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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

 

Der Glaube ist keine Kasuistik

 Freitag, 21. Februar 2014

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 10/11, 7. März 2014

 

Sich zu fragen, was die Kirche tun darf oder nicht, oder was legitim ist und was nicht, heißt, in Kasuistik zu verfallen, die ebenso wie die Ideologie ein Erkennungsmerkmal für Menschen ist, die Lehre und Theologie auswendig kennen, aber keinen Glauben haben. Denn der Glaube ist niemals abstrakt: er muss vorgelebt werden.

Am Freitag, 21. Februar, warnte Papst Franziskus im Verlauf der Messe, die er in der Kapelle des Hauses Santa Marta feierte, genau vor diesem Risiko eines Glaubens ohne Werke. Angeregt wurde die Meditation des Papstes durch die Schriftlesung aus dem Jakobusbrief (2,14-24; 26), dem zufolge ebenso, wie der Körper ohne den Geist tot sei, es auch der Glaube ohne die Werke sei. »Der Apostel Jakobus«, so erläuterte der Papst, »hält diese Katechese«, die »eine Paränese (Mahnrede) über den Glauben ist: er möchte gut erläutern, wie der Glaube beschaffen ist«. Und um dies zu tun, »spielt er mit dieser Gegenüberstellung von Glaube und Werken«. Die Aussage des Jakobus »ist eindeutig: ein Glaube, der keine Frucht trägt, ist kein Glaube«.

»Auch wir«, so warnte der Papst, »machen hierin oft Fehler«. »Wir hören jemanden sagen: Ich bin tief gläubig! oder: Ich glaube alles!« Aber gerade »der Mensch, der das sagt, führt vielleicht ein laues, schwaches Leben«, so dass »sein Glaube etwas Theoretisches ist, das in seinem Leben aber nicht lebendig wird«. »Wenn Apostel Jakobus in seinem Brief über den Glauben spricht, dann spricht er eigentlich von der Lehre, von dem, was der Inhalt des Glaubens ist«, so fuhr der Papst fort. Und es sei, als ob er einem jedem von uns sage: »Doch ihr könnt alle Gebote, alle Prophezeiungen, alle Glaubenswahrheiten kennen, aber wenn sich das« nicht »in die Praxis und in die Werke« übersetze, »dann nützt es nichts«.

Auf diese Weise, so präzisierte der Papst, »können wir das Glaubensbekenntnis theoretisch aufsagen, aber ohne Glauben. Und es gibt sehr viele Menschen, die eben das tun! Auch die Dämonen!« In der Tat, so fügte er hinzu, »kennen die Dämonen das sehr genau, was man im Glaubensbekenntnis sagt, und wissen, dass es die Wahrheit ist. ›Sie zittern‹, sage der Apostel Jakobus, denn sie wissen, dass es die Wahrheit ist«, obwohl sie nicht glauben. Die Dämonen »kennen die gesamte Theologie, sie kennen den Denzinger auswendig« – das klassische Handbuch, in dem die kirchlichen Lehrdokumente enthalten sind –, »aber sie haben keinen Glauben«. Im Übrigen, so bekräftigte der Papst, »heißt Glauben haben nicht, Wissen zu haben: Glauben zu haben bedeutet, die Botschaft Gottes, die Jesus Christus uns gebracht hat, anzunehmen, diesen Glauben zu leben und weiterzugeben«.

Papst Franziskus nannte nun die »Zeichen«, anhand derer man »einen Menschen« erkennen könne, »der alles weiß, was man glauben soll, der aber keinen Glauben hat«. Der Papst nannte vor allem zwei dieser Zeichen, die im Evangelium zu finden sind. Das erste Zeichen, das die Kenntnis der Theologie ohne den Glauben anzeige, sei »die Kasuistik«. Und er erinnerte an all die Menschen, die sich Jesus näherten, um ihm kasuistische Fangfragen zu stellen, wie zum Beispiel: »Ist es legitim, dem Kaiser Steuern zu zahlen?«, oder den Fall »jener verwitweten Frau, der Ärmsten, die, dem Gesetz des Levirats zufolge, um einen Sohn zu haben, die sieben Brüder ihres Mannes heiraten musste«. Das ist »Kasuistik«. Und »Kasuistik«, so sagte der Papst, ist genau der Ort, an den sich jene begeben, die meinen, sie hätten den Glauben «, die aber nur dessen Inhalt kennen. So bedeute es, »wenn wir einem Christen begegnen«, der nur fragt, ob »es rechtens sei, etwas zu tun, und ob die Kirche das tun dürfe«, dass »er entweder keinen Glauben hat oder dass sein Glaube zu schwach ist«.

Das zweite Zeichen, auf das der Papst hinwies, ist das der Ideologie. Es könne keine Christen geben, »die den Glauben denken wie ein System von Ideen, ein ideologisches System«. Und eine Gefahr dafür habe auch »zur Zeit Jesu bestanden «, und das seien die Gnostiker gewesen. »Über sie, die Ideologen des Glaubens, sagt der Apostel Johannes, dass sie der Antichrist sind.« So seien diejenigen, die in »die Kasuistik oder die Ideologie abgleiten, Christen, die die Lehre kennen, aber ohne Glauben. Wie die Dämonen. Mit dem Unterschied, dass die Dämonen zitterten und jene nicht: sie leben in aller Ruhe.«

Papst Franziskus erinnerte anschließend an drei konkrete Gestalten aus dem Evangelium, die zwar »die Lehre nicht kennen, die aber einen großen Glauben haben«. Er erwähnte die kanaanäische Frau, eine Heidin, die an Jesus glaubte, »weil der Heilige Geist ihr Herz angerührt hatte«. Und die anschließend »für ihren Glauben Zeugnis abgelegt hat: das ist das Schlüsselwort«. Dann nannte er die Samariterin, die »zuerst an nichts glaubte« oder die das Falsche glaubte, die aber »nach ihrer Begegnung mit Jesus glaubte«: die also vorher »kasuistisch dachte«, da sie sich fragte, ob man Gott »auf diesem Berg oder auf jenem« anbeten solle, die dann aber, nachdem sie »mit dem Herrn gesprochen hatte, etwas« in ihrem Herzen »spürte« und eilig hinging, »um zu sagen: Ich habe einen Mann getroffen, der mir alles gesagt hat, was ich getan hatte!« Sie habe geglaubt, »weil sie Jesus Christus begegnet ist, und nicht abstrakten Wahrheiten«.

Die dritte Gestalt aus dem Evangelium, von der der Papst sprach, ist jene des »Blindgeborenen, der zu Jesus ging, um ihn um die Gnade zu bitten, sehen zu können«. Und »dann «, so fuhr er fort, »wurde der Ärmste in eine Auseinandersetzung zwischen den Parteien der Pharisäer, der Sadduzäer, der Schriftgelehrten verwickelt: er wurde zusammen mit seinen Eltern vorgeladen, um über diese lästige und störende Angelegenheit auszusagen«. Das Evangelium berichte, dass »der Herr ihn ansah und ihn fragte: ›Glaubst du?‹« Dieser Mann »kannte die Theologie nicht, vielleicht kannte er die Gebote«. Und doch habe er in  Jesus den Sohn Gottes erkannt »und auf Knien den Herrn angebetet«.

Das also seien die beiden einander gegenüberstehenden Wirklichkeiten: auf einer Seite »jene, die die Lehre kennen oder das Wissen haben «, und auf der anderen Seite »die, die den Glauben haben«. Mit einer Gewissheit: »Der Glaube führt immer dazu, dass man Zeugnis ablegt. Der Glaube ist eine Begegnung mit Jesus Christus, mit Gott.« Und diese Begegnung »führt zum Zeugnis«, wie es der Apostel Jakobus in seinem Brief betone. Der Papst hob hervor, dass »ein Glaube ohne Werke, ein Glaube, der dich nicht direkt berührt und dich dazu bringt, Zeugnis abzulegen, kein Glaube ist. Dann sind es nur Worte. Und nichts weiter als Worte«.

Zum Schluss lud der Papst dazu ein, sich diese drei Gestalten vor Augen zu halten und um »die Gnade« zu bitten, »einen Glauben zu haben, der Früchte trägt und der zur Verkündigung und zum Zeugnis führt«.



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