Index

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BISCHOFSSYNODE

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III. AUSSERORDENTLICHE GENERALVERSAMMLUNG

DIE PASTORALEN HERAUSFORDERUNGEN
IM HINBLICK AUF DIE FAMILIE
IM KONTEXT DER EVANGELISIERUNG

INSTRUMENTUM LABORIS

Vatikanstadt

2014


Die Familie im Licht der biblischen Botschaft (1-3)
Die Familie in den Dokumente der Kirche
(4-7)
 

Kapitel II
Kenntnis und Rezeption der Heiligen Schrift und der Dokumente der Kirche über Ehe und Familie
(8)

Die Kenntnis der Bibel im Hinblick auf die Familie (9-10)
Kenntnis der Dokumente des Lehramtes
 (11)
Die Notwendigkeit vorbereiteter Priester und Mitarbeiter
(12)
Unterschiedliche Annahme der Lehre der Kirche
(13-14)
Einige Gründe für die Schwierigkeiten bei der Rezeption
 (15-16)
Eine bessere Kenntnis des Lehramtes fördern
(17-19)

 

Kapitel III
Das Evangelium der Familie und das Naturrecht

Die Verbindung zwischen dem Evangelium der Familie und dem Naturrecht (20)
Problemanzeige hinsichtlich des Naturrechts heute
 (21-26)
Praktische Opposition gegen das Naturrecht bezüglich der Verbindung von Frau und Mann
(27-29)
Wünschenswerte Erneuerung der Sprache
 (30)
 

Kapitel IV
Die Familie und die Berufung des Menschen in Christus

Die Heilige Familie, die Person und die Gesellschaft (31-34)
Nach dem Bild des Lebens der Dreifaltigkeit
 (35)
Die Heilige Familie von Nazareth und die Erziehung zur Liebe
(36-38)
Verschiedenheit, Gegenseitigkeit  und Stil des Familienlebens
(39-42)
Familie und umfassende Entwicklung
 (43-44)
Den neuen Wunsch nach Familie und die Krisen begleiten
(45-48)
Eine beständige Ausbildung
(49)

 

II. TEIL
DIE FAMILIENPASTORAL ANGESICHTS NEUER HERAUSFORDERUNGEN

 

Kapitel I
Die Familienpastoral: bestehende Möglichkeiten

Die Verantwortung der Hirten und charismatische Gaben in der Familienpastoral (50)
Die Ehevorbereitung
 (51-56)
Volksfrömmigkeit und Familienspiritualität
 (57)
Die Unterstützung der Familienspiritualität
 (58)
Das Zeugnis der Schönheit der Familie
 (59-60)

 

Kapitel II
Die pastoralen Herausforderungen im Hinblick auf die Familie
 (61)

a) Die Krise des Glaubens und das Familienleben

Die pastorale Tätigkeit in der Glaubenskrise (62-63)

b) Kritische Situationen innerhalb der Familie

Beziehungs- und Kommunikationsschwierigkeiten (64)
Fragmentierung und Auflösung
(65)
Gewalt und Missbrauch
(66-67)
Abhängigkeiten, Medien und soziale Netzwerke
 (68-69)

c) Externer Druck auf die Familie

Die Auswirkung der Berufstätigkeit auf die Familie (70-71)
Das Phänomen der Migration und die Familie
 (72)
Armut und Kampf um den Lebensunterhalt
 (73)
Konsumismus und Individualismus
 (74)
Gegen-Zeugnisse in der Kirche
(75)

d) Einige besondere Situationen

Das Gewicht der sozialen Erwartungen  dem Einzelnen gegenüber (76)
Die Auswirkung der Kriege
 (77)
Kultusverschiedenheit
 (78)
Weitere kritische Situationen
 (79)

 

Kapitel III
Die pastoral schwierigen Situationen

A. Familiäre Situationen (80)

Das Zusammenleben (81-82)
Die Nichtehelichen Lebensgemeinschaften
 (83-85)
Getrennt lebende, Geschiedene und wiederverheiratet Geschiedene
 (86)
Die Kinder und diejenigen, die allein bleiben
(87)
Junge ledige Mütter
(88)
Kirchenrechtlich irreguläre Situationen
(89-92)
Bezüglich des Zugangs zu den Sakramenten
 (93-95)
Andere Anfragen
 (96)
Bezüglich der Getrennten und Geschiedenen
 (97)
Vereinfachung der Eheverfahren
 (98-102)
Die Pastoral in schwierigen Situationen
 (103-104)
Nichtpraktizierende und Nichtglaubende, die eine Eheschließung erbitten
 (105-109)

 

B. Hinsichtlich der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften

Zivile Anerkennung (110-112)
Die Einschätzung der Teilkirchen
(113-115)
Einige pastorale Leitlinien
 (116-119)
Weitergabe des Glaubens an Kinder in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften
 (120)

 

III. TEIL
DIE OFFENHEIT FÜR DAS LEBEN UND DIE ERZIEHERISCHE VERANTWORTUNG

 

Kapitel I
Die pastoralen Herausforderungen im Hinblick auf die Offenheit für das Leben
(121-122)

Kenntnis und Rezeption des Lehramtes bezüglich der Offenheit für das Leben (123-125)
Einige Ursachen der schwierigen Rezeption
(126-127)
Pastorale Vorschläge
 (128)
Bezüglich der sakramentalen Praxis
 (129)
Eine für das Leben offene Mentalität
 (130-131)

 

Kapitel II
Die Kirche und die Familie angesichts der erzieherischen Herausforderung

Die erzieherische Herausforderung und die Familie heute (132)
Weitergabe des Glaubens und christliche Initiation
(133-134)
Einige spezifische Schwierigkeiten
 (135-137)

 

b) Die christliche Erziehung in schwierigen  familiären Situationen

Ein Überblick über die Situation (139-140)
Die an die Kirche gerichteten Anfragen
 (141-145)
Die Antworten der Teilkirchen
 (146-150)
Zeiten und Formen der christlichen Initiation der Kinder
 (151-152)
Einige besondere Schwierigkeiten
 (153)
Einige pastorale Leitlinien
(154-157)


 

SCHLUSS (158-159)


Abkürzungen

CCC  Katechismus der Katholischen Kirche
CDF  Kongregation für die Glaubenslehre
CTI    Internationale Theologenkommission
CV     Caritas in Veritate,
Enzyklika von Benedikt XVI. (29. Juni 2009)
DCE  Deus Caritas Est,
Enzyklika von Benedikt XVI. (25. Dezember 2005)
DV     Dei Verbum,
Dog. Konstitution über die göttliche Offenbarung, II. Vatikanisches Konzil
EG     Evangelii Gaudium,
Apostolisches Schreiben von Papst Franziskus (24. November 2013)
FC     Familiaris Consortio,
Apostolisches Schreiben von Johannes Paul II. (22. November 1981)
GS     Gaudium et Spes
, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute, II. Vat. Kon.
GE
     Gravissimum Educationis, Erklärung über die christliche Erziehung,  II. Vat. Konzil
HV     Humanae Vitae,
Enzyklika von Paul VI. (25. Juli 1968)
LF     Lumen Fidei,
Enzyklika von Papst Franziskus (29. Juni 2013)
LG     Lumen Gentium
, Dogmatische Konstitution über die Kirche, II. Vatikanisches Konzil
SC     Sacramentum Caritatis,
Postsynodales Apost. Schreiben von  Benedikt XVI. (22.2.2007)



PRÄSENTATION

Am 8. Oktober 2013 hat Papst Franziskus die III. Außerordentliche Generalversammlung der Bischofssynode einberufen, die das Thema hat: Die pastoralen Herausforderungen im Hinblick auf die Familie im Kontext der Evangelisierung. Das Generalsekretariat der Synode hat die Vorbereitung mit dem Versand des Vorbereitungsdokumentes eingeleitet, welches im Volk Gottes große Aufmerksamkeit gefunden hat. Die Reaktionen sind in diesem Instrumentum Laboris gesammelt. Angesichts der Weite und der Komplexität des Themas hat der Heilige Vater einen Arbeitsweg in zwei Schritten festgelegt, die aber eine organische Einheit bilden. Während der Außerordentlichen Generalversammlung 2014 werten die Väter die Daten, die Zeugnisse und die Vorschläge der Teilkirchen aus und vertiefen sie mit dem Ziel, auf die Herausforderungen im Hinblick auf die Familie antworten zu können. Die Ordentliche Generalversammlung 2015, welche den Episkopat weiter repräsentiert, wird auf den Arbeiten der vorherigen Synodenversammlung aufbauen und weiter über die behandelten Themen nachdenken, um entsprechende pastorale Handlungslinien zu erarbeiten.

Das Instrumentum Laboris ist auf der Grundlage der Antworten auf das Vorbereitungsdokument entstanden, das im November 2013 veröffentlicht wurde. Der in acht Teilen strukturierte Fragenkatalog im Hinblick auf Ehe und Familie betreffende Thematiken ist so weit als möglich verbreitet worden. Die zahlreichen und detaillierten Antworten kamen von den Synoden der katholischen Ostkirchen sui iuris, den Bischofskonferenzen, den Dikasterien der Römischen Kurie und der Vereinigung der Ordensobern. Im Generalsekretariat gingen auch Antworten aus einer großen Zahl von Diözesen, Pfarreien, Bewegungen, Gruppen, kirchlicher Vereinigungen und Familien sowie von akademischen Einrichtungen, Spezialisten, Gläubigen und anderen ein, die daran interessiert sind, ihre Überlegungen mitzuteilen. Diese Rückmeldungen werden Bemerkungen genannt.

Der hier vorliegende Text ist in drei Teile gegliedert und greif in einer auf die Synodenversammlung zugeschnittenen Ordnung die acht Themen des Fragebogens wieder auf. Der erste Teil ist dem Evangelium der Familie gewidmet. Es geht um den Plan Gottes und die Berufung des Menschen in Christus. Innerhalb dieses Spektrums wird die Kenntnis und die Rezeption der biblischen Grundlagen und der Dokumente des kirchlichen Lehramtes deutlich, mit den diesbezüglichen Schwierigkeiten, die es unter anderem mit dem Verständnis des Naturrechts zu tun haben. Der zweite Teil behandelt die verschiedenen Ansatzpunkte der Familienpastoral, die entsprechenden Herausforderungen und die schwierigen Situationen. Der dritte Teil ist der Offenheit für das Leben und der erzieherischen Verantwortung der Eltern gewidmet, welche die Ehe zwischen Mann und Frau kennzeichnet. Dabei wird besonders auf aktuelle, pastoral schwierige Situationen Bezug genommen.

Das vorliegende Dokument, Frucht kollegialer Arbeit, welche auf die Konsultation der Teilkirchen zurückgeht, wurde vom Generalsekretariat der Synode zusammen mit dem Rat des Sekretariates erarbeitet und wird nun den Mitgliedern der Synodenversammlung als Instrumentum Laboris übergeben. Es bietet ein weites, wenn auch nicht erschöpfendes Bild im Hinblick auf die heutige Situation der Familie, ihren Herausforderungen und den Reflexionen die dies erforderlich macht.

Die Themen, welche im Dokument nicht behandelt werden, von denen aber einige in der Antwort auf die Nr. 9 des Fragebogens (Varia) angesprochen wurden, werden auf der Ordentlichen Generalversammlung der Synode 205 behandelt.

 

Lorenzo Card. Baldisseri
Generalsekretär der Bischofssynode

 

Vatikan, 24. Juni 2014
Hochfest der Geburt des Hl. Johannes des Täufers


 

VORWORT

Die Verkündigung des Evangeliums der Familie ist integrierender Bestandteil der Sendung der Kirche, denn die Offenbarung Gottes erleuchtet die Beziehung zwischen Mann und Frau, ihre Liebe und die Fruchtbarkeit ihrer Beziehung. In der heutigen Zeit stellt die verbreitete kulturelle, soziale und spirituelle Krise eine Herausforderung für die Evangelisierung der Familie, Lebenskern der Gesellschaft und der Gemeinschaft der Kirche, dar. Diese Verkündigung steht in einer Linie mit der Synodenversammlung über Die neue Evangelisierung für die Weitergabe des christlichen Glaubens und das von Papst Benedikt XVI. ausgerufene Jahr des Glaubens.

Im Bewusstsein dessen, dass die «apostolische Überlieferung in der Kirche unter dem Beistand des Heiligen Geistes einen Fortschritt kennt» (DV 8) ist die Außerordentliche Generalversammlung der Bischofssynode zum Thema: Die pastoralen Herausforderungen im Hinblick auf die Familie im Kontext der Evangelisierung dazu aufgerufen, über den Weg nachzudenken, den es zu gehen gilt, wenn allen Menschen die Wahrheit der ehelichen Liebe und der Familie verkündet und auf vielfache Herausforderungen geantwortet werden soll (vgl. EG 66). Für die Pastoral der Kirche ist die Familie ein unerschöpflicher Reichtum und eine Quelle des Lebens; daher ist die Verkündigung der Schönheit der Berufung zur Liebe, die ein großes Potential für die Gesellschaft und die Kirche darstellt, eine erstrangige Aufgabe der Kirche. Angesichts dieser Dringlichkeit bedenken die Bischöfe, cum et sub Petro, im aufmerksamen Hören auf den Heiligen Geist die heutigen pastoralen Herausforderungen.

Die Kirche ist sich dessen bewusst, dass die Schwierigkeiten den Horizont des Familienlebens nicht erschöpfen und die Menschen nicht nur bisher ungeahnten Schwierigkeiten gegenüber sehen. Sehr gerne nimmt sie den Schwung zur Kenntnis, der vor allem unter den Jugendlichen herrscht, und einen neuen Frühling der Familie erahnen lässt. Die zahlreichen kirchlichen Treffen, in denen vor allem unter den jungen Generationen ein erneuerter Wunsch nach der Familie deutlich wird, sind diesbezüglich sprechende Zeugnisse. Angesichts dieser Hoffnungen ist die Kirche aufgerufen, in Treue zum Auftrag des Herrn, die Schönheit der Liebe in der Familie zu verkünden, auf allen Ebenen Unterstützung und Begleitung anzubieten. Bei seinen Treffen mit den Familien ermutigt der Heilige Vater immer dazu, mit Hoffnung auf die eigene Zukunft zu schauen. Dabei empfiehlt er jene Lebenshaltungen, durch die die Liebe in der Familie bewahrt und zum wachsen gebracht wird: um Erlaubnis bitten, sich bedanken und um Vergebung bitten, und nie die Sonne über einen Streit oder einem Missverständnis untergehen lassen, ohne die Demut gehabt zu haben, sich zu entschuldigen.

Vom Beginn seins Pontifikates an hat Papst Franziskus betont: «Der Herr wird niemals  müde zu verzeihen, niemals! [...] Wir sind es, die manchmal müde werden, um Vergebung zu bitten» (Angelus am 17. März 2013). Dieser Hinweis auf die Barmherzigkeit hat eine große Auswirkung auch im Hinblick auf die Ehe und Familie betreffenden Fragen gehabt, denn, jenseits des Moralismus bestätigt und öffnet er Horizonte im Leben der Christen, was auch immer an Grenzen erfahren, was auch immer an Sünden begangen wurde. Die Barmherzigkeit Gottes öffnet für eine beständige Bekehrung und ein dauerndes neugeborgen werden.

I TEIL
HEUTE DAS EVANGELIUM DER FAMILIE VERMITTELN

Kapitel I
Der Plan Gottes für Ehe und Familie

Die Familie im Licht der biblischen Botschaft

1. Das Buch Genesis stellt den Mann und die Frau vor, die nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen sind; in der gegenseitigen Annahme erkennen sie, dass einer für die andere geschaffen wurde (vgl. Gen 1,24-31; 2,4b-25). Durch die Fortpflanzung werden Mann und Frau zu Mitarbeitern Gottes in der Annahme und Weitergabe des Lebens: Indem sie das menschliche Leben ihren Kindern weitergeben, wirken Mann und Frau als Gatten und Eltern auf einzigartige Weise des Schöpfers mit“ (CCC 372). Ihre Verantwortung weitet sich daneben auf den Schutz der Schöpfung und das Wachstum der Menschenfamilie aus. In der biblischen Tradition wird die Perspektive der Schönheit der menschlichen Liebe, Spiegel der göttlichen, vor allem im Hohen Lied und bei den Propheten hervorgehoben.

2. Die Verkündigung der Kirche über die Familie findet ihre Grundlage in der Predigt und im Leben Jesu, der in der Familie von Nazareth gelebt hat und aufgewachsen ist, der an der Hochzeit von Kana teilgenommen und deren Fest mit dem ersten seiner „Zeichen“ bereichert hat (vgl. Joh 2,1-11), und sich als Bräutigam vorstellt, der seine Braut mit sich vereint (vgl. Joh 3,29). Am Kreuz hat er sich mit der Liebe bis zum Schluss übereignet und in seinem auferstandenen Leib hat er neue Beziehungen unter den Menschen begründet. Indem er die Fülle des göttlichen Erbarmens offenlegt, gewährt Jesus Mann und Frau, jenen „Ursprung“ wieder zu gewinnen, in dem Gott sie zu einem Fleisch werden lässt (vgl. Mt 19,4-6). Daher sind sie – „mit der Gnade Christi“ – in der Lage, sich in Treue für immer zu lieben. Das göttliche Maß der ehelichen Liebe, zu dem die Ehepartner aus Gnade berufen sind, hat seine Quelle in der „Schönheit der heilbringenden Liebe Gottes, die sich im gestorbenen und auferstandenen Jesus Christus offenbart hat“ (EG 36), im Herzen des Evangeliums.

3. Indem Jesus die menschliche Liebe annahm, hat er sie auch vollendet (vgl. GS 49), und dabei dem Mann und der Frau eine neue Weise, sich zu lieben, übereignet, die ihre Grundlage in der unwiderruflichen Treue Gottes hat. In diesem Licht hat der Epheserbrief in der bräutlichen Liebe zwischen Mann und Frau „das große Geheimnis“ erkannt, das in der Welt die Liebe zwischen Christus und der Kirche gegenwärtig macht (vgl. Eph 5,31-32). Sie haben die Gabe (vgl. 1Kor 7,7), mit ihre bräutlichen Liebe und durch Aufgabe der Weitergabe des Lebens und der Erziehung der Kinder die Kirche aufzubauen. Durch ein unauflösliches sakramentales Band verbunden, leben die Brautleute die Schönheit der Liebe, der Vaterschaft, der Mutterschaft und der Würde, auf diese Weise am schöpferischen Werk Gottes mitzuarbeiten.

Die Familie in den Dokumenten der Kirche

4. Im Verlauf der Jahrhunderte hat es die Kirche nicht an der beständigen Lehre über die Ehe und die Familie fehlen lassen. Eine der höchsten Ausdrucksformen dieses Lehramtes ist vom II. Vatikanischen Konzil in der Pastoralkonstitution Gaudium et Spes vorgelegt worden, die ein ganzes Kapitel der Förderung der Würde von Ehe und Familie widmet (vgl. GS 47-52). Hier ist die Ehe als Gemeinschaft des Lebens und der Liebe definiert worden (vgl. GS 48), wobei die Liebe in die Mitte der Familie gestellt und zugleich die Wahrheit dieser Liebe angesichts der verschiedenen Formen des Reduktionismus, wie sie in der heutigen Kultur gegenwärtig sind, gezeigt wird. Die „wahre Liebe zwischen Mann und Frau“ (GS 49) umfasst die gegenseitige Hingabe seiner selbst, und schließt nach dem Plan Gottes auch die sexuelle Dimension und die Affektivität ein und integriert sie (vgl. GS 48-49). Darüber hinaus unterstreicht Gaudium et Spes Nr. 48 die Verwurzelung der Brautleute in Christus: Christus, der Herr, „begegnet den christlichen Gatten im Sakrament der Ehe“ und bleibt bei ihnen. In der Menschwerdung nimmt Er die menschliche Liebe an, reinigt sie, bringt sie zur Vollendung, und schenkt den Brautleuten mit seinem Geist die Fähigkeit, sie zu leben, indem er ihr ganzes Leben mit Glaube, Hoffnung und Liebe durchdringt. Auf diese Weise werden die Brautleute gleichsam geweiht und bauen durch eine eigene Gnade den Leib Christi auf, indem sie eine Hauskirche bilden (vgl. LG 11). Daher schaut die Kirche, um ihr eigenes Geheimnis in Fülle zu verstehen, auf die christliche Familie, die es in ganz eigener Weise darlebt.

5. Auf der Linie des II. Vatikanischen Konzils hat das päpstliche Lehramt die Lehre über Ehe und Familie vertieft. Besonders Paul VI. hat, mit der Enzyklika Humanae Vitae, das innere Band zwischen der ehelichen Liebe und der Weitergabe des Lebens ins Licht gehoben. Der Hl. Johannes Paul II. hat der Familie durch seine Katechesen über die menschliche Liebe, den Brief an die Familien (Gratissimam Sane) und vor allem durch das Apostolische Schreiben Familiaris Consortio eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. In diesen Dokumenten hat der Papst die Familie als den „Weg der Kirche“ bezeichnet, und eine Gesamtschau der Berufung des Mannes und der Frau zur Liebe dargeboten. Zugleich hat er die Grundlinien der Familienpastoral und für die Gegenwart der Familie in der Gesellschaft vorgelegt. Vor allem hat er, im Zusammenhang mit der ehelichen Liebe (vgl. FC 13), die Art und Weise beschrieben, in der die Eheleute in ihrer gegenseitigen Liebe die Gabe des Geistes Christi empfangen und ihre Berufung zur Heiligkeit leben.

6. In der Enzyklika Deus Caritas est hat Papst Benedikt XVI. das Thema der Wahrheit der Liebe zwischen Mann und Frau wieder aufgegriffen, das erst im Licht der Liebe des gekreuzigten Christus vollkommen deutlich wird (vgl. DCE 2). Er unterstreicht: „Die auf einer ausschließlichen und endgültigen Liebe beruhende Ehe wird zur Darstellung des Verhältnisses Gottes zu seinem Volk und umgekehrt: die Art, wie Gott liebt, wird zum Maßstab menschlicher Liebe“ (DCE 11). Darüber hinaus unterstreicht die Enzyklika Caritas in Veritate die Bedeutung der Liebe als Prinzip des Lebens in der Gesellschaft (vgl. CV 44), dem Ort, an dem man die Erfahrung des Gemeinwohls lernt.

7. In der Enzyklika Lumen fidei greift Papst Franziskus den Zusammenhang von Familie und Glauben auf und schreibt: „Christus zu begegnen und sich von seiner Liebe ergreifen und führen zu lassen weitet den Horizont des Lebens und gibt ihm eine feste Hoffnung, die nicht zugrunde gehen lässt. Der Glaube ist nicht eine Zuflucht für Menschen ohne Mut, er macht vielmehr das Leben weit. Er lässt eine große Berufung entdecken, die Berufung zur Liebe, und er garantiert, dass diese Liebe verlässlich ist und es wert ist, sich ihr zu übereignen, da ihr Fundament auf der Treue Gottes steht, die stärker ist als all unsere Schwäche“ (LF 53).

Kapitel II
Kenntnis und Rezeption der Heiligen Schrift und der Dokumente der Kirche über Ehe und Familie

8. Das kirchliche Leben der Gegenwart ist durch eine weit verbreitete Wiederentdeckung des Wortes Gottes im Leben der Kirche gekennzeichnet. Die Wiederentdeckung der Heiligen Schrift im Bereich der Kirche hat in vielfältiger Weise das Leben der Diözesen, der Pfarreien und der Gemeinschaften in der Kirche geprägt. Aus den zahlreich eingegangenen Antworten und Bemerkungen geht aber hervor, dass die Kenntnis, die Vermittlung und die Rezeption der Lehren der Kirche über die Familie auf sehr unterschiedliche Weise erfolgen, je nach den Lebensumständen der Familie, der kirchlichen Gemeinschaft und dem soziokulturellen Kontext. In den Gegenden, in denen die christliche Tradition lebendig und die Pastoral gut organisiert ist, finden sich Menschen, die für die christliche Lehre über Ehe und Familie empfänglich sind. Aus verschiedenen Gründen gibt es woanders viele Christen, welche über diese Lehre nichts wissen.

Die Kenntnis der Bibel im Hinblick auf die Familie

9. Allgemein kann man sagen, dass die Lehre der Bibel, besonders der Evangelien und der Paulusbriefe, heute bekannter ist. Allerdings sagen alle Bischofskonferenzen, dass noch immer viel zu tun bleibt, damit diese Lehre auch im Hinblick auf die Familie Grundlage der Spiritualität und des christlichen Lebens werden kann. Aus nicht wenigen Antworten geht auch der große Wunsch der Gläubigen hervor, die Heilige Schrift besser zu kennen.

10.  In diesem Zusammenhang wird deutlich, wie entscheidend die Ausbildung des Klerus und vor allem die Qualität der Predigten ist, auf die Papst Franziskus kürzlich hingewiesen hat (cf. EG 135-144). Die Predigt ist ja ein herausragendes Mittel, um den Gläubigen die Heilige Schrift in ihrer kirchlichen und existentiellen Bedeutung vor Augen zu stellen. Dank einer entsprechenden Predigt, wird das Volk Gottes in die Lage versetzt, die Schönheit des Wortes Gottes wertzuschätzen, welche die Familie anzieht und tröstet. Neben der Predigt wird innerhalb der Diözesen und der Pfarreien die Förderung von Kursen geschätzt, welche, die den Gläubigen dabei helfen, sich den Schriften in entsprechender Weise zu nähern. Es wird vorgeschlagen, nicht so sehr die pastoralen Initiativen zu vervielfachen, sondern die ganze Familienpastoral von der Bibel her zu durchdringen. Jede Gelegenheit, bei der die Kirche aufgerufen ist, sich im Bereich der Familie der Gläubigen anzunehmen, ist eine Gelegenheit, damit das Evangelium der Familie verkündet, erfahren und wertgeschätzt wird.


Kenntnis der Dokumente des Lehramtes

11. Es scheint, dass im Volk Gottes die Kenntnis der konziliaren und nachkonziliaren Dokumente des Lehramtes über die Familie allgemein eher spärlich ist. Sicherlich sind sie in gewisser Weise denjenigen bekannt, die im theologischen Bereich arbeiten. Allerdings scheinen diese Texte die Mentalität der Gläubigen nicht sonderlich tief zu durchdringen. Es gibt auch Antworten, die offen die Tatsache zugeben, dass diese Dokumente unter den Gläubigen tatsächlich nicht bekannt sind. In manchen Antworten wird darauf aufmerksam gemacht, dass die Dokumente, vor allem von Seiten der Laien, denen eine entsprechende Vorbildung fehlt, manchmal als etwas sehr „exklusives“ wahrgenommen werden. Eine gewisse Schwierigkeit, diese Texte zur Hand zu nehmen und zu studieren wird festgestellt. Wenn niemand mit einer gewissen Vorbereitung da ist, der in die Lektüre dieser Texte einführen kann, scheint es oft schwierig zu sein, sich den Dokumenten zu nähern. Vor allem wird das Bedürfnis gespürt, den existentiellen Charakter der in den Dokumenten dargelegten Wahrheiten zu zeigen.

Die Notwendigkeit vorbereiteter Priester und Mitarbeiter

12. Einige der eingegangenen Bemerkungen sehen die Verantwortung für die schwache Verbreitung dieser Kenntnis bei den Hirten selbst, die, entsprechend dem Eindruck einiger Gläubigen, selbst weder das Thema Ehe-Familie, wie es in den Dokumenten dargelegt wird, wirklich kennen, noch die Mittel zu haben scheinen, um dieses Thema zu behandeln. Aus anderen Bemerkungen lässt sich erschließen, dass die Hirten sich manchmal nicht in der Lage oder unvorbereitet sehen, wenn es darum geht, Probleme im Hinblick auf die Sexualität, die Fruchtbarkeit und die Fortpflanzung zu behandeln, so dass sie es oft vorziehen, diese Themen nicht anzugehen. In einigen Antworten findet sich auch eine gewisse Unzufriedenheit bezüglich einiger Priester, die im Hinblick auf einige moralische Lehren indifferent erscheinen. Ihre mangelnde Übereinstimmung mit der Lehre der Kirche bewirkt Konfusion im Volk Gottes. Es wird daher darum gebeten, dass die Priester bei der Erklärung des Wortes Gottes und in der Darstellung der Dokumente der Kirche im Hinblick auf Ehe und Familie besser vorbereitet und verantwortungsvoller sein sollen.

Unterschiedliche Annahme der Lehre der Kirche

13. Eine erhebliche Zahl von Bischofskonferenzen stellt fest, dass da, wo die Lehre der Kirche in ihrer eigenen menschlichen und christlichen Schönheit in Tiefe weitergegeben wird, sie auch von einem Großteil der Gläubigen mit Freude angenommen wird. Wenn es gelingt, eine dem christlichen Glauben entsprechende umfassende Sicht von Ehe und Familie darzulegen, dann kommt auch ihre Wahrheit, ihre Gutheit und ihre Schönheit zu Bewusstsein. Die Lehre wird weitgehend angenommen, wo es von Seiten der Gläubigen um einen echten Weg des Glaubens geht, und nicht nur um eine kurzfristige Neugier im Hinblick darauf, was die Kirche über die Sexualmoral denkt. Auf der anderen Seite bestätigen aber auch viele Antworten, dass viele Christen, auch da, wo die Lehre der Kirche über Ehe und Familie bekannt ist, Schwierigkeiten haben, sie ganz anzunehmen. Allgemein werden (wenn auch wichtige) Teilelemente der christlichen Lehre genannt, bezüglich derer Widerstand in verschiedenen Graden festgestellt wird, wie zum Beispiel im Hinblick auf die Geburtenkontrolle, Scheidung und Wiederheirat, Homosexualität, Zusammenleben, Treue, In-vitro-Fertilisation, usw. Viele Antworten bezeugen hingegen, dass die Lehre der Kirche über die Würde des menschlichen Lebens und den Respekt davor weiter verbreitet und wenigstens prinzipiell auch anerkannter ist.

14. Aus guten Grund wird darauf hingewiesen, dass eine bessere Integration zwischen der Spiritualität der Familie und der Moral erforderlich wäre, die es dann auch erlauben würde, das Lehramt der Kirche im Bereich der Familienmoral besser zu verstehen. Manche Beiträge heben die Bedeutung der Einbeziehung lokaler Kulturen hervor, die helfen können, den Wert des Evangeliums zu verstehen; dies gilt vor allem für die oft auf die Familie konzentrierten asiatischen Kulturen. Einige Bischofskonferenzen sagen, dass es in diesen Kontexten nicht schwierig ist, die Lehre der Kirche über die Familie mit den sozialen und moralischen Werten des Volkes in diesen Kulturen zu verbinden. Damit soll auch die Bedeutung der Interkulturalität bei der Verkündigung des Evangeliums der Familie hervorgehoben werden. Fest steht, dass aus den eingegangenen Antworten und Bemerkungen die Notwendigkeit hervorgeht, konkrete und mögliche Ausbildungswege ins Leben zu rufen, durch welche ein Zugang zu den Wahrheiten des Glaubens erschlossen werden kann, die die Familie betreffen, vor allem, um deren tiefen menschlichen und existentiellen Wert schätzen zu lernen.

Einige Gründe für die Schwierigkeiten bei der Rezeption

15. Einige Bischofskonferenzen heben hervor, dass der Grund für den Widerstand gegenüber der Lehre der Kirche bezüglich der Familienmoral der Mangel an authentischer christlicher Erfahrung ist, einer persönlichen und gemeinschaftlichen Begegnung mit Christus, die nicht durch irgend eine noch so zutreffende Darstellung der Lehre ersetzt werden kann. In diesem Zusammenhang wird das Ungenügen einer Pastoral beklagt, die nur um die Sakramentenspendung besorgt ist, ohne dass dies mit einer entsprechenden christlichen Erfahrung einherginge, die wirklich mit einbezieht. Darüber hinaus unterstreicht die überwiegende Mehrheit der Antworten den wachsenden Kontrast zwischen den Werten, die von der Kirche in Bezug auf Ehe und Familie vorgelegt werden, und den unterschiedlichen sozialen und kulturellen Situationen auf dem Planeten. Einmütigkeit in den Antworten ist auch festzustellen, wenn es um die Gründe der Schwierigkeiten in der Annahme der Lehre der Kirche geht: die neuen Technologien, die sich verbreitet haben und alles durchdringen; der Einfluss der Massenmedien; die hedonistische Kultur; der Relativismus; der Materialismus; der Individualismus; der wachsende Säkularismus; das Vorherrschen von Auffassungen, die im egoistischen Sinn zu einer exzessiven Freiheit der Sitten geführt haben; die Zerbrechlichkeit der zwischenmenschlichen Beziehungen; eine Kultur, die endgültige Entscheidungen zurückweist und von einer „flüchtigen Gesellschaft“, vom „ex und hopp“ bestimmt wird, vom „alles, sofort“; Werte, die ihren Grund in der „Wegwerfkultur“ und der „Kultur des Vorläufigen“ haben, wie es Papst Franziskus häufig in Erinnerung ruft.

16. Mancher hebt auch die Schwierigkeiten hervor, die ihren Grund darin haben, dass in manchen Ländern über viele Jahre atheistische Ideologie vorherrschten, welche eine Haltung des Misstrauens gegenüber jeder religiösen Lehre geschaffen haben. Andere Antworten berichten von den Schwierigkeiten, denen die Kirche im Hinblick auf Kulturen begegnet, die von Stammesdenken oder den Traditionen der Ahnen geprägt sind. Hier hat die Ehe Charakteristiken, welche sich von der christlichen Sicht sehr unterscheiden, wenn die Kultur etwa die Polygamie oder andere Formen unterstützt, die dem Ideal von Einheit und Unauflöslichkeit der Ehe entgegenstehen. Die Christen, die in solchen Kontexten leben, brauchen sicher eine starke Unterstützung von Seiten der Kirche und ihrer Gemeinschaften.

Eine bessere Kenntnis des Lehramtes fördern

17. Viele Antworten erwähnen die Notwendigkeit, neue Wege zu finden, um die Lehren der Kirche über Ehe und Familie weiterzugeben. Viel hängt von der Reife der Teilkirche ab, von ihrer Tradition in diesem Bereich und den Ressourcen, die vor Ort tatsächlich zur Verfügung stehen. Vor allem wird die Erfordernis anerkannt, pastorale Mitarbeiter auszubilden, die in der Lage sind, die christliche Botschaft in einer kulturell entsprechenden Weise zu vermitteln. Jedenfalls geht aus fast allen Antworten hervor, dass es auf nationaler Ebene eine Kommission für die Familienpastoral und ein entsprechendes Direktorium gibt. Allgemein stellen die Bischofskonferenzen die Lehre der Kirche über Dokumente, Symposien und Veranstaltungen vor Ort dar. Auf diözesaner Ebene arbeitet man darüber hinaus auch durch verschiedene Organismen und Kommissionen. Sicherlich fehlt es auch nicht an Antworten, welche eine schwierige Situation für die kirchliche Organisation offenbaren, weil finanzielle und personelle Ressourcen fehlen, um in beständiger Weise eine Katechese über die Familie zu organisieren.

18. Viele erinnern daran, dass es entscheidend ist, Beziehungen zu entsprechenden akademischen Zentren aufzubauen, welche in doktrinärer, spiritueller und pastoraler Hinsicht Themen rund um die Familie behandeln. In einigen Antworten wird von fruchtbaren Verbindungen zwischen Universitäten und Diözesen auf internationaler Ebene berichtet, auch in Randzonen der Kirche, um im Hinblick auf Ehe und Familie eine qualifizierte Bildung zu fördern. Ein Beispiel, das verschiedentlich in den Antworten zitiert wird, ist die Zusammenarbeit mit dem Päpstlichen Institut Johannes Paul II. für Studien zu Ehe und Familie in Rom, mit verschiedenen Zweigstellen in der ganzen Welt. Diesbezüglich erinnern verschiedene Bischofskonferenzen an die Wichtigkeit, die Intuitionen des Heiligen Johannes Paul II. hinsichtlich der Theologie des Leibes zu vertiefen. Hier eröffnet sich ein fruchtbarer Zugang zu den Themen der Familie mit einer existentiellen und anthropologischen Sensibilität, offen für neue Herausforderungen, die unsere Zeit mit sich bringt.

19. Schließlich ist es allgemeine Überzeugung, dass sich die Katechese über Ehe und Familie heute nicht mehr auf die Vorbereitung der Paare auf die Ehe beschränken kann. Es geht um eine dynamische, erfahrungsgestützte Begleitung, die, durch Zeugen, die Schönheit dessen zeigt, was das Evangelium und die Dokumente des Lehramtes der Kirche uns über die Familie überliefern. Schon lange bevor sie sich zur Eheschließung anmelden, brauchen die Jugendlichen Hilfe, um das kennenzulernen, was die Kirche lehrt, und warum sie es lehrt. Viele Antworten haben die Rolle der Eltern bei der speziellen Katechese über die Familie hervor. Sie haben im Hinblick auf die christliche Erziehung der Kinder in Beziehung zum Evangelium der Familie eine unersetzliche Rolle. Diese Aufgabe erfordert ein tiefes Verständnis ihrer Berufung im Licht der Lehre der Kirche. Ihr Zeugnis ist bereits eine lebendige Katechese, nicht nur in der Kirche, sondern auch in der Gesellschaft.
 

Kapitel III
Das Evangelium der Familie und das Naturrecht

Die Verbindung zwischen dem Evangelium der Familie und dem Naturrecht

20. Wenn es um die Annahme der Lehre der Kirche zu Ehe und Familie geht, ist es erforderlich, auch das Thema des Naturrechts im Auge zu behalten. Dies besonders auf Grund der Tatsache, dass sich die lehramtlichen Dokumente oft auf dieses Konzept beziehen, das heute Schwierigkeiten mit sich bringt. Die Verwunderung, der heute das Konzept des Naturrechts weitläufig begegnet, neigt dazu, auch einige Elemente der christlichen Lehre zum Thema zu problematisieren. Tatsächlich aber ist das, was der Beziehung zwischen dem Evangelium der Familie und dem Naturrecht zu Grunde liegt, nicht in erster Linie die Verteidigung einer abstrakten philosophischen Idee, sondern die notwendige Verbindung, welche das Evangelium mit dem Menschlichen in all seinen historischen und kulturellen Erscheinungsformen herstellt. «Das natürliche Sittengesetz antwortet so auf die Anforderung, die Menschenrechte vernünftig zu begründen, und es macht einen interkulturellen und interreligiösen Dialog möglich» (Internationale Theologenkommission, Auf der Suche nach einer universalen Ethik. Ein neuer Blick auf das natürliche Sittengesetz, 35).

Problemanzeige hinsichtlich des Naturrechts heute

21. Im Licht dessen, was die Kirche über die Jahrhunderte hin gelehrt hat, wenn es darum ging, die Beziehung zwischen dem Evangelium der Familie und der jedem Menschen gemeinsamen Erfahrung zu bedenken, können die vielfältigen Probleme betrachtet werden, welche im Hinblick auf das Thema des Naturrechts in den Antworten auf den Fragebogen hervorgehoben werden. In der überwiegenden Mehrheit der Antworten und Bemerkungen erscheint heute in den verschiedenen kulturellen Kontexten das Konzept des „Naturrechts” als solches sehr schwierig, wenn nicht gar unverständlich. Es handelt sich um einen Ausdruck, der verschieden interpretiert oder einfach nicht verstanden wird. Zahlreiche Bischofskonferenzen sehr unterschiedlichen Herkunft führen aus, dass zwar die bräutliche Dimension der Beziehung zwischen Mann und Frau allgemein als gelebte Realität angenommen, aber nicht entsprechend einem für alle gültigen universalen Gesetz interpretiert werde. Nur eine sehr kleine Zahl von Antworten und Bemerkungen hebt ein entsprechendes Verständnis dieses Gesetzes bei den Menschen hervor.

22. Aus den Antworten und Bemerkungen geht außerdem hervor, dass das Adjektiv „natürlich“ dazu neigt, manchmal im Sinne einer subjektiven Bedeutung als „spontan“ interpretiert zu werden. Die Menschen neigen dazu, das Gefühl und die Emotionalität stärker zu bewerten; diese Dimensionen erscheinen als „authentisch“ und „originär“ und es ist daher „natürlich“, sie zu befolgen. Die zugrundeliegenden anthropologischen Vorstellungen berufen sich einerseits auf die Autonomie der menschlichen Freiheit, die nicht notwendiger Weise an eine objektive natürliche Ordnung gebunden ist, und andererseits auf das menschliche Streben nach Glück, das als Verwirklichung der eigenen Wünsche verstanden wird. Von daher wird das Naturrecht als überwundenes Erbe empfunden. Heute stellt, nicht nur im Westen, sondern zunehmend in allen Teilen der Welt, die wissenschaftliche Forschung eine ernstzunehmende Herausforderung für die Vorstellung von Natur dar. Wenn sich die Evolution, die Biologie und die Neurowissenschaft mit der traditionellen Idee des Naturrechtes befassen, kommen sie zu dem Schluss, dass es nicht „wissenschaftlich“ ist.

23. Auch der Begriff der Menschenrechte wird allgemein als ein Verweis auf die Selbstbestimmung des Subjektes verstanden, nicht mehr als in der Idee des Naturrechts verwurzelt. Diesbezüglich weisen viele darauf hin, dass die Gesetzgebung in zahlreichen Ländern damit beschäftigt ist, Situationen zu regeln, die im Gegensatz zu traditionellen Bestimmungen des Naturrechts stehen (zum Beispiel die In-vitro-Fertilisation, die gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, die Manipulationen am menschlichen Embryo, die Abtreibung, usw.). In diesem Zusammenhang stößt man auf die wachsende Verbreitung der als gender theory bezeichneten Ideologie, entsprechend der das gender jedes Individuums nur das Ergebnis von Bedingungen und sozialen Bedürfnissen ist. Auf diese Weise hört es auf, eine Entsprechung in der biologisch bedingten Sexualität zu haben.

24. Darüber hinaus wird vielfach darauf hingewiesen, dass das, was vom staatlichen Gesetz – das immer mehr vom Positivismus bestimmt wird – geregelt wird, in der allgemeinen Mentalität auch moralisch akzeptabel wird. Das, was „natürlich“ ist, wird zunehmend nur vom Individuum und von der Gesellschaft bestimmt, den einzigen Richtern über die ethischen Entscheidungen. Die Relativierung des Begriffs „Natur“ spiegelt sich auch im Begriff der stabilen „Dauer“ in Bezug auf die eheliche Beziehung wieder. Heute wird eine Liebe „für immer“ nur im Zusammenhang dessen verstanden, wie lange sie tatsächlich dauern kann.

25. Einerseits stehen wir vor dem Verlust der Bedeutung von „Naturrecht“. Andererseits aber heben verschiedene Bischofskonferenzen aus Afrika, Ozeanien und Ostasien hervor, dass in einigen Regionen die Polygamie als „natürlich“ empfunden wird, so wie es auch „natürlich“ ist, jene Frau zurückzuweisen, die nicht in der Lage ist, ihrem Mann Kinder – oder männliche Kinder – zu schenken. Mit anderen Worten scheint das Naturrecht von der gegenwärtigen Kultur nicht mehr als universal empfunden zu werden, da kein gemeinsames Bezugssystem mehr besteht.

26. Aus den Antworten geht die allgemeine Überzeugung hervor, dass die tatsächliche Unterscheidung der Geschlechter eine natürliche Grundlage im Sein des Menschen hat. Auf Grund der Tradition, der Kultur und der Institutionen besteht der Wunsch, die Gemeinschaft von Mann und Frau zu bewahren. Das Naturrecht wird also „faktisch“ von den Gläubigen allgemein angenommen, auch ohne die Notwendigkeit einer theoretischen Begründung. Da die schwindende Bedeutung des Naturrechts dazu neigt, das Band zwischen Liebe, Sexualität und Fruchtbarkeit, die als Wesen der Ehe verstanden werden, zu lockern, werden viele Aspekte der Sexualmoral der Kirche heute nicht mehr verstanden. Darauf bezieht sich auch eine gewisse Kritik des Naturrechts von Seiten einiger Theologen.

Praktische Opposition gegen das Naturrecht bezüglich der Verbindung von Mann und Frau

27. Ausgehend davon, dass heute im akademischen Bereich selten auf das Naturrecht Bezug genommen wird, liegt die größte Opposition in der hohen Scheidungsrate, in der Empfängnisverhütung, in der künstlichen Befruchtung, in den gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften. Bei den ärmeren und weniger vom westlichen Gedankengut beeinflussten Völkern – besonders gilt dies für einige afrikanische Staaten – werden andere Widersprüche gegen dieses Gesetz festgestellt wie das Phänomen des machismo, der Polygamie, der Ehen unter Minderjährigen, der Scheidung wegen Unfruchtbarkeit, oder wegen des Mangels an männlichen Nachkommen, aber auch des Inzests und andere abweichende Praktiken.

28. In fast allen Antworten, einschließlich der Bemerkungen wird die wachsende Zahl der „erweiterten“ Familien festgestellt welche, vor allem durch das Vorhandensein von Kindern von verschiedenen Partnern zustande kommen. In der westlichen Gesellschaft gibt es inzwischen auch zahlreiche Fälle, in denen die Kinder nicht nur bei getrennt lebenden oder geschiedenen Eltern, die wiederverheiratet sind oder nicht, leben, sondern auch bei Großeltern, die sich in der gleichen Situation befinden. Darüber hinaus wurde, besonders in Europa und Nordamerika (aber auch in den westasiatischen Ländern) eine rasch wachsende Zahl ehelicher Gemeinschaften festgestellt, die nicht offen sind für die Weitergabe des Lebens, sowie von Einzelnen, die ihr Leben als Singles organisieren. Auch die Einelternfamilien sind in deutlichem Wachstum. In den gleichen Kontinenten lässt sich auch ein rapid ansteigendes Heiratsalter feststellen. Vielfach, besonders in Nordeuropa und Nordamerika werden die Kinder als ein Hindernis für den Wohlstand des Einzelnen und des Paares betrachtet.

29. Einer Erwähnung wert ist auch die vor allen in einigen Bereichen Asiens bestehende Bestrebung, im staatlichen Bereich so genannte Vielpersonenverbindungen zwischen Personen verschiedenen Geschlechts und geschlechtlicher Orientierung anzuerkennen, die nur an den eigenen Bedürfnissen und Notwendigkeiten ausgerichtet sind. Zusammenfassend geht die Tendenz dahin, die individuelle Freiheit ohne Kompromiss zu unterstreichen: die Menschen „schaffen“ sich, allein auf der Grundlage der eigenen Wünsche. Das, von dem man meint, dass es immer natürlicher wird, ist vor allen Dingen die Selbstbezüglichkeit wenn es darum geht, die eigenen Bedürfnisse und Wünsche zu leben. Dazu tragen stark der ununterbrochene Einfluss der Massenmedien sowie der Lebensstil bei, den bestimmte Persönlichkeiten aus Sport und Film zur Schau stellen. Diese Aspekte bleiben auch in den Ländern nicht ohne Einfluss, in denen die traditionelle Familienkultur mehr Bestand zu haben scheint (Afrika, mittlerer Orient, Südasien).

Wünschenswerte Erneuerung der Sprache

30. Das Erfordernis, das dem traditionellen Gebrach des Begriffs Naturrecht zu Grunde liegt, drängt dazu, den Sprachgebrauch und den Bezugsrahmen zu verbessern, damit die Werte des Evangeliums dem Menschen von heute verständlich vermittelt werden können. Aus der großen Mehrheit der Antworten und noch mehr aus den Bemerkungen geht die Notwendigkeit hervor, entschieden mehr Nachdruck auf die Rolle des Wortes Gottes als herausragendes Mittel in der Konzeption des Ehe- und Familienlebens, zu legen. Stärkere Bezüge auf die biblische Welt, ihre Sprache und ihre Erzählformen werden empfohlen. In diesem Zusammenhang ist es sinnvoll, den Vorschlag zu unterstreichen, die biblisch inspirierte Vorstellung von der Schöpfungsordnung zu thematisieren und zu vertiefen. Darin könnte eine Möglichkeit liegen, in einer existentiell bedeutenderen Weise der Bedeutung des Naturrechts auf die Spur zu kommen (vgl. die Idee des ins Herz geschriebenen Gesetzes Röm 1,19-21 und 2,14-15). Auch das Bestehen auf eine zugängliche Sprache, wie z.B. die in der Liturgie verwandte Symbolsprache, wird erwähnt. Darüber hinaus wird eine Aufmerksamkeit auf die Welt der Jugendlichen empfohlen, die auch im Hinblick auf diese Themen als direkter Gesprächspartner anzunehmen ist.

 

Kapitel IV
Die Familie und die Berufung des Menschen in Christus

Die Heilige Familie, die Person und die Gesellschaft

31. Im Volk Gottes wird die Familie als in ein unschätzbares Gut anerkannt, als natürliches Umfeld für das Wachstum des Lebens, als Schule der Menschlichkeit, der Liebe und der Hoffnung für die Gesellschaft. Sie bleibt weiterhin der bevorzugte Ort, an dem Christus das Geheimnis und die Berufung des Menschen offenbart. Neben der allgemein geteilten Bestätigung dieser Grundtatsache, hebt die große Mehrzahl der Antworten hervor, dass die Familie dieser bevorzugte Ort sein kann und lässt dabei durchblicken, wenn es nicht manchmal ausdrücklich gesagt wird, dass eine besorgniserregende Distanz besteht zwischen der Familie, wie sie heute lebt und der diesbezüglichen Lehre der Kirche. Objektiv befindet sich die Familie in einer schwierigen Lage, inmitten komplexer Wirklichkeiten, Geschichten und Leiden, welche einen barmherzigen und verständnisvollen Zugang erfordern. Dieser Zugang ist es, welcher es der  Kirche ermöglicht, die Familien, so wie sie wirklich sind, zu begleiten, und von da her das Evangelium der Familie entsprechend ihren besonderen Erfordernissen zu verkünden.

32. In den Antworten wird anerkannt, dass die Familie innerhalb der Gesellschaft über viele Jahrhunderte eine wichtige Rolle gespielt hat: sie ist nämlich der erste Ort, an dem sich der Mensch in der Gesellschaft und für die Gesellschaft bildet. Sie ist als natürlicher Ort der Entwicklung der Person anerkannt, und daher auch als Grundlage der Gesellschaft und des Staates. Zusammenfassend wird sie als „erste menschliche Gesellschaft“ bezeichnet. Die Familie ist der Ort, wo Werte wie Geschwisterlichkeit, Aufrichtigkeit, Liebe zur Wahrheit und zur Arbeit, der Respekt und die Solidarität unter den Generationen, sowie die Kunst der Kommunikation und der Freude vermittelt und von den ersten Lebensjahren an gelernt werden können. Sie ist der bevorzugte Ort, wo die Rechte des Mannes und der Frau gelebt und gefördert werden. Die auf der Ehe gegründete Familie stellt das Umfeld einer umfassenden Bildung der zukünftigen Bürger eines Landes dar.

33. Eine der großen Herausforderungen der Familie heute besteht im Versuch, sie zu privatisieren. Es besteht die Gefahr zu vergessen, dass die Familie „die grundlegende Zelle der Gesellschaft ist, der Ort, wo man lernt, in der Verschiedenheit zusammenzuleben und anderen zu gehören“ (EG 66). Es geht darum, eine offene Vorstellung der Familie als Quelle sozialer Werte, d.h. wesentlicher Tugenden für das gemeinsame Leben, zu entwickeln. In der Familie lernt man, was das Gemeinwohl ist, denn in ihr kann man die Schönheit des Zusammenlebens erfahren. Ohne die Familie kann der Mensch nicht aus seinem Egoismus heraustreten, denn nur in ihr lernt man die Kraft der Liebe, die ein Leben trägt. „Ohne eine verlässliche Liebe könnte nichts die Menschen wirklich geeint halten. Die Einheit zwischen ihnen wäre nur denkbar als eine Einheit, die auf Nützlichkeit, auf die Zusammenlegung der Interessen oder auf Angst gegründet ist, aber nicht auf das Gut des Miteinanders und auf die Freude, die die bloße Gegenwart des anderen hervorrufen kann“ (, LF 51).

34. Es ist an der Zeit, darüber nachzudenken, was es heute heißt, eine Pastoral fördern zu wollen, die in der Lage ist, die Beteiligung der Familie in der Gesellschaft anzuregen. Die Familien sind nicht nur Objekt des staatlichen Schutzes, sondern müssen ihre Rolle als soziale Subjekte wieder gewinnen. In diesem Zusammenhang stehen die Familien vor vielen Herausforderungen: die Beziehung zwischen der Familie und der Welt der Arbeit, zwischen Familie und Erziehung, zwischen Familie und Gesundheitswesen; die Fähigkeit, die Generationen auf eine Weise untereinander zu einen, dass die Jugendlichen und die Alten nicht sich selbst überlassen werden; die Entwicklung eines Familienrechts, das der besonderen Beziehungen in der Familie Rechnung trägt; die Förderung gerechter Gesetze, wie derjenigen, die den Schutz des menschlichen Lebens von der Empfängnis an garantieren und solcher, welche die soziale Nützlichkeit der echten Ehe zwischen Mann und Frau fördern.

Nach dem Bild des Lebens der Dreifaltigkeit

35. Eine gewisse Zahl von Antworten hebt das Bild der Dreifaltigkeit hervor, das sich in der Familie widerspiegelt. Die Erfahrung der gegenseitigen Liebe der Eheleute hilft dabei, das Leben der Dreifaltigkeit als Liebe zu verstehen: durch die in der Familie gelebte Gemeinschaft können die Kinder ein Bild der Dreifaltigkeit erkennen. Kürzlich hat der Heilige Vater bei seiner Katechese über die Sakramente daran erinnert: „Wenn ein Mann und eine Frau das Sakrament der Ehe feiern, dann spiegelt Gott sich sozusagen in ihnen wider, prägt in sie die eigenen Züge und den unauslöschlichen Charakter seiner Liebe ein. Die Ehe ist das Bild der Liebe Gottes zu uns. Denn auch Gott ist Gemeinschaft: Die drei Personen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes leben seit jeher und für immer in vollkommener Einheit. Und eben das ist das Geheimnis der Ehe: Gott macht aus den beiden Eheleuten eine einzige Existenz“ (Generalaudienz am 2. April 2014).

Die Heilige Familie von Nazareth und die Erziehung zur Liebe

36. Fast einhellig wird in den Antworten die Bedeutung der Familie von Nazareth als Modell und Beispiel der christlichen Familie unterstrichen. Das Geheimnis der Menschwerdung des Wortes im Schoß einer Familie offenbart uns, dass sie ein bevorzugter Ort der Offenbarung Gottes an den Menschen ist. Tatsächlich wird anerkannt, dass die Familie der normale und alltägliche Ort der Begegnung mit Christus ist. Das christliche Volk schaut auf die Familie von Nazareth als Beispiel der Beziehung und der Liebe, als Bezugspunkt für jede familiäre Realität und als Trost in der Bedrängnis. Die Kirche wendet sich an die Familie von Nazareth, um ihr die Familien in ihren konkreten Realitäten der Freude, der Hoffnung und des Schmerzes anzuvertrauen.

37. In den eingegangenen Antworten wird die Bedeutung der in der Familie gelebten Liebe hervorgehoben. Sie wird als wirksames „Zeichen der lebendigen Liebe Gottes“, sowie als „Heiligtum des Lebens und der Liebe“ bezeichnet. Die erste Erfahrung von Liebe und Beziehung ereignet sich in der Familie: es wird die Notwendigkeit unterstrichen, dass jedes Kind in der Wärme und in der schützenden Sorge der Eltern leben kann, in einem Haus, in dem der Friede wohnt. Die Kinder müssen spüren können, dass Jesus bei ihnen ist und sie nie allein sind. Die Einsamkeit der Kinder auf Grund der Lockerung familiärer Beziehungen besteht besonders in einigen Regionen der Erde. Auch die Strafen müssen darauf abzielen, dass sichergestellt wird, dass die Kinder in einem familiären Umfeld heranwachsen können, wo die Liebe gelebt wird und die Eltern ihre Berufung verwirklichen, Mitarbeiter Gottes in der Entwicklung der Menschheitsfamilie zu sein.

38. Mit Nachdruck wird der formative Wert unterstrichen, die die in der Familie gelebte Liebe nicht nur für die Kinder, sondern für alle ihre Glieder hat. So wird die Familie bezeichnet als „Schule der Liebe“, „Schule der Gemeinschaft“, „Übungsfeld für Beziehungen“, als herausragender Ort, an dem man lernt, echte Beziehungen zu knüpfen, welche der Entwicklung des Menschen bis hin zur Fähigkeit der Selbsthingabe helfen. Einige Antworten heben hervor, dass die Kenntnis des Geheimnisses und der Berufung der menschlichen Person mit der Anerkennung und der Annahme der verschiedenen Gaben und Fähigkeiten jedes Einzelnen in der Familie zusammenhängt. Hieraus geht die Idee der Familie als „erste Schule der Menschlichkeit“ hervor: darin ist sie unersetzlich.

Verschiedenheit, Gegenseitigkeit und Stil des Familienlebens

39. Die Rolle der Eltern als erste Erzieher im Glauben wird als vital und wesentlich angesehen. Nicht selten wird der Schwerpunkt auf das Zeugnis ihrer Treue und besonders auf die Schönheit ihrer Verschiedenheit gelegt. Manchmal wird lediglich die Wichtigkeit der verschiedenen Rollen von Vater und Mutter betont. In anderen Fällen werden das Positive ihrer Freiheit, der Gleichheit von Mann und Frau und ihre Gegenseitigkeit wie auch die Notwendigkeit hervorgehoben, beide Eltern sowohl an der Erziehung der Kinder als auch bei den Hausarbeiten zu beteiligen. Dies findet sich in einigen Antworten, besonders in denjenigen aus Europa.

40. Im Bezug auf die Verschiedenheit wird manchmal auch der Reichtum der Unterschiede zwischen den Generationen unterstrichen, wie sie in der Familie erfahrbar sind, innerhalb derer man entscheidende Momente wie Geburt und Tod, Erfolge und Misserfolge, erreichte Ziele und Enttäuschungen, erlebt. Durch diese und andere Ereignisse wird die Familie zu dem Ort, am dem die Kinder im Respekt vor dem Leben wachsen, in der Ausbildung ihrer Persönlichkeit, durch die verschiedenen Stadien des Daseins hindurch.

41. Beharrlich wird in den Antworten die Bedeutung des mitgeteilten Glaubens unterstrichen. Er muss bei den Eltern zum Ausdruck kommen, angefangen vom Stil ihres Lebens als Paar und in ihrer Beziehung zu ihren Kindern, aber auch durch die Mitteilung ihrer Kenntnis und ihres Bewusstseins Christi, der – wie immer wiederholt wird – im Zentrum der Familie stehen muss. Auf diese Weise können die Eltern im Kontext einer pluralen Gesellschaft ihren Kindern eine grundlegende Orientierung für ihr Leben geben, die sie auch nach der Kindheit tragen kann. Daher wird die Notwendigkeit betont, Zeiten und Orte zu schaffen, um in der Familie zusammen zu sein sowie das Erfordernis einer offenen und aufrichtigen Kommunikation in einem beständigen Dialog.

42. Einstimmig wird die Wichtigkeit des Gebetes in der Familie, der Hauskirche, (vgl. LG 11) unterstrichen, wo es gilt, eine echte „Kultur des Familiengebetes“ zu pflegen. Die echte Kenntnis Jesu Christi wird ja in der Familie durch das persönliche Gebet und besonders durch das Familiengebet gefördert, je nach den spezifischen Formen und den Hausbräuchen, welche als wirksames Mittel für die Weitergabe des Glaubens an die Kinder betrachtet werden. Großer Wert wird auch auf die gemeinsame Schriftlesung gelegt, aber auch auf andere Formen des Gebetes, wie das Tischgebet und den Rosenkranz. Zugleich wird aber betont, dass die Hauskirche Familie die Gemeinschaft der Pfarrei nicht ersetzen kann; darüber hinaus wird die Bedeutung der Teilnahme der Familie am sakramentalen Leben, an der sonntäglichen Eucharistiefeier und an den Sakramente der christlichen Initiation unterstrichen. In einigen Antworten wird auch die Bedeutung des Bußsakramentes und der Marienverehrung hervorgehoben.

Familie und umfassende Entwicklung

43. Des Weiteren wird die Bedeutung der Familie für die umfassende Entwicklung hervorgehoben: die Familie ist grundlegend im Hinblick auf jene affektiven und kognitiven Prozesse, die für die Strukturierung der Person entscheidend sind. Als lebendiges Umfeld, in dem sich die Person formt, ist die Familie auch die Quelle, aus der das Bewusstsein geschöpft wird, Kinder Gottes und daher zur Liebe berufen zu sein. Auch andere Umstände, wie das soziale Zusammenleben, die Welt der Arbeit, die Politik, das kirchliche Leben, tragen zum Wachstum der Person bei; es wird allerdings anerkannt, dass die in der Familie angeeigneten menschlichen Grundlagen es erlauben, auf weitere Ebenen der Sozialisierung und der Strukturierung vorzudringen.

44. Wie viele Antworten anmerken, ist die Familie täglich mit vielen Schwierigkeiten und Problemen konfrontiert. Eine christliche Familie zu sein, bringt nicht automatisch die Immunität gegenüber manchmal tiefen Krisen mit sich, durch welche die Familie selber aber wachsen kann und es auf diese Weise, mit der Unterstützung pastoraler Begleitung, erreicht, ihre ursprüngliche Berufung im Plan Gottes zu erkennen. Die Familie ist eine schon „gegebene“ und von Christus gesicherte Realität. Gemeinsam ist sie jeden Tag mit Geduld, Verständnis und Liebe „aufzubauen“.

Den neuen Wunsch nach Familie und die Krisen begleiten

45. Ein wichtiges Ergebnis, das aus den Antworten hervorgeht, ist, dass auch angesichts sehr schwieriger Situationen viele Menschen, vor allem junge, dem Wert des stabilen und dauerhaftes Bandes erkennen. Es handelt sich hier um eine echte Sehnsucht nach Ehe und Familie, in denen eine treue und unauflösliche Liebe gelebt werden können, die für das menschliche und geistliche Wachstum Ausgeglichenheit gewährleistet. Der „Wunsch nach Familie“ stellt sich als ein echtes Zeichen der Zeit dar, das es als pastorale Möglichkeit anzunehmen gilt.

46. Es ist notwendig, dass sich die Kirche der Familien annimmt, die in der Krise oder im Stress leben; dass die Familie während des ganzes Lebenszyklus begleitet wird. Die Qualität der Beziehungen innerhalb der Familie muss eine der Hauptsorgen der Kirche sein. Die erste Unterstützung ereignet sich in einer Pfarrei, die als Familie von Familien lebt, die das zentrale Prinzip einer erneuerten Pastoral darstellen, welche als Aufnahme und Begleitung gestaltet wird, und in der Barmherzigkeit und Zärtlichkeit gelebt werden. Auf die Wichtigkeit pfarrlicher Organisationen zur Unterstützung der Familien wird hingewiesen.

47. In einigen Fällen besteht darüber hinaus die dringende Notwendigkeit, Situationen zu begleiten, in denen die familiären Bande durch häusliche Gewalt bedroht sind. Das unterstützende Eingreifen soll zum Ziel haben, die erlittenen Wunden zu heilen, und die Ursachen zu beseitigen, die sie hervorgerufen haben. Wo Missbrauch, Gewalt und Verlassen vorherrschen, kann es weder Wachstum noch irgendein Erkennen des eigenen Wertes geben.

48. Schließlich wird die Bedeutung der engen Zusammenarbeit zwischen den Familien/Häusern und der Pfarrei in der Sendung der Evangelisierung genauso unterstrichen wie die Notwendigkeit der aktiven Beteiligung der Familien am pfarrlichen Leben durch subsidiäre Tätigkeiten und Solidarität zum Wohl anderer Familien. Diesbezüglich wird die wertvolle Hilfe von Familiengemeinschaften erwähnt. Im Hinblick auf die Unterstützung kann auch die Zugehörigkeit zu Bewegungen und Vereinigungen von besonderer Bedeutung sein.

Eine beständige Ausbildung

49. Mit großer Häufigkeit wird die Notwendigkeit einer Familienpastoral unterstrichen, welche auf eine beständige und systematische Ausbildung im Hinblick auf den Wert der Ehe als Berufung und die Wiederentdeckung der Elternschaft (Vaterschaft und Mutterschaft) als Gabe abzielt. Die Begleitung des Paares darf sich nicht auf die Ehevorbereitung beschränken. Diesbezüglich wird – darüber hinaus – auch die Notwendigkeit unterstrichen, die Art und Weise zu überdenken. Das Bedürfnis einer beständigeren und gezielteren Bildung wird dagegen hervorgehoben: und zwar in biblischer, theologischer, spiritueller, aber auch menschlicher und existentieller Hinsicht. Es wird an die Notwendigkeit erinnert, dass die Katechese eine intergenerationale Dimension annehmen soll, indem die Eltern aktiv am Weg der christlichen Initiation ihrer Kinder beteiligt werden. In einigen Antworten wird auf eine besondere Pflege der liturgischen Feste hingewiesen, wie etwa die Weihnachtszeit und vor allem das Fest der Heiligen Familie. Dies sind wertvolle Gelegenheiten, um die Bedeutung der Familie zu zeigen und den menschlichen Kontext zu erfassen, in dem Jesus aufgewachsen ist, in dem er gelernt hat, zu sprechen, zu lieben, zu beten und zu arbeiten. Es wird empfohlen, da wo es möglich ist, auch von staatlicher Seite, den Sonntag als Tag des Herrn zu bewahren; als Tag, an dem die Begegnung in der Familie und mit anderen Familien gefördert wird.

II. TEIL
DIE FAMILIENPASTORAL ANGESICHTS
NEUER HERAUSFORDERUNGEN

Kapitel I
Die Familienpastoral: bestehende Möglichkeiten

Die Verantwortung der Hirten und charismatische Gaben in der Familienpastoral

50. Im pastoralen Einsatz für die Familie ist eine interessante Gegenseitigkeit zwischen der Verantwortung der Hirten und den verschiedenen Charismen und Diensten in der kirchlichen Gemeinschaft zu beobachten. Wenn es zu dieser Synergie kommt, werden die positivsten Erfahrungen gemacht. Angesichts des Einsatzes vieler Schwestern und Brüder in der Familienpastoral werden neue Formen der wirksamen Gegenwart der Kirche vorstellbar, die den Mut hat, „aus sich heraus zu gehen“, weil sie vom Geist beseelt ist. Um diesen Reichtum darzustellen, konzentrieren wir uns auf einige Themen, und stellen die verschiedenen Initiativen und die Modalitäten vor, die in den eingegangenen Antworten erwähnt werden.

Die Ehevorbereitung

51. Im Hinblick auf die Ehevorbereitung kommen aus den unterschiedlichen Kontinenten sehr ähnliche Antworten. Es gibt häufig Kurse in den Pfarreien, Seminare und Einkehrtage für Paare, bei denen neben den Priestern auch verheiratete Paare mit konsolidierter Erfahrung im Bereich der Familie mitwirken. Die Ziele dieser Kurse sind: die Förderung der Beziehung des Paares im Bewusstsein und der Freiheit der Wahl; die Kenntnis der menschlichen, bürgerlichen und christlichen Verpflichtungen; die Wiederaufnahme der Katechese der Initiation mit einer Vertiefung über das Ehesakrament; die Ermutigung des Paares zur Teilnahme am gemeinschaftlichen und sozialen Leben.

52. Einige Antworten bemerken, dass die Brautleute in vielen Fällen diesen Kursen wenig Beachtung schenken. Vielfach versucht man deshalb, eine differenzierte Katechese zu fördern: für die Jugendlichen, auch vor der Verlobung; für die Eltern der Brautleute; für schon verheiratete Paare; für getrennt Lebende; zur Vorbereitung auf die Taufe; für die Kenntnis der pastoralen Dokumente der Bischöfe und des Lehramtes der Kirche. In einigen Ländern gibt es richtiggehende Schulen für die Vorbereitung auf das Eheleben, die vor allen Dingen auf den Unterricht und die Förderung der Frau ausgerichtet sind. Anders sieht es in den Gegenden aus, in denen eine starke Säkularisierung herrscht, und wo man eine wachsende kulturelle Distanz der Paare von der Lehre der Kirche feststellt. Die besonders langen Kurse werden nicht immer gut angenommen. In den Ehevorbereitungskursen werden die Brautleute normalerweise mit den Methoden der natürlichen Regelung der Fruchtbarkeit vertraut gemacht. Dieser Vorschlag wird dem Zeugnis eines Paares anvertraut.

53. Einige Bischofskonferenzen beklagen, dass die Paare sich erst im letzten Moment melden, wenn der Termin der Hochzeit schon feststeht. Dies auch dann, wenn im konkreten Fall besondere Aufmerksamkeit erforderlich wäre, wie zum Beispiel bei der Kultusverschiedenheit (ein getaufter, ein ungetaufter Partner) oder bei einer schwachen christlichen Bildung. Andere Bischofskonferenzen erinnern daran, dass die Ehevorbereitung in den letzten Jahrzehnten verbessert wurde und man immer mehr versucht, aus den Kursen Wegstrecken zu machen, an denen Priester und Brautleute beteiligt werden. Es wird hervorgehoben, dass die Inhalte der Kurse in den letzten Jahren eine entscheidende Veränderung erfahren haben: von einem Programm, das nur auf das Sakrament zielte, ist man zu einer Erstverkündigung des Glaubens übergegangen.

54. In vielen Teilen der Welt gibt es lobenswerte Initiativen der Ehevorbereitung: „neue Gemeinschaften“ fördern Einkehrtage, persönliche Treffen, Gebetsgruppen, Gruppen zum Studium und zum Austausch, Wallfahrten, Festival, nationale und internationale Kongresse der Familie.Es wird aber dennoch festgestellt, dass diese Vorbereitungsveranstaltungen häufig als Pflicht-veranstaltungen empfunden werden und nicht als eine frei zu ergreifende Möglichkeit des Wachstums. Ein weiterer wichtiger Moment ist sicher das Ehevorbereitungsgespräch mit dem Pfarrer oder seinem Beauftragten, das für alle Brautpaare eine Notwendigkeit ist. Oft beklagen es die Antworten, dass dieser Moment nicht ausreichend als Gelegenheit für eine vertiefte Diskussion genutzt wird, sondern eher eine rein formale Veranstaltung bleibt.

55. In vielen Antworten wird berichtet, dass versucht wird, in den Kursen neue Themen vorzuschlagen, wie etwa die Fähigkeit, dem Partner zuzuhören, das eheliche Sexualleben, die Konfliktlösung. In einigen Kontexten, die von vorwiegend maskulinen kulturellen Traditionen geprägt sind, wird der fehlende Respekt gegenüber der Frau festgestellt, was dazu führt, dass die konkrete Ehe in einer Weise gelebt wird, welche der Gegenseitigkeit zwischen zwei gleich würdigen Subjekten nicht entspricht. Aus einigen Bereichen, die in der Vergangenheit von atheistischen Diktaturen beherrscht wurden, und in denen häufig die fundamentalen Kenntnisse des Glaubens fehlen, werden neue Formen der Vorbereitung der Brautleute berichtet, wie Einkehrtage an den Wochenenden, Aktivitäten in kleinen Gruppen, in die Zeugnisse verheirateter Paare integriert werden. Es gibt auch diözesane Familientage, sowie Kreuzwege und Exerzitien für die Familien.

56. Einige Antworten heben hervor, dass es in manchen vor allem multireligiösen und multikonfessionellen Gebieten einige besondere Aspekte zu berücksichtigen gilt, wie etwa die beachtliche Zahl an Mischehen oder Ehen mit Kultusverschiedenheit. Das erfordert eine entsprechende Vorbereitung der Priester, um diese Paare begleiten zu können. In den osteuropäischen Diözesen sucht man im Hinblick auf die Vorbereitung der Mischehen das Gespräch mit den orthodoxen Kirchen. Es gibt interessante Zeugnisse, die von Diözesantagen berichten, mit der Anwesenheit des Bischofs und dem Zeugnis von Paaren, die reif im Glauben sind. Man versucht, Gelegenheiten zu schaffen, um Familien in Beziehung zu bringen, mit den älteren Paaren ins Gespräch zu kommen, Initiativen im Bereich der biblischen Kultur und Möglichkeiten des Gebetes für die Brautleute wertzuschätzen. Reifere Paare sind „Paten“ für die jüngeren Paare, die sich auf die Ehe vorbereiten.

Volksfrömmigkeit und Familienspiritualität

57. Aus den eingegangenen Antworten geht die Notwendigkeit hervor, zur Unterstützung der Familie die verschiedenen Formen der Volksfrömmigkeit, wie sie in den Kontinenten verbreitet sind, zu bewahren und zu fördern. Ungeachtet dessen, dass Familien auseinanderfallen, haben die Marienverehrung, die Feste der Gemeinschaft, der Heiligen des Ortes als Gelegenheiten, welche die Familie zusammenführen, ihre Bedeutung. Neben dem Gebet des Rosenkranzes ist in einigen Gegenden auch der Angelus üblich; eine gewisse Bedeutung hat die peregrinatio Mariae, das Weitergeben einer Ikone oder Statue der Madonna von einer Familie zur anderen, von einem Haus zum anderen. Der Wert der „Pilgerschaft des Evangeliums“ ist immer noch in Erinnerung. Hier werden eine Ikone und die Heilige Schrift in der Familie mit der Verpflichtung aufgestellt, für eine bestimmte Zeit regelmäßig gemeinsam die Bibel zu lesen und zu beten. Es wird festgestellt, dass sich zwischen den Familien, welche diese Frömmigkeitsformen oder die „Familienwallfahrt“ praktizieren, starke Beziehungen der Freundschaft und der Gemeinschaft wachsen. Viele weisen auch auf die Wichtigkeit hin, das gemeinsame Stundengebet, die Lesung der Psalmen und anderer Texte der Heiligen Schrift, zu fördern. Manchmal wird auch das spontane, mit eigenen Worten verrichtete Gebet des Dankes oder der Vergebung empfohlen. In einigen Ländern wird das Gebet für die verschiedenen Lebensumstände hervorgehoben: aus Anlass des Jahrestages der Taufe, der Hochzeit und des Todes. Mancher weist darauf hin, dass das Gebet in der Familie häufig auf Reisen, während der Arbeit oder in der Schule verrichtet wird. In manchen Ländern werden dabei Radio oder Fernsehen verwendet. Schließlich wird auch auf den hilfreichen Beitrag verwiesen, den die Familien durch nahe gelegene Klöster erhalten. Dadurch wird eine Beziehung der Komplementarität zwischen den Berufungen zur Ehe und zum Ordensleben hergestellt. Gleiches gilt auch für die Beziehung zwischen Eheleuten und Priestern in ihren jeweiligen Funktionen.

Die Unterstützung der Familienspiritualität

58. Viele Bischofskonferenzen haben Zeugnis darüber abgelegt, wie die Teilkirchen durch ihre Pastoral die Spiritualität der Familie unterstützen. Von den geistlichen Bewegungen geht in unserer Zeit ein besonderer Beitrag zur Förderung einer authentischen und wirksamen Familienpastoral aus. In den Gemeinschaften der Christen lassen sich sehr unterschiedliche kirchliche Situationen und differenzierte Zugehensweisen feststellen. Was deutlich wird, ist die Tatsache, dass die Teilkirchen hier wirkliche Ressourcen finden müssen, nicht nur um vereinzelte Initiativen für die Paare zu fördern, sondern um Maßnahmen der Familienpastoral zu entwickeln, die unserer Zeit entsprechen. Einige Beiträge haben hervorgehoben, wie es in vielen Diözesen gelingt, spezielle Programme zu fördern, eine Fortbildung für Paare, die in der Lage sind, andere Paare zu unterstützen und eine Reihe von Initiativen, um eine echte Familienpastoral zu fördern. Manche merken an, dass die Gemeinden vor Ort, die Bewegungen, und die religiösen Vereine zu selbstreferenziell sind und in der Gefahr stehen, in den Dynamiken der Pfarrei oder des Vereins stecken zu bleiben. Daher ist es wichtig, dass diese Realitäten den ganzen kirchlichen Horizont in missionarischer Perspektive im Blick behalten, um der Gefahr der Selbstbezüglichkeit zu entgehen. Die Familien, die zu diesen Gemeinschaften gehören, verrichten ein lebendiges Apostolat und haben viele andere Familien evangelisiert. Ihre Mitglieder haben ein glaubwürdiges Zeugnis für ein treues Eheleben, gegenseitige Wertschätzung und Einheit, Offenheit für das Leben abgelegt.

Das Zeugnis der Schönheit der Familie

59. Eine Schlüsselpunkt für eine authentische und wirksame Familienpastoral scheint schließlich das Zeugnis des Paares zu sein. Dieser Beitrag wurde in allen Antworten erwähnt. Wesentlich erscheint hier nicht nur ein mit den Prinzipien der christlichen Familie in Einklang stehendes Zeugnis, sondern auch ein Zeugnis der Schönheit und der Freude, die denjenigen geschenkt wird, die in Ehe und Familie die Verkündigung des Evangeliums annehmen. Auch in der Familienpastoral besteht das Bedürfnis, die via pulchritudinis zu gehen, d.h. den Weg den Zeugnisses, das voll ist von der Anziehungskraft einer im Licht des Evangeliums und in beständiger Einheit mit Gott gelebten Familie. Es geht darum, auch im Familienleben zu zeigen, dass „an ihn glauben und ihm nachfolgen nicht nur etwas Wahres und Gerechtes, sondern etwas Schönes ist, das sogar inmitten von Prüfungen das Leben mit neuem Glanz und tiefem Glück erfüllen kann“ (EG 167).

60.  Einige Bischofskonferenzen weisen darauf hin, dass unter den Jugendlichen, auch wenn in vielen Gegenden das Gelingen von Ehe und Familie nicht mehr selbstverständlich ist, dennoch eine hohe Wertschätzung gegenüber den Eheleuten zu beobachten ist, die auch nach vielen Ehejahren noch entschieden ein von Liebe und Treue geprägtes Leben führen. Auch deshalb feiert man in vielen Diözesen in Anwesenheit des Bischofs Jubiläen und Feste des Dankes für die Eheleute, die auf viele Ehejahre zurückblicken. In der gleichen Linie wird das besondere Zeugnis der Eheleute anerkannt, die ungeachtet der Probleme und Schwierigkeiten bei ihrem Partner bleiben.
 

Kapitel II
Die pastoralen Herausforderungen im Hinblick auf die Familie

61. In diesem Abschnitt werden die Antworten und Bemerkungen bezüglich der pastoralen Herausforderungen im Hinblick auf die Familien gesammelt. Diese werden in drei Grundfragen gegliedert: die Krise des Glaubens in ihrer Beziehung mit der Familie; interne und externe Herausforderungen; einige schwierige Situationen, die es mit einer Kultur des Individualismus und des Misstrauens gegen feste Bindungen zu tun haben.

a)  Die Krise des Glaubens und das Familienleben

Die pastorale Tätigkeit in der Glaubenskrise

62. Einige Antworten heben hervor, dass die Pfarrei oder die Kirche als solche dann nicht als Unterstützung erfahren werden, wenn der Glaube schwach oder in den Realitäten der Familie nicht vorhanden ist. Dies geschieht vermutlich auf Grund einer falschen und moralistisch verengten Wahrnehmung des kirchlichen Lebens, die ihren Grund im soziokulturellen Kontext hat, in dem wir leben, und in dem auch die Institution Familie als solche in der Krise ist. Die Idee der Familie wird als ein unerreichbares und frustrierendes Ziel angesehen, statt als Ziel eines möglichen Weges verstanden zu werden, auf dem man lernen kann, die eigene Berufung und Sendung zu leben. Wenn die Gläubigen dieses Auseinanderdriften bemerken, verwandeln sich die Krise zwischen den Partnern, in der Ehe oder in der Familie oft schrittweise zu einer Glaubenskrise. Es stellt sich daher die Frage, wie in diesen Fällen pastoral zu handeln ist: was ist zu tun, damit die Kirche in ihren unterschiedlichen pastoralen Handlungsfeldern in der Lage ist, sich um die Paare und Familien in Schwierigkeiten zu kümmern.

63. Eine Glaubenskrise – so stellen viele Antworten fest – kann ein Grund sein, das Scheitern festzustellen oder aber eine Gelegenheit, sich zu erneuern und dabei tiefere Gründe für eine Bestätigung der ehelichen Gemeinschaft zu entdecken. So können sich auch der Verlust von Werten oder gar das Auseinanderfallen der Familie in Gelegenheiten zur Festigung des ehelichen Bandes verwandeln. Um die Krise zu überwinden, kann die Unterstützung, die andere Familien geben, welche bereit sind, den schwierigen Weg des Paares in der Krise zu begleiten, eine Hilfe sein. Besonders wird die Notwendigkeit unterstrichen, dass die Pfarrei, als Familie von Familien, ihre Nähe anbietet.

b) Kritische Situationen innerhalb der Familie

Beziehungs- und Kommunikationsschwierigkeiten

64. Es gibt in den Antworten eine breite Übereinstimmung hinsichtlich der Tatsache, dass die Beziehungs- und Kommunikationsschwierigkeiten in der Familie ein bedeutender Knotenpunkt sind. Es wird verwiesen auf die unzureichende Fähigkeit bzw. manchmal auch Unfähigkeit, familiäre Bindungen aufzubauen, weil Spannungen und Konflikte zwischen den Eheleuten die Oberhand gewinnen. Diese haben ihren Grund im mangelnden gegenseitigen Vertrauen, in mangelnder Intimität, in der Beherrschung eines Ehegatten durch den anderen, aber auch in Konflikten unter den Generationen, zwischen Eltern und Kindern. Das Drama, das in diesen Situationen feststellbar ist, liegt im fortschreitenden Schwinden der Möglichkeit zum Dialog, von Zeiten und Orten für die Beziehung. Der mangelnde Austausch und die mangelnde und Kommunikation führen dazu, dass jeder seine Schwierigkeiten mit sich allein ausmacht, ohne je erfahren zu haben, geliebt zu sein oder seinerseits zu lieben. In einigen sozialen Umfeldern ist die mangelnde Erfahrung der Liebe häufig, besonders der väterlichen Liebe. Und das wiederum macht es schwierig, die Liebe Gottes und seine Väterlichkeit zu erfahren. Die Schwäche der Vaterfigur in vielen Familien bringt ein Ungleichgewicht im Kern der Familie mit sich sowie die Unsicherheit der Kinder im Hinblick auf ihre Identität. Ohne die tägliche Erfahrung einer bezeugten, gelebten und empfangenen Liebe wird die Entdeckung der Person Christi als Sohn Gottes und der Liebe Gottes des Vaters besonders schwierig.

Fragmentierung und Auflösung

65. Wenn auch in unterschiedlicher Weise, bezeugen die Antworten, dass es in vielen Zusammenhängen eine Fragmentierung und Auflösung vieler familiärer Realitäten gibt. Das Drama, das beständig an erster Stelle erwähnt wird, ist die Scheidung und die Trennung des Paares, die manchmal durch die Armut begünstigt wird. Unter den anderen kritischen Situationen werden erwähnt: erweiterte familiäre Realitäten, in denen es eine wachsende Zahl multipler Beziehungen gibt; Einelternfamilien (alleinerziehende oder jugendliche Mütter), aber auch nichteheliche Lebensgemeinschaften, aber auch gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften und ihr Kinderwunsch (vor allem in Europa und Nordamerika erwähnt). In bestimmten kulturellen Zusammenhängen wird mit Nachdruck auf die Polygamie als einen das Familiengeflecht auflösenden Faktor verwiesen. Dazu kommt die Abschließung der Familie vor dem Leben. Viele Bischofskonferenzen unterstreichen mit großer Sorge die weite Verbreitung der Abtreibung. Die vorherrschende Kultur scheint dem heranwachsenden Leben gegenüber aus vielen Gründen eine Kultur des Todes zu fördern. Wir stehen vor einer Kultur der Indifferenz angesichts des Lebens. Von Seiten der Staaten wird durch Gesetzgebungen, welche den Individualismus fördern, manchmal nicht zu einem entsprechenden Schutz der familiären Bande beigetragen. All das schafft bei den Menschen eine oberflächliche Mentalität im Hinblick auf Themen von entscheidender Bedeutung. Nicht wenige Beiträge unterstreichen, wie auch eine Verhütungsmentalität die familiären Beziehungen tatsächlich negativ prägt.

Gewalt und Missbrauch

66. Durchgehend und einstimmig ist in den Antworten auch die Bezugnahme auf psychische, physische und sexuelle Gewalt, sowie auf den in der Familie geschehenden Missbrauch, dessen Opfer in besonderer Weise Frauen und Kinder sind. Besonders in einigen Kontexten ist dieses Phänomen leider weder zufällig noch selten. Es wird auch an die furchtbare Erscheinung des Mädchenmordens erinnert, die oft verbunden ist mit Störungen der Beziehung und der Affekte und eine Konsequenz aus einer falschen Kultur des Besitzes darstellt. Es handelt sich hier um eine wirklich beunruhigende Tatsache, welche die ganze Gesellschaft und die Familienpastoral der Kirche angeht. Explizit erinnern einige geographische Regionen (Afrika, Asien, Ozeanien) an die sexuelle Promiskuität in der Familie und den Inzest, aber auch an die Pädophilie und den Kindesmissbrauch. Diesbezüglich wird auch der Autoritarismus der Eltern erwähnt, der sich in der mangelnden Sorge und Aufmerksamkeit für die Kinder ausdrückt. Die mangelnde Beachtung der Kinder verbindet sich mit ihrem Verlassen und mit dem wiederholt unterstrichenen Mangel des Sinns für die verantwortliche Elternschaft, wo es nicht nur abgelehnt wird, sich um die Kinder zu kümmern, sondern auch, sie zu erziehen; sie werden ganz und gar sich selbst überlassen.

67. Mehrere Bischofskonferenzen weisen aus das Drama des Kinderhandels und auf deren Ausnutzung hin. Diesbezüglich wird die Notwendigkeit hervorgehoben, der Plage des „Sextourismus“ und der Prostitution besondere Aufmerksamkeit zu schenken, durch die Minderjährige vor allen in Entwicklungsländern ausgenutzt werden, und die Ungleichgewichte innerhalb der Familien entstehen lassen. Es wird unterstrichen, wie sowohl die häusliche Gewalt in ihren vielen Facetten, als auch das Verlassen und die Auflösung der Familie in ihren verschiedenen Formen einen entscheidenden Einfluss auf das psychische Gleichgewicht der Person und daher auf das Glaubensleben haben, denn ein  psychologisches Trauma beeinflusst in negativer Weise das Bild, die Vorstellung und die Erfahrung Gottes und seiner Liebe.

 Abhängigkeiten, Medien und soziale Netzwerke

68. Unter den kritischen Situationen innerhalb der Familie werden beständig auch die Drogen- und Alkoholabhängigkeit erwähnt, aber auch die Abhängigkeit von der Pornographie, welche teilweise gemeinsam in der Familie konsumiert wird, vom Glücksspiel und Videospielen, vom Internet und den sozialen Netzwerken. Bezüglich der Medien wird einerseits häufig ihr negativer Einfluss auf die Familie unterstrichen, der besonders im Bild von Familie liegt, das sie verbreiten und in den Anti-Modellen, welche falsche und abweichende Werte vermitteln. Auf der anderen Seite werden die Beziehungsprobleme innerhalb der Familie hervorgehoben, welche die Medien, zusammen mit den sozialen Netzwerken und dem Internet verursachen. Tatsächlich können Fernsehen, Smartphone und Computer ein echtes Hindernis für den Dialog unter den Familienmitgliedern sein und fragmentierte Beziehungen sowie Entfremdung fördern: auch in der Familie geht der Trend immer mehr dahin, mittels Technik zu kommunizieren. So kann es dazu kommen, dass die Familienmitglieder eine virtuelle Beziehung leben, wo die Kommunikationsmittel und der Zugang zum Internet immer mehr an die Stelle der Beziehung treten. In dieser Hinsicht entsteht das Risiko der Auflösung und der Entzweiung in der Familie genauso wie die Möglichkeit, dass die virtuelle Welt zu einer echten Ersatzrealität wird (besonders in Europa, Nordamerika und Asien). In den Antworten findet sich immer wieder der Hinweis, dass auch die Freizeit der Familie von diesen Mitteln in Beschlag genommen wird.

69. Darüber hinaus wird im Bereich des Internets aus das wachsende Phänomen des Information overloading hingewiesen: die exponentielle Steigerung der empfangenen Information, der häufig nicht eine Verbesserung ihrer Qualität entspricht. Hinzukommt, dass es nicht immer möglich ist, die Vertrauenswürdigkeit der online verfügbaren Informationen zu überprüfen. Der technische Fortschritt ist weltweit eine Herausforderung für die Familie, in deren Innern er eine schnelle Wandlung des Lebens im Hinblick auf die Werte, die Beziehungen und die Gleichgewichte verursacht. Das kritische Potential erhöht sich aber da, wo in der Familie eine entsprechende Erziehung zum Gebrauch der Medien und der neuen Technologien fehlt.

c) Externer Druck auf die Familie

Die Auswirkung der Berufstätigkeit auf die Familie

70. In den Antworten wird übereinstimmend auf die Auswirkung der Berufstätigkeit auf das familiäre Gleichgewicht Bezug genommen. Zunächst wird die Schwierigkeit festgestellt, das gemeinsame Familienleben im Zusammenhang mit einer starken Auswirkung der Arbeit, welche von der Familie immer mehr Flexibilität erfordert, zu organisieren. Die Arbeitsrhythmen sind intensiv und manchmal aufreibend, die Arbeitszeiten sind oft zu lange und umfassen manchmal auch den Sonntag: all das verhindert die Möglichkeit, zusammen zu sein. Auf Grund eines immer dichteren Lebens werden die friedlichen Momente der familiären Intimität selten. In einigen Gebieten wird der Preis hervorgehoben, den die Familie für das Wachstum und die wirtschaftliche Entwicklung zahlt. Dazu kommt die noch größere Auswirkung der Folgen, welche die Wirtschaftskrise und die Instabilität des Arbeitsmarktes mit sich gebracht haben. Die immer heikler werdende Arbeitssituation, sowie das Ansteigen der Arbeitslosigkeit und die daraus folgende Notwendigkeit, immer länger woanders hinzugehen, um Arbeit zu finden, haben schwere Auswirkungen auf das Familienleben, und bringen unter anderem eine Lockerung der Beziehungen, eine fortschreitende Isolierung mit wachsender Unruhe mit sich.

71. Im Dialog mit dem Staat und den verantwortlichen öffentlichen Stellen erwartet sich die Kirche eine wirklich hilfreiche, unterstützende Tätigkeit im Hinblick auf eine würdige Arbeit, gerechte Löhne, eine Steuerpolitik zum Wohl der Familie, sowie die Bereitstellung von Hilfen für die Familien und die Kinder. Diesbezüglich wird das häufige Fehlen von Gesetzen angemerkt, welche die Familie, und besonders berufstätige Mütter, im Bereich der Arbeit schützen. Darüber hinaus wird festgestellt, dass der Bereich der Unterstützung und des staatlichen Einsatzes zugunsten der Familien einen Bereich darstell, in dem die gemeinsame Tätigkeit sowie die Schaffung von Netzwerken mit Organisationen, welche ähnliche Ziele verfolgen, ratsam und fruchtbar ist.

Das Phänomen der Migration und die Familie

72. Im Zusammenhang mit dem Bereich der Arbeit wird auch die Auswirkung hervorgehoben, welche die Migration auf den Familienverband hat: um dem Problem des Lebensunterhaltes Herr zu werden, sehen sich Väter und in zunehmendem Maße auch Mütter gezwungen, aus Gründen der Arbeit die Familie zu verlassen. Die Abwesenheit eines Elternteils hat schwere Auswirkungen auf das familiäre Gleichgewicht und die Erziehung der Kinder. Gleichzeitig wird daran erinnert, dass die Versorgung mit Geld von Seiten des abwesenden Elternteils bei den anderen Familienmitgliedern auch eine Art Abhängigkeit erzeugen kann. Bezüglich dieser Situation wird die Notwendigkeit hervorgehoben, die Familienzusammenführung durch die Förderung einer entsprechenden Politik zu fördern.

Armut und Kampf um den Lebensunterhalt

73. In den Antworten und den Bemerkungen wird eindringlich und häufig die ökonomischen Engpässe sowie auf den Mangel an materiellen Mitteln, auf die Armut und den Kampf ums Überleben hingewiesen, welche die Familien bedrängen. Es handelt sich um ein verbreitetes Phänomen, das nicht nur die Entwicklungsländer betrifft, sondern auch mit Nachdruck in Europa und Nordamerika erwähnt wird. Es wird festgestellt, dass die Familie in den Ländern mit extremer und wachsender Armut ums Überleben kämpft und darauf den Großteil ihrer Energien verwendet. Im Hinblick auf die Armut, welche die Familien auf eine harte Probe stellt, erwarten sich einige Bemerkungen ein starkes, prophetisches Wort der Kirche. Eine „arme Kirche für die Armen“, so wird gesagt, darf auf diesem Gebet ihre laute Stimme nicht fehlen lassen.

Konsumismus und Individualismus

74. Im Bereich des kulturellen Drucks auf die Familie wird beständig auch der Konsumismus erwähnt, der sich stark auf die familiären Beziehungen auswirkt, die immer mehr auf das Haben und nicht auf das Sein ausgerichtet sind. Die konsumistische Mentalität wird, vor allem in Europa, auch im Hinblick auf das „ein Kind um jeden Preis“ und die damit zusammenhängenden Methoden der künstlichen Fortpflanzung erwähnt. Als kritische Momente, welche das Familienleben beeinflussen, werden des Weiteren der Karrierismus und der Wettbewerb erwähnt. Vor allem im Westen wird eine Privatisierung des Lebens, des Glaubens und der Ethik unterstrichen: dem Gewissen und der individuellen Freiheit wird die Rolle einer absoluten Wertinstanz zugeschrieben, die Gut und Böse festlegt. Darüber hinaus wird der Einfluss einer Kultur des Empfindens und der Unmittelbarkeit  erwähnt. Diesbezüglich wird an das erinnert, was Papst Franziskus über die Kultur der Vorläufigkeit und die Wegwerfkultur gesagt hat, die sich stark auf die schwache Beständigkeit der affektiven Beziehungen auswirkt und oft Grund einer tiefen Unzufriedenheit und der Bedrohung des Familienlebens ist.

Gegen-Zeugnisse in der Kirche

75. In den Antworten erscheint häufig und mit weiter geographischer Verbreitung die Erwähnung der sexuellen Skandale innerhalb der Kirche (besonders der Pädophilie), aber auch allgemein diejenige einer negativen Erfahrung mit dem Klerus und mit einigen anderen Personen. Vor allem in Nordamerika und Nordeuropa wird ein entscheidender Verlust an Glaubwürdigkeit durch die sexuellen Skandale angezeigt. Hinzu kommt der häufig auffallend wohlhabende Lebensstil der Priester sowie die Inkohärenz zwischen ihrer Verkündigung und ihrer Lebensführung. Ferner wird an das Verhalten jener Gläubigen  erinnert, die ihren Glauben „wie in einem Theater“ leben und praktizieren und dabei jener Wahrheit und Demut nicht entsprechen, die vom Geist des Evangeliums her erforderlich sind. Besonders wird der Eindruck unterstrichen, dass getrennt Lebende, Geschiedene oder alleinerziehende Eltern von Seiten einiger Pfarrgemeinden zurückgewiesen zu werden scheinen, sowie das unnachgiebige und wenig sensible Verhalten einiger Priester, oder allgemein die Haltung der Kirche, die in vielen Fällen als ausschließend erlebt wird und nicht als eine Kirche, die begleitet und unterstützt. In diesem Sinn gibt es das Bedürfnis nach einer offenen und positiven Pastoral, die in der Lage ist, durch ein glaubwürdiges Zeugnis all ihrer Glieder wieder Vertrauen in die Institution zu schenken.

d) Einige besondere Situationen

Das Gewicht der sozialen Erwartungen dem Einzelnen gegenüber

76. Neben diesen kritischen Situationen in- und außerhalb der Familie finden in bestimmten Gegenden, besonders in Asien, aber nicht nur, andere Gegebenheiten Erwähnung. Hier wirken sich die hohen Erwartungen von Seiten der Familie und der Gesellschaft von Kindheit an auf den Einzelnen aus. Die schulischen Leistungen und der übertriebene Wert, welcher akademischen Titeln beigemessen wird (credentialism) werden von der Familie als vorrangig zu erreichendes Ziel eingestuft. Neben den Erwartungen, die auf den Kindern lasten, wird in einigen Gegenden die negative Auswirkungen hervorgehoben, welche der Besuch von Kursen zum Erreichen besonderer Bildungsziele, neben der Schule und oft bis spät in den Abend, um bessere Ergebnisse zu erreichen (cram schools) auf die Familie hat. In diesen Fällen leidet das Familien- und Glaubensleben, es fehlt aber auch die Freizeit, die dem Spiel der Kinder, aber auch der Erholung und dem Schlaf gewidmet werden könnte. Der Druck der Erwartungen ist manchmal so stark, dass er Prozesse der sozialen Ausschließung mit sich bringt, die manchmal zum Selbstmord führen können. Schließlich wird an die – aus dem besonderen kulturellen und sozialen Kontext hervorgehende – Schwierigkeit erinnert, sowohl in der Gesellschaft als auch in der Kirche diese Art von Problemen anzugehen und offen anzusprechen.

Die Auswirkung der Kriege

77. Besonders in Afrika und im Mittleren Orient wird an die Auswirkung des Krieges auf die Familie erinnert. Er verursacht gewaltsamen Tod, Zerstörung der Häuser sowie die Notwendigkeit, alles zu verlassen und zu fliehen, um sich woanders in Sicherheit zu bringen. Bezüglich einiger Regionen wird auch auf die vom Krieg hervorgerufene Folge der sozialen Auflösung verwiesen, welche manchmal den Zwang mit sich bringt, die christliche Glaubensgemeinschaft zu verlassen, vor allem von Seiten der armen Familien.

Kultusverschiedenheit

78. In einigen Regionen der Erde – wie Asien und Nordafrika – in denen die Zahl der Katholiken gering ist, besteht die eine große Zahl von Familien aus einem katholischen Partner und einem Partner, der einer anderen Religion angehört. Auch, wenn sie den großen Reichtum hervorheben, den diese gemischten Paare für die Kirche bedeuten, heben einige Antworten die Schwierigkeiten bezüglich der christlichen Erziehung der Kinder hervor, die besonders da bestehen, wo die Religionszugehörigkeit der Kinder des Paares vom Gesetz geregelt wird. Manchmal wird die Kultusverschiedenheit in der Familie zu einer Möglichkeit oder zu einer Herausforderung für das Wachstum im christlichen Glauben.

Weitere kritische Situationen

79. Unter den Faktoren, die sich auf die familiären Schwierigkeiten auswirken, wird, neben den körperlichen Krankheiten, u.a. AIDS, verwiesen auf: psychische Krankheiten, Depression, der Tod eines Kindes oder eines Ehegatten. Diesbezüglich wird die Notwendigkeit gespürt, eine pastorale Vorgehensweise zu fördern, die sich des familiären Umfeldes annimmt, das von Krankheit oder Trauer gekennzeichnet ist. Hier liegt eine besondere Möglichkeit, den Glauben als tröstend und unterstützend wieder zu entdecken. In einigen Gegenden der Welt, die vom Geburtenrückgang betroffen sind, wird unter den kritischen Situationen auch an die Verbreitung der Sekten, die esoterischen Praktiken, den Okkultismus, die Magie und Hexerei erinnert. In den Antworten wird festgestellt, dass kein Umfeld und keine Situation von vornherein als unempfänglich für das Evangelium betrachtet werden kann. Die Annahme und Begleitung der besonders verletzbaren Familien von Seiten der christlichen Gemeinschaft ist entscheidend. Für sie ist die Verkündigung des Evangeliums der Barmherzigkeit besonders dringlich.

Kapitel III
Die pastoral schwierigen Situationen

A. Familiäre Situationen

80. Aus den Antworten geht die allgemeine Überzeugung hervor, dass sich hinter den Situationen, die als schwierige Zeiten der Ehe bezeichnet werden können, Geschichten großen Leids aber auch Zeugnisse echter Liebe verbergen. „Die Kirche ist berufen, immer das offene Haus des Vaters zu sein, […] das Vaterhaus, wo Platz ist für jeden mit seinem mühevollen Leben“ (EG 47). Die echte pastorale Dringlichkeit besteht darin, diesen Menschen zu ermöglichen, ihre Wunden zu pflegen, gesund zu werden und sich gemeinsam mit der ganzen Gemeinschaft der Kirche wieder auf den Weg zu machen. Die Barmherzigkeit Gottes sieht kein zeitweiliges Verdecken unseres Leids vor, sondern öffnet das Leben von der Wurzel her der Versöhnung, indem sie durch eine wahre Erneuerung neues Vertrauen und Ausgeglichenheit schenkt. Die Sendung der Familienpastoral, die sich nicht mit einem legalistischen Blick begnügen darf, besteht darin, daran zu erinnern, dass die große Berufung des Menschen die Berufung zur Liebe ist und dabei zu helfen, diese Berufung in entsprechender Würde zu leben.

Das Zusammenleben

81. In den Antworten aus allen Teilen der Erde wird auf die steigende Zahl von Paaren hingewiesen, die ad experimentum zusammenleben, ohne kirchliche oder zivile Trauung oder eine andere Form der Registrierung. Besonders in Europa und Amerika wird aber dieser Begriff als unzureichend empfunden, denn oft handelt es sich nicht um ein „Experiment“, d.h. eine Zeit der Probe, sondern um eine stabile Lebensform. Manchmal findet die Eheschließung nach der Geburt des ersten Kindes statt, so dass Taufe und Hochzeit zusammen gefeiert werden. Die Statistiken verzeichnen eine hohe Verbreitung dieser Realität: es wird ein gewisser Unterschied zwischen ländlichen (weniger Zusammenleben) und städtischen Gebieten (z.B. in Europa, Asien und Lateinamerika) festgestellt. Das Zusammenleben ist in Europa und Nordamerika weiter verbreitet, in Lateinamerika im Wachstum, in den arabischen Ländern fast nicht vorhanden, in Asien selten. In einigen Bereichen Lateinamerikas ist das Zusammenleben so etwas wie eine in die Eingeborenenkultur integrierte Gewohnheit der Landbevölkerung (servinacuy: Ehe auf Probe). In Afrika gibt es die Stufenehe, die mit dem Nachweis der Fruchtbarkeit der Frau zu tun hat, die auch eine Art Band zwischen den beiden betroffenen Familien mit sich bringt. Im europäischen Kontext sind die Formen des Zusammenlebens sehr unterschiedlich; manchmal ist der Einfluss der marxistischen Ideologie noch spürbar; woanders handelt es sich um eine moralisch gerechtfertigte Option.

82. Zu den sozialen Gründen, die zum Zusammenleben führen gehören: eine Familienpolitik, die nicht in der Lage ist, die Familie zu unterstützen; finanzielle Probleme; die Jugendarbeitslosigkeit; der Mangel an Wohnraum. Aus diesen und anderen Gründen wird die Eheschließung hinausgeschoben. In diesem Sinn spielt auch die Angst vor der Verpflichtung eine Rolle, Kinder anzunehmen (dies gilt besonders in Europa und Lateinamerika). Viele denke, dass man im Zusammenleben das eventuelle Gelingen der Ehe „testen“ kann, bevor man Hochzeit feiert. Andere bringen als Argument für das Zusammenleben die mangelnde Bildung im Hinblick auf die Ehe ins Spiel. Für andere stellt das Zusammenleben die Möglichkeit dar, ohne definitive und institutionell verbindliche Entscheidung zusammen zu sein. Unter den vorgeschlagenen pastoralen Leitlinien finden sich folgende: von Jugend an einen Weg anzubieten, über den es gelingt, die Schönheit der Ehe schätzen zu lernen; die pastoralen Mitarbeiter im Hinblick auf Ehe und Familie auszubilden. Auch das Zeugnis von Gruppen von Jugendlichen, die sich durch eine enthaltsame Verlobungszeit auf die Ehe vorbereiten, findet Erwähnung.

Die Nichtehelichen Lebensgemeinschaften

83. Das Zusammenleben ad experimentum kommt sehr oft Nichtehelichen Lebensgemeinschaften ohne religiöse oder staatliche Anerkennung gleich. Es muss daran erinnert werden, dass die staatliche Anerkennung dieser Lebensform in einigen Ländern, sie nicht der Ehe gleichstellt, denn es gibt eine eigene Gesetzgebung für nichteheliches Zusammenleben. Des ungeachtet steigt die Zahl der Paare, die keine Formalisierung wünschen. In den westlichen Ländern – so wird gesagt – sieht die Gesellschaft darin kein Problem mehr. In anderen Ländern (zum Beispiel in Arabien) bleibt aber eine Ehe ohne religiöse oder zivile Anerkennung die Ausnahme. Unter den Gründen für diese Situation wird vor allem in den westlichen Ländern auf die mangelnde Unterstützung des Staates für die Familie hingewiesen. Für diese Staaten hat die Familie keine besondere Bedeutung mehr. Des Weiteren wird die Liebe als eine private Angelegenheit betrachtet, ohne öffentliche Bedeutung; es fehlt eine entsprechende Familienpolitik, so dass die Eheschließung als wirtschaftlicher Verlust betrachtet wird. Ein besonders Problem stellt die Situation der Immigranten dar, besonders wenn sie illegal sind, denn sie haben Angst, entdeckt zu werden, wenn sie eine öffentliche Anerkennung ihrer Ehe suchen.

84. Im Zusammenhang mit der westlichen Lebensweise, aber verbreitet auch in anderen Ländern bricht sich eine Idee von Freiheit Bahn, welche das Eheband als einen Verlust der persönlichen Freiheit betrachtet. Damit hängt die mangelnde Bildung der Jugendlichen zusammen, die nicht glauben, dass eine Liebe für ein ganzes Leben möglich ist. Auch die Medien verbreiten weitgehend diesen Lebensstil unter den Jugendlichen. Das Zusammenleben und die freien Verbindungen sind oft ein Symptom für die Tatsache, dass die Jugendlichen ihre Adoleszenz verlängern wollen und denken, die Ehe sei zu verpflichtend. Sie haben Angst vor einem Abenteuer, das ihnen zu groß zu sein scheint (vgl. Papst Franziskus, Ansprache an die Verlobten vom 14. Februar 2014).

85. Im Hinblick auf eine mögliche pastorale Vorgehensweise wird es als wesentlich erachtet, den Jugendlichen dabei zu helfen, eine romantischen Vorstellung der Liebe zu überwinden, welche die Liebe nur als ein intensives Gefühl einem anderen gegenüber versteht, und nicht als persönliche Antwort gegenüber einem anderen Menschen im Zusammenhang eines gemeinsamen Lebensprojektes, in dem sich ein großes Geheimnis und ein großes Versprechen entbergen. Die pastoralen Programme müssen eine langfristige Erziehung zur Affektivität vorsehen, sowie eine Unterstützung der Jugendlichen während der Verlobungszeit, deren gemeinschaftliche und liturgische Bedeutung hervorgehoben werden soll. Es geht darum, sie zu lehren, sich dem Geheimnis des Schöpfers zu öffnen, der sich in ihrer Liebe offenbart, damit sie die Tragweite ihres Versprechens verstehen. Die Verbindung zwischen Familie und Gesellschaft muss wieder hergestellt werden, um eine isolierte Sicht der Liebe zu überwinden. Schließlich muss den Jugendlichen die Gewissheit vermittelt werden, dass sie nicht allein sind, wenn sie eine Familie gründen, denn die Kirche steht ihnen als „Familie von Familien“ zur Seite. In dieser Hinsicht ist die Dimension der „Begleitung“ entscheidend, durch welche die Kirche ihre liebende Gegenwart zeigt, die sich besonders der Brautleute annimmt, und sie ermutigt, einander und anderen Weggefährten zu werden.

Getrennt lebende, Geschiedene und wiederverheiratet Geschiedene

86. Aus den Antworten geht hervor, dass die Realität der getrennt lebenden, Geschiedenen und wiederverheiratet Geschiedenen in Europa und ganz Amerika Bedeutung hat, viel weniger in Afrika und in Asien. Angesichts des Zunehmens dieses Phänomens sind viele Eltern um die Zukunft ihrer Kinder besorgt. Darüber hinaus wird festgestellt, dass die steigende Zahl der Zusammenlebenden das Problem der Scheidungen weniger relevant erscheinen lässt: schrittweise lassen sich die Menschen weniger scheiden, weil sie tatsächlich immer weniger geneigt sind, zu heiraten. In einigen Gegenden ist die Situation anders: es gibt keine Scheidung, weil es keine Zivilheirat gibt (in Arabien und in einigen Ländern Asiens).

Die Kinder und diejenigen, die allein bleiben

87. Eine andere Frage, die erwähnt wurde, ist die nach den Kinder der Getrennten und Geschiedenen. Es wird festgestellt, dass sie von Seiten der Gesellschaft keine besondere Aufmerksamkeit erhalten. Auf ihnen lastet das Gewicht der ehelichen Streitigkeiten und die Kirche ist aufgerufen, sich ihrer anzunehmen. Auch die Eltern der Geschiedenen leiden unter den Folgen des Zerbrechens der Ehe und müssen oft die schlimmsten Folgen für die Kinder lindern. Auch sie brauchen die Unterstützung der Kirche. Auch die Getrennten und Geschiedenen, welche dem Eheband treu bleiben, brauchen in ihrer Situation, die sie oft in Einsamkeit und Armut leben, Unterstützung. Auch sie gehören zu den „neuen Armen.“

Junge ledige Mütter

88. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Mütter, die keinen Ehemann haben und sich allein um die Kinder kümmern. Ihre Situation ist oft das Ergebnis einer Leidensgeschichte, nicht selten des Verlassen-Werdens. Die Liebe und der Mut, mit dem sie das Leben angenommen haben, das sie in ihrem Leib empfingen, und mit dem sie für das Wachstum und die Erziehung ihrer Kinder sorgen, verdienen Bewunderung. Von Seiten der Zivilgesellschaft verdienen sie eine besondere Unterstützung, die dem Verzicht Rechnung trägt, den sie leisten müssen. Die christliche Gemeinschaft muss ihnen mit jener Sorge begegnen, welche sie die Kirche als wahre Familie der Kinder Gottes erfahren lässt.

Kirchenrechtlich irreguläre Situationen

89. Allgemein konzentrieren sich die Antworten aus den verschiedenen Gegenden sehr stark auf die Geschiedenen, die wieder geheiratet haben oder jedenfalls in neuen Verbindungen leben. Bei denjenigen, die in kirchenrechtlich irregulären Situationen leben, werden verschiedene Haltungen festgestellt, die vom mangelnden Bewusstsein bezüglich der eigenen Situation über die Indifferenz bis hin zum schmerzlichen Bewusstsein reichen. Die Haltungen der Geschiedenen in einer neuen Verbindung sind in den verschiedenen regionalen Kontexten ähnlich; besonders gilt das für Europa und Amerika, weniger in Afrika. Diesbezüglich geben einige Antworten der mangelnden Bildung und der schwachen religiösen Praxis dafür die Verantwortung. In Nordamerika denken die Menschen oft, dass die Kirche, besonders in Fragen der Familie, die als private Angelegenheit und Gegenstand autonomer Entscheidungen betrachtet wird, keine moralisch vertrauenswürdige Führerin mehr ist.

90. Weitgehend beständig ist die Zahl derer, die ihre eigene irreguläre Situation letztlich nicht interessiert. In diesen Fällen gibt es weder die Nachfrage zur Zulassung zur Kommunion, noch zur Feier des Sakramentes der Versöhnung. Das Bewusstsein der irregulären Situation kommt oft dann zum Vorschein, wenn der Wunsch nach der christlichen Initiation der Kinder aufkommt, oder die Absicht, als Pate oder Patin bei der Feier der Taufe oder der Firmung zu agieren. Manchmal entdecken Erwachsene, die zu einem persönlichen und bewussten Glauben kommen auf dem Weg der Katechese oder im Katechumenat ihre irreguläre Situation als Problem. Aus pastoraler Sicht bietet sich hier vor allem im Fall des Zusammenlebens, eine gute Gelegenheit, um einen Weg der Regelung zu beginnen. Aus Afrika wird auf ein anderes Thema aufmerksam gemacht, das nichts mit einer neuen Verbindung zu tun hat, sondern mit der Praxis der Polygamie. Es gibt Fälle von Konvertiten, für die es schwierig ist, die zweite oder dritte Frau zu entlassen, mit denen sie Kinder haben und die am kirchlichen Leben teilnehmen wollen.

91. Bevor etwas zum Thema des Leidens wegen der Unmöglichkeit des Sakramentenempfangs durch diejenigen die in einer irregulären Situation leben, gesagt werden kann, wird ein grundlegenderes Leiden beschrieben, dessen sich die Kirche annehmen muss, nämlich das Leiden, das mit dem Scheitern der Ehe und der Schwierigkeit, diese Situation zu regeln, zusammenhängt. Mancher zeigt in dieser Krise das Bedürfnis, sich mit der Bitte um Hilfe an die Kirche zu wenden. Wie verschiedene Bischofskonferenzen aus Europa, Afrika und Amerika hervorheben, scheint das Leid oft an die verschiedenen Ebenen der Bildung gebunden zu sein. Oft wird die innere Verbindung zwischen Ehe, Eucharistie und Buße nicht erfasst. Daher wird es sehr schwer zu verstehen, warum die Kirche diejenigen nicht zur Kommunion zulässt, die sich in einer irregulären Situation befinden. Die katechetischen Programme der Ehevorbereitung erklären diesen Zusammenhang nicht genügend. Einige Antworten (Amerika, Osteuropa, Asien) heben hervor, dass manchmal fälschlicherweise angenommen wird, dass die Scheidung selbst automatisch den Zugang zur Kommunion verschließt, auch wenn man nicht in einer neue Verbindung lebt. Auf diese Weise bleiben Menschen ohne Grund ohne Sakramente.

92. Das Leiden an der Unmöglichkeit des Sakramentenempfangs ist deutlich bei den Getauften vorhanden, die sich ihrer eigenen Situation bewusst sind. Viele fühlen sich frustriert und ausgegrenzt. Einige fragen sich, warum die anderen Sünden vergeben werden und diese nicht; oder, warum die Priester und Ordensleute, welche eine Dispens von ihren Gelübden oder den Verpflichtungen aus der Weihe erhalten haben, heiraten und die Kommunion empfangen können, die wiederverheiratet Geschiedenen aber nicht. All das unterstreicht die Notwendigkeit einer entsprechenden Bildung und Information. In anderen Fällen wird nicht erfasst, warum die eigene irreguläre Situation der Grund sein soll, um die Sakramente nicht zu empfangen. Man sieht die Schuld vielmehr bei der Kirche, welche diese Umstände nicht zulässt. Diesbezüglich wird auch die Gefahr einer Anspruchshaltung im Hinblick auf die Sakramente gesehen. Besorgniserregend ist auch das Unverständnis im Hinblick auf die Disziplin der Kirche, welche in diesen Fällen den Zugang zu den Sakramenten verweigert, so als ob es sich hier um eine Strafe handelte. Eine große Zahl von Bischofskonferenzen empfiehlt, den Menschen, die in kirchenrechtlich irregulären Situationen leben dabei zu helfen, „damit sie sich nicht als von der Kirche getrennt betrachten, da sie als Getaufte an ihrem Leben teilnehmen können, ja dazu verpflichtet sind“ (FC 84). Darüber hinaus gibt es Antworten und Bemerkungen von Seiten einiger Bischofskonferenzen, die den Akzent auf die Notwendigkeit legen, dass die Kirche sich selbst jene pastoralen Instrumente gibt, durch die sie in die Möglichkeit versetzt wird, eine größere Barmherzigkeit, Güte und Nachsicht im Hinblick auf die neuen Verbindungen üben zu können.

Bezüglich des Zugangs zu den Sakramenten

93. Von Seiten der wiederverheiratet Geschiedenen Gläubigen werden verschiedenartige Reaktionen im Hinblick auf den Zugang zu den Sakramenten festgestellt. In Europa (aber auch in einigen Ländern Lateinamerikas) herrscht die Tendenz vor, die Frage mit Hilfe eines Priester zu klären, der im Bezug auf die Zulassung zu den Sakramenten offen ist. Diesbezüglich wird (besonders in Europa und Lateinamerika) darauf hingewiesen, dass die Antwort der Hirten unterschiedlich ausfällt. Manchmal entfernen sich diese Gläubigen von der Kirche oder wechseln zu anderen christlichen Konfessionen. In verschiedenen, nicht nur europäischen Ländern, reicht diese individuelle Lösung vielen Menschen nicht. Sie wollen eine öffentliche Wiederzulassung zu den Sakramenten von Seiten der Kirche. Das Problem besteht nicht darin, die Kommunion nicht empfangen zu können, sondern in der Tatsache, dass die Kirche sie öffentlich nicht dazu zulässt. Es scheint, dass diese Gläubigen sich weigern, anzuerkennen, dass die Situation, in der sie leben, als irregulär betrachtet wird.

94. In den Gemeinschaften der Kirche gibt es Menschen, die sich in kirchenrechtlich irregulären Situationen befinden und darum bitten, angenommen und begleitet zu werden. Dies geschieht vor allem dann, wenn versucht wird, die Lehre der Kirche vernünftig zu erklären. In solchen Fällen ist es möglich, dass die Gläubigen ihre Situation mit Unterstützung der göttlichen Barmherzigkeit leben, deren Instrument die Kirche ist. Andere, wie von einigen Bischofskonferenzen der euro-atlantischen Region berichtet wird, akzeptieren die Verpflichtung, enthaltsam zu leben (vgl. FC 84 und SC 29).

95. Viele der vor allem aus Europa, Amerika und einigen Ländern Afrikas eingegangenen Antworten verzeichnen ein deutliches Verlangen, die Sakramente der Buße und der Eucharistie empfangen zu können. Das Verlangen wird vor allem dann stärker, wenn die Kinder die Sakramente empfangen. Manchmal wird die Zulassung zur Kommunion als eine Art „Legitimierung“ von Seiten der Kirche ersehnt, um das Gefühl des Ausschlusses oder der Marginalisierung zu überwinden. Diesbezüglich schlagen einige vor, die Praxis einiger orthodoxer Kirchen zu bedenken, die, ihrer Meinung nach, den Weg zu einer zweiten oder dritten Ehe mit Bußcharakter öffnen. Aus den Länder mit orthodoxer Mehrheit wird diesbezüglich auf die Erfahrung hingewiesen, dass diese Lösung das Ansteigen der Scheidungsrate nicht verhindert. Andere erbitten die Klärung der Frage, ob hier nur um ein disziplinäres oder ein dogmatisches Problem geht.

Andere Anfragen

96. In vielen Fällen, vor allem in Europa und Amerika, wird darum gebeten, die Prozedur der Ehenichtigkeitsverfahren zu beschleunigen. Diesbezüglich wird an die Notwendigkeit erinnert, die Frage der Beziehung zwischen Glauben und Ehesakrament zu vertiefen, wie es Papst Benedikt XVI verschiedentlich angeregt hat. In Ländern mit orthodoxer Mehrheit verweist man auf die Fälle der Katholiken, die in der orthodoxen Kirche nach der dort gängigen Praxis wieder heiraten und dann darum bitten, in der katholischen Kirche zur Kommunion gehen zu können. Andere Vorschläge betreffen die Präzisierung der bei Mischehen zu befolgenden Praxis, wenn der orthodoxe Partner bereits verheiratet war und von der orthodoxen Kirche die Erlaubnis zu einer zweiten Ehe erhalten hat.

Bezüglich der Getrennten und Geschiedenen

97. In verschiedenen Antworten und Bemerkungen wird die Notwendigkeit unterstrichen, den Getrennten und Geschiedenen Aufmerksamkeit zu schenken, die nicht wieder heiraten, sondern dem ersten Eheband treu bleiben. Es scheint, dass sie oft nicht nur unter dem Scheitern ihrer Ehe leiden, sondern auch daran, dass sie nicht entsprechend von der Kirche wahrgenommen und vernachlässigt werden. Es wird festgestellt, dass auch sie ihre Schwierigkeiten haben und das Bedürfnis, pastoral begleitet zu werden. Darüber hinaus wird als bedeutsam in Erinnerung gerufen, dass die Hirten besondere Sorgfalt darauf verwenden, eine eventuelle Nichtigkeit der Ehe zu klären, damit Verfahren nicht ohne gründliche Überlegung eingeleitet werden. In diesem Zusammenhang finden sich Vorschläge, stärker eine Pastoral der Versöhnung zu fördern, welche die Möglichkeit einer Versöhnung der Eheleute auslotet. Einige machen darauf aufmerksam, dass die Bereitschaft der getrennten Gläubigen, ihrem Eheband treu zu bleiben und diesen Stand mutig anzunehmen, ein großes christliches Zeugnis darstellt.

Vereinfachung der Eheverfahren

98. Es besteht der weit verbreitete Wunsch nach einer Vereinfachung der kirchenrechtlichen Praxis im Hinblick auf die Eheverfahren. Dabei lassen sich verschiedene Einstellungen erkennen: einige sind der Meinung, die Beschleunigung sei kein wirksames Mittel; andere, welche die Beschleunigung begrüßen, bitten darum, die Natur des Ehenichtigkeitsprozesses gut zu erläutern, damit er von Seiten der Gläubigen besser verstanden werden kann.

99. Einige mahnen zur Klugheit und weisen auf die Gefahr hin, dass eine solche Beschleunigung mit der Vereinfachung oder der Verkürzung der vorgesehenen Schritte auch Fehler und Ungerechtigkeiten hervorbringen könnte. Es könnte der Eindruck entstehen, dass die Unauflöslichkeit des Sakramentes nicht gewahrt bliebe. Dem Missbrauch würde Vorschub geleistet und eine Bildung der Jugendlichen im Hinblick auf die Ehe als Bund für das ganze Leben verhindert. Außerdem würde der Idee der „Scheidung auf katholisch“ Vorschub geleistet. Demgegenüber wird vorgeschlagen, eine entsprechende Anzahl von kompetenten Mitarbeitern auszubilden, welche die Fälle dann begleiten können. In Lateinamerika, Afrika und Asien wird der Wunsch geäußert, die Zahl der Gerichte zu erhöhen – die in einigen Regionen fehlen – und den Einrichtungen vor Ort größere Autorität zu verleihen, indem die Priester besser ausgebildet werden. Andere Antworten relativieren die Möglichkeit der Beschleunigung, denn oft akzeptieren die Gläubigen die Gültigkeit ihrer Ehe, erkennen an, dass sie gescheitert sind und halten es nicht für ehrlich, eine Nichtigkeitserklärung anzustreben. Viele Gläubigen halten allerdings ihre erste Ehe für gültig, weil sie die Nichtigkeitsgründe nicht kennen. Manchmal ist es auch für die Geschiedenen schwierig, die Vergangenheit wieder aufzurollen. Dadurch könnten bei den Partnern schmerzhafte Wunden wieder aufgerissen werden.

100. Viele aber erbitten die Beschleunigung: einfachere und schnellere kirchenrechtliche Prozesse; Übertragung weiterer Befugnisse an den Ortsbischof; größere Öffnung des Richteramtes für Laien; Reduzierung der tatsächlichen Kosten des Verfahrens. Im Besonderen schlagen einige vor, darüber erneut nachzudenken, ob wirklich zwei gleichlautende Urteile erforderlich sind, zumindest dann, wenn keine Berufung eingelegt wird. Dann müsste der Ehebandverteidiger in bestimmten Fällen Berufung einlegen. Es wird auch eine Dezentralisierung der dritten Instanz vorgeschlagen. In allen Gegenden der Erde wird eine stärker pastorale Ausrichtung der kirchlichen Gerichte mit einer tieferen geistlichen Aufmerksamkeit den Menschen gegenüber gewünscht.

101. Angesichts der Weite des pastoralen Problems der gescheiterten Ehen wird in den Antworten und den Bemerkungen die Frage gestellt, ob das Problem einzig auf dem Weg des ordentlichen Gerichtsverfahrens angegangen werden kann. Es wird der Vorschlag gemacht, den Verwaltungsweg zu versuchen. In einigen Fällen wird vorgeschlagen, dass die betroffenen Menschen im Hinblick auf die Nichtigkeit ihres Ehebandes eine Gewissenserforschung vornehmen. Es stellt sich die Frage, ob es andere pastorale Möglichkeiten gibt, dass dazu beauftragte Priester die Gültigkeit einer Ehe feststellen. Allgemein wird eine bessere und gezieltere Ausbildung der pastoral Tätigen in diesem Bereich gewünscht, so dass den Gläubigen besser geholfen werden kann.

102. Eine bessere Information der Gläubigen über die Ehenichtigkeitsverfahren würde in einigen Fällen helfen, Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen, wie z.B. die Angst der Eltern, dass die Nichtigkeit der Ehe die Kinder unehelich werden lässt; darauf weisen einige afrikanische Bischofskonferenzen hin. In einige Antworten wird darauf hingewiesen, dass eine Beschleunigung des kirchenrechtlichen Prozesses nur sinnvoll ist, wenn die Familienpastoral allgemein verbessert wird. Einige asiatische Bischofskonferenzen weisen auf die Ehefälle hin, in denen die nichtchristlichen Partner sich weigern, beim kirchenrechtlichen Prozess mitzuwirken.

Die Pastoral in schwierigen Situationen

103. Die pastorale Liebe drängt die Kirche, jene Menschen zu begleiten, deren Ehe gescheitert ist, und ihnen dabei zu helfen, ihre Lage mit der Gnade Christi zu leben. Eine schmerzlichere Wunde wird bei denen aufgerissen, die wieder heiraten, und so in einen Lebensstand eintreten, der ihnen den Zugang zur Kommunion nicht mehr erlaubt. In diesen Fällen darf die Kirche sicher nicht die Haltung des Richters einnehmen, der verurteilt (vgl. Papst Franziskus, Predigt am 28. Februar 2014), sondern die einer Mutter, welche ihre Kinder immer annimmt, und ihre Wunden pflegt, bis sie geheilt sind (vgl. EG, 139-141). Die Kirche ist dazu berufen, mit großer Barmherzigkeit Formen der „Begleitung“ zu finden, mit denen sie diese ihre Kinder auf dem Weg zur Versöhnung unterstützen kann. Es kommt darauf an, mit Verständnis und Geduld zu erklären, dass die Unmöglichkeit des Kommunionempfangs nicht gleichbedeutend ist mit dem Ausschluss vom christlichen Leben oder von der Beziehung mit Gott.

104. Bezüglich dieser komplexen Situationen wird in vielen Antworten hervorgehoben, dass in den Diözesen ein Angebot der besonderen Begleitung für diese Menschen fehlt. Viele Bischofskonferenzen erinnern daran, dass es wichtig ist, ihnen durch Gebetsgruppen, liturgische Feiern und karitative Tätigkeit eine aktive Teilnahme am Leben der Kirche zu ermöglichen. Es wird sodann auf verschiedene pastorale Initiativen hingewiesen, wie etwa der persönliche Segen für denjenigen, der die Eucharistie nicht empfangen kann oder die Ermutigung der Kinder, am pfarrlichen Leben teilzunehmen. Die Rolle der Bewegungen, welche die eheliche Spiritualität fördern wollen, der Orden und der Familienkommissionen auf Pfarrebene wird unterstrichten. Bedeutsam ist sodann auch die Empfehlung des Gebetes für schwierige Situationen im Rahmen der Fürbitten in der pfarrlichen und diözesanen Liturgie.

Nichtpraktizierende und Nichtglaubende, die eine Eheschließung erbitten

105. Im Zusammenhang mit den schwierigen Situationen stellt die Kirche auch ihr pastorales Handeln im Hinblick auf die Getauften auf den Prüfstand, die weder praktizierend noch gläubig sind, aber dennoch darum bitten, in der Kirche ihre Ehe schließen zu können. Fast alle Antworten heben hervor, dass es im allgemeinen häufiger vorkommt, dass zwei nichtpraktizierende Katholiken sich für eine kirchlichen Eheschließung entscheiden, als dass zwei erklärt nichtglaubende das gleiche Sakrament erbitten. Diese zweite Möglichkeit, ist zwar nicht ganz auszuschließen, wird aber doch als eher unwahrscheinlich betrachtet. Häufiger kommt es hingegen vor, dass von den beiden Brautleuten, die kirchlich heiraten wollen, nur einer katholisch ist, aber oft nicht praktiziert. Nach dem Urteil all der Antworten, welche diese Fragestellung angehen, liegt der Grund dafür, dass nicht praktizierende Katholiken im Hinblick auf die Eheschließung den Kontakt mit ihrer Pfarrei wieder aufnehmen, in den meisten Fällen darin, dass die Feier in der Kirche eine „ästhetische“ Faszination ausübt (Atmosphäre, der verzaubernde Eindruck, die Fotografen, usw.) und es zugleich mit einer Bedingung von Seiten der religiösen Tradition der Herkunftsfamilien der Brautleute zu tun hat, die auf eine bestimmte Weise auf sie übertragen wurde. Häufig sind das Fest und die äußerlichen, traditionellen Aspekte wichtiger, als die Liturgie oder der christliche Sinngehalt dessen, was gefeiert wird. Einstimmig weisen die Antworten darauf hin, dass in dieser Situation eine echte Gelegenheit zur Evangelisierung der Brautleute liegt. Es wird empfohlen, dass die Pfarrer und die Mitarbeiter der Familienpastoral eine bereitwillige und aufnehmende Haltung einnehmen.

106. Nach Aussagen einer beträchtlichen Zahl von Antworten und noch mehr von Bemerkungen aus allen Teilen der Erde sollte die Vorbereitung auf die kirchliche Eheschließung nicht nur katechetische Elemente enthalten, sondern eine Gelegenheit darstellen, dass die Menschen sich untereinander austauschen und kennen lernen. Dies sollte von den Hirten mehr gefördert werden. Auf der anderen Seite stellen verschiedene Antworten, sei es aus dem Osten, sei es aus dem Westen, eine gewisse Frustration bei einigen Pfarrern fest, die häufig eine nicht zu leugnende Erfolglosigkeit ihrer pastoralen Bemühungen beobachten, wenn nur ein sehr kleiner Teil der Paare nach der Eheschließung eine Beziehung zu ihrer Pfarrei aufrecht erhält.

107. Viele Antworten beklagen, dass die bisherige Art und Weise der Ehevorbereitung weitgehend unzureichend sind, wenn es darum geht, die Brautleute zu einer echten Sicht des Glaubens zu führen. In den meisten Fällen werden die Treffen einzig im Hinblick auf den Empfang des Sakramentes ausgerichtet und als solche empfunden. Gerade deshalb, weil man bei den nicht praktizierenden nach der dem Empfang des Ehesakramentes vorausgehenden ausbildenden Begleitung einen hohen Prozentsatz feststellt, der in die alten Lebensmuster zurückkehrt, wird – besonders in Lateinamerika – auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Pastoral und die Evangelisierung der Kinder und der Jugendlichen im allgemeinen zu verbessern, zu bereichern und zu vertiefen. Wenn ein nicht praktizierendes Paar wieder Kontakt zur Pfarrei aufnimmt, um seine Hochzeit zu feiern, dann – so wird verschiedentlich hervorgehoben – ist die Zeit zu kurz, um wieder einen echten Glaubensweg einzuschlagen, auch wenn sie an den Ehevorbereitungstreffen teilnehmen.

108. Die Mehrzahl der Antworten hält die Notwendigkeit für unerlässlich, das Paar auch nach der Eheschließung durch entsprechende Treffen zu begleiten. Darüber hinaus haben besonders die Bischofskonferenzen aus West- und Mitteleuropa mit einer gewissen Insistenz bekräftigt, dass es in bestimmten Fällen, wenn die Brautleute wirklich unreif sind, notwendig sein kann, eine Feier der Trauung ohne Messe ins Auge zu fassen. Einige Bischofskonferenzen aus Nordeuropa und Nordamerika sind der Meinung, dass es sinnvoll wäre, eine Verschiebung der Eheschließung vorzuschlagen, wenn es klar ist, dass das Brautpaar die grundlegende Lehre der Kirche über die Güter der Ehe und die daraus folgenden Verpflichtungen nicht versteht oder nicht annimmt, auch wenn von vorn herein klar ist, dass ein solcher Vorschlag zu Unverständnis und Missmut führt. Eine solche Lösung brächte auch die Gefahr eines wenig barmherzigen Rigorismus mit sich.

109. Einige Bischofskonferenzen aus Süd- und Ostasien berichten davon, dass sie als Voraussetzung für die Eheschließung eine aktive Teilnahme am pastoralen Leben der Pfarrei wünschen. Auch dabei wurde aber festgestellt, dass in den meisten Fällen diese Teilnahme nach der Feier des Sakramentes wieder aufhört. Allgemein wird, auch innerhalb der einzelnen Diözesen, eine gewisse Uneinheitlichkeit im Hinblick auf die Pastoral, die Vorbereitung und Organisation der Ehevorbereitungstreffen festgestellt. Fast immer wird alles der mehr oder weniger gelungenen Initiative der einzelnen Hirten überlassen. Eine europäische Bischofskonferenz beschreibt den Stil und die Art und Weise, wie die Ehevorbereitungstreffen zu gestalten seien, durch eine Sequenz von programmatischen Verben: vorschlagen, nicht aufzwingen; begleiten, nicht drängen; einladen, nicht ausstoßen; beunruhigen, nie enttäuschen.

B. Hinsichtlich der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften

Zivile Anerkennung

110. In den Antworten der Bischofskonferenzen wird hinsichtlich der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften auf die Lehre der Kirche Bezug genommen. «Es gibt keinerlei Fundament dafür, zwischen den homosexuellen Lebensgemeinschaften und dem Plan Gottes über Ehe und Familie Analogien herzustellen, auch nicht in einem weiteren Sinn. […] dennoch ist den Männern und Frauen mit homosexuellen Tendenzen „mit Achtung, Mitleid und Takt zu begegnen. Man hüte sich, sie in irgendeiner Weise ungerecht zurückzusetzen”» (CDF, Erwägungen zu den Entwürfen einer rechtlichen Anerkennung der Lebensgemeinschaften zwischen homosexuellen Personen, 4). Aus den Antworten kann geschlossen werden, dass die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften durch die staatliche Gesetzgebung zum größten Teil vom soziokulturellen, religiösen und politischen Umfeld abhängt. Die Bischofskonferenzen beschreiben drei Kontexte: der erste ist derjenige, in dem gegenüber dem Phänomen der Homosexualität in all seinen Facetten eine unterdrückende und bestrafende Haltung vorherrscht. Dies gilt vor allen Dingen dort, wo der öffentliche Ausdruck der Homosexualität durch das Gesetz verboten ist. Einige Antworten weisen darauf hin, dass auch in diesem Umfeld Formen der geistlichen Begleitung einzelner homosexueller Personen, welche die Hilfe der Kirche suchen, stattfinden.

111. Ein zweiter Kontext ist derjenige, in dem das Phänomen der Homosexualität ambivalent wahrgenommen wird. Das homosexuelle Verhalten wird nicht bestraft, sondern toleriert, so lange es nicht sichtbar oder öffentlich wird. In diesen Fällen gibt es in der Regel keine staatliche Gesetzgebung über die gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften. Im politischen Bereich aber gibt es, besonders im Westen, eine wachsende Tendenz hin zur Anerkennung von Gesetzen, welche die Eintragung der Partnerschaften oder die so genannte Ehe zwischen Personen des gleichen Geschlechts vorsehen. Zur Unterstützung dieser Vorgehensweise werden Gründe der Nichtdiskriminierung genannt. Diese Haltung wird von den Gläubigen und einem Großteil der öffentlichen Meinung in Mittel-Ost-Europa als eine Auferlegung von Seiten einer politischen oder fremden Kultur betrachtet.

112. Ein dritter Kontext ist derjenige, in dem die Staaten eine Gesetzgebung eingeführt haben, welche gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften oder Ehen zwischen Homosexuellen staatlich anerkennt. Es gibt Staaten, in denen man von einer echten Re-Definition der Ehe sprechen muss, welche den Blick auf das Paar auf einige juristische Aspekte wie die Gleichheit der Rechte und die „Nichtdiskriminierung“ reduziert, ohne dass ein konstruktiver Dialog über die einschlägigen anthropologischen Fragen stattfände. Auch das umfassende Wohl der Person, besonders das umfassende Wohl der Kinder, die in einer solchen Gemeinschaft leben, steht nicht im Zentrum des Interesses. Wo es eine rechtliche Gleichstellung zwischen der homosexuellen und der heterosexuellen Ehe gibt, erlaubt der Staat häufig die Adoption von Kindern (Kinder eines der beiden Partner, oder Kinder, die nach künstlicher Befruchtung geborgen werden). Dieser Kontext besteht vor allem in der englischsprachigen Welt und in Zentraleuropa.

Die Einschätzung der Teilkirchen

113. Alle Bischofskonferenzen haben sich gegen eine Neudefinition der Ehe zwischen Mann und Frau durch die Einführung einer Gesetzgebung, welche gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften ermöglicht, ausgesprochen. Von Seiten der Bischofskonferenzen gibt es ein breites Zeugnis bezüglich der Suche nach einem Gleichgewicht zwischen der Lehre der Kirche über die Familie und einer respektvollen, nicht verurteilenden Haltung gegenüber den Menschen, die in solchen Gemeinschaften leben. Insgesamt gewinnt man den Eindruck, dass die extremen Reaktionen im Hinblick auf diese Gemeinschaften, sei es Zustimmung, sei es Unnachgiebigkeit, die Entwicklung einer wirksamen Pastoral, die zugleich treu zum Lehramt und barmherzig gegenüber den betroffenen Menschen ist, nicht erleichtert haben.

114. Ein Faktum, das die pastorale Tätigkeit der Kirche herausfordert und die Suche nach einer ausgewogenen Haltung gegenüber diesen Realitäten komplex werden lässt, ist die Propagierung der Genderideologie, welche in einigen Regionen auch die Erziehung vom Kindergarten an zu beeinflussen sucht, indem sie eine Mentalität verbreitet, die, mittels der Idee der Beseitigung der Homophobie in Wirklichkeit eine Umstürzung der sexuellen Identität beabsichtigt.

115. Hinsichtlich der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften geben viele Bischofskonferenzen verschiede Informationen weiter. In den Ländern, in denen eine Gesetzgebung über die Partnerschaften besteht, äußern sich viele Gläubigen zu Gunsten einer respektvollen und nicht verurteilenden Haltung gegenüber diesen Menschen, sowie zu Gunsten einer Pastoral, die sie annimmt. Dies bedeutet aber nicht, dass die Gläubigen für eine Gleichstellung zwischen der heterosexuellen Ehe und den gleichgeschlechtlichen Partnerschaften wären. Einige Antworten und Bemerkungen bringen die Sorge zum Ausdruck, dass die Aufnahme der Menschen, die in diesen Gemeinschaften leben in das kirchliche Leben, als eine Anerkennung ihrer Partnerschaften verstanden werden könnte.

Einige pastorale Leitlinien

116. Hinsichtlich einer Pastoral in Bezug auf diese Menschen muss zwischen denjenigen unterschieden werden, die eine persönliche, oft leidvolle, Entscheidung getroffen haben und sie mit einer gewissen Behutsamkeit leben, ohne Skandal zu verursachen, und denjenigen, die ein förderndes und aktiv werbendes Verhalten an den Tag legen, das manchmal aggressive Züge trägt. Viele Bischofskonferenzen unterstreichen, dass es keine entsprechenden pastoralen Programme gibt, weil es sich um ein  relativ neues Phänomen handelt. Andere erkennen ein bestimmtes Unbehagen angesichts der Herausforderung an, die barmherzige Annahme dieser Menschen und die Bestätigung der Morallehre der Kirche durch eine entsprechende Seelsorge, die alle Bereiche des Menschen umfasst, zu verbinden. Von einigen Seiten wird empfohlen, die Identität eines Menschen nicht auf Ausdrücke wie „schwul“, „lesbisch“ und „homosexuell“ zu reduzieren.

117. Viele Antworten und Bemerkungen fordern eine theologische Bewertung im Dialog mit den Humanwissenschaften, um eine differenziertere Sicht des Phänomens der Homosexualität entwickeln zu können. Es fehlt auch nicht an Vorschlägen, dass man, auch durch die entsprechenden Organisationen, wie zum Beispiel die Päpstliche Akademie der Wissenschaften und die Akademie für das Leben, die anthropologische und theologische Bedeutung der menschlichen Sexualität und der Geschlechterdifferenz zwischen Mann und Frau vertiefend studiert, um sich mit der Genderideologie auseinandersetzen zu können.

118. Die große Herausforderung wird darin bestehen, eine Pastoral zu entwickeln, der es gelingt, das rechte Gleichgewicht zwischen der barmherzigen Annahme der Menschen und ihrer schrittweisen Begleitung hin zur authentischen menschlichen und christlichen Reife zu wahren. Einige Bischofskonferenzen beziehen sich diesbezüglich auf bestimmte Organisationen als gelungene Beispiele einer solchen Pastoral.

119. In immer drängender Weise stellt sich die Herausforderung der Sexualerziehung in der Familie und in den Schulen, vor allem in den Ländern, in denen der Staat geneigt ist, in den Schulen eine einseitige und ideologische Vorstellung der Geschlechtsidentität vorzugeben. In den Schulen oder in den Gemeinschaften der Pfarreien sollten Bildungsprogramme vorgesehen werden, die den Jugendlichen eine entsprechende Sicht der affektiven und christlichen Reife vorstellen, und in denen auch das Phänomen der Homosexualität angegangen werden kann. Gleichzeitig zeigen die Bemerkungen, dass es bisher im kirchlichen Leben noch keinen Konsens hinsichtlich der konkreten Art und Weise gibt, in der die Menschen anzunehmen sind, die in diesen Gemeinschaften leben. Der erste Schritt in einem langsamen Prozess könnte in der Information und in der Formulierung von Kriterien der Unterscheidung bestehen, und dies nicht nur auf der Ebene der Seelsorger und der pastoralen Mitarbeiter, sondern auch auf der Ebene der kirchlichen Gruppen und Bewegungen.

Weitergabe des Glaubens an Kinder in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften

120. Es ist hervorzuheben, dass sich die eingegangenen Antworten gegen eine Gesetzgebung aussprechen, welche die Adoption von Kindern von Seiten derjenigen erlaubt, die in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften leben. Darin wird ein Risiko für das umfassende Wohl des Kindes gesehen, das ein Recht darauf hat, Vater und Mutter zu haben, wie Papst Franziskus kürzlich in Erinnerung gerufen hat (vgl. Ansprache an die Delegation des Internationalen Katholischen Kinderbüros, 11. April 2014). Desungeachtet unterstreichen die Antworten fast einhellig, dass ein Kind, für den Fall dass Partner einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft seine Taufe erbitten, mit der gleichen Zuneigung, Sorge und Liebe angenommen werden muss, wie die anderen Kinder. Viele Antworten geben an, dass es nützlich wäre, konkretere pastorale Leilinien für diese Situationen zu erhalten. Es versteht sich von selbst, dass die Kirche die Pflicht hat, die tatsächlichen Umstände im Hinblick auf die Weitergabe des Glaubens an das Kind zu prüfen. Für den Fall, dass es berechtigte Zweifel im Hinblick auf die tatsächliche Fähigkeit zur christlichen Kindererziehung von Seiten der gleichgeschlechtlichen Partner gibt, muss ihnen die entsprechende Unterstützung garantiert werden – so wie es auch im Hinblick auf jedes andere Paar verlangt wird, das die Taufe seines Kindes erbittet. Eine Hilfe in diesem Sinn könnte auch von anderen Personen kommen, die in ihrem familiären und sozialen Umfeld leben. In diesen Fällen muss die Vorbereitung der eventuellen Taufe des Kindes von Seiten des Pfarrers mit besonderer Sorgfalt erfolgen, auch mit besonderer Aufmerksamkeit hinsichtlich der Wahl des Paten oder der Patin.

III. TEIL
DIE OFFENHEIT FÜR DAS LEBEN UND DIE
ERZIEHERISCHE VERANTWORTUNG

Kapitel I
Die pastoralen Herausforderungen im Hinblick auf die Offenheit für das Leben

121. In den letzten Jahrzehnten hat es bezüglich der Offenheit für das Leben radikale Einsprüche gegeben. In diesem Bereich werden sehr intime Dimensionen und Aspekte des Seins berührt. Diesbezüglich werden die wesentlichen Unterschiede zwischen einer christlichen Sicht des Lebens und der Sexualität und einer stark säkularisierten Betrachtungsweise deutlich. Bei der Veröffentlichung der Enzyklika Humanae Vitae war sich übrigens schon Papst Paul VI. klar der Schwierigkeiten bewusst, die seine Aussagen mit der Zeit hervorrufen würden. So schrieb er etwa in diesem Dokument: „Es ist vorauszusehen, dass vielleicht nicht alle diese überkommene Lehre ohne weiteres annehmen werden; es werden sich, verstärkt durch die modernen Kommunikationsmittel, zu viele Gegenstimmen gegen das Wort der Kirche erheben. Die Kirche aber, die es nicht überrascht, dass sie ebenso wie ihr göttlicher Stifter gesetzt ist ‚zum Zeichen, dem widersprochen wird‘, steht dennoch zu ihrem Auftrag, das gesamte Sittengesetz, das natürliche und das dem Evangelium entsprechende, demütig, aber auch fest zu verkünden“ (HV 18).

122. Die Enzyklika Humanae Vitae hatte sicher eine prophetische Bedeutung, wenn es darum geht, die untrennbare Einheit zwischen der ehelichen Liebe und der Weitergabe des Lebens zu betonen. Die Kirche ist berufen, die Fruchtbarkeit der Liebe im Licht jenes Glaubens zu verkünden, der „hilft, die Zeugung von Kindern in ihrer ganzen Tiefe und ihrem ganzen Reichtum zu erfassen, da er darin die Schöpferliebe erkennen lässt, die uns das Geheimnis eines neuen Menschen schenkt und anvertraut.“ (LF 52). Viele der in den Antworten und Bemerkungen hervorgehobenen Schwierigkeiten unterstreichen die Angst des heutigen Menschen bezüglich der Themen wie Affekte, Weitergabe des Lebens, der Gegenseitigkeit von Mann und Frau, der Vater- und Mutterschaft.

Kenntnis und Rezeption des Lehramtes bezüglich der Offenheit für das Leben

123. Die Antworten im Hinblick auf die Kenntnis der Lehre der Kirche bezüglich der Offenheit der Eheleute für das Leben, mit besonderer Bezugnahme auf Humanae Vitae, beschreiben realistisch die Tatsache, dass diese Lehre in der überwiegenden Mehrheit der Fälle in ihrer positiven Dimension nicht bekannt ist. Diejenigen, die angeben, sie zu kennen, gehören mehrheitlich Vereinigungen und kirchlichen Gruppen an, und sind in den Pfarreien oder in Gruppen der Familienspiritualität zu Hause. In der überwiegenden Mehrheit der eingegangenen Antworten wird deutlich, dass die moralische Wertung der unterschiedlichen Methoden der Geburtenregelung heute von der vorherrschenden Mentalität als Einmischung in das Intimleben des Paares und Einschränkung der Gewissensfreiheit wahrgenommen wird. Sicherlich gibt es, je nach den sozialen und geographischen Kontexten, Differenzierungen in den Positionen und Haltungen der Gläubigen zu diesem Thema. Es kommt darauf an, ob jemand in einer stark säkularisierten und technisierten Kultur lebt, oder in einem einfachen und ländlichen Kontext. Viele Antworten geben den Eindruck wieder, dass die „verantwortliche Vater- und Mutterschaft“ für viele Katholiken die gemeinsame Verantwortung enthält, im Gewissen die angemessenste Methode der Geburtenregelung auszuwählen, und dies auf der Grundlage verschiedener Kriterien, die von der Wirksamkeit über die praktische Anwendbarkeit bis zur körperlichen Verträglichkeit reichen.

124. Vor allen Dingen in den Bemerkungen wird die Schwierigkeit hervorgehoben, den Unterschied zwischen den natürlichen Methoden der Geburtenregelung und der Empfängnisverhütung zu verstehen, besonders dann, wenn in den Medien von „natürlichen“ und „nicht natürlichen“ Methoden der Empfängnisverhütung die Rede ist. Von daher versteht sich, warum diese Unterscheidung als ein Vorwand empfunden wird, und die „natürlichen“ Methoden einfachhin als unwirksam oder unpraktisch abgetan werden. Die natürlichen Methoden zur Regelung der Fruchtbarkeit sind keine natürlichen „Techniken“, die auf ein Problem angewandt werden, um es zu lösen: sie respektieren die „menschliche Ökologie“, die Würde der sexuellen Beziehung unter den Eheleuten, und sie stehen im Zusammenhang mit einer Sicht der auf das Leben hin offenen Ehelichkeit. In diesem Sinn sind sie von der Empfängnisverhütung zu unterscheiden und die Erfahrung zeigt die Wirksamkeit ihrer Anwendung.

125. Antworten und Bemerkungen heben gleichermaßen hervor, dass ein sehr großer Unterschied zwischen den „abtreibenden“ und „nicht abtreibenden“ Methoden der Empfängnisverhütung gemacht wird. Oft ist dies das Beurteilungskriterium, das angewandt wird, wenn es um die moralische Güte der verschiedenen Methoden geht. Darüber hinaus wird in den eingegangenen Antworten, besonders aber in verschiedenen Bemerkungen auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die im Hinblick auf die Vorbeugung vor AIDS/HIV bestehen. In den Gegenden der Welt, wo diese Krankheit sehr verbreitet ist, ist dieses Problem groß. Vor allem angesichts einiger verkürzend-karikierender Berichte in den Medien wird das Bedürfnis empfunden, die Position der Kirche diesbezüglich besser zu erklären. Gerade im Gefolge einer personalistischen und beziehungsbetonenden Sichtweise scheint es erforderlich zu sein, die Frage nicht auf rein technische Probleme einzuengen. Es geht darum, Dramen zu begleiten, welche das Leben unzähliger Menschen zutiefst zeichnen, und zur Förderern einer wirklich humanen Art zu werden, die Realität der Paarbeziehung in häufig schwierigen Situationen zu leben, welche eine entsprechende Sorge und echten Respekt verdienen.

Einige Ursachen der schwierigen Rezeption

126. Alle Antworten neigen dazu, hervorzuheben, dass die Schwierigkeiten der Rezeption der Botschaft der Kirche über die fruchtbare Liebe zwischen Mann und Frau mit dem großen Unterschied zusammenhängen, der zwischen der Lehre der Kirche und der zivilen Erziehung besteht, besonders in den Gegenden der Erde, welche stärker von der Säkularisierung gekennzeichnet sind. Die von Seiten der Bischofskonferenzen eingegangenen Antworten legen den Akzent vorwiegend auf die zu Grunde liegende unterschiedliche Anthropologie. Es wird deutlich, dass große Schwierigkeiten bestehen, wenn es darum geht, die Beziehung zwischen der christlichen Anthropologie und dem Sinn der natürlichen Regelung der Fruchtbarkeit zum Ausdruck zu bringen. Die Reduzierung der Problematik auf die Kasuistik ist der Förderung einer weiten Sicht der christlichen Anthropologie nicht dienlich. Häufig wird festgestellt, dass die Lehre der Kirche vorschnell als rückständig abgelehnt wird, ohne sich mit ihren Gründen oder ihrem Bild des Menschen und des menschlichen Lebens auseinanderzusetzen.

127.  In einigen Antworten wird eine Verbindung hergestellt zwischen der weit verbreiteten Empfängnisverhütungsmentalität und der massiven Präsenz der Gender-Ideologie, welche dazu neigt, einige grundlegende Bestandteile der christlichen Anthropologie zu verändern, u.a. den Sinn des Körpers und der sexuellen Differenz, welche durch die Gender-Orientierung ersetzt wird, bis hin zum Vorschlag einer Geschlechtsumwandlung. Diesbezüglich wird vielfach die Notwendigkeit laut, im Hinblick auf diese immer weiter um sich greifende Ideologie über die allgemeine Verurteilung hinauszugehen, um auf diese Position, die heute in vielen westlichen Gesellschaften weit verbreitet ist, in begründeter Weise antworten zu können. In diesem Sinn ist der Misskredit, in den die Position der Kirche im Hinblick auf Vaterschaft und Mutterschaft geraten ist, nichts weiter als ein Mosaikstein einer anthropologischen Veränderung, welche einige sehr einflussreiche Kreise fördern. Die Antwort kann sich daher nicht nur auf die Frage der Verhütungsmittel oder der natürlichen Methoden beschränken, sondern muss auf der Ebene der entscheidenden menschlichen Erfahrung der Liebe erfolgen, und dabei den inneren Wert der Differenz entdecken, welche das menschliche Leben und seine Fruchtbarkeit kennzeichnet.

Pastorale Vorschläge

128. Aus pastoraler Sicht unterstreichen die Antworten in vielen Fällen die Notwendigkeit, den Inhalt von Humanae Vitae – in einer erneuerten Sprachgestalt und verbunden mit der Förderung einer entsprechenden kohärenten Anthropologie – besser bekannt zu machen, und sich dabei nicht nur auf die Ehevorbereitungskurse zu beschränken, sondern wirkliche Programme der Erziehung zur Liebe zu entwickeln. Einige Antworten schlagen vor, dass die Präsentation der natürlichen Methoden zur Regelung der Fruchtbarkeit in Zusammenarbeit mit sowohl in medizinischer, als auch in pastoraler Hinsicht wirklich vorbereiteten Personen geschieht. Zu diesem Zweck wird auf die Zusammenarbeit mit universitären Zentren bestanden, welche sich das Studium und die Verbesserung der natürlichen Methoden im Zusammenhang mit der Förderung einer ökologischen Sicht des Menschlichen zum Ziel gesetzt haben. In gleicher Weise wird vorgeschlagen, dieser Thematik bei der Ausbildung der zukünftigen Priester in den Seminaren mehr Raum zu geben, denn die Priester sind oft unvorbereitet, wenn es um diese Themen geht, und geben daher manchmal unrichtige oder irreführende Antworten.

Bezüglich der sakramentalen Praxis

129. Im Zusammenhang mit den pastoralen Vorschlägen bezüglich der Offenheit für das Leben begegnet man dem Thema der mit diesen Situationen verbundenen sakramentalen Praxis, sei es im Hinblick auf das Bußsakrament, sei es im Hinblick auf die Teilnahme an der Eucharistie. Diesbezüglich stimmen die Antworten im wesentlichen in der Beobachtung überein, dass in den stark säkularisierten Gegenden die Paare im Allgemeinen den Gebrauch der Empfängnisverhütungsmittel nicht als Sünde betrachten. Daher besteht auch die Tendenz, dies nicht zum Gegenstand der Beichte zu machen und ohne Probleme zur Eucharistie hinzuzutreten. Im Unterschied dazu wird hervorgehoben, dass unter den Gläubigen das Bewusstsein, dass die Abtreibung eine sehr schwere Sünde und immer Gegenstand der Beichte ist, weiterhin besteht. Einige Antworten sagen, dass sich die „Gewissenserforschung“ der christlichen Paare heute auf die Beziehung zwischen den Eheleuten (Untreue, mangelnde Liebe) konzentriert, und die Frage nach der Offenheit für das Leben eher bei Seite lässt. Dies bestätigt die schwache Wahrnehmung des Zusammenhangs zwischen der Hingabe an den Anderen in Treue und der Hervorbringung des Lebens. Die Antworten heben auch hervor, dass die pastorale Haltung der Priester bezüglich dieses Themas sehr unterschiedlich ist: sie reicht von denjenigen, die eine verständnisvolle und begleitende Haltung einnehmen bis zu denen, die sich entweder sehr unnachgiebig oder aber zu lax zeigen. Hier wird die Notwendigkeit bestätigt, die Ausbildung der Priester über diese Aspekte der Pastoral zu überdenken.

Eine für das Leben offene Mentalität fördern

130. In einigen Gegenden der Erde haben die Mentalität der Empfängnisverhütung und die Verbreitung eines individualistischen Menschenbildes einen starken demographischen Rückgang zur Folge, dessen soziale und menschlichen Konsequenzen nicht genügend berücksichtigt werden. Die auf den Geburtenrückgang ausgerichtete Politik verändert die Qualität der Beziehung zwischen den Eheleuten und das Verhältnis unter den Generationen. Daher ist es Teil der pastoralen Verantwortung der Kirche, darüber nachzudenken, wie eine Mentalität unterstützt werden kann, die stärker für das Leben offen ist.

131. Viele Antworten und Bemerkungen heben den Zusammenhang zwischen der Offenheit für die Nachkommen und sozialen- und Arbeitsmarktfragen hervor: die Förderung der Geburten erscheint innerlich verbunden mit dem Vorhandensein der Bedingungen, welche es den jungen Paaren erlauben, in Freiheit, Verantwortung und Gelassenheit die Entscheidung treffen zu können, Kindern das Leben zu schenken und sie zu erziehen. Kindergärten, flexible Arbeitszeiten, Elternzeit und die Erleichterung der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt scheinen diesbezüglich entscheidende Bedingungen zu sein. Daher gibt es auch eine zivile Verantwortung der Christen, Gesetze und Strukturen zu fördern, welche eine dem werdenden Leben gegenüber positive Haltung fördern. Aus einer mehr pastoralen Sicht heben die Antworten die Nützlichkeit der diözesanen Familienberatungsstellen und der Familienvereinigungen hervor, die zu Zeugen der Schönheit und des Wertes der Offenheit für das Leben werden. Es wird empfohlen, dass die Synode dabei hilft, den tiefen anthropologischen Sinn der Moral des Ehelebens wieder zu entdecken, welche jenseits jeden Moralismus als eine aufrichtige Spannung erscheint, die anspruchsvolle Schönheit der christlichen Liebe zwischen Mann und Frau zu leben, und ihr im Blick auf jene größere Liebe einen Wert zu geben, die bis dahin geht, „das Leben für seine Freunde zu geben“ (Joh 15,13). Es hat nicht an Antworten gefehlt, die dazu einladen, den Wert der ehelichen Keuschheit im Zusammenhang mit der Authentizität liebender Erfahrung wieder zu entdecken.

Kapitel II
Die Kirche und die Familie angesichts der erzieherischen Herausforderung

a) Die erzieherische Herausforderung im allgemeinen

Die erzieherische Herausforderung und die Familie heute

132. Die Herausforderungen, welchen die Familie im Bereich der Erziehung begegnet, sind vielfältig. Oft fühlen sich die Eltern dieser Aufgabe nicht gewachsen. Das Lehramt der jüngsten Zeit hat die Bedeutung der Erziehung, für welche die Eheleute in ihrer Ehe auch eine besondere Gnade erhalten, hervorgehoben. In den Antworten und Bemerkungen wird unterstrichen, dass die Erziehung umfassend sein und die große Frage nach der Wahrheit hervorrufen muss, welche den Weg des Lebens leiten kann (vgl. Benedikt XVI., Ansprache vom 21. Januar 2008). Sie entsteht immer innerhalb einer Liebe, welche mit der Erfahrung beginnt, die das Kind lebt, das von seinen Eltern angenommen wird (vgl. Benedikt XVI., Ansprache vom 23. Februar 2008). Die Erziehung besteht in einer umfassenden und tiefen Einführung in die ganze Wirklichkeit und besonders in das soziale Leben. Sie ist erstrangige Verantwortung der Eltern, welche der Staat anzuerkennen, zu schützen und zu fördern hat (vgl. GE 3; FC 37). Papst Franziskus hat die Bedeutung der Erziehung bei der Weitergabe des Glaubens hervorgehoben: „Nach einem Wort des heiligen Augustinus sind die Eltern berufen, ihre Kinder nicht nur zum Leben zu zeugen, sondern sie zu Gott zu bringen, damit sie durch die Taufe als Kinder Gottes wiedergeboren werden und das Geschenk des Glaubens empfangen“ (Lumen Fidei 43).

Weitergabe des Glaubens und christliche Initiation

133. Die pastorale Tätigkeit der Kirche ist aufgerufen, den Familien in ihrer erzieherischen Aufgabe zu helfen, angefangen mit der christlichen Initiation. Die Katechese und die Bildung in der Pfarrei sind unverzichtbare Mittel, um die Familie in dieser erzieherischen Aufgabe zu unterstützen, besonders anlässlich der Vorbereitung auf Taufe, Firmung und Erstkommunion. An der Seite der Familien und der Pfarreien wird die Fruchtbarkeit des Zeugnisses der Bewegungen im Bereich der Familienspiritualität und der Vereinigungen von Laien hervorgehoben, innerhalb derer man immer mehr dazu übergeht, einen Dienst am Paar zu entwickeln, innerhalb dessen die Ausbilder der Familien das Wachstum der Hauskirche durch persönliche Begegnungen unter den Familien, besonders aber durch die Pflege des Gebetes, fördern.

134. Die christliche Erziehung in der Familie verwirklicht sich vor allen Dingen durch das Zeugnis des Lebens, das die Eltern ihren Kindern geben. Einige Antworten erinnern daran, dass die Methode der Glaubensweitergabe sich mit der Zeit nicht ändert, auch wenn sie sich an die Umstände anpasst: der Weg der Heiligung des Paares; persönliches und familiäres Gebet; Hören auf das Wort und Zeugnis der Liebe. Da, wo dieser Lebensstil gelebt wird, ist die Weitergabe des Glaubens gesichert, auch wenn die Kinder einem gegenteiligen Druck ausgesetzt sind.

Einige spezifische Schwierigkeiten

135. Die Herausforderung der christlichen Erziehung und der Weitergabe des Glaubens ist in vielen Ländern oft durch einen tiefen Wandel der Beziehung zwischen den Generationen geprägt, welcher in der Realität der Familie die Vermittlung der Werte konditioniert. In der Vergangenheit war diese Beziehung die Basis eines Glaubenslebens, das geteilt und als Gut von einer Generation zur nächsten vermittelt wurde. Diesbezüglich verweisen alle Bischofskonferenzen und viele Bemerkungen auf tiefgreifende Wandlungen und deren Einfluss auf die erzieherische Verantwortung der Familie hin. Dennoch ist es unumgänglich, Differenzierungen anzubringen, je nach den in der jeweiligen Gesellschaft noch vorhandenen Elementen der Tradition oder der Entwicklung der Säkularisierungsprozesse. Die Bischofskonferenzen Westeuropas erinnern daran, dass es in den sechziger und siebziger Jahren einen starken Generationskonflikt gegeben hat. Heute scheinen die Eltern, vielleicht auch bedingt durch diese Erfahrungen, vorsichtiger zu sein, wenn es darum geht, die Kinder zur religiösen Praxis zu bewegen. Gerade in diesem Bereich versucht man eher, Konflikte zu vermeiden, als auszutragen. Darüber hinaus fühlen sich die Eltern selbst oft unsicher, wenn es um religiöse Themen geht. Daher bleiben sie, wenn es um die Weitergabe des Glaubens geht, oft sprachlos und delegieren diese Aufgabe, auch wenn sie ihr Bedeutung beimessen, an religiöse Institutionen. Dies scheint eine gewisse Schwäche der Erwachsenen, besonders der jungen Eltern zu bescheinigen, wenn es darum geht, mit Freude und Überzeugung die Gabe des Glaubens weiterzugeben.

136. Aus den Antworten wird ersichtlich, dass die katholischen Schulen auf den verschiedenen Ebenen bei der Weitergabe des Glaubens an die Jugendlichen eine wichtige Rolle spielen und für die Eltern in ihrer erzieherischen Aufgabe eine große Hilfe sind. Es wird empfohlen, dass sie vermehrt und von der ganzen Gemeinschaft der Kirche unterstützt werden. Dies ist vor allem da von Bedeutung, wo der Staat sich besonders in die erzieherischen Prozesse einmischt, und versucht, der Familie die ihr eigene erzieherische Verantwortung abzunehmen. In diesem Sinne ist die katholische Schule Ausdruck der erzieherischen Freiheit und verteidigt den Primat der Familie als wirkliches Subjekt des Erziehungsprozesses, das von den anderen Akteuren im Bereich der Erziehung unterstützt werden muss. Es wird eine engere Zusammenarbeit zwischen Familie, Schule und christlicher Gemeinschaft gefordert.

137. Wie die Bischofskonferenzen des Mittleren Orient in Erinnerung rufen, wird die Aufgabe der Familie in der Weitergabe des Glaubens und bei der Glaubenserziehung in den Gegenden als besonders wichtig empfunden, wo die Christen in der Minderheit sind. In den Antworten aus den Ländern Osteuropas wird auf eine schmerzliche Erfahrung verwiesen: die älteren Generationen haben ihr Leben im Sozialismus gelebt und die christlichen Grundlagen vor dem Auftauchen dieses Regimes erhalten. Die junge Generation ist hingegen in einem postkommunistischen, von starken Säkularisierungsprozessen gekennzeichneten Klima aufgewachsen. All das hat die Weitergabe des Glaubens negativ konditioniert. Die jüngeren Generationen sind aber sensibel, besonders für das Beispiel und das Zeugnis der Eltern. Allgemein sind jene Familien, die sich an den kirchlichen Bewegungen beteiligen, aktiver, wenn es darum geht, den Glauben an die neuen Generationen weiter zu geben. In einigen Antworten findet sich im Hinblick auf den Glauben so etwas wie ein erzieherisches Paradox: in verschiedenen kirchlichen Realitäten sind es nicht die Eltern, die den Glauben an die Kinder weitergeben, sondern umgekehrt, die Kinder, die den Glauben annehmen, vermitteln ihn an die Eltern, die vor Zeiten die christliche Praxis hinter sich gelassen haben.

b) Die christliche Erziehung in schwierigen familiären Situationen

138. Da die Weitergabe des Glaubens und die christliche Erziehung untrennbar mit dem authentischen Zeugnis des Lebens verbunden sind, wird verständlich, dass schwierige Verhältnisse innerhalb der Familie die Komplexität des erzieherischen Prozesses zuspitzen. In diesem Sinne sollte im Hinblick auf die christliche Erziehung den familiären Realitäten, in denen die Kinder besonders von der als irregulär bezeichneten Situation ihrer Eltern betroffen sind, eine größere pastorale Aufmerksamkeit geschenkt werden. Diesbezüglich wird der Gebrauch einer Terminologie gewünscht, die nicht den Eindruck der Distanz, sondern der Integration erweckt, die stärker die Aufnahme, die Liebe und die Begleitung von Seiten der Kirche vermittelt, um, besonders bei den betroffenen Kindern und Jugendlichen, nicht den Eindruck der Zurückweisung oder der Diskriminierung ihrer Eltern zu erwecken, im Bewusstsein dessen, dass die Situationen, nicht die Menschen, „irregulär“ sind.

Ein Überblick über die Situation

139. Die Gesamtsituation im Hinblick auf die Erziehung ist derzeit ziemlich komplex und veränderlich. Es gibt Regionen, in denen der katholische Glaube weiterhin eine breite Zustimmung findet, in denen aber die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die in regulären Familien geboren werden und aufwachsen immer mehr abnimmt. In anderen Regionen müssen sich die Teilkirchen anderen Herausforderungen stellen, weil die nichtehelichen Lebensgemeinschaften, die Homosexualität oder die Zivilehe nicht erlaubt sind. Aber, die Kirche trifft überall, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung, auf diese schwierigen oder irregulären Situationen. Auch dort, wo weiterhin ein Großteil der Eltern in regulären kirchlichen Ehen lebt, wächst das Phänomen.

140. Aus den Antworten gehen bezüglich der irregulären Situationen und ihrer Auswirkung auf die Erziehung drei Elemente hervor: Bezüglich der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften ist aus den Antworten erkennbar, dass diese Tatsache, die derzeit auf „liberal-progressive“ Länder beschränkt ist, keine spezifischen pastoralen Fragestellungen hervorruft. Einige pastorale Leitlinien wurden schon am Ende des II. Teils erwähnt. Ein zweites zu bedenkendes Element besteht im Vorhandensein und im Wachsen der Einelternfamilien: oft handelt es sich um Mütter, die sich in Kontexten der Armut um ihre Kinder kümmern. Dieses Phänomen betrifft vor allem die Sensibilität der Kirchen in Lateinamerika und Asien, wo diese Mütter nicht selten gezwungen sind, die Erziehung der Kinder an den Familienclan zu delegieren. Drittens hat im Süden der Welt das Phänomen der „Straßenkinder“, die von Eltern, die in Schwierigkeiten sind, sich selbst überlassen oder als Waisen nach dem gewaltsamen Tod der Eltern den Großeltern anvertraut werden, eine große Bedeutung.

Die an die Kirche gerichteten Anfragen

141. Aus der Analyse der Antworten geht allgemein gesprochen die Tendenz hervor, dass sich die Eltern in irregulären Situationen mit sehr unterschiedlicher Haltung an die Kirche wenden, je nach den Gefühlen und Motivationen, die sie leiten. Es gibt solche, die gegenüber der Kirche sehr viel Respekt und Vertrauen an den Tag legen, wie solche, die auf Grund der Scham, die sie hinsichtlich ihrer Entscheidungen empfinden, eine negative Haltung haben, oder solche, die aus Angst vor Zurückweisung oder Ausgrenzung zögern, sich anzunähern. Während einige glauben, dass die kirchliche Gemeinschaft sie trotz ihres Scheiterns und ihrer Schwierigkeiten verstehen und annehmen kann, beurteilen andere die Kirche als eine Institution, die sich zu sehr in den Lebensstil der Menschen einmischt, oder sie sind überzeugt, dass sie eine Art Vormund sei, der Erziehung und Begleitung garantieren muss, ohne aber zu viele Erwartungen zu haben.

142. Die erstrangige und weitest verbreitete Anfrage, welche die Eltern in dieser Lebenssituation an die Kirche richten, ist die der Sakramentenspendung an die Kinder, besonders der Taufe und der Erstkommunion. Diese Anfrage ist jedoch mit einer deutlichen Schwierigkeit verbunden, nämlich der religiösen Bildung und der Teilnahme am Leben der Pfarrei die entsprechende Bedeutung und den rechten Wert beizumessen. Viele wissen, dass die Katechese eine Voraussetzung für den Sakramentenempfang darstellt. Sie sehen in ihr aber weniger eine Chance, als vielmehr eine Pflicht, eine Formalität oder einen Kompromiss, den es einzugehen gilt, damit das Kind empfangen kann, was sie erbitten. Die Antworten weisen darauf hin, dass von Seiten der Eltern oft Zurückhaltung und Desinteresse im Hinblick auf den von der Gemeinde vorgeschlagenen Vorbereitungsweg festzustellen sind. Das führt dazu, dass die Eltern häufig, wenn möglich, vermeiden, am Vorbereitungsweg, der für die Kinder und für sie gedacht ist, teilzunehmen. Sie entschuldigen sich mit Gründen der Zeit und der Arbeit; oft handelt es sich aber um Gleichgültigkeit und die Suche nach bequemen und schnellen Lösungen. Manchmal zeigen sie auch gegenüber den Anregungen der Katecheten eine negative Haltung. In anderen Fällen wird ihre Indifferenz deutlich, denn sie bleiben im Hinblick auf jedwede Initiative passiv und lassen sich in die religiöse Erziehung des Kindes nicht einbeziehen.

143. Was aus der Analyse der Daten hervorgeht ist, dass viele dieser Eltern, wie übrigens auch ein guter Teil der regulär verheirateten katholischen Eltern, für ihre Kinder die sakramentale Initiation erbitten, um nicht mit einer Gewohnheit, mit einer typischen gesellschaftlichen Sitte, zu brechen. Das Sakrament stellt für viele immer noch ein traditionelles Fest dar, das sie weniger aus Überzeugung, sondern mehr aus Anpassung an einen familiären und sozialen Brauch erbitten. Es gibt aber auch Eltern, die ernsthaft wünschen, den Glauben an die Kinder weiter zu geben und sich deshalb den Bildungswegen anschließen, welche die Pfarrei im Hinblick auf die Sakramentenspendung anbietet. Manchmal bitten sie selbst auch um Hilfe, um aus den Situationen herauszukommen, die sie schwach machen, sind bereit, einen wirklichen spirituellen Weg zu gehen und wünschen, aktiv am Leben der Kirche teilzunehmen, indem sie sich in den katechetisch-sakramentalen Weg der Kinder einbeziehen lassen. In nicht wenigen Fällen entdecken die Eltern in unverfälschterer Weise den Glauben wieder, und kommen auch manchmal so weit, nach vielen Jahren des Zusammenlebens die Eheschließung zu erbitten.

144. Aus den Antworten gehen auch andere Arten von Anfragen hervor, welche Eltern in irregulären Situationen an die Kirche richten. In bestimmten kulturellen Realitäten kommt es vor, dass sie aus abergläubischen Gründen die Sakramente für ihre Kinder erbitten, oder um zu verhindern, das sie im Unglauben bleiben. In anderen Fällen wenden sie sich an die Priester vor Ort, nur, um eine ökonomische oder erzieherische Unterstützung erhalten zu können. Allgemein nimmt die Nachfrage nach der Firmung der eigenen Kinder ab, besonders in den stärker säkularisierten Ländern. Die Idee bricht sich Bahn, dass es gut sei, den Kindern die Freiheit und die Verantwortung zu lassen, den Weg der Initiation in das christliche Leben zu beginnen. Eine andere Schwierigkeit entsteht dann, wenn geschiedene Eltern im Hinblick auf den Weg der christlichen Initiation des Kindes uneinig sind. In diesen Fällen ist die Kirche aufgerufen, durch Verständnis und Dialog eine wichtige Vermittlerrolle zu übernehmen.

145. Im Hinblick auf die Nachfrage bezüglich des katholischen Religionsunterrichtes für die eigenen Kinder lassen sich in den eingegangenen Antworten und Bemerkungen zwei Typologien feststellen. Auf der einen Seite sind die Fälle, in denen es möglich ist, neben der pfarrlichen Katechese das Angebot des katholischen Religionsunterrichtes in der Schule zu nutzen, oder auch nicht. Von dieser Möglichkeit machen in der Regel auch die Eltern Gebrauch, die in irregulären Situationen leben, sowie, vor allem in Europa, auch viele Nichtkatholiken oder Ungetaufte. In einigen Gebieten der europäischen Länder ist im Lauf der letzten Jahre die Zahl derjenigen gestiegen, die sich in öffentlichen Schulen für den katholischen Religionsunterricht einschreiben. Auf der anderen Seite gibt es einige Schulsysteme im Bereich der Elementarerziehung (wie das australische), welche die Möglichkeit einer guten Glaubenserziehung und Religionsunterricht anbieten. In diesen Fällen nehmen viele Eltern in irregulären Situationen, deren Kind getauft ist, diese Möglichkeit an, die es erlaubt, an den schulischen Programmen der christlichen Bildung teilzunehmen, welche auf den Sakramentenempfang vorbereiten, ohne an den katechetischen Programmen der Pfarrei teilzunehmen. Eine andere Realität stellen die katholischen Schulen und Kollegien dar, die in allen Kontinenten verbreitet sind. In ihnen können die Kinder von Eltern in irregulären Situationen eingeschrieben werden, ohne dass Vorurteile bestünden. Tatsächlich ist es so, dass sie sich gerne an diese Schulen wenden, vor allem, weil sie wissen, dass sie bei der Erziehung ihrer Kinder Unterstützung und Zusammenarbeit erfahren. In Afrika stellen die katholischen Schulen wichtige Orte der christlichen Erziehung der Kinder dar. In den Antworten wurde selten auf die Frage eingegangen, welche Auswirkungen der katholische Religionsunterricht im Rahmen der Glaubenserziehung hat. Es wird auf Versuche der Zusammenarbeit zwischen pfarrlicher Katechese, schulischer Aktivität und Religionsunterricht hingewiesen, wo besonders in diesem Bereich gearbeitet wird. Dies scheint vor allem da der einzuschlagende Weg zu sein, wo sich der katholische Religionsunterricht auf den intellektuellen Aspekt beschränkt.

Die Antworten der Teilkirchen

146. Die Teilkirchen setzen sich dafür ein, die Familien, auch diejenigen in irregulären Situationen, zu begleiten. Wenn die Eltern, die sich häufig von der Kirche entfernt haben, sich nun wieder annähern und von der Gemeinschaft der Kirche die Sakramentenvorbereitung ihrer Kinder erbitten, ist – wie aus den Antworten hervorgeht – die offene und vorurteilsfreie Aufnahme die von allen am meisten geschätzte Vorgehensweise. Dies bedeutet, dass der Respekt, die wohlwollende Offenheit und das Hören auf die menschlichen und geistlichen Bedürfnisse sich als grundlegende Haltungen erweisen, wenn es darum geht, ein der Vermittlung des Evangeliums förderliches und entsprechendes Umfeld zu schaffen. Unter den wirksamen und bedeutsamen kirchlichen Erfahrungen im Hinblick auf die Unterstützung des Weges dieser Eltern werden hervorgehoben: die gemeinschaftlichen und familiären Katechesen; die Bewegungen, welche eine Ehepastoral unterstützen; die Sonntagsmessen; die Besuche in den Familien; Gebetsgruppen; Volksmissionen; das Leben der kirchlichen Basisgemeinden; die Bibelgruppen; die Tätigkeit und die Pastoral der kirchlichen Bewegungen; die christliche Bildung, welche, vor allem in Lateinamerika den Eltern der Kinder angeboten wird, die eines der zahlreichen katholischen Kollegien oder Erziehungseinrichtungen besuchen. Oft sind es die Kinder, die ihre Eltern evangelisieren.

147. Ungeachtet dessen, was bisher ausgeführt wurde, stellen nicht alle Antworten fest, dass die derzeitige Pastoral der Kirche immer in der Lage ist, diese spezifischen familiären Realitäten entsprechend zu begleiten. Die pastorale Tätigkeit bräuchte eine Erneuerung, Kreativität und Freude, um wirksamer und anregender zu sein, wenn es darum geht, eine wechselseitige Durchdringung zwischen Ausbildung der Kinder, Glaubensbildung der Eltern und Leben der Gemeinschaft herzustellen. Es gibt neue Initiativen, die in diese Richtung gehen: Momente der Bildung, des Gebetes und der Einkehr für die Eltern, parallel zur Sakramentenkatechese für die Kinder; die „Schulen für Eltern“; katechetische Programme zur Familien- und Sexualmoral; das Angebot, wie zum Beispiel in Nigeria und Südafrika, verschiedene Brautpaare in einer Trauungszeremonie zusammen zu fassen (mass-marriage), auch, um der finanziellen Schwierigkeit entgegen zu kommen, die manchmal die Entscheidung zur Ehe verlangsamt oder entmutigt. Einige weisen aber darauf hin, dass es sich hier um noch nicht ganz ausgereifte Angebote handelt.

148. Aus den Antworten auf den Fragebogen geht hervor, dass einerseits die Begleitung der Eltern von ihrer Bereitschaft, sich begleiten und führen zu lassen, abhängt. Andererseits hängt ihre Begleitung aber vor allem vom Verantwortungssinn und der Sorgfalt der Priester vor Ort ab, von ihrer Fähigkeit, die Gemeinschaft der Pfarrei weiterstmöglich einzubinden. In den deutschen Pfarreien werden beispielsweise sowohl die Kinder, als auch die Eltern von einer Gruppe von Katecheten begleitet, die ihnen auf dem ganzen katechetischen Weg zur Seite stehen. In den großen Städten scheint es schwieriger zu sein, eine personalisierte pastorale Zugehensweise umzusetzen. Jedenfalls stellt die Möglichkeit, sich mit tiefer Aufmerksamkeit jenen Schwestern und Brüdern zu nähern, ihnen dabei zu helfen, die Fragen auszudrücken, die sie auf dem Herzen haben, ihnen einen Weg vorzuschlagen, der in ihnen die Sehnsucht wieder aufkommen lässt, ihre Beziehung zum Herrn Jesus auch durch authentische Bande der Gemeinschaft zu vertiefen, eine große Herausforderung dar. Es geht darum, die schon vorhandenen Initiativen zu verstärken. Hierzu gehören die Initiativen einiger lateinamerikanischer Bischofskonferenzen, die Bildungsmaterial herstellen und anbieten, das den Eltern bei der Erziehung der Kinder hilft.

149. Die Teilkirchen wissen sehr wohl, dass die Kinder und Jugendlichen nicht die Schuld an den Entscheidungen oder an der Lebensart ihrer Eltern tragen. Deshalb werden die Kinder überall ohne Unterschied zu den anderen, mit der gleichen Liebe und der gleichen Aufmerksamkeit aufgenommen. Das Angebot christlicher Bildung, das ihnen gemacht wird, unterscheidet sich nicht von den katechetischen und pastoralen Initiativen für die Kinder der ganzen Gemeinschaft: die Katechese; die Schulen des Gebetes; die Einführung in die Liturgie; die Gruppen, besonders die Kindermission in Lateinamerika; die Schulen für biblisches Theater und die Chöre der Pfarrei; Schulen und Ferienlager der Pfarrei; Jugendgruppen. Es wird darauf hingewiesen, dass es keine besonderen Aktivitäten zur Unterstützung dieser Kinder gibt, um ihre Wunden zu heilen und zu behandeln. Die Förderung von Angeboten zu ihrem Wohl wird gewünscht, die Schaffung von Möglichkeiten der Unterstützung, besonders in den schwierigen Zeiten der Trennung und der Scheidung der Eltern, Zeiten, in denen sie weiterhin auf die familiären Bande hoffen können dürfen, auch wenn die Eltern sich trennen. In einer nordeuropäischen Diözese, in der es einen sehr hohen Anteil an Scheidungskindern gibt, organisieren einige Pfarrer die Katechese an jedem zweiten Wochenende, um den Schwierigkeiten in diesen Familienrealitäten und der Mühe entgegen zu kommen, die die Kinder haben, am Wochenende an der Katechese teilzunehmen. Auf diese Weise können die Kinder immer teilnehmen, ohne das Gefühl zu haben, anders zu sein.

150. Neben den Pfarreien, den Vereinigungen und Bewegungen leistet auch das Apostolat weiblicher Ordensgemeinschaften diesen Eltern und Kindern einen wertvollen Dienst. Dies vor allem da, wo es Formen extremer Armut, religiöser Intoleranz oder Ausnutzung der Frauen gibt. Auch das Werk der Glaubensverbreitung trägt durch regelmäßige oder außerordentliche Unterstützung zur christlichen Erziehung und Bildung der Kinder bei, auch derjenigen von Eltern in irregulären Situationen.

Zeiten und Formen der christlichen Initiation der Kinder

151. Im Hinblick auf die Sakramentenvorbereitung und die sakramentale Praxis hält man sich an das, was von den Normen des Kirchenrechts, den Bischofskonferenzen und den diözesanen Leitlinien festgelegt ist. Es ist kein alternativer Vorbereitungsweg vorgesehen, der sich von dem der Kinder aus regulären Familien unterscheidet. Grundsätzlich wird daher der klassische Weg gewählt, welcher für die Vorbereitung auf das Sakrament der Taufe Treffen mit den Eltern vorsieht; darauf folgt in den verschiedenen Altersstufen die geordnete und fortschreitende Katechese, mittels derer in etwa drei oder vier Jahren die Vorbereitung auf die anderen Sakramente der christlichen Initiation erfolgt, vorausgesetzt, die Eltern bitten darum, dass die Kinder sie empfangen können. In einigen Diözesen geht der Bildungsweg nach der Firmung mit pastoralen Erfahrungen wie dem feierlichen Glaubensbekenntnis und besonderen Initiativen für die Jugendgruppen weiter. Allgemein aber ist nach der Firmung ein starker Einbruch der Beteiligung zu verzeichnen, der manchmal einer zu wenig auf die Jugendlichen abgestimmten Katechese zugeschrieben wird. Ebenso ist ein Nachlassen der sakramentalen Praxis auf Grund unzureichender persönlicher Motivation festzustellen. Dies bestätigt die fehlende Verankerung im Glauben und den Mangel an persönlicher Begleitung. Die zwischen den Teilkirchen und den verschiedenen katholischen Ostkirchen bezüglich dieses Themas bestehenden Unterschiede können es mit der Reihenfolge zu tun haben, in der diese Sakramente gespendet werden, mit dem Alter, in dem sie empfangen werden können, oder aber mit der Organisation der katechetischen Programme. Hinzu kommen pastorale Entscheidungen, welche dazu ermutigen sollten, neue Wege der Begleitung zu eröffnen.

152. Es wird auch die Meinung vertreten, die Sakramente sollten nicht in einem vorher festgelegten Alter gefeiert werden, sondern entsprechend der geistlichen Reife der Kinder. Diese Praxis bringt aber nicht selten Schwierigkeiten mit den Eltern mit sich. In anderen Fällen empfangen die Kinder aus irregulären Familien die Taufe nach drei oder vier Jahren der Katechese, in dem Alter also, in dem ihre Altersgenossen zur ersten Kommunion zugelassen werden; so haben es etwa einige afrikanische Bischofskonferenzen festgelegt. Wenn Eltern, die nur zusammenleben, die Taufe der Kinder erbitten, gibt es einige Diözesen, die eine persönliche Begleitung der Eltern vorsehen, bevor die Kleinen das Sakrament empfangen. Die Unterweisung soll sie dazu führen, wieder zu den Sakramenten zu gehen, bis hin zur Feier der Trauung. Die Kinder empfangen die Taufe erst nach einigen Jahren. Diese Praxis gibt es in einigen afrikanischen und arabischen Ländern. In anderen Ländern brächte der pastorale Rigorismus im Hinblick auf die moralische Einschätzung des Lebens der Eltern die Gefahr mit sich, den Kindern ungerechter Weise die Sakramente zu verweigern und zwischen moralisch inakzeptablen Situationen eine ungerechte Unterscheidung zu machen (wenn etwa die Kinder für die ungültige Ehe der Eltern bestraft werden, es aber keine Rolle spielt, ob sie ein verbrecherisches Leben führen oder andere ausnutzen). Nur selten wird auf ein Katechumenat für die Kinder Bezug genommen.

Einige besondere Schwierigkeiten

153. Die Schwierigkeiten, die im Hinblick auf die sakramentale Praxis festgestellt werden, richten die Aufmerksamkeit auf delikate Fragestellungen und problematische Knotenpunkte für die Praxis der Teilkirchen. Bezüglich des Sakramentes der Taufe wird zum Beispiel eine tolerante Haltung beklagt, in der manchmal den Kindern von Eltern in irregulären Situationen das Sakrament gespendet wird, ohne eine entsprechende Vorbereitung vorzusehen. Im gleichen Zusammenhang gibt es Fälle, in denen der Zugang zur christlichen Initiation verwehrt wurde, weil ein Elternteil in einer irregulären Situation war. In den Antworten taucht verschiedentlich die Bezugnahme auf das starke Unbehagen der Eltern auf, nicht zum Bußsakrament und zur Eucharistie zugelassen zu sein, während die Kinder eingeladen werden, an den Sakramenten teilzunehmen. Dieses Unbehagen kommt unterschiedlich zum Ausdruck, je nach dem Maß des Verständnisses für die Nichtzulassung. Es reicht von einer rein negativen Haltung bis zur Empfindung, dass es auch einen möglichen Weg der Heilung gibt.

Einige pastorale Leitlinien

154. Eine sensible Pastoral, die vom Respekt vor diesen irregulären Situationen geleitet wird und in der Lage ist, die Erziehung der Kinder wirksam zu unterstützen, erscheint immer notwendiger. Im Hinblick auf Eltern, die in diesen Situationen leben, spürt man das Erfordernis einer besseren, beständigen und wirksameren Begleitung. Da die Zahl derjenigen, die sich anlässlich der Sakramentenvorbereitung der Kinder wieder mit dem Glauben auseinandersetzen, hoch ist, müsste vor Ort über entsprechende Wege der Wiederentdeckung und der Vertiefung des Glaubens nachgedacht werden, die ihrerseits eine entsprechende Vorbereitung und angemessene pastorale Tätigkeit voraussetzen. Ein wichtiger Hinweis ist derjenige auf ein neues Verständnis des Wertes und der Rolle des Paten oder der Patin auf dem Glaubensweg der Kinder und Jugendlichen. Die Vorschläge, welche diesbezüglich gemacht werden, reichen vom Erfordernis, die Kriterien für ihre Auswahl zu überdenken, die durch die steigende Zahl von Menschen in irregulären Situationen immer schwieriger wird, bis hin zur Notwendigkeit, eine Katechese für die Eltern und Paten ins Leben zu rufen oder auszubauen, denn einem hohem Prozentsatz unter ihnen fehlt das Bewusstsein für die Bedeutung des Sakramentes. Eine spezifische pastorale Begleitung sollte auch für die Mischehen bzw. die kultusverschiedenen Ehen vorgesehen werden, in denen es oft echte Schwierigkeiten in der religiösen Kindererziehung gibt.

155. Von Seiten der Bischofskonferenzen wird die Frage gestellt, ob es nicht möglich sei, in jeder christlichen Gemeinschaft Ehepaare vorzubereiten, welche den Weg des Wachstums derjenigen begleiten und unterstützen können, die echt daran interessiert sind, würdige Paten und Patinnen zu sein. In den Gegenden, in denen die Katecheten eine wichtige und zugleich delikate Rolle spielen, wird vorgeschlagen, dass sie besser ausgebildet und mit verbesserten Kriterien ausgesucht werden. Denn die Fälle von Katecheten, die in irregulären Ehen leben, rufen Zwietracht und Verwunderung hervor. Es wird hervorgehoben, dass die Kirche der Qualität des katechetischen Angebotes mehr Aufmerksamkeit schenken sollte. Daneben wird eine bessere Ausbildung der Katecheten gefordert, damit sie Zeugen mit einem glaubwürdigen Leben sein können. Ferner wird auf die echte Notwendigkeit einer Sakramentenvorbereitung hingewiesen, die in einer Evangelisierung der Mensch besteht: es geht darum, mehr an einer Initiation in den Glauben und in das Leben zu arbeiten. Es wird empfohlen, eine den Eltern entsprechende Pastoral zu garantieren, welche die Zeit zwischen der Taufe und der Erstkommunion der Kinder umfasst. Für die Ebene der Dekanate oder Vikariate wird vorgeschlagen, Treffen für diejenigen zu organisieren, die familiäre Probleme haben oder lösen möchten, und zugleich die Kinder zum Glauben erziehen sollen.

156. Die katholischen Schulen haben eine große Verantwortung gegenüber der steigenden Zahl von Kindern und Jugendlichen unter ihren Schülern, deren Eltern in einer irregulären Situation leben. Diesbezüglich müsste die Erziehungsgemeinschaft der Schule die Rolle der Familie immer mehr ersetzen, indem sie eine Atmosphäre der Aufnahme schafft, die in der Lage ist, das Angesicht Gottes zu zeigen. Es wird jedenfalls gewünscht, dass die Vorbereitung auf die Sakramente durch eine effektive Zusammenarbeit zwischen Pfarrei und katholischer Schule geschieht, um den Sinn der Zugehörigkeit zur Gemeinschaft zu stärken. Es wird darum gebeten, dass auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens die Angebote der Erziehung und Bildung zur Liebe, zur Affektivität und zur Sexualität für Kinder und Jugendliche verbessert werden. Die Vorstellung neuer Modelle ehelicher Heiligkeit könnte das Wachstum der Einzelnen innerhalb eines familiären Gefüges stärken, das in seiner Struktur Schutz, Erziehung und Liebe bietet.

157. In einigen dieser schwierigen Situationen, wenn es zum Beispiel um Flüchtlings- oder Migrantenpaare geht, müsste die Kirche vor allem materielle und psychologische Unterstützung bieten, sowie bei der schulischen Ausbildung und der Vorbeugung des Missbrauchs oder der Ausnutzung Minderjähriger helfen. Im Fall der „Nomaden“, die in der Regel die Taufe ihrer Kinder erbitten, müssten sich die Teilkirchen stärker zu einer geistlichen Begleitung der Familie verpflichten, damit der ganze Kreis der christlichen Initiation abgeschritten werden kann.

SCHLUSS

158. Das umfangreiche, im Sekretariat der Bischofssynode eingegangene Material ist in diesem Instrumentum Laboris auf eine Art und Weise aufbereitet worden, dass es den Austausch und die Vertiefung fördern kann, die während der Arbeiten der III. Außerordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode vorgesehen sind. Der Reichtum dessen, was in den Antworten und Bemerkungen enthalten ist, ist sicherlich sehr viel größer, als das, was hier eingearbeitet wurde, um einen ersten Bezugspunkt für den synodalen Dialog zu bieten. Die drei großen Bereiche, in denen die Kirche beabsichtigt, eine Debatte zu führen, die zu Leitlinien führen kann, welche den neuen Fragen entsprechen, die im Volk Gottes da sind, sind die, die auch hier immer wieder vorkamen: das Evangelium der Familie, das es unter den derzeitigen Umständen vorzulegen gilt; die Familienpastoral, die es angesichts der neuen Herausforderungen zu vertiefen gilt; das generative und erzieherische Verhältnis der Eltern zu ihren Kindern.

159. Wir beschließen diesen Weg, auf dem wir in den eingegangenen Antworten und Bemerkungen Freuden und Hoffnungen, aber auch Unsicherheiten und Leiden gefunden haben, indem wir an die Quellen des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe zurückkehren: wir vertrauen uns der Allerheiligsten Dreifaltigkeit an, dem Geheimnis der absoluten Liebe, die sich in Christus geoffenbart hat und die uns durch den Heiligen Geist mitgeteilt worden ist. Die Liebe Gottes leuchtet in besonderer Weise in der Familie von Nazareth auf, die ein sicherer Bezugspunkt und ein Trost für jede Familie ist. In ihr erstrahlt die wahre Liebe, auf die alle unsere familiären Realitäten schauen müssen, um Licht, Kraft und Trost zu schöpfen. Mit den Worten von Papst Franziskus wollen wir die III. Außerordentliche Generalversammlung der Bischofssynode der Heiligen Familie von Nazareth anvertrauen:

 

Gebet zur Heiligen Familie

Jesus, Maria und Josef,
in Euch betrachten wir
den Glanz der wahren Liebe.
Mit Vertrauen wenden wir uns an Euch.

Heilige Familie von Nazareth,
lass auch unsere Familien
zu einem Ort der Gemeinschaft und zu Zellen des Gebets werden
zu echten Schulen des Evangeliums
und kleinen Hauskirchen.

Heilige Familie von Nazareth,
nie wieder soll in den Familien die Erfahrung
der Gewalt, der Abschottung und der Teilung gemacht werden:
wer immer verletzt oder schockiert wurde,
dem sei bald Trost und Heilung geschenkt.

Heilige Familie von Nazareth,
die kommende Bischofssynode
möge in allen das Bewusstsein dafür wecken,
dass die Familie heilig und unverletzlich ist,
und ihre Schönheit im Plan Gottes begründet liegt.

Jesus, Maria und Josef,
hört unsere Bitte an und erhört uns.

Amen.


 

© Copyright 2014

Generalsekretariat der Bischofssynode und Libreria Editrice Vaticana.

Dieser Text darf von den Bischofskonferenzen oder mit ihrer Genehmigung nachgedruckt werden; dabei muss sichergestellt werden, dass der Text nicht verändert wird. Zwei Belegexemplare sind zu schicken an Segreteria Generale del Sinodo dei Vescovi, 00120 Città del Vaticano.