sich die Familie heute mehr denn je als ein Zeichen der Zeit, und die Kirche ist vor allem aufgerufen, den Familien aktiv zuzuhören und sie gleichzeitig als Subjekte der Pastoral mit einzubeziehen. Man muss von jeder »rein theoretischen, von den wirklichen Problemen der Menschen losgelösten Verkündigung«(2) absehen, ebenso wie von der Vorstellung, dass die Evangelisierung einer pastoralen Elite vorbehalten sei. Jeder Getaufte ist »aktiver Träger der Evangelisierung«.(3) Um den Familien und den jungen Menschen, die die Familien von morgen aufbauen werden, die Liebe Gottes zu bringen, bedürfen wir der Hilfe der Familien selbst, ihrer konkreten Erfahrung des Lebens und der Gemeinschaft.

Wir brauchen die Eheleute an der Seite der Seelsorger, um mit anderen Familien zu gehen, um denen zu helfen, die schwächer sind, um zu verkünden, dass Christus sich auch in Schwierigkeiten im Sakrament der Ehe gegenwärtig macht, um allen Zärtlichkeit, Geduld und Hoffnung zu schenken, in jeder Lebenslage.

Wie wichtig ist es doch für die jungen Menschen, mit eigenen Augen die Liebe Christi zu sehen, die in der Liebe von Ehepaaren lebendig und gegenwärtig ist, die mit ihrem konkreten Leben bezeugen, dass Liebe für immer möglich ist!

So wie das Ehepaar Aquila und Priscilla wertvolle Mitarbeiter des Paulus bei seiner Mission waren, so können auch heute viele Ehepaare und sogar ganze Familien mit Kindern(4) glaubwürdige Zeugen werden, um andere Familien zu begleiten, Gemeinschaft zu schaffen, Samen der Gemeinschaft unter den Bevölkerungen zu säen, die die erste Evangelisierung empfangen, und so entscheidend zur Verkündigung des Kerygmas beizutragen.

Die Ehe hat genau wie das Priestertum »eine besondere Sendung in der Kirche und dien[t] dem Aufbau des Volkes Gottes«5, und überträgt den Eheleuten einen besonderen Auftrag beim Auf- bau der Kirche. Die Familie ist die »Hauskirche«(6), der Ort, an dem die sakramentale Gegenwart Christi zwischen den Eheleuten und zwischen Eltern und Kindern wirkt. In diesem Sinne ist »die in den Familien gelebte Liebe eine ständige Kraft für die Kirche«(7), die durch das Leben aller Hauskirchen ständig bereichert wird. Deshalb wird kraft des Ehesakraments jede Familie im umfassenden Sinn ein Gut für die Kirche. (8)

Die Mitverantwortung für die Mission ruft daher die Eheleute und die geweihten Amtsträger, besonders die Bischöfe, zu einer fruchtbaren Zu- sammenarbeit bei der Pflege und Betreuung der Hauskirchen auf. Deshalb müssen wir Seelsorger uns vom Geist erleuchten lassen, damit diese heilbringende Verkündigung von Ehepaaren verwirklicht werden kann, die oft da sind, die bereit sind, aber nicht gerufen werden.(9) Wenn wir sie stattdessen rufen, sie zur Mitarbeit mit uns aufrufen, wenn wir ihnen Raum geben, können sie ihren Beitrag zum Aufbau des kirchlichen Gefüges leisten. So wie das Gewebe und die Kettfäden des Männlichen und des Weiblichen in ihrer Komplementarität zusammen den Wandteppich der Familie bilden, so sind auch die Sakramente der Weihe und der Ehe beide unverzichtbar für den Aufbau der Kirche als »Familie der Familien«. So können wir eine Familienpastoral betreiben, in der der Geist der kirchlichen Gemeinschaft voll zum Ausdruck kommt. Diese stellt sich nämlich »genauer betrachtet [...] als eine ›organische communio‹ dar, ähnlich der eines lebendigen und wirkenden Leibes: sie ist gekennzeichnet von der Koexistenz der Verschiedenheit und der Komplementarität der Berufungen [und] Lebenssituationen« (10).

Ich lade euch daher ein, einen neuen Blick auf Amoris laetitia zu werfen, um unter den darin angegebenen pastoralen Prioritäten diejenigen zu identifizieren, die den konkreten Bedürfnissen jeder Ortskirche am besten entsprechen, und sie mit Kreativität und missionarischem Eifer zu verfolgen. In der Zeit der Pandemie hat der Herr uns die Gelegenheit gegeben, nicht nur die Bedürfnisse und Prioritäten zu überdenken, sondern auch den Stil und die Art und Weise, wie wir unser pastorales Engagement planen und durchführen. Nach dem programmatischen Wert von Evangelii gaudium und dem konkreten pastoralen Programm, das Amoris laetitia für die Familienpastoral skizziert, »hoffe ich, dass alle Gemeinschaften dafür sorgen, die nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um auf dem Weg einer pastoralen und missionarischen Neuausrichtung voranzuschreiten, der die Dinge nicht so belassen darf wie sie sind« (11).

Eine besondere Anstrenung sollte unternommen werden, um Laien, besonders Ehepartner und Familien, zu schulen, damit sie die Bedeutung ihrer kirchlichen Verpflichtung besser verstehen, das heißt die Bedeutung des Auftrags, der sich aus dem Ehe- und Familie-Sein ergibt. Viele Familien sind sich des großen Geschenks nicht bewusst, das sie mit dem Sakrament erhalten haben, einem wirksamen Zeichen der Gegen- wart Christi, das jeden Augenblick ihres Lebens begleitet. Wenn eine Familie diese Gabe voll entdeckt, dann verspürt sie den Wunsch, sie mit anderen Familien zu teilen, denn die Freude über die Begegnung mit dem Herrn neigt dazu, sich auszubreiten und weitere Gemeinschaft zu  schaffen, sie ist von Natur aus missionarisch. (12)

Der mit den Synodenversammlungen zur Familie eingeschlagene Weg hat der Kirche geho fen, die vielen konkreten Herausforderungen, die Familien erleben, ans Licht zu bringen: ideologischer Druck, der die Erziehungsprozesse behindert, Beziehungsprobleme, materielle und spirituelle Armut und im Grunde genommen viel Einsamkeit aufgrund der Schwierigkeit, Gott im eigenen Leben wahrzunehmen. Einige dieser Herausforderungen sind immer noch nicht bewältigt und erfordern einen neuen pastoralen Impuls in bestimmten Bereichen: ich denke an die Ehevorbereitung, die Begleitung junger Ehepaare, die Erziehung, die Aufmerksamkeit gegenüber älteren Menschen, die Nähe zu verwundeten Familien oder zu denen, die in einer neuen Verbindung die christliche Erfahrung in vollem Umfang leben wollen.

Ich hoffe daher, dass diese Tage der Arbeit eine gute Gelegenheit darstellen mögen, um Ideen und pastorale Erfahrungen auszutauschen; und auch, um ein Netzwerk zu schaffen, das in der Komplementarität der Berufungen und Lebensstände, in einem Geist der Zusammenarbeit und der kirchlichen Gemeinschaft das Evangelium der Familie auf die wirksamste Weise verkünden kann, indem es auf die Zeichen der Zeit antwortet.

Ich empfehle euch der Fürsprache der seligen Jungfrau Maria und des heiligen Josef, damit die Gnade Gottes euren Einsatz zum Wohl der Familien von heute und morgen fruchtbar mache. Ich segne euch und wünsche euch gute Arbeit, und ich bitte euch, für mich zu beten. Danke!

 

Fussnoten

1 Nachsynodales Apostolisches Schreiben Amoris laetitia (AL), 19.

2 AL, 201.

3 Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium (24. November 2013), 120.

4 Vgl. heiliger Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Familiaris consortio (22. November 1981), 50.

5 Katechismus der Katholischen Kirche, 1534.

6 Zweites Ökumenisches Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 11.

7 AL, 88.

8 Vgl. ebd. 87.

9 Ansprache an das Gericht der Römischen Rota zur Eröffnung des Gerichtsjahres, 25. Januar 2020.

10 Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christifideles laici (30. Dezember 1988), 20.

11 Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 25.

12 Vgl. ebd., 23.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



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