PAPST FRANZISKUS
GENERALAUDIENZ
Petersplatz
Mittwoch, 16. September 2015
Katechese. Die Familie - 27. Die Völker
Liebe Brüder und Schwestern,
guten Tag!
Dies ist unsere abschließende Reflexion über das Thema von Ehe und Familie. Wir stehen am Vorabend schöner und bedeutsamer Ereignisse, die unmittelbar mit diesem großen Thema verbunden sind: das Weltfamilientreffen in Philadelphia und die Bischofssynode hier in Rom. Beide sind von globaler Bedeutung, die der universalen Dimension des Christentums entspricht, aber auch der universalen Tragweite der grundlegenden und unersetzlichen menschlichen Gemeinschaft: der Familie.
Die gegenwärtigen Übergänge in der Zivilisation scheinen gekennzeichnet zu sein von den langfristigen Auswirkungen einer von der wirtschaftlichen Technokratie verwalteten Gesellschaft. Die Unterordnung der Ethik unter die Logik des Profits verfügt über beträchtliche Mittel und eine enorme Unterstützung durch die Medien. In diesem Szenarium ist ein neuer Bund von Mann und Frau nicht nur notwendig, sondern strategisch entscheidend für die Emanzipation der Völker von der Kolonisierung durch das Geld. Dieser Bund muss der Politik, der Wirtschaft und dem zivilen Zusammenleben wieder Orientierung verleihen! Er entscheidet über die Bewohnbarkeit der Erde, die Weitergabe der Lebenseinstellung, die Bindungen von Erinnerung und Hoffnung. Die eheliche und familiäre Gemeinschaft von Mann und Frau ist die generative Grammatik, sozusagen der »goldene Knoten« dieses Bundes. Der Glaube schöpft aus der Weisheit der Schöpfung Gottes: Er hat der Familie nicht die Sorge um ein sich selbst genügendes »Zuhause« anvertraut, sondern das spannende Projekt, die Welt »heimisch« zu machen. Gerade die Familie steht am Anfang, ist die Grundlage dieser globalen Kultur und rettet uns; sie rettet uns von vielen, vielen Angriffen, vielen Zerstörungen, vielen Kolonisierungen – wie jener durch das Geld oder durch Ideologien, die die Welt so sehr bedrohen. Die Familie ist die Grundlage, um sich zu verteidigen!
Dem biblischen Wort über die Schöpfung haben wir in unseren kurzen Mittwochsbetrachtungen über die Familie unsere grundlegende Inspiration entnommen. Aus diesem Wort können und müssen wir wieder weitgreifend und tiefgehend schöpfen. Es ist eine große Arbeit, die auf uns wartet, aber sie ist auch sehr mitreißend. Gottes Schöpfung ist nicht nur einfach eine philosophische Prämisse: Sie ist der universale Horizont des Lebens und des Glaubens! Es gibt keinen anderen göttlichen Plan als den der Schöpfung und ihr Heil. Für das Heil des Geschöpfes – eines jeden Geschöpfes – ist Gott Mensch geworden: »für uns Menschen und zu unserem Heil«, wie es im Glaubensbekenntnis heißt. Und der auferstandene Jesus ist »der Erstgeborene der ganzen Schöpfung« (Kol 1,15).
Die geschaffene Welt ist dem Mann und der Frau anvertraut: Was zwischen ihnen geschieht, gibt allem sein Gepräge. Die Zurückweisung von Gottes Segen durch sie führt auf verhängnisvolle Weise zu einem Allmachtswahn, der alles verdirbt. Das nennen wir »Erbsünde«. Und wir alle kommen mit dem Erbe dieser Krankheit auf die Welt. Trotzdem sind wir nicht verflucht und auch nicht uns selbst überlassen. Der uralte Bericht von der ersten Liebe Gottes zum Mann und zur Frau enthielt diesbezüglich bereits Abschnitte, die mit Feuer geschrieben waren! »Feindschaft setze ich zwischen dich und die Frau, zwischen deinen Nachwuchs und ihren Nachwuchs« (Gen 3,15a). Diese Worte richtet Gott an die betrügerische, verführerische Schlange. Mit diesen Worten schenkt Gott der Frau einen Schutzwall gegen das Böse, auf den sie – wenn sie will – in jeder Generation zurückgreifen kann. Das heißt, dass die Frau Trägerin eines geheimen und besonderen Segens ist, zum Schutz ihres Kindes vor dem Bösen! Wie die Frau der Apokalypse, die flieht, um ihren Sohn vor dem Drachen zu verstecken. Und Gott schützt sie (vgl. Offb 12,6). Denkt nur, welche Tiefe sich hier auftut! Es gibt viele, manchmal sogar beleidigende Gemeinplätze über die Frau als Verführerin, die zum Bösen inspiriert. Dagegen ist Raum für eine Theologie der Frau, die auf der Höhe dieses göttlichen Segens für sie und ihre Nachkommen steht.
Der barmherzige Schutz Gottes für den Mann und die Frau wird für beide in jedem Fall nie weniger. Das dürfen wir nicht vergessen! Die symbolische Sprache der Bibel sagt uns, dass Gott dem Mann und der Frau, bevor er sie aus dem Garten Eden wegschickte, Röcke aus Fellen machte und sie damit bekleidete (vgl. Gen 3,21). Diese zärtliche Geste bedeutet, dass Gott auch in den schmerzlichen Folgen unserer Sünde nicht will, dass wir nackt und unserem Schicksal als Sünder überlassen bleiben. Diese göttliche Zärtlichkeit, dieses Sorgetragen um uns sehen wir verkörpert in Jesus von Nazaret, dem Sohn Gottes, »geboren von einer Frau« (Gal 4,4). Und der heilige Paulus sagt auch, dass »Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren« (Röm 5,8).
Christus, geboren von einer Frau. Es ist Gottes zärtliche Geste über unsere Wunden, unsere Fehler, unsere Sünden. Gott aber liebt uns, wie wir sind, und will uns mit diesem Plan voranbringen, und die Frau ist die Stärkere, die diesen Plan voranbringt. Die Verheißung Gottes für Mann und Frau am Anfang der Geschichte schließt alle Menschen ein, bis zum Ende der Geschichte. Wenn wir genügend Glauben haben, werden die Familien der Völker der Erde sich in diesem Segen wiedererkennen. Auf jeden Fall möge ein jeder, der sich von dieser Sicht berühren lässt – ganz gleich, welchem Volk, welcher Nation oder Religion er angehört –, sich mit uns auf den Weg machen. Er wird unser Bruder und unsere Schwester sein, ohne Proselytismus zu betreiben. Wir wollen gemeinsam gehen, unter diesem Segen und unter diesem Anliegen Gottes, aus uns allen Brüder und Schwestern zu machen im Leben in einer Welt, die vorangeht und die eben aus der Familie heraus entsteht, aus dem Bund von Mann und Frau. Gott segne euch, die Familien in allen Teilen der Erde! Gott segne euch alle!
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Einen herzlichen Gruß richte ich an die Pilger deutscher Sprache, besonders an die Gruppe des Hospitaldienstes der Malteser in Österreich. Beten wir, dass unsere Familien wahre Leuchttürme der Gemeinschaft und der Solidarität in der Gesellschaft sein können. Gott segne euch auf euren Wegen.
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