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PAPST FRANZISKUS

REGINA CAELI

Petersplatz
Sonntag, 5. Juni 2022

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Liebe Brüder und Schwestern,
guten Tag, einen schönen Sonntag!

Und heute auch einen frohen Feiertag, denn heute feiern wir das Pfingstfest. Wir feiern die Ausgießung des Heiligen Geistes auf die Apostel, die fünfzig Tage nach Ostern stattfand. Jesus hatte dies mehrmals verheißen. In der heutigen Liturgie berichtet das Evangelium von einer dieser Verheißungen, als Jesus zu den Jüngern sagte: »Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren  und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe« (Joh  14,26). Das ist es, was der Geist tut: er lehrt  und erinnert  uns an das, was Christus gesagt hat. Lasst uns über diese beiden Handlungen, das Lehren und das Erinnern, nachdenken, denn so bringt er das Evangelium Jesu in unsere Herzen.

Zuallererst lehrt  der Heilige Geist. Auf diese Weise hilft er uns, ein Hindernis in der Glaubenserfahrung zu überwinden: die Distanz. Er hilft uns, das Hindernis der Entfernung in der Erfahrung des Glaubens zu überwinden. In der Tat kann der Zweifel aufkommen, demzufolge es eine große Distanz zwischen dem Evangelium und dem Alltag gibt: Jesus lebte vor zweitausend Jahren, es waren andere Zeiten, andere Situationen, und deshalb scheint das Evangelium veraltet, es scheint nicht geeignet, um zu unserer heutigen Zeit mit ihren Bedürfnissen und Problemen zu sprechen. Diese Frage stellt sich auch uns: Was kann das Evangelium im Zeitalter von Internet, im Zeitalter der Globalisierung sagen? Wie kann sein Wort etwas bewirken?

Wir können sagen, dass der Heilige Geist ein Spezialist im Überbrücken von Entfernungen ist; er weiß, wie man Entfernungen überwindet. Er lehrt uns, sie zu überwinden. Er ist es, der die Lehre Jesu mit jeder Zeit und jedem Menschen verbindet. Bei ihm sind die Worte Christi nicht nur eine Erinnerung, nein: Die Worte Christi werden durch die Kraft des Heiligen Geistes lebendig, heute! Der Geist macht sie für uns lebendig: Durch die Heilige Schrift spricht er zu uns und gibt uns Orientierung in der Gegenwart. Der Heilige Geist fürchtet sich nicht vor dem Vergehen der Jahrhunderte; vielmehr macht er die Gläubigen auf die Probleme und Ereignisse ihrer Zeit aufmerksam. Wenn der Heilige Geist lehrt, aktualisiert er: Er hält den Glauben immer jung. Wir riskieren es, dass wir den Glauben zu etwas machen, das aus dem Museum stammt: Das ist das Risiko! Er hingegen lässt ihn Schritt halten mit der Zeit, immer auf dem neuesten Stand, der Glaube im Heute: das ist sein Werk. Denn der Heilige Geist bindet sich nicht an vergehende Epochen oder Moden, sondern bringt die Aktualität des auferstandenen und lebendigen Jesus in die Gegenwart.

Und wie macht der Geist das? Indem er uns erinnert. Hier ist das zweite Verb, sich erinnern. Was bedeutet es, sich zu erinnern? Erinnern bedeutet, neu ins Herz aufzunehmen [ri-cordare ]: Der Heilige Geist bringt das Evangelium neu in unser Herz. Es ist wie bei den Aposteln: Sie hatten Jesus oft gehört, ihn aber wenig verstanden. Das Gleiche geschieht uns. Doch seit Pfingsten, mit dem Heiligen Geist, erinnern sie sich in ihrem Herzen und verstehen. Sie nehmen seine Worte als speziell für sie gemacht an und gehen von einem äußeren Wissen, einem Wissen aus der Erinnerung, zu einer lebendigen Beziehung über, zu einer überzeugten, freudigen Beziehung zum Herrn. Es ist der Geist, der dies tut, der uns vom »Hörensagen« zu einer persönlichen Erkenntnis Jesu übergehen lässt, der in unser Herz vordringt. So verändert der Geist unser Leben: Er bewirkt, dass die Gedanken Jesu zu unseren Gedanken werden. Und das tut er, indem er uns seine Worte wieder ins Gedächtnis ruft, indem er die Worte Jesu heute in unsere Herzen bringt.

Brüder und Schwestern, ohne den Geist, der uns an Jesus erinnert, wird der Glaube vergesslich. So oft wird der Glaube zu einer Erinnerung ohne Gedächtnis: Die Erinnerung dagegen ist lebendig, und die lebendige Erinnerung wird durch den Geist gebracht. Und wir – versuchen wir uns zu fragen –, sind wir vergessliche Christen? Vielleicht braucht es nur eine Meinungsverschiedenheit, eine Müdigkeit, eine Krise, um die Liebe Jesu zu vergessen und in Zweifel und Angst zu verfallen? Wehe uns! Achten wir darauf, dass wir nicht zu vergesslichen Christen werden. Die Abhilfe besteht darin, den Heiligen Geist anzurufen. Wir sollten dies oft tun, besonders in wichtigen Momenten, vor schwierigen Entscheidungen und in Situationen, die nicht einfach sind. Nehmen wir das Evangelium zur Hand und bitten wir den Heiligen Geist. Wir können sagen: »Komm, Heiliger Geist, erinnere mich an Jesus, erleuchte mein Herz.« Das ist ein schönes Gebet: »Komm, Heiliger Geist, erinnere mich an Jesus, erleuchte mein Herz.« Sagen wir es gemeinsam? »Komm, Heiliger Geist, erinnere mich an Jesus, erleuchte mein Herz.« Dann schlagen wir das Evangelium auf und lesen langsam einen kurzen Abschnitt. Und der Geist wird es zu unserem Leben sprechen lassen.

Die Jungfrau Maria, erfüllt vom Heiligen Geist, möge in uns den Wunsch wecken, zu ihm zu beten und das Wort Gottes zu empfangen.

Nach dem Gebet des »Regina Caeli« am Pfingstsonntag:

Liebe Brüder und Schwestern, am Pfingstfest wird Gottes Traum, den er für die Menschheit hat, Wirklichkeit. Fünfzig Tage nach Ostern geschieht es, dass Völker verschiedener Sprachen sich treffen und einander verstehen. Doch nun, hundert Tage nach Beginn der bewaffneten Aggression gegen die Ukraine, ist der Albtraum des Krieges, der die Negation von Gottes Traum ist, erneut über die Menschheit hereingebrochen: Völker kämpfen gegeneinander, Völker töten einander, Menschen werden aus ihren Häusern vertrieben, anstatt sich näher zu kommen. Und da die Wut der Zerstörung und des Todes weiter tobt und Konflikte aufflammen, die eine Eskalation anheizen, die für alle immer gefährlicher wird, erneuere ich meinen Appell an die Verantwortlichen der Nationen: Bitte stürzen Sie die Menschheit nicht ins Verderben! Bitte stürzen Sie die Menschheit nicht ins Verderben! Es müssen echte Verhandlungen stattfinden, konkrete Verhandlungen für einen Waffenstillstand und eine nachhaltige Lösung. Der verzweifelte Schrei der leidenden Menschen muss gehört werden – wir sehen ihn jeden Tag in den Medien –, das menschliche Leben muss geachtet und die grausame Zerstörung von Städten und Dörfern in der Ostukraine muss beendet werden. Bitte, wir wollen weiter beten und uns unermüdlich für den Frieden einsetzen.

Gestern wurden in Beirut zwei Kapuziner seliggesprochen, Leonard Melki und Thomas George Saleh, Priester und Märtyrer, die 1915 beziehungsweise 1917 in der Türkei aus Glaubenshass getötet wurden. Diese beiden libanesischen Missionare haben in einem feindlichen Umfeld unerschütterliches Gottvertrauen und Selbstaufopferung für ihren Nächsten unter Beweis gestellt. Ihr Beispiel soll unser christliches Zeugnis stärken. Sie waren jung, keine 35 Jahre alt. Einen Applaus für die neuen Seligen!

Mit Freude habe ich erfahren, dass der Waffenstillstand im Jemen um weitere zwei Monate verlängert worden ist. Dank sei Gott und euch. Ich hoffe, dass dieses Zeichen der Hoffnung ein weiterer Schritt zur Beendigung dieses blutigen Konflikts sein kann, der eine der schlimmsten humanitären Krisen unserer Zeit ausgelöst hat. Bitte lasst uns nicht vergessen, an die Kinder im Jemen zu denken: Hunger, Zerstörung, Mangel an Bildung, Mangel an allem. Lasst uns an die Kinder denken!

Ich möchte die Opfer der durch sintflutartige Regenfälle verursachten Erdrutsche in der Metropolregion von Recife, Brasilien, meines Gebets versichern.

Ich grüße euch alle, die Römer und die Pilger! Ich grüße die Vereinigung »Avvocatura in missione«, die Mitglieder der Internationalen Versöhnungsbewegung und der Vereinigung »Gewaltfreie Bewegung«, die französische Pfadfindergruppe »Saint Louis«, die Gesellschaft des Heiligen Vinzenz von Paul und die Fraternität »Evangelii gaudium«. Ich grüße die Gläubigen aus Piacenza d’Adige, den Chor aus Castelfidardo, die Jugendlichen aus Pollone und aus Cassina de’ Pecchi – ich erinnere mich, wie ich diese Orte vor vielen Jahren besucht habe –, die Pilger der aus den Heiligtümern des Antonius von Padua in Camposampiero und die Radfahrer aus Sarcedo, und ich grüße auch die Jugendlichen der Immaculata.

Ich spreche den Fischern meine Nähe aus. Denken wir an die Fischer, die aufgrund der steigenden Treibstoffkosten Gefahr laufen, ihre Tätigkeit einstellen zu müssen; und ich schließe alle Kategorien von Arbeitnehmern ein, die von den Folgen des Konflikts in der Ukraine schwer betroffen sind.

Ich bete für euch, betet ihr für mich. Ich wünsche euch allen einen schönen Sonntag. Gesegnete Mahlzeit und auf Wiedersehen.



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