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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

 

Ihr aber, für wen haltet ihr mich?

 Donnerstag, 20. Februar 2014

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 10/11, 7. März 2014

 

»Ihr aber, für wen haltet ihr mich?« Die Frage, die Jesus an seine Jünger stellt, erreicht zweitausend Jahre später auch einen jeden von uns und verlangt nach einer Antwort, die gelebt wird. Einer Antwort, die man nicht wie eine Formel in Büchern findet, sondern in der Erfahrung dessen, der Jesus wahrhaftig nachfolgt, mit Unterstützung jenes »großen Arbeiters«, der der Heilige Geist ist. So sieht das Profil des Jüngers aus, das Papst Franziskus im Verlauf der Messe entwarf, die er am Donnerstag früh, 20. Februar, in der Kapelle des Hauses Santa Marta feierte.

Im Mittelpunkt der Meditation des Papstes steht Petrus, so wie ihn die Schriftlesung aus dem Markusevangelium (8,27-33) darstellt. Gerade Petrus, so erläuterte er, »war an jenem Tag mit Sicherheit der Mutigste, als Jesus die Jünger fragte: »Ihr aber, für wen haltet ihr mich?« Petrus erwiderte mit aller Entschiedenheit: »Du bist der Messias!« Und nach diesem Bekenntnis, so kommentierte der Papst, werde er sich höchstwahrscheinlich »innerlich sehr mit sich selbst zufrieden gefühlt haben: Ich habe richtig geantwortet!« Und in der Tat »hatte er richtig geantwortet«. Aber der Dialog mit Jesus ende da keineswegs. Tatsächlich »begann der Herr«, so sagte der Papst, »zu erläutern, was sich ereignen würde«. Aber »Petrus war nicht einverstanden« mit dem, was er vernommen hatte: »Dieser Weg gefiel ihm nicht«, den Jesus in Aussicht gestellt hatte, der hingegen, wie in der Bibel stehe, zu seinen Jüngern »ganz offen über dieses Thema gesprochen hat«.

Auch heute, so fuhr der Bischof von Rom fort, »vernehmen wir in unserem Inneren sehr oft« dieselbe Frage, die Jesus an die Jünger gerichtet habe. Jesus »richtet an uns die Frage: Du aber, für wen hältst du mich? Wer ist Jesus Christus für einen jeden von uns, für mich? Wer ist Jesus Christus?« Und, so merkte der Papst an, auch »wir würden sicherlich dieselbe Antwort geben wie Petrus, die Antwort, die wir im Katechismus gelernt haben: Du bist der Sohn des lebendigen Gottes, du bist der Messias, du bist der Herr!« Ganz anders habe Petrus reagiert, »als Jesus anfing, zu erläutern, was geschehen werde: ›Der Menschensohn müsse vieles erleiden und von den Ältesten, den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten verworfen werden; er werde getötet, aber nach drei Tagen werde er auferstehen.‹ « Petrus, so bekräftigte der Papst, »gefiel diese Rede mit Sicherheit nicht«. Er habe folgendermaßen argumentiert: »Du bist der Messias! Du wirst siegen, und wir gehen weiter!« Deshalb »begriff er diesen Weg« des Leidens »nicht«, den Jesus aufgezeigt hatte. Er verstand ihn so wenig, dass er, wie das Evangelium berichtet, Jesus »beiseite nahm« und »anfing, ihm Vorwürfe zu machen«. Er sei »so zufrieden gewesen, diese Antwort gegeben zu haben – ›Du bist der Messias!‹ –, dass er sich stark genug fühlte, Jesus Vorwürfe zu machen«.

Papst Franziskus verlas erneut Wort für Wort die Antwort Jesu an Petrus, wie sie im Evangelium wiedergegeben ist: »Er wandte sich um, sah seine Jünger an und wies Petrus mit den Worten zurecht: Weg mit dir, Satan, denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.« Um »diese Frage zu beantworten, die wir alle im Herzen verspüren – für wen halten wir Jesus? –, reicht nicht aus, was wir im Katechismus gelernt und studiert haben«. Sicher, es sei »wichtig, ihn zu studieren und zu kennen, aber das reicht nicht«, betonte der Heilige Vater. Um ihn nämlich wahrhaftig zu kennen, »ist es notwendig, den Weg zu beschreiten, den Petrus gegangen ist«. In der Tat »ist Petrus nach dieser Demütigung mit Jesus weitergegangen, er sah die Wunder, die Jesus vollbrachte, er sah seine Macht. Dann zahlte er die Steuern, wie ihn Jesus geheißen hatte, er fing einen Fisch und nahm ihm die Münze aus dem Maul: er sah viele Wunder dieser Art!«

Aber »Petrus hat an einem gewissen Punkt Jesus verleugnet, er hat Jesus verraten«. Genau in jenem Augenblick »hat er jene äußerst schwierige Wissenschaft der Tränen, des Weinens gelernt – mehr als eine Wissenschaft ist es eine Weisheit«. Petrus »hat den Herrn um Vergebung gebeten«. Und später, »in der Ungewissheit des Morgens an jenem Ostersonntag, da wusste Petrus nicht, was er denken sollte« über das, was ihm die Frauen über das leere Grab berichtet hatten. Und so »ging auch er zum Grab«. Im Evangelium, erinnerte der Papst, wird nicht »explizit von diesem Augenblick« berichtet, »aber es heißt, dass der Herr Petrus begegnet sei«, es heiße, dass Petrus »dem lebendigen Herrn allein begegnet sei, von Angesicht zu Angesicht«. Indem er den Bericht über den Weg fortsetzte, den Petrus ging, betonte der Papst, dass er in den darauf folgenden vierzig Tagen »viele Erklärungen darüber gehört habe, dass Jesus im Reich Gottes sei. Und möglicherweise sei er versucht gewesen, zu denken: Ja, jetzt weiß ich, wer Jesus Christus ist!« Dagegen hätten ihm »noch viele Dinge gefehlt, um zu verstehen, wer Jesus ist«. Und so sei Petrus »an jenem Morgen am Ufer des Sees Tiberias erneut befragt worden. Dreimal. Und er spürte Scham, er erinnerte sich an jenen Abend des Gründonnerstags: an die drei Male, die er Jesus verleugnet hatte«. Er erinnerte sich »an jene Tränen«. Dem Papst zufolge »weinte Petrus am Ufer des Sees Tiberias nicht bitterlich, wie am Gründonnerstag, aber er weinte«. Und im Hinblick auf diesen Satz – »Du weißt alles Herr, du weißt, dass ich dich liebe« – sagte der Papst, dass er sich »sicher« sei, dass Petrus ihn weinend ausgesprochen habe. Folglich »versteht man die Frage an Petrus – Ihr aber, für wen haltet ihr mich? – erst nach einem langen Weg, nach einem sehr weiten Weg. Einem Weg der Gnade und der Sünde«. Es sei »der Weg des Jüngers«. In der Tat »hat Jesus zu Petrus und zu seinen Jüngern nicht gesagt: Kenne mich! Er hat gesagt: Folge mir nach!« Und gerade »diese Nachfolge Jesu lässt uns Jesus erkennen. Jesus nachfolgen mit unseren Tugenden« und »auch mit unseren Sünden. Aber immer Jesus nachfolgen!«

Um Jesus zu kennen, so betonte der Heilige Vater, »ist es nicht erforderlich, Begriffe zu studieren, sondern ein Leben als Jünger zu führen«. Auf diese Weise, »indem wir mit Jesus gehen, lernen wir, wer er ist, lernen wir diese Wissenschaft über Jesus. Wir lernen Jesus als Jünger kennen«. Wir lernen ihn »bei der alltäglichen Begegnung mit dem Herrn« kennen, »jeden Tag. Durch unsere Siege und unsere Schwächen«. Und eben durch »diese Begegnungen« geschehe es, dass »wir uns ihm annähern und ihn besser kennenlernen«. Denn »bei diesen alltäglichen Begegnungen entwickeln wir das, was der heilige Paulus den Sinn für Christus nennt, die Hermeneutik, um alle Dinge beurteilen zu können«. Es handle sich dabei aber »um einen Weg, den wir nicht alleine gehen können«, so präzisierte der Papst. Und er erinnerte daran, dass bei Matthäus (16,13-28) »Jesus zu Petrus sagt: Das Bekenntnis, dass ich der Sohn Gottes, der Messias, bin, haben dir nicht Fleisch und Blut offenbart, sondern mein Vater im Himmel.« Und weiter: »Jesus wird zu seinen Jüngern sagen: Der Heilige Geist, den ich euch senden werde, wird euch alles lehren und euch verstehen lassen, was ich euch gelehrt habe.«

Folglich erkenne man Jesus »als Jünger auf dem Weg des Lebens, in seiner Nachfolge«. Das aber »reicht nicht«, so warnte der Papst, denn »Jesus zu kennen ist eine Gabe des Vaters: Er ist es, der uns Jesus kennenlernen lässt«. In Wahrheit, so präzisierte er, »ist das ein Werk des Heiligen Geistes, der ein großer Arbeiter ist: er ist kein Gewerkschaftler, er ist ein großer Arbeiter. Und er arbeitet stets in uns; und er vollbringt dieses große Werk, das Geheimnis Jesu zu erläutern und uns diesen Sinn für Christus zu verleihen.« Der Papst schloss seine Meditation, indem er erneut die Frage Jesu aufwarf: Du aber, für wen hältst du mich? »Und als Jünger«, so regte er an, »bitten wir den Vater darum, uns die Erkenntnis Christi zu schenken«, und »darum, dass uns der Heilige Geist dieses Geheimnis erkläre«.



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