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JOHANNES PAUL II.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 8. August 200
1

 

Lesung: Ps 33,1–4.8 –9.20 –22 Eine Hymne an die göttliche Vorsehung

1. In 22 Verse unterteilt, ebenso viele wie es im hebräischen Alphabet Buchstaben gibt, ist der Psalm 33 eine Lobeshymne an den Herrn des Universums und der Geschichte. Ein Überschwang an Freude kennzeichnet ihn von Beginn an: »Ihr Gerechten, jubelt vor dem Herrn; für die Frommen ziemt es sich, Gott zu loben. Preist den Herrn mit der Zither, spielt für ihn auf der zehnsaitigen Harfe! Singt ihm ein neues Lied, greift voll in die Saiten und jubelt laut!« (V. 1–3). Diese Anrufung (»tern’ah«) wird also von Musik begleitet, und sie ist Ausdruck einer inneren Stimme des Glaubens und der Hoffnung, des Glücks und Vertrauens. Das Lied ist »neu«, nicht nur weil es die Gewißheit der Gegenwart Gottes innerhalb der Schöpfung und der menschlichen Geschicke erneuert, sondern auch weil es das vollkommene Lob vorwegnimmt, das am Tag des endgültigen Heils angestimmt werden soll, wenn das Reich Gottes seine glorreiche Verwirklichung erreicht haben wird. 

Mit der letztendlichen Erfüllung in Christus befaßt sich der hl. Basilius, der diesen Abschnitt folgendermaßen erklärt: »Normalerweise wird als ›neu‹ bezeichnet, was ungewohnt ist oder was es erst seit kurzem gibt. Wenn du an die erstaunliche und alle Vorstellungskraft übersteigende Weise der Menschwerdung des Herrn denkst, singst du notwendigerweise ein neues und ungewöhnliches Lied. Und wenn du in Gedanken die Wiedererschaffung und Erneuerung der gesamten, durch die Sünde alt gewordenen Menschheit verfolgst und die Mysterien der Auferstehung verkündest, auch dann singst du ein neues und ungewöhnliches Lied« (vgl. Homilie über Psalm 33,2; PG 29,327). Somit bedeutet die Einladung des Psalmisten, der sagt: »Singt Gott ein neues Lied«, laut dem hl. Basilius für den Christgläubigen folgendes: »Ehrt Gott nicht nach dem alten Brauch des ›Buchstabens‹, sondern in der Neuheit des ›Geistes‹. Denn wer das Gesetz nicht als etwas Äußerliches versteht, sondern dessen ›Geist‹ erkennt, der singt ein ›neues Lied‹« (vgl. ebd.). 

2. In seinem Mittelteil ist der Hymnus wiederum in drei Abschnitte untergliedert, die eine Trilogie des Lobes bilden. Im ersten (vgl. V. 6 –9) wird das schöpferische Wort Gottes gepriesen. Die wunderbare Architektur des Universums, die einem kosmischen Tempel ähnelt, ist nicht etwa durch einen Kampf zwischen Göttern entstanden und erwachsen, wie manche Weltentstehungsmythen des Nahen Orients in der Antike nahelegten, sondern allein durch das wirkmächtige Wort Gottes. Genauso, wie es das erste Kapitel der Genesis lehrt: »Gott sprach [und] so geschah es.« In der Tat wiederholt der Psalmist: »Denn der Herr sprach, und sogleich geschah es; er gebot, und alles war da« (Ps 33, 9). Besondere Aufmerksamkeit widmet der Betende der Überwachung der Meereswasser, denn in der Bibel ist das Meer ein Symbol für das Chaos und das Böse. Trotz ihrer Beschränkungen wird die Welt jedoch vom Schöpfer im Sein gehalten; Er gebietet dem Meer, am Küstenstreifen haltzumachen, wie im Buch Ijob geschildert wird: »Bis hierher darfst du und nicht weiter, hier muß sich legen deiner Wogen Stolz« (38,11). 

3. Der Herr ist auch Herrscher der Menschheitsgeschichte, wie im zweiten Teil des Psalms 33 (V. 10 –15) herausgestellt wird. In entschlossener Antithese stehen sich die Pläne der weltlichen Mächte und der wunderbare Plan, den Gott in der Geschichte entwirft, gegenüber. Wenn sie sich von ihm unterscheiden wollen, führen die menschlichen Vorhaben zu Ungerechtigkeit, zu Bösem und zu Gewalt, da sie sich gegen den göttlichen Plan für Gerechtigkeit und Heil auflehnen. Trotz ihrer vergänglichen und vermeintlichen Erfolge beschränken sie sich auf einfache Machenschaften, die zur Auflösung und zum Scheitern verurteilt sind. Im biblischen Buch der Sprichwörter wird zusammenfassend festgestellt: »Viele Pläne faßt das Herz des Menschen, doch nur der Ratschluß des Herrn hat Bestand« (Spr 19,21). In ähnlicher Weise erinnert uns der Psalmist daran, daß Gott aus dem Himmel, seiner transzendenten Wohnstatt, alle Wege der Menschheit, auch die irrigen und absurden, verfolgt und alle Geheimnisse des menschlichen Herzens kennt: »Wo immer du gehst, was immer du tust, sowohl in der Finsternis als auch im Tageslicht, das Auge Gottes sieht dich«, kommentiert der hl. Basilius (vgl. Homilie über Psalm 33,8; PG 29,343). Glücklich wird das Volk sein, welches die göttliche Offenbarung annimmt, deren Lebenslehren befolgt und sich auf deren Pfade im Laufe der Geschichte begibt. Am Ende wird nur eines bleiben: »Der Ratschluß des Herrn bleibt ewig bestehen, die Pläne seines Herzens überdauern die Zeiten« (Ps 33,11). 

4. Der dritte und letzte Teil des Psalms (V. 16 –22) nimmt das Thema der einzigartigen Herrschaft Gottes über die menschlichen Gegebenheiten unter zwei neuen Blickwinkeln wieder auf: zunächst unter dem Gesichtspunkt der Mächtigen, die aufgefordert werden, sich hinsichtlich der militärischen Macht der Heere und der Kavallerie keinen Illusionen hinzugeben. Danach von seiten der oft unterdrückten, Hunger leidenden und am Rande des Todes lebenden Gläubigen: Diese werden eingeladen, auf den Herrn zu hoffen, der sie nicht in den Abgrund der Zerstörung fallen lassen wird. So offenbart sich auch die »katechetische« Funktion dieses Psalms. Er verwandelt sich in einen Aufruf zum Glauben an einen Gott, der der Arroganz der Mächtigen gegenüber nicht gleichgültig und der Schwäche der Menschen nahe ist; er erhöht sie und stützt sie, wenn sie Vertrauen haben, wenn sie sich ihm anvertrauen, wenn sie ihr Flehen und Lob zu ihm erheben. »Die Demut derer, die Gott dienen« – erklärt der hl. Basilius weiter – »zeigt, wie sehr sie auf sein Erbarmen hoffen. Wer nämlich nicht auf die eigenen großen Taten vertraut und nicht erwartet, von seinen Werken gerechtfertigt zu werden, hat als einzige Hoffnung auf das Heil die Barmherzigkeit Gottes« (vgl. Homilie über Psalm 33,10; PG 29, 347). 

5. Der Psalm endet mit einer Antiphon, die in den Schlußteil des berühmten Hymnus »Te Deum« aufgenommen wurde: »Laß deine Güte über uns walten, o Herr, denn wir schauen aus nach dir«  (V. 22). Göttliche Gnade und menschliche Hoffnung begegnen einander und verbinden sich. Ja noch mehr:die liebevolle Treue Gottes (entsprechend der Bedeutung der ursprünglich hier verwendeten hebräischen Vokabel »hesed«) umgibt, wärmt und schützt uns wie ein Mantel; sie schenkt uns Zuversicht und gibt unserem Glauben und unserer Hoffnung eine sichere Grundlage. 


Liebe Schwestern und Brüder!

Was kann es für den Christen Schöneres geben als den Herrn zu loben und zu preisen! Aus dem Psalm, den wir eben gehört haben, spricht eine tiefe Symbolik der Zahlen: Er besteht aus 22 Versen, was den Buchstaben des hebräischen Alfabets entspricht. Das heißt: Der Psalm möchte gleichsam buchstabieren, wie vielfältig und erhaben die Herrschaft unseres Gottes ist. 

"Singt dem Herrn ein neues Lied, greift voll in die Saiten und jubelt laut". Der Psalmist will uns durch seine Freude mitreißen und in seine Begeisterung hineinziehen. Wer in das Lob Gottes einstimmt, kommt an kein Ende: Wie groß ist Gottes Phantasie, wenn es um die Liebe zu uns Menschen geht! Gott hat nicht nur das Universum geschaffen, er lenkt auch den Lauf der Geschichte. Wer sich in Gottes Hände fallen läßt, wird spüren, daß Seine Hände gute Hände sind. 

Der Psalm schließt mit einer Bitte, die im großen Te Deum enthalten ist: "Laß deine Güte über uns walten. Denn wir schauen aus nach dir." Darin liegt die "Logik" des Christseins: Göttliche Gnade und menschliche Hoffnung begegnen und umarmen sich. 

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Für diese Begegnung zwischen göttlicher Gnade und menschlicher Hoffnung, zwischen der Gabe Gottes und dem Tun des Menschen sind wir gerade im Urlaub besonders offen. So grüße ich die Pilger aus den Ländern deutscher Sprache. Ich wünsche euch, daß ihr während der Ferien Gottes Nähe erfahren dürft und erholt in den Alltag zurückkehrt. Gern erteile ich euch, euren Lieben daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, den Apostolischen Segen. 

                                        



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