WEIHNACHTSEMPFANG FÜR DIE RÖMISCHE KURIE
ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
Clementina-Saal
Donnerstag, 21. Dezember 2017
Weihnachten ist das Fest des Glaubens an den Sohn Gottes, der Mensch geworden ist, um dem Menschen seine aufgrund der Sünde und des Ungehorsams verlorene Würde der Gotteskindschaft wiederzuschenken. Weihnachten ist das Fest des Glaubens an die Herzen, die zur Krippe werden, um Ihn aufzunehmen, an die Seelen, die Gott erlauben, aus dem Stumpf ihrer Armut den Spross der Hoffnung, der Liebe und des Glaubens hervorwachsen zu lassen.
Die heutige Begegnung gibt uns wieder die Gelegenheit, einander unsere Weihnachtswünsche auszutauschen und euch allen, euren Mitarbeitern, den Päpstlichen Vertretern und allen an der Kurie Tätigen sowie allen euren Lieben ein gesegnetes und frohes Weihnachtsfest und ein glückliches Neues Jahr zu wünschen. Möge dieses Weihnachten uns die Augen öffnen, um Überflüssiges, Falsches, Boshaftes und Vorgetäuschtes hinter uns zu lassen und das Wesentliche, das Wahre, das Gute und das Echte zu sehen. Von Herzen meine besten Wünsche!
Liebe Brüder und Schwestern,
da ich die vorausgehenden Male von der Römischen Kurie ad intra gesprochen habe, möchte ich dieses Jahr mit euch einige Überlegungen über die Wirklichkeit der Kurie ad extra anstellen: die Beziehung der Kurie zu den Ländern, zu den Teilkirchen, den Ostkirchen, dem ökumenischen Dialog, dem Judentum, dem Islam und den anderen Religionen, also zur Außenwelt.
Meine Überlegungen beruhen freilich auf grundlegenden als auch kanonischen Prinzipien der Kurie, auf der Geschichte der Kurie selbst, aber auch auf der persönlichen Sicht, die ich versucht habe, mit euch in den Ansprachen der letzten Jahre im Kontext der Reform, die gegenwärtig im Gange ist, zu teilen.
Wenn ich von der Reform spreche, kommt mir die sympathische und bezeichnende Äußerung von Erzbischof Frédéric-François-Xavier De Mérode in den Sinn: »In Rom Reformen durchzuführen heißt gleichsam die Sphinx von Ägypten mit einer Zahnbürste zu putzen«[1]. Dies unterstreicht, wie viel Geduld, Hingabe und Feingefühl nötig sind, um dieses Ziel zu erreichen, insofern die Kurie eine alte, komplexe, ehrwürdige Institution ist, die sich aus Menschen verschiedener Kulturen, Sprachen und Mentalitäten zusammensetzt und die von ihrer Struktur her immer schon an die Primatialaufgabe des Bischofs von Rom in der Kirche gebunden ist, das heißt an das „heilige“ Amt, das Christus der Herr selbst zum Wohl des ganzen Leibes der Kirche wollte (ad bonum totius corporis)[2].
Der universale Charakter des Dienstes der Kurie kommt und entspringt daher aus der Katholizität des Petrusamtes. Eine in sich verschlossene Kurie würde das Ziel ihrer Existenz verraten und in die Selbstbezogenheit fallen und sich so zur Selbstzerstörung verurteilen. Die Kurie ist ex natura ad extra ausgerichtet, insofern und soweit sie an das Petrusamt, an den Dienst am Wort und der Verkündigung der Frohen Botschaft gebunden ist: der Gott Immanuel, der unter den Menschen geboren wird, der Mensch wird, um jedem Menschen seine innigste Nähe zu zeigen, seine grenzenlose Liebe und seine göttliche Sehnsucht, dass alle Menschen gerettet werden und zum Genuss der himmlischen Glückseligkeit gelangen (vgl. 1 Tim 2,4); der Gott, der seine Sonne über Gute und Böse aufgehen lässt (vgl. Mt 5,45); der Gott, der nicht gekommen ist, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen (vgl. Mt 20,28); der Gott, der die Kirche gegründet hat, damit sie in der Welt, aber nicht von der Welt ist und damit sie Werkzeug des Heiles und des Dienstes ist.
Als ich bei der kürzlich stattgefunden Begrüßung der Väter und Oberhäupter der katholischen Ostkirchen[3] eben an diese petrinische und kuriale Zielsetzung des Dienstes dachte, habe ich den Ausdruck eines „diakonalen Primats“ unter umgehenden Verweis auf das von Gregor dem Großen gern verwendete Bild des Servus servorum Dei gebraucht. Diese Definition ist in ihrer christologischen Dimension vor allem Ausdruck des festen Willens, Christus nachzufolgen, der Knechtsgestalt annahm (vgl. Phil 2,7). Als Benedikt XVI. darüber sprach, sagte er: Dieses Wort »war in seinem [Gregors] Mund keine fromme Formel, sondern die wahre Offenbarung seiner Art zu leben und zu handeln. Er war innerlich tief betroffen von der Demut Gottes, der in Christus zu unserem Diener geworden ist, der uns die schmutzigen Füße gewaschen hat und wäscht.«[4]
Eine entsprechende diakonale Haltung muss diejenigen kennzeichnen, die auf je verschiedene Weise im Bereich der Römischen Kurie tätig sind, welche, wie auch der Codex des kanonischen Rechts in Erinnerung ruft, im Namen und in der Autorität des Papstes handelt und »ihre Aufgabe […] zum Wohl und zum Dienst an den Teilkirchen ausübt« (can. 360; vgl. CCEO can. 46).
Diakonaler Primat gilt „bezüglich des Papstes“[5]; und ebenso diakonal muss folglich die Arbeit sein, die an der Römischen Kurie ad intra im Inneren und ad extra nach Außen geleistet wird. Dieses Thema der dienstamtlichen und kurialen Diakonie bringt mich auf einen alten Text, der sich in der Didascalia Apostolorum findet. Dort heißt es: Der »Diakon sei das Ohr und der Mund des Bischofs, sein Herz und seine Seele«[6], denn an diese Eintracht ist die Gemeinschaft gebunden, die Harmonie und der Frieden in der Kirche, insofern der Diakon der Hüter des Dienstes in der Kirche ist.[7] Ich denke, dass es kein Zufall ist, dass das Ohr das Hör-, sondern auch das Gleichgewichtsorgan ist; und der Mund das Organ zum Schmecken und Sprechen.
Ein anderer alter Text fügt hinzu, dass die Diakone dazu berufen sind, gleichsam die Augen des Bischofs zu sein.[8] Das Auge schaut, um die Bilder dann an den Geist zu übertragen und ihm so zu helfen, Entscheidungen zu treffen und den ganzen Leib zu seinem Wohle zu steuern.
Das Verhältnis, das man aus diesen Bildern ableiten kann, ist das einer Gemeinschaft im kindlichen Gehorsam für den Dienst am heiligen Volk Gottes. Zweifellos muss dies dann auch das Verhältnis aller Mitarbeiter an der Römischen Kurie untereinander kennzeichnen: von den Leitern der Dikasterien und den Oberen bis hin zu den Sachbearbeitern und allen anderen. Die Gemeinschaft mit Petrus festigt und stärkt die Gemeinschaft unter allen Gliedern.
So gesehen verhilft der Verweis auf die Sinne des menschlichen Organismus zu einer inneren Haltung der Hinwendung nach Außen, zur Aufmerksamkeit gegenüber dem, was außerhalb ist. Im menschlichen Organismus sind die Sinne in der Tat unsere erste Verbindung zur Welt ad extra, sie sind wie eine Brücke zu ihr; sie sind unsere Möglichkeit, um in Beziehung zu treten. Die Sinne helfen uns, die Wirklichkeit aufzunehmen und ebenso unseren Platz in der Wirklichkeit einzunehmen. Nicht zufällig kam der heilige Ignatius von Loyola bei seiner Betrachtung der Geheimnisse des Lebens Christi und der Wahrheit auf die Sinne zu sprechen[9].
Dies ist sehr wichtig, um die unausgewogene und verwerfliche Mentalität von Verschwörungen oder kleinen Zirkeln zu überwinden. Diese stellen nämlich in Wirklichkeit trotz aller Rechtfertigungen und guten Absichten ein Krebsgeschwür dar, das zur Selbstbezogenheit führt und auch vor den Organismen der Kirche als solchen und insbesondere vor den Menschen, die dort arbeiten, nicht Halt macht. Wenn dies aber passiert, verliert man die Freude des Evangeliums, die Freude daran, Christus zu verkündigen und in Gemeinschaft mit ihm zu sein; wir verlieren dann die Großherzigkeit unserer Weihe (vgl. Apg 20,35 und 2 Kor 9,7).
Gestattet mir, dass ich hier kurz auf eine andere Gefahr zu sprechen komme, das heißt auf diejenigen, welche Vertrauen missbrauchen oder die Mütterlichkeit der Kirche ausnutzen, bzw. die Personen, die sorgfältig dazu ausgewählt wurden, um dem Leib der Kirche und ihrer Reform mehr Kraft zu geben, die sich aber dadurch, dass sie die Größe ihrer Verantwortung nicht verstehen, von Ambitionen oder Eitelkeiten korrumpieren lassen und sich selbst, wenn sie dann sanft entfernt werden, fälschlicherweise zu Märtyrern des Systems erklären, des nicht „informierten Papstes“, der „alten Garde“ …, anstatt ihr „Mea culpa“ zu sprechen. Neben diesen Personen gibt es dann auch andere, die in der Kurie noch tätig sind, denen man alle Zeit gibt, wieder den rechten Weg aufzunehmen, in der Hoffnung, dass sie in der Geduld der Kirche eine Gelegenheit finden, sich zu bekehren und nicht ums sich einen Vorteil zu verschaffen. Dies sage ich freilich, ohne die überwältigende Mehrheit treuer Personen zu vergessen, die hier mit lobenswertem Einsatz, treu, kompetent, hingebungsvoll und oft auch heiligmäßig arbeiten.
Es ist also entscheidend, um zum Bild des Leibes zurückzukehren, dass diese „institutionellen Sinne“, mit denen man in gewisser Weise die Dikasterien der Römischen Kurie vergleichen kann, ihrer Natur und ihrer Zielsetzung entsprechend handeln: im Namen und mit der Autorität des Papstes und immer zum Wohle und im Dienste der Kirchen[10]. Sie sind dazu berufen, in der Kirche so etwas wie treue sensible Antennen zu sein: Sendeantennen und Empfangsantennen.
Sie müssen Sendeantennen sein, insofern sie befähigt sind, den Willen des Papstes und der Oberen getreu weiterzuleiten. Das Wort „Treue“[11] nimmt für die am Heiligen Stuhl Tätigen »einen besonderen Charakter an, da sie einen Großteil ihrer Energie, ihrer Zeit und ihres täglichen Einsatzes in den Dienst des Nachfolgers Petri stellen. Das ist eine schwerwiegende Verantwortung, aber auch ein besonderes Geschenk, aus dem sich im Laufe der Zeit eine gefühlsmäßige Bindung innerer Vertrautheit mit dem Papst entwickelt, ein natürliches idem sentire, das gerade in dem Wort „Treue“ gut zum Ausdruck kommt.«[12]
Das Bild der Antenne verweist dann aber auch auf die andere, entgegengesetzte Bewegung des Empfangens. Es geht darum, die Gesuche, Fragen, Anträge, Hilferufe, Freuden und Tränen der Kirchen und der Welt entgegenzunehmen, um sie dem Bischof von Rom zu übermitteln, damit er seine Aufgabe und seine Sendung als »immerwährendes und sichtbares Prinzip und Fundament der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft«[13] immer fruchtbarer erfüllen kann. Mit diesem Empfangsvermögen, das noch wichtiger ist als der andere Aspekt, Vorschriften zu erlassen, sind die Dikasterien der Römischen Kurie stark eingebunden in jenen Prozess des Zuhörens und der Synodalität, von dem ich schon gesprochen habe[14].
Liebe Brüder und Schwestern,
ich habe den Ausdruck „diakonaler Primat“ sowie die Bilder des Leibes, der Sinne und der Antenne verwendet, um zu zeigen, dass es sich zum Erreichen der Räume, wo der Geist zu den Kirchen spricht (das heißt die Geschichte), und zum Erreichen des Ziels allen Tuns (die salus animarum) eben als notwendig, ja unumgänglich erweist, die Unterscheidung der Zeichen der Zeit[15], die Gemeinschaft im Dienst, die Liebe in der Wahrheit, die Fügsamkeit gegenüber dem Geist und den vertrauensvollen Gehorsam den Oberen gegenüber zu praktizieren.
Vielleicht ist es hilfreich, daran zu erinnern, dass schon die Namen der verschiedenen Dikasterien und Ämter der Römischen Kurie verstehen lassen, auf welche Ziele sie hinarbeiten sollen. Genau genommen geht es dabei um wichtige Grundvollzüge für die ganze Kirche und, ich würde sagen, für die ganze Welt.
Da der Wirkungsbereich der Kurie wirklich sehr weit ist, möchte ich mich für dieses Mal darauf beschränken, allgemein von der Kurie ad extra zu sprechen, das heißt von einigen ausgewählten grundlegenden Aspekten, von denen aus man in nächster Zukunft dann ohne Schwierigkeiten die anderen Wirkungsfelder der Kurie aufführen und vertiefen kann.
Die Kurie und die Beziehung zu den Ländern:
In diesem Bereich spielt die vatikanische Diplomatie eine entscheidende Rolle. Es ist ihr aufrichtiges und ständiges Bestreben, den Heiligen Stuhl zum Erbauer von Brücken, Frieden und Dialog zwischen den Völkern zu machen. Und als eine Diplomatie im Dienst der Menschheit und des Menschen, der ausgestreckten Hand und der offenen Tür engagiert sie sich darin, zuzuhören, zu verstehen, zu helfen, zu ermutigen und sich in jeder Situation rasch und respektvoll einzuschalten, um Unterschiede näherzubringen und um Vertrauen zu schaffen. Das einzige Bestreben der vatikanischen Diplomatie besteht darin, frei von weltlichem oder materiellem Interesse zu sein.
Der Heilige Stuhl ist daher auf der Weltbühne präsent, um mit allen Menschen und Nationen guten Willens zusammenzuarbeiten und immer wieder zu betonen, wie wichtig es ist, unser gemeinsames Haus vor jeder zerstörerischen Selbstsucht zu bewahren; zu bekräftigen, dass Kriege nur Tod und Zerstörung bringen; aus der Vergangenheit die notwendigen Lehren zu ziehen, die uns helfen, die Gegenwart besser zu leben, die Zukunft solide aufzubauen und sie für die kommenden Generationen zu bewahren.
Die Treffen mit den Staatsoberhäuptern und mit den verschiedenen Delegationen wie auch die Apostolischen Reisen sind dafür Mittel und Ziel.
So wurde die Dritte Sektion des Staatssekretariats mit dem Ziel geschaffen, die Aufmerksamkeit und die Nähe des Papstes und der Oberen des Staatssekretariats gegenüber dem diplomatischen Personal sowie den Ordensleuten und Laien, die in den Nuntiaturen arbeiten, zu bekunden. Es handelt sich um eine Abteilung, die in enger Zusammenarbeit mit der Sektion für Allgemeine Angelegenheiten und der Sektion für die Beziehungen mit Staaten sich mit Fragen befasst, welche die Personen betreffen, die im diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhls arbeiten oder sich darauf vorbereiten.[16]
Diese besondere Aufmerksamkeit basiert auf der zweifachen Dimension des Dienstes des diplomatischen Personals: eben als Hirten und als Diplomaten, im Dienst der Teilkirchen und im Dienst der Nationen, wo sie tätig sind.
Die Kurie und die Teilkirchen:
Die Beziehung, welche die Kurie mit den Diözesen und den Eparchien verbindet, ist von vorrangiger Bedeutung. Sie finden in der Römischen Kurie die notwendige Hilfe und Unterstützung, die sie brauchen. Es ist eine Beziehung, die sich auf Zusammenarbeit, Vertrauen und niemals auf Überlegenheit oder Gegnerschaft gründet. Die Quelle dieser Beziehung ist im Konzilsdekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe zu finden, wo ausführlicher erklärt wird, dass es die Aufgabe der Kurie ist, eine Arbeit »zum Wohle der Kirchen und als Dienst für die geweihten Hirten«[17] zu leisten.
Die Römische Kurie hat als Bezugspunkt also nicht nur den Bischof von Rom, von dem sich ihre Autorität bezieht, sondern auch die Teilkirchen und ihre Hirten in der ganzen Welt, für deren Wohl sie wirkt und handelt.
Dieses Merkmal des »Dienst[es] für den Papst und die Bischöfe, für die Weltkirche und für die Teilkirchen« sowie für ganze Welt rief ich beim ersten dieser unserer jährlichen Treffen in Erinnerung, als ich betonte, dass man »in der Römischen Kurie in besonderer Weise diese zweifache Dimension der Kirche, diese gegenseitige Durchdringung von Universalem und Teilbezogenem erfährt und „atmet“« und hinzufügte: »Ich denke, es ist eine der schönsten Erfahrungen derer, die in Rom leben und arbeiten«.[18]
In diesem Sinne stellen die Besuche ad limina Apostolorum eine große Möglichkeit für Begegnung, Dialog und gegenseitige Bereicherung dar. Deshalb habe ich es vorgezogen, bei den Treffen mit den Bischöfen einen Dialog des gegenseitigen Zuhörens zu führen, frei, vertraulich und aufrichtig, der über protokollarische Gepflogenheiten und den üblichen Austausch von Ansprachen und Empfehlungen hinausgeht. Der Dialog zwischen den Bischöfen und den verschiedenen Dikasterien ist ebenfalls wichtig. Dieses Jahr, als die Ad-limina-Besuche nach dem Heiligen Jahr wieder aufgenommen wurden, vertrauten mir die Bischöfe an, dass sie von allen Dikasterien gut aufgenommen und angehört wurden. Das freut mich sehr, und ich danke den anwesenden Leitern der Dikasterien.
Erlaubt mir auch an dieser Stelle, in diesem besonderen Augenblick im Leben der Kirche unsere Aufmerksamkeit auch auf die nächste XV. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode zu lenken, die zum Thema „Die Jugendlichen, der Glaube und die Berufungsentscheidung“ einberufen wurde. Die Kurie, die Bischöfe und die ganze Kirche aufzurufen, den jungen Menschen besondere Beachtung zu schenken, bedeutet nicht, nur auf sie zu schauen, sondern sich auch auf ein Kernthema für eine Reihe von Beziehungen und Dringlichkeiten zu konzentrieren: die Beziehungen zwischen den Generationen, die Familie, die Bereiche der Seelsorge, das gesellschaftliche Leben ... Das Vorbereitungsdokument kündet dies in seiner Einleitung klar an: »Die Kirche hat entschieden, […] sich die Frage zu stellen, wie die Jugendlichen begleitet werden können, um die Berufung zur Liebe und zum Leben in Fülle zu erkennen und anzunehmen. Auch die Jugendlichen selbst sollen gebeten werden, ihr dabei zu helfen, die Art und Weise zu erkennen, die heute am wirksamsten ist, um die Frohe Botschaft zu verkünden. Durch die Jugendlichen kann die Kirche die Stimme des Herrn vernehmen, der auch heute noch spricht. Wie früher Samuel (vgl. 1 Sam 3,1-21) und Jeremia (vgl. Jer 1,4-10), so gibt es auch heute Jugendliche, die in der Lage sind, die Zeichen der Zeit zu erkennen, die der Geist unserer Zeit schenkt. Indem wir auf ihre Erwartungen hören, können wir die Welt von morgen erkennen, die auf uns zukommt, und die Wege entdecken, welche die Kirche zu beschreiten berufen ist.«[19]
Die Kurie und die Ostkirchen:
Die Einheit und die Gemeinschaft, welche die Beziehung der Kirche von Rom mit den Ostkirchen bestimmen, stellen für die ganze Kirche ein konkretes Beispiel des Reichtums in der Verschiedenheit dar. In der Treue zu ihren zweitausendjährigen Traditionen und in der ecclesiastica communio erfahren und verwirklichen sie das hohepriesterliche Gebet Christi (vgl. Joh 17).[20]
In diesem Sinne habe ich beim letzten Treffen mit den Patriarchen und den Großerzbischöfen der Ostkirchen, als ich vom diakonalen Primat gesprochen haben, auch hervorgehoben, wie wichtig es ist, die delikate Frage der Wahl neuer Bischöfe und Eparchen einer Vertiefung und Überprüfung zu unterziehen. Einerseits muss sie der Autonomie der Ostkirchen entsprechen, zugleich aber dem Geist evangeliumsgemäßer Verantwortung und dem Wunsch, die Einheit mit der Katholischen Kirche immer mehr zu stärken – »dies alles in der vollkommenen überzeugten Umsetzung jener authentischen synodalen Praxis, die die Ostkirchen auszeichnet«.[21] Die Wahl jedes Bischofs muss die Einheit und die Gemeinschaft zwischen dem Nachfolger Petri und dem ganzen Bischofskollegium widerspiegeln und stärken.[22]
Die Beziehung zwischen Rom und dem Osten stellt eine gegenseitige spirituelle und liturgische Bereicherung dar. Die Kirche von Rom wäre in der Tat nicht wirklich katholisch ohne die unschätzbaren Reichtümer der Ostkirchen und ohne das heroische Zeugnis vieler unserer Brüder und Schwestern in den Ostkirchen, welche die Kirche reinigen dadurch, dass sie das Martyrium auf sich nehmen und ihr Leben hingeben, um Christus nicht zu verleugnen.[23]
Die Kurie und der ökumenische Dialog:
Es gibt auch Bereiche, in denen sich die Kirche vor allem nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil besonders engagiert, darunter die Einheit der Christen. Diese ist »ein wesentliches Erfordernis unseres Glaubens, ein Erfordernis, das dem Innersten unseres Seins als an Jesus Christus Glaubende entspringt«.[24] Es handelt sich zwar um einen „Weg“, doch ist es, wie auch meine Vorgänger mehrmals wiederholt haben, ein unumkehrbarer Weg, ohne Rückwärtsgang. »Die Einheit [wird] auf dem Weg gemacht […], um daran zu erinnern, dass wir bereits vereint sind, wenn wir einen gemeinsamen Weg gehen, das heißt wenn wir einander als Brüder begegnen, gemeinsam beten, in der Verkündigung des Evangeliums und im Dienst an den Letzten zusammenarbeiten. Alle theologischen und ekklesiologischen Streitfragen, die die Christen noch trennen, werden nur auf diesem Weg gelöst werden, ohne dass wir wissen wie und wann, aber dies wird geschehen dem folgend, was der Heilige Geist zum Wohl der Kirche eingeben wird.«[25]
Die Kurie arbeitet auf diesem Gebiet, um die Begegnung mit dem Bruder und der Schwester zu fördern, um die Knoten des Nichtverstehens und der Feindseligkeiten zu lösen und um den Vorurteilen und der Angst vor dem anderen entgegenzuwirken, die hinderlich waren, um den Reichtum der bzw. in der Verschiedenheit zu sehen als auch die Tiefe des Geheimnisses Christi und der Kirche, das immer größer ist als jeglicher menschliche Ausdruck davon.
Die Begegnungen mit den Päpsten, den Patriarchen und den Oberhäuptern der verschiedenen Kirchen und Gemeinschaften haben mich stets mit Freude und Dankbarkeit erfüllt.
Die Kurie und das Judentum, der Islam, die anderen Religionen
Die Beziehung der Römischen Kurie zu den anderen Religionen gründet auf der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils und auf der Notwendigkeit des Dialogs. »Denn die einzige Alternative zur Kultur der Begegnung ist die Unkultur des Streits.«[26] Der Dialog baut auf drei grundlegenden Ausrichtungen auf: »die Verpflichtung zur Wahrung der Identität, der Mut zur Andersheit und die Aufrichtigkeit der Absichten. Verpflichtung zur Wahrung der Identität, weil ein echter Dialog nicht auf der Basis von Zweideutigkeiten oder der Preisgabe des Guten geführt werden kann, um dem anderen zu gefallen; Mut zur Andersheit, weil derjenige, der sich – kulturell oder religiös – von mir unterscheidet, nicht als Feind angesehen und behandelt werden darf, sondern als Weggefährte aufgenommen werden soll in der echten Überzeugung, dass das Wohl eines jeden im Wohl aller besteht; die Aufrichtigkeit der Absichten, weil der Dialog als authentischer Ausdruck des Humanen nicht eine Strategie ist, um Hintergedanken zu verwirklichen, sondern ein Weg der Wahrheit, und diesen geduldig zu gehen lohnt sich, um Konkurrenz in Zusammenarbeit zu verwandeln.«[27]
Die Begegnungen mit den religiösen Autoritäten auf den verschiedenen apostolischen Reisen und bei ihren Besuchen im Vatikan sind ein konkreter Beweis dafür.
Dies sind nur einige wichtige, jedoch nicht erschöpfende Aspekte des Wirkens der Kurie ad extra. Heute habe ich diese Aspekte ausgewählt in Bezug auf die Themen „diakonaler Primat“, „institutioneller Sinn“ und „treue Sendeantennen und Empfangsantennen“.
Liebe Brüder und Schwestern,
wie ich zu Beginn unserer Begegnung von Weihnachten als dem Fest des Glaubens gesprochen haben, so möchte ich zum Schluss dies hervorheben: Weihnachten erinnert uns daran, dass ein Glaube, der uns nicht in eine Krise führt, ein Glaube in Krise ist; ein Glaube, der uns nicht wachsen lässt, ist ein Glaube, der wachsen muss; ein Glaube, der nicht Fragen aufwirft, ist ein Glaube, über den wir uns Fragen stellen müssen; ein Glaube, der uns nicht belebt, ist ein Glaube, der belebt werden muss; ein Glaube, der uns nicht erschüttert, ist ein Glaube, der erschüttert werden muss. Ein rein intellektueller oder lauer Glaube ist in der Tat bloß ein vorgegebener Glaube, der sich eventuell dann verwirklicht, wenn er es schafft, das Herz, die Seele, den Geist und unser ganzes Sein miteinzubeziehen, wenn man es Gott erlaubt, in der Krippe des Herzens geboren und neu geboren zu werden, wenn wir dem Stern von Bethlehem erlauben, uns zu dem Ort zu führen, wo der Sohn Gottes liegt, nämlich nicht bei den Königen und im Luxus, sondern bei den Armen und Demütigen.
Angelus Silesius schrieb in seinem Cherubinischen Wandersmann: »Es mangelt nur an dir. Ach könnte nur dein Herz zu einer Krippe werden / Gott würde noch einmal ein Kind auf dieser Erden.«[28]
Mit diesen Gedanken entbiete ich euch und allen euren Lieben nochmals meine herzlichsten Weihnachtswünsche.
Danke!
Als Weihnachtsgeschenk möchte ich euch die italienische Ausgabe des Werks des seligen P. Marie-Eugène de l’Efant Jésus Je veux voir Dieu – Voglio vedere Dio [Ich möchte Gott sehen] überreichen. Es ist ein Werk spiritueller Theologie und wird uns allen gut tun. Vielleicht liest man nicht das ganze Werk, sondern sucht im Inhaltsverzeichnis die Stelle, die mehr interessiert oder man mehr braucht. Ich hoffe, es ist euch allen nützlich.
Dann war auch Kardinal Piacenza sehr großzügig, der mit Hilfe der Pönitentiarie und auch von Prälat Nykiel dieses Buch La festa del perdono [Das Fest der Vergebung] herausgebracht hat. Es ist eine Frucht des Heiligen Jahrs der Barmherzigkeit, und er möchte es ebenso schenken. Ein Dankeschön an Kardinal Piacenza und die Apostolischen Pönitentiarie. Beim Ausgang wird es euch allen gegeben.
Danke! [Segen]
Und bitte, betet für mich.
[1] Vgl. Giuseppe Dalla Torre, Sopra una storia della Gendarmeria Pontificia, 19. Oktober 2017.
[2] »Um Gottes Volk zu weiden und immerfort zu mehren, hat Christus der Herr in seiner Kirche verschiedene Dienstämter eingesetzt, die auf das Wohl des ganzen Leibes ausgerichtet sind« (Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, 18).
[3] Vgl. Grußworte an die Patriarchen und Großerzbischöfe, 9. Oktober 2017.
[4] Katechese bei der Generalaudienz am 4. Juni 2008.
[5] Vgl. Johannes Paul II., Ansprache an die Vollversammlung des heiligen Kardinalskollegiums, 21. November 1985, 4.
[6] 2, 44: Funk, 138 -166; vgl. W. Rordorf, Liturgie et eschatologie, in Augustinianum 18 (1978), 153-161; ders., Que savons-nous des lieux de culte chrétiens de l'époque préconstantinienne? in L'Orient Syrien 9 (1964), 39-60.
[7] Vgl. Begegnung mit den Priestern und Gottgeweihten, Mailänder Dom, 25. März 2017.
[8] »Was die Diakone der Kirche betrifft, so seien sie wie die Augen des Bischofs, die alles rings herum im Blick haben und das Handeln aller in der Kirche untersuchen, für den Fall, dass jemand gerade dabei ist, eine Sünde zu begehen. Auf diese Weise wird er durch die frühzeitige Benachrichtigung des Vorstehers sein sündiges Tun vielleicht nicht zu Ende bringen« (Brief des Clemens an Jakobus, 12: Rehm 14-15, in I Ministeri nella Chiesa Antica. Testi patristici dei primi tre secoli, a cura di Enrico Cattaneo, Edizione Paoline, 1997, S. 696).
[9] Vgl. Die Exerzitien, Nr. 121: »Die fünfte Betrachtung wird die Anwendung der fünf Sinne auf die erste und die zweite Betrachtung sein«.
[10] Im Matthäuskommentar des heiligen Hieronymus findet sich ein kurioser Vergleich zwischen den fünf Sinnen des menschlichen Organismus und den Jungfrauen aus dem Gleichnis im Evangelium, die töricht werden, wenn sie nicht mehr dem ihnen aufgegebenen Ziel entsprechend handeln. (vgl. Comm. in Mt XXV: PL 26,184).
[11] Der Begriff der Treue erweist sich als sehr anspruchsvoll und aussagekräftig, weil er auch die zeitliche Dauer des übernommenen Dienstes hervorhebt und auf eine Tugend verweist, die, wie Benedikt XVI. einmal sagte: »gut die ganz besondere Verbindung zum Ausdruck bringt, die sich zwischen dem Papst und seinen unmittelbaren Mitarbeitern bildet, sowohl in der Römischen Kurie als auch in den Päpstlichen Vertretungen« (Ansprache an die Päpstliche Diplomatenakademie, 11. Juni 2012).
[12] Ebd.
[13] Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 18.
[14] »Eine synodale Kirche ist eine Kirche des Zuhörens, in dem Bewusstsein, dass das Zuhören „mehr ist als Hören“. Es ist ein wechselseitiges Anhören, bei dem jeder etwas zu lernen hat: das gläubige Volk, das Bischofskollegium, der Bischof von Rom – jeder im Hinhören auf die anderen und alle im Hinhören auf den Heiligen Geist, den „Geist der Wahrheit“ (Joh 14,17), um zu erkennen, was er „den Kirchen sagt“ (vgl. Offb 2,7)« (Ansprache zum 50-Jahr-Jubiläum der Bischofssynode, 17. Oktober 2015).
[15] Vgl. Lk 12,54-59; Mt 16,1-4; Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium et spes, 11: »Im Glauben daran, dass es vom Geist des Herrn geführt wird, der den Erdkreis erfüllt, bemüht sich das Volk Gottes, in den Ereignissen, Bedürfnissen und Wünschen, die es zusammen mit den übrigen Menschen unserer Zeit teilt, zu unterscheiden, was darin wahre Zeichen der Gegenwart oder der Absicht Gottes sind. Der Glaube erhellt nämlich alles mit einem neuen Licht, enthüllt den göttlichen Ratschluss hinsichtlich der integralen Berufung des Menschen und orientiert daher den Geist auf wirklich humane Lösungen hin.«
[16] Vgl. Päpstliches Schreiben, 18. Oktober 2017; Mitteilung des Staatssekretariats, 21. November 2017.
[17] Vgl. Christus Dominus, 9.
[18] Vgl. Ansprache an die Römische Kurie beim Weihnachtsempfang, 21. Dezember 2013; vgl. Paul VI., Predigt anlässlich seines 80. Geburtstags, 16. Oktober 1977: »Ja, ich habe Rom geliebt und ich war und bin auch heute noch leidenschaftlich darum bemüht, das Geheimnis zu bedenken und zu begreifen, das sich nur schwer verstehen und leben lässt, wie und warum „Christus ein Römer“ ist (vgl. Dante, Göttliche Komödie, Purgatorium, XXXII, 102). […] Euer „Rombewusstsein“, ob ihr nun gebürtige Römer seid oder euch nur für einige Zeit hier aufhaltet und Gastfreundschaft genießt. Das „Rombewusstsein“ hat die Kraft, in allen, die es sich aneignen, den Sinn für einen universalen Humanismus zu wecken, der nicht einfach Ausfluss klassischer Überlieferung ist, sondern noch mehr christlicher und katholischer Lebenskraft.« (Insegnamenti di Paolo VI, XV 1977, 1957; L’Osservatore Romano [dt.], Jg. 7, Nr. 43 [28. Oktober 1977], S. 2).
[19] XV. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode: Die Jugendlichen, der Glaube und die Berufungsentscheidung, Einleitung.
[20] Einerseits findet die Einheit, die der Gabe des Heiligen Geistes entspricht, ihren natürlichen und vollen Ausdruck in der »unverbrüchliche[n] Einheit mit dem Bischof von Rom« (Benedikt XVI., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Ecclesia in Medio Oriente, 40). In die Gemeinschaft des ganzen Leibes Christi eingegliedert zu sein, macht uns andererseits die Pflicht bewusst, die Einheit und Solidarität innerhalb der verschiedenen Patriarchalsynoden zu stärken und dabei »im Hinblick auf ein kollegiales und einheitliches Handeln in Fragen von großer Wichtigkeit für die Kirche stets vorrangig das Einvernehmen [zu] suchen« (ebd.).
[21] Grußworte an die Patriarchen und Großerzbischöfe der Ostkirchen, 21. November 2013.
[22] Gemeinsam mit den Oberhäuptern und Vätern, den Erzbischöfen und Bischöfen der Ostkirchen, in Gemeinschaft mit dem Papst, der Kurie und untereinander, sind wir alle aufgerufen, »immer nach Gerechtigkeit, Frömmigkeit, Glauben, Liebe, Standhaftigkeit und Sanftmut zu streben (vgl. 1 Tim 6,11); [...] zu einem einfachen Lebensstil nach dem Vorbild Christi, der arm wurde, um uns durch seine Armut reich zu machen (vgl. 2 Kor 8,9); [...] [zu einer] Transparenz in der Verwaltung der Kirchengüter und Fürsorge bei jeder Schwäche und Not« (Grußworte an die Patriarchen und Großerzbischöfe der Ostkirchen, 21. November 2013).
[23] Wir »sehen, wie viele unserer christlichen Brüder und Schwestern der orientalischen Kirchen dramatische Verfolgungen und eine immer beunruhigendere Diaspora erfahren (Homelie beim Gottesdienst zum 100. Gründungsjubiläum der Kongregation für die Orientalischen Kirchen und des Päpstlichen Orientalischen Instituts, Basilika S. Maria Maggiore, 12. Oktober 2017). »Vor diesen Situationen darf niemand die Augen verschließen« (Botschaft zum 100. Gründungsjubiläum des Päpstlichen Orientalischen Instituts, 12. Oktober 2017).
[24] Ansprache an die Vollversammlung der Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, 10. November 2016.
[25] Ebd.
[26] Ansprache an die Teilnehmer der internationalen Friedenskonferenz, Al-Azhar Conference Centre, Kairo, 28. April 2017.
[27] Ebd.
[28] Andertes Buch, Nr. 53. (Kritische Ausgabe, hg. von Louise Gnädinger, Reclam, Stuttgart, 2000).
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