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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

  

Wenn Gott zu Besuch kommt

 Dienstag, 16. September 2014

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 40, 3. Oktober  2014

 

Durch sein Zeugnis soll der Christ den anderen Menschen gegenüber dasselbe Verhalten zeigen wie Gott, der sein Volk besucht: Nähe, Mitleid, die Fähigkeit, wieder neu Hoffnung zu schenken. Das bekräftigte Papst Franziskus im Lauf der Frühmesse, die er am 16. September, in der Kapelle des Hauses Santa Marta feierte.

»Gott hat sich seines Volkes angenommen, er hat sein Volk besucht« sei eine Formulierung, »die in der Heiligen Schrift immer wieder vorkommt«, so merkte der Papst eingangs an und verwies auf die Begebenheit von der Auferweckung des Sohnes der Witwe aus Naïn, von der im Lukasevangelium (7,11-17) berichtet wird. Es seien Worte, die, wie er präzisierte, »einen besonderen Sinn« hätten, der ein ganz anderer sei als der von Formulierungen wie: »Gott sprach zu seinem Volk« oder »Gott gab seinem Volk die Gebote « oder auch »Gott sandte seinem Volk einen Propheten«.

In der Aussage »Gott hat sein Volk besucht«, so bekräftigte er, »ist noch etwas Zusätzliches enthalten, etwas Neues«. In der Heiligen Schrift finde man sie beispielsweise im Kontext der Geschichte der Noomi, von der es heiße: »Gott nahm sich ihrer in ihrem Alter an und ließ sie Großmutter werden.« Und dasselbe, so fügte er hinzu, »heißt es von Elisabet, Marias Cousine: Gott hat sich ihrer angenommen und ließ sie Mutter werden«.

Wenn also »Gott sein Volk besucht, dann heißt das, dass seine Gegenwart dort besonders nahe ist«. Und, so betonte Franziskus unter Verweis auf die Geschichte des Jünglings von Naïn: »In diesem Abschnitt des Evangeliums, wo von der Auferweckung dieses jungen Mannes berichtet wird, des Sohnes der verwitweten Mutter, da sagt das Volk dieses Wort: ›Gott hat sich seines Volkes angenommen‹, er hat sein Volk besucht.« Warum wird gerade diese Formulierung gebraucht? Nur deshalb, weil Jesus – so fragte sich der Papst – »ein Wunder getan hat?« In Wirklichkeit sei da »noch mehr«. In der Tat laute die eigentliche Frage, ob man verstehe, »wie Gott besucht«.

Der Bischof von Rom betonte, dass Gott »vor allem durch seine Gegenwart, durch seine Nähe« besuche. Im Tagesevangelium »heißt es, dass Jesus in eine Stadt namens Naïn ging und dass seine Jünger und eine große Menschenmenge ihm folgten«. Kurz, »er war den Menschen nahe: ein naher Gott, der die Herzen der Menschen zu verstehen weiß, das Herz seines Volkes«. Dann, so berichte Lukas, »sieht er diesen Leichenzug und nähert sich ihm«. Also »besucht Gott sein Volk«, er begibt sich »mitten unter sein Volk, er nähert sich ihm«. Die »Nähe ist die Art und Weise Gottes«.

Überdies, bemerkte der Papst weiter, »gibt es eine Formulierung, die sich in der Bibel oft wiederholt: ›Der Herr hatte großes Mitleid.‹« Und es sei genau »dasselbe Mitleid, das er, wie das Evangelium sagt, empfand, als er viele Menschen sah, die wie Schafe ohne ihren Hirten waren«. Es sei also eine Tatsache: »Wenn Gott sein Volk besucht, ist er ihm nahe, er nähert sich ihm und verspürt Mitleid: er ist ergriffen«. Er »ist im Innersten erschüttert, wie er es vor dem Grab des Lazarus war«. Und so ergriffen wie der Vater, der im Gleichnis den verlorenen Sohn heimkehren sieht.

»Nähe und Mitleid: so besucht der Herr sein Volk«, unterstrich Franziskus. Und »wenn wir das Evangelium verkünden wollen, das Wort Jesu weitergeben wollen, dann ist das der Weg«. »Der andere Weg« hingegen »ist jener der Lehrmeister, der Prediger jener Zeit: der Gesetzeslehrer, der Schriftgelehrten, der Pharisäer«. Gestalten, »die fern waren vom Volk«, die »gut zu sprechen verstanden, die gut die Gesetze lehrten«. Und doch seien sie »fern« gewesen. »Das war kein Besuch des Herrn: das war etwas anderes.« Daher habe »das Volk dies nicht als Gnade empfunden, da die Nähe gefehlt« habe, »da das Mitleid und also das Mitleiden mit dem Volk« gefehlt habe.

Der »Nähe« und dem »Mitleid« fügte der Papst noch »ein weiteres Wort hinzu, das angemessen ist, wenn der Herr sein Volk besucht«. Lukas schreibe: »Da richtete sich der Tote auf und begann zu sprechen, und er – Jesus – gab ihn seiner Mutter zurück.« Wenn also »Gott sein Volk besucht, dann gibt er dem Volk die Hoffnung zurück. Immer!« Dazu merkte Franziskus an, dass »man das Wort Gottes auf brillante Weise predigen kann«, und »es hat im Lauf der Geschichte viele gute Prediger gegeben: aber wenn es diesen Predigern nicht gelungen ist, Hoffnung zu säen, dann ist ihre Predigt zu nichts nutze. Sie ist bloße Eitelkeit. «

Gerade das Bild aus dem Lukasevangelium könne bis auf den Grund verständlich machen, »was ein Besuch Gottes bei seinem Volk bedeutet «. Wir verständen dies, »wenn wir Jesus inmitten dieser großen Menschenmenge anschauen, wenn wir Jesus sehen, wie er sich diesem Leichenzug nähert, der weinenden Mutter, und wie er zu ihr sagt: ›Weine nicht!‹ Vielleicht hat er sie liebkost. Wenn wir Jesus ansehen, der der Mutter ihren Sohn lebendig zurückgegeben hat.«

Abschließend rief der Papst dazu auf, »um die Gnade zu bitten, dass unser Zeugnis als Christen der Besuch Gottes bei seinem Volk sein möge, und damit Nähe, die Hoffnung sät«.

 



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