Index   Back Top Print

[ AR  - DE  - EN  - ES  - FR  - HR  - IT  - PL  - PT ]

PAPST FRANZISKUS

GENERALAUDIENZ

Petersplatz
Mittwoch, 3. Mai 2023

[Multimedia]

_______________________________________

 

Katechese. Apostolische Reise nach Ungarn

Liebe Brüder und Schwestern,
guten Tag!

Vor drei Tagen bin ich von der Reise nach Ungarn zurückgekehrt. Ich möchte allen danken, die diesen Besuch vorbereitet und mit dem Gebet begleitet haben, und den Autoritäten, der Ortskirche und dem ungarischen Volk, einem mutigen Volk mit reichen Erinnerungen, erneut meine Anerkennung zum Ausdruck bringen. Bei meinem Aufenthalt in Budapest konnte ich die Zuneigung aller Ungarn spüren. Heute möchte euch von diesem Besuch durch zwei Bilder berichten: die Wurzeln und die Brücken.

Die Wurzeln. Ich habe mich als Pilger zu einem Volk begeben, dessen Geschichte geprägt wurde – wie der heilige Johannes Paul II. gesagt hat – von »vielen Heiligen und Helden, umgeben von Scharen einfacher und fleißiger Menschen« (Ansprache anlässlich der Begrüßungszeremonie, Budapest, 6. September 1996). Das stimmt: Ich habe viele einfache, fleißige Menschen gesehen, die mit Stolz die Verbindung mit den eigenen Wurzeln bewahren. Und zu diesen Wurzeln gehören, wie die Zeugnisse bei den Begegnungen mit der Ortskirche und mit den Jugendlichen deutlich gemacht haben, vor allem die Heiligen: Heilige, die ihr Leben für das Volk hingegeben haben; Heilige, die das Evangelium der Liebe bezeugt haben und in den Augenblicken der Dunkelheit Lichter waren; viele Heilige der Vergangenheit, die uns heute ermahnen, die Gefahr des Defätismus und die Angst vor der Zukunft zu überwinden, indem sie uns in Erinnerung rufen, dass Christus unsere Zukunft ist. Das rufen uns die Heiligen in Erinnerung: Christus ist unsere Zukunft.

Die starken christlichen Wurzeln des ungarischen Volkes wurden jedoch auf eine Probe gestellt. Ihr Glaube wurde im Feuer geprüft. Denn von der atheistischen Verfolgung des 20. Jahrhunderts wurden die Christen hart getroffen: Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien wurden getötet oder der Freiheit beraubt. Und während man versuchte, den Baum des Glaubens zu fällen, sind die Wurzeln intakt geblieben: Geblieben ist eine verborgene, aber lebendige, starke Kirche, mit der Kraft des Evangeliums. Und in Ungarn ging dieser letzten kommunistischen Verfolgung, Unterdrückung, die nationalsozialistische voraus, mit der tragischen Deportation großer Teile der jüdischen Bevölkerung. Aber in jenem grausamen Völkermord haben viele sich ausgezeichnet durch den Widerstand und die Fähigkeit, die Opfer zu schützen, und das war möglich durch die festen Wurzeln des Zusammenlebens. Hier in Rom haben wir eine sehr gute ungarische Dichterin, die durch all diese Prüfungen gegangen ist und jungen Menschen von der Notwendigkeit erzählt, für ein Ideal zu kämpfen, um von den Verfolgungen, von der Entmutigung nicht überwunden zu werden. Diese Dichterin wird heute 92 Jahre alt: Herzlichen Glückwunsch, Edith Bruck!

Aber auch heute ist, wie aus den Begegnungen mit den Jugendlichen und mit der Welt der Kultur hervorgegangen ist, die Freiheit bedroht. Wie? Vor allem mit weißen Handschuhen, von einem betäubenden Konsumismus: Man begnügt sich mit ein wenig materiellem Wohlstand, vergisst die Vergangenheit und lässt sich »treiben« in einer Gegenwart, die dem Individuum angepasst ist. Das ist die gefährliche Verfolgung der Weltlichkeit, die vom Konsumismus gefördert wird. Wenn aber nichts anderes zählt als an sich selbst zu denken und zu tun, was man will, dann ersticken die Wurzeln. Das ist ein Problem, das ganz Europa betrifft, wo die Sorge für den Nächsten; das Gemeinschaftsgefühl; das Gespür für Schönheit, gemeinsam zu träumen und große Familien zu gründen, in einer Krise sind. Ganz Europa ist in einer Krise. Denken wir also darüber nach, wie wichtig es ist, die Wurzeln zu bewahren, denn nur wenn sie in die Tiefe gehen, wachsen die Zweige in die Höhe und bringen Früchte hervor. Jeder von uns kann sich fragen, auch als Volk, jeder von uns: Was sind die wichtigsten Wurzeln meines Lebens? Wo bin ich verwurzelt? Bewahre ich die Erinnerung daran, trage ich Sorge dafür?

Nach den Wurzeln hier das zweite Bild: die Brücken. Budapest, vor 150 Jahren aus der Vereinigung dreier Städte entstanden, ist berühmt für die Brücken, die es durchziehen und seine Teile miteinander verbinden. Das hat, besonders in den Begegnungen mit den Autoritäten, in Erinnerung gerufen, wie wichtig es ist, »Brücken des Friedens« zwischen verschiedenen Völkern zu bauen. Es ist insbesondere die Berufung Europas, »Brückenbauer des Friedens« zu sein, die Vielfalt einzuschließen und jene aufzunehmen, die an die Tore klopfen. Schön ist in diesem Sinne die humanitäre Brücke, die für viele Geflüchtete der nahegelegenen Ukraine geschaffen wurde, denen ich begegnen durfte. Dabei habe ich auch das große Netzwerk der Nächstenliebe der ungarischen Kirche bewundert.

Außerdem ist das Land sehr darum bemüht, »Brücken für das Morgen« zu bauen: Es widmet der Ökologie große Aufmerksamkeit – und das ist etwas sehr, sehr Schönes in Ungarn – der Ökologie und einer nachhaltigen Zukunft, und man setzt sich dafür ein, Brücken zwischen den Generationen zu bauen, zwischen alten und jungen Menschen, eine heute unverzichtbare Herausforderung für alle. Außerdem gibt es Brücken, die die Kirche, wie in der entsprechenden Begegnung deutlich geworden ist, zum heutigen Menschen schlagen muss, denn die Verkündigung Christi darf nicht in der Wiederholung der Vergangenheit steckenbleiben, sondern muss immer wieder aktualisiert werden, um den Frauen und Männern unserer Zeit zu helfen, Jesus neu zu entdecken. Und schließlich denke ich mit Dankbarkeit an die schönen liturgischen Momente zurück, das Gebet mit der griechisch-katholischen Gemeinde und die Eucharistiefeier, an der viele Menschen teilgenommen haben. Ich denke an die Schönheit, Brücken zwischen den Gläubigen zu schaffen: Bei der Sonntagsmesse waren Christen verschiedener Riten und Länder anwesend sowie verschiedener Konfessionen, die in Ungarn gut zusammenarbeiten. Brücken bauen, Brücken der Harmonie und Brücken der Einheit.

Ich war auf diesem Besuch davon beeindruckt, wie wichtig die Musik ist: Sie ist ein charakteristischer Wesenszug der ungarischen Kultur.

Abschließend möchte ich zum Maibeginn gerne daran erinnern, dass die Ungarn die heilige Mutter Gottes sehr verehren. Ihr geweiht vom ersten König, dem heiligen Stephan, pflegten sie sich aus Hochachtung an sie zu wenden, ohne ihren Namen zu nennen, sondern sprachen sie nur mit den Titeln der Königin an. Der Königin von Ungarn vertrauen wir daher dieses geliebte Land an, der Königin des Friedens vertrauen wir den Bau von Brücken in der Welt an, der Himmelskönigin, die wir jetzt in der Osterzeit anrufen, vertrauen wir unsere Herzen an, auf dass sie in der Liebe Gottes verwurzelt  sein mögen.

                                                                                    * * *

Liebe Brüder und Schwestern deutscher Sprache, die Volksfrömmigkeit widmet den Monat Mai besonders der seligen Jungfrau Maria, der heiligen Mutter Gottes und unserer Mutter. Nehmen wir also Zuflucht unter ihrem Schutz und Schirm, auf dass sie uns in unseren Nöten beistehe und uns von jeder Gefahr befreie.



Copyright © Dicastero per la Comunicazione - Libreria Editrice Vaticana