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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

 

Vom Staunen zur Macht

Montag, 20. April 2015

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 18, 1. Mai 2015

 

Der Christ soll sich vor der »Versuchung« in Acht nehmen, vom »frommen Staunen über die Begegnung mit dem Herrn« in den Fehler zu verfallen, berechnend zu werden und nur den eigenen Vorteil zu suchen, mit dem Ziel, Macht zu erlangen. Denn auf diese Weise würde er dem Geist der Weltlichkeit erliegen. So lautete die Empfehlung, die Papst Franziskus bei der Messe aussprach, die er am Montag, 20. April, in der Kapelle des Hauses Santa Marta feierte. Seine Predigt ging von den Schriftlesungen zum Tage aus. Der Schwerpunkt lag auf dem Evangelientext aus dem Johannesevangelium (6,22-29), das davon berichtet, wie die Menschenmenge Jesus im Anschluss an die Vermehrung der Brote und Fische aus materiellen Interessen nachlief.

Das Evangelium, so der Papst, »sagt, dass Jesus nach dem Fasten und nach den Versuchungen in der Wüste von der Kraft des Geistes erfüllt war und zu predigen begann«. So »begab er sich nach Nazaret, wo er aufgewachsen war«. Und »dort kündete er seine Sendung mit jenem Zitat aus dem Propheten Jesaja an: ›Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.‹«

Eben dies, so bekräftigte Franziskus, »war sein Programm, das war sein Auftrag«. Jesus schließe seine Rede mit den Worten: »Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.« Er beginne seinen Auftrag also mit dieser Ankündigung. Darauf »beginnt er, Wunder, Zeichen und Heilungen zu vollbringen: jene Wunderheilungen also, denen die Menschen beiwohnten « und deshalb »an ihn glaubten und Kranke herbeibrachten«. Aber »Jesus tat es deshalb, weil das sein Auftrag war«. Darauf sei dann »ein weiterer Schritt« gefolgt, »die Predigttätigkeit Jesu: er lehrte das Volk mit Hilfe der Seligpreisungen, mit unzähligen Gleichnissen«. Der Papst machte darauf aufmerksam, dass wir also »drei Schritte verfolgen können: die Ankündigung seines Sendungsauftrags; sein Werk, den Menschen Gesundung, Gutes und Heilung zu bringen; sowie die Predigttätigkeit«. Und »das Volk folgte ihm und sagte: ›Noch nie hat ein Mensch so gesprochen.‹ « Sie hätten praktisch zugegeben, dass er gesprochen habe »wie einer, der Autorität hat, jene Kraft des Geistes, die Jesus hatte«. Das Evangelium, so fuhr Franziskus fort, zeige uns außerdem, dass »die Menschenmenge eines Tages Jesus folgt und den ganzen Tag lang bleibt, um seine Lehren zu hören«. Er aber »bemerkte, dass sie Hunger hatten, und wir alle wissen, wie diese Geschichte endete: Es waren nur fünf Brote da, und Jesus mehrte die Brote, und das Volk verwunderte sich«. Also »brachten die Wunder Jesu ebenso wie seine Worte die Menschen zum Staunen«, was so weit gegangen sei, dass sie gesagt hätten: »Das ist wirklich der Prophet, der in die Welt kommen soll.«

Aber, so reflektierte der Papst, genau dieselben Menschen »beginnen, nachdem sie gespeist worden waren, andere Gefühle zu hegen«. Und zwar hätten sie zueinander gesagt: »Lasst uns diesen Mann ausnutzen, nützen wir ihn gut aus, lasst ihn uns zum König machen!« In der Tat »gingen sie vom frommen Staunen dazu über, nach Macht zu gieren«. Aber »Jesus zieht sich allein auf den Berg zurück«, so erinnerte der Papst unter ausdrücklichem Verweis auf das Tagesevangelium. Also »suchen diese Menschen am folgenden Tag nach ihm und können ihn nicht finden, aber sie kalkulieren«. Und sie hätten gesagt: »Er ist nicht ins Boot gestiegen, aber hier liegt ein einziges Boot vor Anker, wir verstehen das nicht.« Schließlich »finden sie ihn am anderen Ufer des Sees«.

Und als Jesus all diese Menschen herbeieilen gesehen habe, »habe er sie voller Güte empfangen «. Sie hätten gefragt: »Rabbi, wann bist du hierher gekommen?« Und er habe ihnen mit »derselben Güte geantwortet: ›Amen, amen, ich sage euch: Ihr sucht mich nicht, weil ihr Zeichen gesehen habt, sondern weil ihr von den Broten gegessen habt und satt geworden seid.‹« Im Grunde habe er zu ihnen gesagt: »Ihr lauft mir aus materiellen Gründen nach.« Und damit »korrigiert er dieses Verhalten«. Eine Verhaltensweise, die sich »in den Evangelien« aber wiederhole, so bemerkte Franziskus. »Viele folgen Jesus ihres eigenen Vorteils wegen nach«, selbst »einige unter den Aposteln«, wie etwa »die Söhne des Zebedäus, von denen der eine ›Premierminister‹ und der andere ›Wirtschaftsminister‹ werden wollte: sie wollten Macht haben.«

Folglich, so warnte der Papst, »verdunkelt sich diese Salbung, den Armen die Frohe Botschaft zu bringen, den Gefangenen die Entlassung zu verkünden, den Blinden das Augenlicht, den Zerschlagenen die Freiheit zu bringen und ein Gnadenjahr des Herrn auszurufen, sie kommt auf Abwege und verwandelt sich in etwas, das zu einer Frage der Macht wird«. Und auch »am Tag der Himmelfahrt geschieht dasselbe«, als die Apostel ihn fragten: »Herr, stellst du in dieser Zeit das Reich für Israel wieder her?« Kurz, so erläuterte der Papst, »es hat schon immer diese Versuchung gegeben, von diesem frommen Staunen – das ist das richtige Wort dafür – das Jesus uns durch seine Begegnung mit uns schenkt, dazu überzugehen, davon profitieren zu wollen«.

Im Übrigen »war auch genau das der Vorschlag, den der Teufel Jesus bei den Versuchungen machte: ein Vorschlag habe das Brot selbst betroffen; der andere das Spektakel«. Und zwar: »Lass uns den Leuten eine schönes Spektakel bieten, so dass sie an dich glauben!« Und schließlich noch die dritte Versuchung, »die Apostasie [den Abfall vom Glauben]: also die Anbetung von Götzen «. Und »das ist eine Versuchung, der die Christen, wir, wir alle, die wir Kirche sind, Tag für Tag ausgesetzt sind: die Versuchung nicht etwa der Macht, der Macht des Geistes, sondern die Versuchung der weltlichen Macht«. So »verfällt man in diese religiöse Lauheit, die dich dazu bringt, weltlich zu werden, jene Lauheit, die endet, wenn sie soweit angewachsen ist, dass sie sich in jene Haltung verwandelt, die Jesus als Heuchelei bezeichnet«. Deshalb habe er auch zu seinen Jüngern gesagt: »Hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer, der Schriftgelehrten!« Also »Sauerteig, Brot: Hütet euch davor, das heißt vor der Heuchelei«.

In der Tat ende man damit, nur noch dem Namen nach »Christ zu sein, als äußerlich angenommene Haltung, während das Herz am eigenen Interesse hängt«. In diesem Kontext wiederholte Franziskus die Worte, die Jesus an die Menge gerichtet hatte, die ihm folgte und die Johannes in seinem Evangelium überliefert: »Amen, amen, ich sage euch: Ihr sucht mich nicht, weil ihr Zeichen gesehen habt, sondern weil ihr von den Broten gegessen habt und satt geworden seid.« Genau das »ist die Versuchung, der wir Tag für Tag ausgesetzt sind: Zur Weltlichkeit hin abzudriften, zur Macht, wodurch der Glaube und der Sendungsauftrag geschwächt werden. So wird die Kirche geschwächt.«

Der Herr aber, so versicherte der Papst, »weckt uns mit dem Zeugnis der Heiligen, mit dem Zeugnis der Märtyrer, die uns jeden Tag verkünden, dass auf dem Weg Jesu zu gehen heißt, auf dem Weg seines Sendungsauftrags zu gehen: ein Gnadenjahr des Herrn auszurufen«. Das Evangelium sage uns auch, dass »das Volk den Tadel Jesu versteht« und ihn deshalb frage: »Was müssen wir tun, um die Werke Gottes zu vollbringen? « Jesus antworte ihnen: »Das ist das Werk Gottes, dass ihr an den glaubt, den er gesandt hat.« Also »der Glaube an ihn, an ihn allein; das in ihn, und nicht an die anderen Dinge, die uns schließlich weit von ihm entfernen«.

Bevor er die Messfeier »in seiner Gegenwart auf dem Altar« fortsetzte, bat Franziskus den Herrn im Gebet darum, »dass er uns diese Gnade des Staunens über diese Begegnung gewähre, und dass er uns auch dabei helfe, nicht in den Geist der Weltlichkeit zu verfallen, also jenen Geist, der uns hinter der Fassade des Christentums dazu bringen wird, wie Heiden zu leben«.



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