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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

  

 Die erste Liebe vergisst man nicht

 Freitag, 6. Juni 2014

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 25, 20. Juni  2014

 

Die erste Liebe vergisst man nicht. Und das gilt auch für die Bischöfe und Priester, die sich immer an die Schönheit ihrer ersten Begegnung mit Jesus erinnern sollen. Und dann sollen sie Hirten sein, die dem Herrn Schritt für Schritt folgen, ohne sich Sorgen zu machen, wie ihr eigenes Leben einmal enden wird. Auf diese wesentlichen Punkte des bischöflichen und priesterlichen Dienstes wies Papst Franziskus im Verlauf der heiligen Messe hin, die er am Freitag, 6. Juni, in der Kapelle des Hauses Santa Marta feierte. Der Ausgangspunkt für diese Meditation war der Dialog zwischen Jesus und Petrus, der am Ende des Johannesevangeliums (21,15-19) wiedergegeben ist. Es handle sich dabei um einen der zahlreichen »schönen« Dialoge Jesu, wie die Dialoge »mit dem Blindgeborenen, der Samariterin, dem Gelähmten am Teich«. Das Gespräch mit Petrus sei »ruhig«, es finde »nach der Auferstehung « statt und auch »nach einem schönen Essen«. Und der Papst wies darauf hin, dass er gerade an dieser Bibelstelle auch »den Dialogstil« finde, »den wir Priester, also Priester und Bischöfe, verwenden sollen, wenn wir mit dem Herrn sprechen«. So bot er, unter ausdrücklichem Verweis auf »unseren Dialog mit Jesus«, vier Punkte zur Reflexion an.

Johannes berichte, dass »der Herr Petrus dreimal fragt, ob dieser ihn liebe, ob er ihn liebhabe.« Das bedeute, so erläuterte der Bischof von Rom, dass »es mehr noch als alles Andere die Liebe ist, die der Herr von einem Bischof, von einem Priester will: Sie ist einzigartig, sie wächst immer mehr.« Auf die dritte Frage Jesu, so merkte er an, wurde »Petrus traurig, vielleicht deshalb, weil er sich daran erinnerte, wie er Jesus verleugnet hatte. Aber mehr noch, er ist traurig wegen dieses Zweifels: Warum fragt er mich so etwas?« Die Antwort sei klar und eindeutig: Der Herr habe ihn in Gedanken »zurückgehen lassen wollen zu jenem ersten Nachmittag, als er dessen Bruder Andreas getroffen habe«, der dann Petrus begegnet sei und ihm gesagt habe: »Wir haben den Messias gefunden!« Jesus habe Petrus mit einem einzigen Wort »an die erste Liebe« erinnern wollen. So »will der Herr, wenn er uns fragt, ob wir ihn lieben, zur ersten Liebe zurückführen «. In diesem Zusammenhang zitierte der Papst das Buch Jeremia: »Ich denke an deine Jugendtreue, an die Liebe deiner Brautzeit, wie du mir in der Wüste gefolgt bist« (2,2).

Es gehe folglich darum, zu »jener ersten Liebe zurückzukehren, die wir alle erlebt haben«. Eben »um unsere heutige Liebe zu erneuern, will der Herr, dass wir uns an die erste Liebe erinnern«. Zur Frühmesse in Santa Marta, so der Papst, »kommen aus den Gemeinden« viele Ehepaare, »die ihren fünfzigsten oder sechzigsten Hochzeitstag feiern«. Und »ich frage sie immer: Aber wie ist es gegangen?« Ihre »Antworten fallen ganz unterschiedlich aus: der eine sagt dieses, der andere jenes…!« Aber ihr Zeugnis, so habe er festgestellt, habe stets eine Feststellung enthalten: »Wir sind glücklich!« Und einmal, so erinnerte er sich, hätten beide Eheleute, die ihren sechzigsten Hochzeitstag feierten, geantwortet: »Wir haben gestritten«, aber »wir sind verliebt wie am ersten Tag«. Das genau sei die Frage, die sich auch die Bischöfe und Priester stellen müssten, um zu verstehen, wie es heute um ihre Liebe zu Jesus bestellt sei: »Bin ich noch so verliebt wie am ersten Tag? Oder haben die Arbeit, die Sorgen dazu geführt, dass ich auf andere Dinge achte und die Liebe ein wenig vergesse?« In der Ehe, so gab der Papst zu, sei es normal, zu streiten, auch deshalb, weil »man nicht streitet, sondern Schluss macht, wenn man sich nicht liebt«. Das also sei der Grund dafür, dass Jesus Petrus diese drei Fragen stelle: »um ihn an die erste Liebe zu erinnern«. Denn man dürfe »niemals die erste Liebe vergessen, niemals!«

Der zweite Punkt, der sich aus dem Bericht bei Johannes ergebe, sei »die Aussendung: Weide, sei ein Hirte!« Jemand, so merkte der Papst an, könnte vielleicht einwenden: »Aber Herr, weißt du, ich muss studieren, weil ich ein Intellektueller werden will, ein Philosoph, ein Theologe, ein Patristiker…« Auf diese Überlegungen müsse man antworten: »Sei ein Hirte, alles andere kommt hinterher! Weide! Mit der Theologie, mit der Philosophie, mit der Patristik, mit all diesen Studien, aber weide! Sei ein Hirte!« Im Übrigen, so erläuterte der Papst, »hat uns der Herr gerade dazu berufen«, und die Auflegung der »Hände des Bischofs auf unseren Kopf erfolgt, damit wir Hirten seien«. So ergebe sich, nach der Frage in Bezug auf »die erste Liebe«, eine zweite Frage, die für eine Gewissensprüfung der Bischöfe und Priester nützlich sei: »Bin ich ein Hirte, oder bin ich ein Angestellter dieser Nichtregierungsorganisation, die man ›Kirche‹ nennt?« Eine Frage, die, wie der Papst mahnte, wir alle uns stellen müssten, indem wir mit der Aufforderung Jesu antworteten: »Weide! Weide! Geh voran!«

Der dritte Punkt falle mit einer anderen Frage zusammen, und zwar genau jener, die Petrus Jesus über den Apostel Johannes stelle: Und was wird mit ihm? Es handle sich dabei, so merkte der Papst an, um »eine interessante Frage«, die »Petrus aus Neugier stellt, im Anschluss an diesen Dialog, als er Johannes anschaut: Und was wird mit ihm geschehen?«

Im Grunde »haben die Apostel am Tag der Himmelfahrt« Jesus »dieselbe Frage gestellt: Und kommt jetzt der Triumph?« Fast als wollten sie fragen: »Wie wird diese erste Liebe enden, die einen so weiten Weg gegangen ist? Wie wird dieses Hirte-Sein enden? Wird es in Ruhm enden, in Herrlichkeit?« Die Antwort falle aber ganz anders aus: »Nein, mein Bruder, es wird auf die gewöhnlichste Art und Weise enden, und oft auch noch viel demütigender.« Vielleicht, so sagte Papst Franziskus, »wird es im Bett enden, damit, dass sie dich füttern, dass sie dich anziehen müssen, damit, dass du nutzlos und krank daliegst«. Es sei nutzlos, zu wiederholen: »Aber Herr, ich habe dies für dich getan«, ich habe »eine große Liebe gehabt, ich habe die Herde geweidet, wie du mir befohlen hast, und soll ich nun so enden?« Ja, so erläuterte der Papst, man müsse »so enden, wie er endete! Diese Liebe stirbt so wie das Weizenkorn, und dadurch wird es dann Frucht tragen.

Aber das werde ich nicht mehr sehen!« Der vierte und letzte Punkt bestehe in »einem noch eindringlicheren Wort: Folge mir nach!« Das sei genau das, was Jesus sage, »wenn wir orientierungslos geworden sind und nicht wissen, wie wir die Frage in Bezug auf die Liebe beantworten sollen, nicht wissen, wie wir auf dieses Hirte-Sein antworten sollen, oder wenn uns die Gewissheit fehlt, dass der Herr uns in den schlimmsten Augenblicken des Lebens, in der Krankheit, nicht alleine lässt«. Dieses »Folge mir nach!« müsse »unsere Gewissheit« sein, »auf den Spuren Jesu, auf diesem Weg«.

Papst Franziskus schloss mit einem Gebet »für die Bischöfe, für die Priester, für die Pfarrer: Der Herr möge uns allen die Gnade schenken, stets die erste Liebe wiederzufinden, oder uns an sie zu erinnern; die Gnade, Hirten zu sein; uns nicht zu schämen, zutiefst erniedrigt in einem Bett zu enden« oder den Verstand zu verlieren. Ein Gebet zum Herrn, »dass er uns stets die Gnade schenken möge, in der Nachfolge Jesu zu bleiben, auf den Spuren Jesu zu gehen«, und dass er uns so »die Gnade, ihm zu folgen«, schenke.

 



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