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ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN DIE TEILNEHMER DER EUROPÄISCHEN TAGUNG ÜBER DIE BERUFUNGSPASTORAL ZUM THEMA:
"
SÄMÄNNER DES EVANGELIUMS DER BERUFUNG:
EIN WORT, DAS AUFRUHR UND SENDUNG IST" (ROM, 2.-5. JULI 2009)

Samstag, 4. Juli 2009

   

Liebe Brüder und Schwestern!

Ich freue mich über unser Treffen, und das ganz besonders, weil ich weiß, welchen wertvollen pastoralen Dienst ihr im Bereich der Förderung, der Weckung und des Erkennens von Berufungen leistet. Ihr seid nach Rom gekommen, um an einer Tagung teilzunehmen, in deren Rahmen die Kirchen Europas gemeinsam über das Thema »Das Evangelium der Berufung für den jungen Menschen in der europäischen Kultur« nachdenken und sich darüber austauschen wollen. Zweck dieser Überlegungen ist es, eurem Einsatz für die Berufungen einen neuen Impuls zu geben. Die Berufungspastoral stellt in jeder Diözese eine der wichtigsten pastoralen Tätigkeiten dar – und im Rahmen des gerade begonnenen Priesterjahres kommt ihr nun eine noch größere Bedeutung zu. Ich grüße daher die delegierten Bischöfe für die Berufungspastoral der verschiedenen Bischofskonferenzen, die Leiter der nationalen Berufungszentren, deren Mitarbeiter und alle hier Anwesenden.

Im Mittelpunkt eurer Arbeit steht das Gleichnis vom Sämann. Der Herr streut den Samen des Wortes Gottes großzügig und unentgeltlich aus, obwohl er weiß, daß dieser in wenig geeignete Erde fallen kann: auf dürren Boden, wo die Saat nicht aufgeht, oder auch zwischen Dornenbüsche, die die Saat ersticken werden. Dennoch läßt sich der Sämann nicht entmutigen. Er weiß nämlich, daß es einem Teil der Saat bestimmt ist, auf »guten Boden« zu fallen, nämlich in glühende Herzen, die das Wort bereitwillig aufnehmen, um es reifen zu lassen in der Ausdauer, damit es zum Wohl vieler wieder reiche Frucht bringen kann.

Das Bild dieses Erdbodens mag uns an die mehr oder weniger gute Situation der Familie erinnern; an unser manchmal »dürres« und hartes Arbeitsumfeld; die Tage des Leids und der Tränen. Die Erde ist in diesem Fall das Herz eines jeden Menschen, besonders das der jungen Menschen, auf die euer Dienst des Hörens und Begleitens ausgerichtet ist: Es ist ein oft verwirrtes und orientierungsloses Herz, aber auch eines, das ungeahnte Energien der Opferbereitschaft in sich bergen kann. Wie eine Knospe ist es bereit, sich einem Leben zu öffnen, das ganz der Liebe zu Jesus gewidmet ist; ihm zu folgen mit einer Bedingungslosigkeit, die aus der Gewißheit kommt, daß man den größten Schatz gefunden hat, den es gibt. Allein der Herr ist es, der in den Herzen der Menschen sät. Erst wenn das Wort Gottes verschwenderisch und großzügig gesät worden ist, kann man auf dem Weg des Begleitens und des Erziehens, des Wachsens und des Erkennens voranschreiten. All das hängt mit jenem kleinen Samenkorn zusammen, jener geheimnisvollen Gabe der himmlischen Vorsehung, von dem eine außergewöhnliche Kraft ausgeht. Das Wort Gottes ist es nämlich, das all das, was es sagt und ersehnt, aus sich selbst heraus wirkt.

Es gibt noch ein anderes Wort Jesu, das das Bild des Samens wieder aufgreift und an das Gleichnis vom Sämann erinnert: »Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht« (Joh 12,24). Hier betont der Herr den Zusammenhang zwischen dem Tod des Samenkorns und der »reichen Frucht«, die dieses tragen wird. Das Weizenkorn ist er: Jesus. Die Frucht ist das »Leben in Fülle« (Joh 10,10), das er durch seinen Tod am Kreuz für uns erlangt hat. Und genau darin liegt die Logik und die wahre Fruchtbarkeit jeder Berufungspastoral in der Kirche: wie Christus müssen der Priester und die in der Berufungspastoral Tätigen ein »Weizenkorn« sein, das sich selbst opfert, um den Willen des Vaters zu tun; das im Verborgenen lebt, kein Aufhebens und keinen Lärm um sich macht; das nicht nach jener selbstherrlichen Sichtbarkeit strebt, die in vielen Bereichen unserer Kultur oft zum Kriterium, wenn nicht gar zum Lebenszweck erhoben wird und wovon sich viele junge Menschen angezogen fühlen.

Liebe Freunde, seid Sämänner des Vertrauens und der Hoffnung! Gerade bei jungen Menschen macht sich heute oft ein starkes Gefühl der Verlorenheit breit. Nicht selten sind die Worte der Menschen nicht nur ohne Zukunft und Perspektive, sondern auch ohne Sinn und Weisheit. Die Menschen werden immer mehr von einer frenetischen Rastlosigkeit ergriffen, sind unfähig, in der Zeit der Erwartung zu leben. Und doch könnte das die Stunde Gottes sein: sein Ruf, der durch die Kraft und Wirksamkeit des Wortes laut wird, ebnet der Hoffnung auf die Fülle des Lebens den Weg. Das Wort Gottes kann wahrlich Licht und Kraft werden, Quelle der Hoffnung; es kann einen Weg vorgeben, der über Jesus führt, »Weg« und »Tor«, über sein Kreuz, das die Fülle der Liebe ist. Das ist die Botschaft des gerade ausgeklungenen Paulusjahres. Paulus, der sich von Christus erobern ließ, verstand es, Berufungen zu wecken und wachsen zu lassen. Das sieht man auch an den Dutzenden von Männern und Frauen, die er in seinen Briefen grüßt. Namen, die zu Menschen gehören, die mit ihm gemeinsam im Dienst des Evangeliums gewirkt haben. Und das ist auch die Botschaft des gerade begonnenen Priesterjahres: Der heilige Pfarrer von Ars, Jean-Marie Vianney, der diesen neuen geistlichen Weg erhellt, war ein Priester, der sein Leben der geistlichen Führung der Menschen gewidmet hat. Und getan hat er das, indem er sich in den gewöhnlichen Situationen des Lebens einfach nur darauf beschränkte, demütig die Güte Gottes »zu sehen und zu erfahren«. So hat er sich als wahrer Lehrmeister jenes Dienstes erwiesen, der Trost spendet und die Berufungen begleitet. Das Priesterjahr ist also eine gute Gelegenheit, nicht nur den tiefen Sinn der Berufungspastoral wiederzuentdecken, sondern auch die von Jean-Marie Vianney angewandte Methode: das Zeugnis, das einfach und glaubwürdig ist; die Gemeinschaft, auf Wegen, die die Ortskirche gutheißen und fördern kann; den Alltag, der uns dem Herrn im alltäglichen Leben nachfolgen läßt; das Hören, geleitet vom Heiligen Geist, um die jungen Menschen der Suche nach Gott und nach der Glückseligkeit zuzuführen; und schließlich die Wahrheit, aus der allein die innere Freiheit kommt.

Liebe Brüder und Schwestern, möge das Wort Gottes in euch allen zu einer Quelle des Segens, des Trostes und der erneuerten Hoffnung werden, damit ihr in der Lage seid, vielen anderen zu helfen, jenen Jesus zu »sehen« und »zu berühren«, den sie als Meister angenommen haben. Das Wort des Herrn wohne stets in euch. Es möge in euren Herzen jenes Licht, jene Liebe und jenen Frieden erneuern, die Gott allein geben kann und helfe euch, für das Evangelium, Quelle der Gemeinschaft und der Liebe, Zeugnis abzulegen und es zu verkünden. Mit dieser Hoffnung, die ich der Fürsprache der seligen Jungfrau Maria anvertraue, erteile ich euch allen von Herzen meinen Apostolischen Segen.

 

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