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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

 

       Habt keine Angst vor der Freude

 Freitag, 24. April 2014

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 19, 9. Mai  2014

 

Es gibt viele Christen, die »Angst vor der Freude haben«. »Fledermaus«-Christen, wie sie Papst Franziskus »mit etwas Humor« nannte: sie laufen mit »Trauermienen« herum und halten sich im Schatten auf, statt sich auf »das Licht der Gegenwart des Herrn« auszurichten.

Die Leitidee der Meditation des Papstes in der Messe, die er am Donnerstag, 24. April, in der Kapelle des Gästehauses Santa Marta feierte, war der Widerspruch der Gefühle der Apostel nach der Auferstehung des Herrn: einerseits die Freude, zu wissen, dass er auferstanden war, und andererseits die Furcht, ihn erneut mitten unter ihnen zu sehen und ganz real mit dem Mysterium in Berührung zu kommen. Ausgehend vom Lukasevangelium (24,35-48) erinnerte der Papst daran, dass »die Jünger am Abend der Auferstehung über das berichteten, was sie gesehen hatten«: Die beiden Emmausjünger hätten über ihre unterwegs erfolgte Begegnung mit Jesus gesprochen, und auch Petrus habe von seiner Begegnung berichtet. Kurz, »alle waren glücklich und zufrieden, weil der Herr auferstanden war: Sie waren sich sicher, dass der Herr auferstanden war.« Aber genau in dem Augenblick, »als sie darüber sprachen«, so berichte das Evangelium, »trat Jesus selbst in ihre Mitte« und begrüßte sie mit den Worten: »Friede sei mit euch!« In jenem Augenblick, so bemerkte der Papst, sei genau das Gegenteil davon geschehen, was man sich erwartet hätte: alles andere als Frieden.

In der Tat beschreibe das Evangelium, dass die Apostel »bestürzt und voller Angst« gewesen seien. Sie »wussten nicht, was sie tun sollten und glaubten, sie sähen einen Geist«. Daher, so fuhr der Papst fort, »bestand das ganze Problem Jesu darin, ihnen zu sagen: Aber seht doch, ich bin kein Geist, fasst mich an, seht meine Wundmale an!«

»An dieser Stelle des Evangeliums steht ein Wort«, so erläuterte der Papst, »das uns bestens erklärt, was in jenem Augenblick geschehen war.« In der Bibel stehe: »Sie konnten es aber vor Freude immer noch nicht glauben…« Das sei der entscheidende Punkt: Die Jünger »konnten es nicht glauben, weil sie Angst hatten, sich zu freuen«. In der Tat habe sie Jesus »zur Freude geführt: zur Freude der Auferstehung, der Freude seiner Gegenwart mitten unter ihnen«. Aber gerade diese Freude sei für sie »ein Problem für den Glauben geworden: Vor lauter Freude konnten sie es nicht glauben und waren von Staunen erfüllt.«

Kurz, die Jünger »hätten es vorgezogen, zu denken, dass Jesus eine Idee, ein Geist sei statt Wirklichkeit«. Und »die ganze Aufgabe Jesu bestand darin, ihnen verständlich zu machen, dass er wirklich und wahrhaftig vor ihnen stand: ›Gebt mir etwas zu essen, fasst mich an, ich bin es selbst! Kein Geist hat Fleisch und Knochen, ich bin es!« Überdies, so fügte der Papst hinzu, »müssen wir bedenken, dass dies geschah, nachdem einige von ihnen ihn im Lauf des Tages bereits gesehen hatten: Sie waren sicher, dass er am Leben war. Wie das aber geschehen war, weiß keiner…«

Der Papst erläuterte, dass diese Stelle des Evangeliums darauf hindeute, dass »die Angst vor der Freude eine Krankheit der Christen ist«. Auch wir »haben Angst vor der Freude« und reden uns selbst ein, dass »es besser ist, zu denken: Ja, es gibt Gott, aber er ist dort, Jesus ist auferstanden, er ist dort!« Als wolle man sagen: Halten wir »ein bisschen Abstand«. Und so »haben wir Angst vor der Nähe Jesu, weil uns das Freude schenkt«. Diese Einstellung sei auch die Erklärung dafür, dass es »viele Christen mit Trauermiene« gebe, deren »Leben eine fortdauernde Beerdigung« zu sein scheine. Christen, die »die Traurigkeit, und nicht die Freude, bevorzugen; die sich besser im Schatten statt im Licht der Freude fortbewegen«. Gerade »so wie jene Tiere«, so präzisierte der Papst, »die nur bei Nacht herauskommen können, die bei Tageslicht aber nichts sehen können. Wie die Fledermäuse! Und mit etwas Humor können wir sagen, dass es ›Fledermaus-Christen‹ gibt, die den Schatten dem Licht der Gegenwart des Herrn vorziehen.«

»Wir fürchten uns vor der Freude«, so fuhr der Papst fort, »und Jesus schenkt uns die Freude durch seine Auferstehung: Die Freude, Christ zu sein; die Freude, ihm ganz aus der Nähe nachzufolgen; die Freude, den Weg der Seligpreisungen zu gehen; die Freude, bei ihm zu sein.« Wir hingegen »sind sehr oft entweder bestürzt, wenn wir diese Freude verspüren, oder aber wir sind angsterfüllt; entweder meinen wir, einen Geist zu sehen, oder wir denken, dass Jesus eine Verhaltensweise sei«. Deshalb redeten wir uns ein: »Aber wir sind Christen und müssen uns so verhalten!« Und es sei unwichtig, ob Jesus da sei.

Man müsse sich vielmehr fragen: »Aber sprichst du denn mit Jesus? Sagst du ihm: Jesus, ich glaube, dass du lebst, dass du auferstanden bist, dass du mir nahe bist, dass du mich nicht im Stich lässt?« Das sei der »Dialog mit Jesus«, der dem christlichen Leben zu eigen sei, beseelt vom Bewusstsein, dass »Jesus immer bei uns ist, dass er immer gegenwärtig ist in unseren Problemen, unseren Schwierigkeiten und bei unseren guten Werken«.

Aus diesem Grund, so betonte der Papst, müsse man »die Angst vor der Freude« überwinden und daran denken, wie oft »wir nicht froh sind, weil wir Angst haben«. Wie die Jünger, so erläuterte der Papst, die »besiegt worden waren« durch das Geheimnis des Kreuzes. Daher komme ihre Angst. »In meiner Heimat«, so fügte er hinzu, »gibt es eine Redensart, die folgendermaßen lautet: Wenn jemand sich mit heißer Milch verbrüht, dann bricht er künftig in Tränen aus, wenn er eine Kuh sieht.« Und so hätten die Jünger, »die sich an der Tragödie des Kreuzes verbrannt hätten, gesagt: Nein, lassen wir es dabei! Er ist im Himmel, das ist gut so. Er ist auferstanden, aber er soll nicht noch einmal kommen, weil wir das nicht schaffen!«

Papst Franziskus beendete seine Meditation mit der Bitte an den Herrn, dass er »mit uns allen das tue, was er mit den Jüngern getan hat, die Angst davor hatten, sich zu freuen: dass er unsere Augen öffne«. In der Tat stehe im Evangelium: »Darauf öffnete er ihnen die Augen für das Verständnis der Schrift.« So wünschte der Papst, dass »der Herr unseren Sinn öffnen und uns verstehen lassen möge, dass er eine lebendige Wirklichkeit ist, dass er einen Leib hat, dass er bei uns ist und dass er uns begleitet, dass er gesiegt hat: Bitten wir den Herrn um die Gnade, keine Angst vor der Freude zu haben!«



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