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PAPST FRANZISKUS

ANGELUS

Petersplatz
Sonntag, 27. September 2020

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Liebe Brüder und Schwestern!

In meiner Heimat sagt man: »Zum schlechtem Wetter gute Miene«. Mit dieser »guten Miene« sage ich euch: Guten Tag!

Mit seiner Predigt über das Reich Gottes wendet sich Jesus gegen eine Religiosität, die das menschliche Leben nicht einbezieht, die angesichts des Guten und des Bösen nicht an das Gewissen und seine Verantwortung appelliert. Dies zeigt auch das Gleichnis von den zwei Söhnen aus dem Matthäusevangelium (vgl. 21,28-32). Auf die Aufforderung des Vaters, in den Weinberg zu gehen und dort zu arbeiten, antwortet der erste Sohn impulsiv: »Nein, ich gehe nicht!« Aber dann reut es ihn und er geht hin. Dagegen geht der zweite Sohn, der sofort mit »Ja, ja Papa« antwortet, in Wirklichkeit nicht hin. Er geht nicht. Der Gehorsam besteht nicht darin, »ja« oder »nein« zu sagen, sondern er besteht immer im Handeln, in der Pflege des Weinbergs, in der Verwirklichung des Reiches Gottes, im Gutes-Tun. Mit diesem einfachen Beispiel will Jesus eine Religion überwinden, die nur als äußerliche und gewohnheitsmäßige Praxis verstanden wird, die das Leben und die Einstellungen der Menschen nicht beeinflusst, eine oberflächliche, nur »rituelle« Religiosität, im schlechten Sinne dieses Wortes.

Herausragende Vertreter dieser von Jesus missbilligten Religiosität, die nur »Fassade« ist, waren zu jener Zeit »die Hohepriester und die Ältesten des Volkes« (Mt 21,23), die gemäß der Warnung des Herrn im Reich Gottes von Zöllnern und Dirnen überholt werden (vgl. V. 31). Jesus sagt zu ihnen: »Die Zöllner«, also die Sünder, »und die Dirnen gelangen eher in das Reich Gottes als ihr.« Diese Erklärung darf nicht dazu führen, zu meinen, dass diejenigen, die Gottes Gebote nicht befolgen, jene, die sich nicht an die Moral halten, gut daran täten, und sagen: »Die, die zur Kirche gehen, sind ohnehin schlimmer als wir!« Nein, das ist nicht die Lehre Jesu. Jesus führt die Zöllner und die Dirnen nicht als Lebensmodelle an, sondern als »Privilegierte der Gnade«. Und ich möchte dieses Wort »Gnade« betonen, die Gnade, denn die Umkehr ist immer eine Gnade. Eine Gnade, die Gott jedem anbietet, der sich öffnet und sich zu ihm bekehrt. Tatsächlich haben diese Menschen, die seinen Predigten zuhörten, Buße getan und ihr Leben geändert. Denken wir zum Beispiel an Matthäus, an den heiligen Matthäus, der ein Zöllner war, ein Verräter an seinem Vaterland.

Im heutigen Evangelium macht der erste Bruder eine bessere Figur, und zwar nicht deshalb, weil er zu seinem Vater »Nein« gesagt hat, sondern weil er sich nach dem »Nein« zum »Ja« bekehrt hat, weil er bereut hat. Gott hat Geduld mit jedem von uns: Er wird es nicht müde, er gibt nach unserem »Nein« nicht auf. Er lässt uns auch die Freiheit, uns von ihm zu entfernen und Fehler zu machen. Es ist wunderbar, an Gottes Geduld zu denken! Daran, dass der Herr immer auf uns wartet, immer an unserer Seite ist, um uns zu helfen, aber unsere Freiheit respektiert. Und er wartet sehnsüchtig auf unser »Ja«, um uns wieder in seine väterlichen Arme zu schließen und uns mit seiner grenzenlosen Barmherzigkeit zu erfüllen. Der Glaube an Gott fordert auf, jeden Tag die Entscheidung für das Gute und gegen das Böse, die Entscheidung für die Wahrheit und gegen die Lüge, die Entscheidung für die Nächstenliebe und gegen den Egoismus zu erneuern. Wer sich nach der Erfahrung der Sünde zu dieser Entscheidung bekehrt, wird sich auf den ersten Plätzen im Himmelreich wiederfinden, wo über einen Sünder, der umkehrt, mehr Freude herrscht als über neunundneunzig Gerechte (vgl. Lk 15,7).

Doch die Umkehr, die Wandlung des Herzens, ist ein Prozess, ein Prozess, der uns von moralischen Verkrustungen reinigt. Und manchmal ist es ein schmerzhafter Prozess, denn es gibt keinen Weg zur Heiligkeit ohne gewisse Opfer und ohne geistlichen Kampf. Für das Gute zu kämpfen, dafür zu kämpfen, in der Versuchung nicht zu fallen, unsererseits zu tun, was wir können, um im Frieden und in der Freude der Seligpreisungen leben zu können. Das heutige Evangelium stellt die Art und Weise, wie das christliche Leben gelebt wird, in Frage, denn es besteht nicht aus Träumen und guten Vorsätzen, sondern aus konkreten Verpflichtungen, damit wir uns stets dem Willen Gottes und der Liebe zu unseren Brüdern und Schwestern zu öffnen. Aber das, und selbst die kleinste konkrete Verpflichtung, kann nicht ohne Gnade geschehen. Die Umkehr ist eine Gnade, um die wir immer bitten müssen: »Herr, schenke mir die Gnade, mich zu verbessern! Gib mir die Gnade, ein guter Christ zu sein!«

Die allerseligste Jungfrau Maria helfe uns, dem Wirken des Heiligen Geistes gegenüber fügsam zu sein. Er ist es, der die Härte der Herzen auflöst und sie bereit macht für die Buße, um das von Jesus verheißene Leben und Heil zu erlangen.


Nach dem Angelusgebet:

Liebe Brüder und Schwestern!

Es gibt beunruhigende Nachrichten über Zusammenstöße in der Kaukasusregion. Ich bete für den Frieden im Kaukasus und fordere die Konfliktparteien zu konkreten Gesten des guten Willens und der Brüderlichkeit auf, die dazu führen können, die Probleme nicht durch den Einsatz von Gewalt und Waffen, sondern durch Dialog und Verhandlungen zu lösen. Lasst uns gemeinsam in Stille für den Frieden im Kaukasus beten.

Gestern wurde in Neapel Maria Luigia vom Allerheiligsten Sakrament seliggesprochen, mit bürgerlichem Namen Maria Velotti, Gründerin der Kongregation der Suore Francescane Adoratrici della Santa Croce. Danken wir Gott für diese neue Selige, ein Vorbild für die Betrachtung des Geheimnisses von Golgatha und unermüdlich in der Ausübung der Nächstenliebe.

Heute begeht die Kirche den Welttag des Migranten und Flüchtlings. Ich begrüße die Flüchtlinge und Migranten, die auf dem Platz an dem Denkmal mit dem Titel »Engel, ohne es zu ahnen« (vgl. Hebr 13,2) präsent sind, das ich vor einem Jahr gesegnet habe. Dieses Jahr habe ich meine Botschaft den Binnenvertriebenen gewidmet, die zur Flucht gezwungen sind, wie es auch Jesus und seiner Familie widerfahren ist. »Wie Jesus zur Flucht gezwungen«, so auch die Vertriebenen, die Migranten. Vor allem ihnen, wie auch jenen, die ihnen beistehen, gelten unser Gedenken und unser Gebet.

Heute ist auch der Welttourismustag. Die Pandemie hat diesen Sektor, der für viele Länder so wichtig ist, hart getroffen. Ich möchte alle, die mit dem Tourismus zu tun haben, ermutigen, insbesondere die kleinen Familienbetriebe und die jungen Menschen. Ich hoffe, dass sich alle bald von den aktuellen Schwierigkeiten erholen können.

Und nun grüße ich euch, liebe römische Gläubige und die Pilger aus verschiedenen Teilen Italiens und der Welt. Da sind so viele verschiedene Flaggen! Ein besonderer Gedanke an die Frauen und an alle Menschen, die sich im Kampf gegen Brustkrebs engagieren. Möge der Herr euer Engagement unterstützen! Und ich grüße die Pilger aus Siena, die zu Fuß nach Rom gekommen sind.

Ich wünsche euch allen einen schönen Sonntag, einen friedlichen Sonntag. Bitte vergesst nicht, für mich zu beten. Gesegnete Mahlzeit und auf Wiedersehen.

 



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