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APOSTOLISCHE REISE VON PAPST FRANZISKUS
ZUR ABSCHLUSSMESSE DES
52. EUCHARISTISCHEN WELTKONGRESSES IN BUDAPEST UND IN DIE SLOWAKEI
(12.-15. SEPTEMBER 2021)

GÖTTLICHE LITURGIE DES HEILIGEN JOHANNES CHRYSOSTOMOS
IM BYZANTINISCHEN RITUS UNTER VORSITZ VON PAPST FRANZISKUS

  "Mestská športová hala"-Platz (Presov)
Dienstag, 14. September 2021

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»Wir verkünden Christus als den Gekreuzigten: [...], Gottes Kraft und Gottes Weisheit«, erklärt der heilige Paulus. Andererseits verschweigt der Apostel nicht, dass das Kreuz in den Augen der menschlichen Weisheit etwas ganz Anderes darstellt: Es ist ein „Ärgernis“ und eine „Torheit“ (1 Kor 1,23-24). Das Kreuz war ein Werkzeug des Todes, und doch ist von dort das Leben gekommen. Es war etwas, was niemand anschauen wollte, und doch hat es uns die Schönheit der Liebe Gottes geoffenbart. Deshalb verehrt es das heilige Volk Gottes und die Liturgie feiert es am heutigen Festtag. Das Johannesevangelium nimmt uns an die Hand und hilft uns, in dieses Geheimnis einzudringen. Der Evangelist stand in der Tat genau dort, unter dem Kreuz. Er betrachtet den bereits gestorbenen Jesus, der am Holz hängt, und schreibt: »Der es gesehen hat, hat es bezeugt« (Joh 19,35). Johannes sieht und bezeugt.

Da ist zunächst einmal das Sehen. Aber was hat Johannes unter dem Kreuz gesehen? Gewiss das, was andere sahen: Jesus stirbt, unschuldig und gut, einen grausamen Tod zwischen zwei Übeltätern. Eine der vielen Ungerechtigkeiten, eines der vielen blutigen Opfer, die die Geschichte nicht verändern, der x-te Beweis dafür, dass sich der Lauf der Dinge in der Welt nicht ändert: Die Guten werden aus dem Weg geräumt und die Bösen gewinnen und gedeihen. In den Augen der Welt ist das Kreuz ein Scheitern. Und auch wir stehen in der Gefahr, bei diesem ersten, oberflächlichen Blick stehen zu bleiben, die Logik des Kreuzes nicht anzunehmen; nicht anzunehmen, dass Gott uns rettet, indem er zulässt, dass das Böse der Welt sich gegen ihn entfesselt; wir laufen Gefahr, den schwachen und gekreuzigten Gott außer mit Worten nicht zu akzeptieren und von einem starken und triumphierenden Gott zu träumen. Das ist eine große Versuchung. Wie oft streben wir nach einem Christentum der Sieger, nach einem triumphalen Christentum, das Bedeutung und Wichtigkeit besitzt, dem Ruhm und Ehre zuteilwird. Aber ein Christentum ohne Kreuz ist weltlich und wird unfruchtbar.

Johannes hingegen hat im Kreuz das Werk Gottes gesehen. Er hat in dem gekreuzigten Christus die Herrlichkeit Gottes erkannt. Er hat gesehen, dass er trotz des äußeren Anscheins kein Verlierer ist, sondern ein Gott, der sich freiwillig für jeden Menschen opfert. Warum hat er das getan? Er hätte sein Leben schonen können, er hätte sich von unserer überaus erbärmlichen und grausamen Geschichte fernhalten können. Stattdessen wollte er in sie hineingehen, in sie eintauchen. Deshalb hat er den schwierigsten Weg gewählt: das Kreuz. Denn es darf keinen Menschen auf der Erde geben, der so verzweifelt ist, dass er ihm nicht begegnen kann, selbst dort, in der Angst, in der Dunkelheit, in der Verlassenheit, im Ärgernis des eigenen Elends und der eigenen Fehler. Genau dort, wo du denkst, dass Gott nicht sein kann, ist Gott angelangt. Um jeden, der verzweifelt ist, zu retten, wollte er die Verzweiflung berühren, um unsere bitterste Verzagtheit zu seiner eigenen zu machen, schrie er am Kreuz: »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?« (Mt 27,46; Ps 22,1). Ein Schrei, der rettet. Er rettet, weil Gott sich selbst unsere Verlassenheit zu eigen gemacht hat. Und wir sind jetzt, zusammen mit ihm, nicht mehr allein, niemals.

Wie können wir lernen, die Herrlichkeit im Kreuz zu sehen? Einige Heilige haben gelehrt, dass das Kreuz wie ein Buch ist, das man aufschlagen und lesen muss, um es zu verstehen. Es reicht nicht aus, ein Buch zu kaufen, einen Blick hineinzuwerfen und es zu Hause schön auszustellen. Dasselbe gilt für das Kreuz: Es steht in jeder Ecke unserer Kirchen, gemalt oder geschnitzt. Wir finden unzählige Kruzifixe: um den Hals, im Haus, im Auto, in der Tasche. Aber es nützt nichts, wenn wir nicht innehalten, um das Kreuz zu betrachten und unser Herz dafür zu öffnen, wenn wir uns nicht von seinen für uns offenen Wunden ins Staunen versetzen lassen, wenn unser Herz nicht vor Rührung anschwillt und wir nicht vor dem Gott weinen, der in Liebe zu uns verwundet ist. Wenn wir dies nicht tun, bleibt das Kreuz ein ungelesenes Buch, dessen Titel und Autor wir zwar genau kennen, das aber keinen Einfluss auf unser Leben hat. Wir dürfen das Kreuz nicht auf einen Andachtsgegenstand reduzieren, geschweige denn auf ein politisches Symbol oder ein Zeichen von religiöser und sozialer Bedeutung.

Aus der Betrachtung des Gekreuzigten folgt der zweite Schritt: Zeugnis geben. Wenn wir unseren Blick in Jesus hineinversenken, beginnt sich sein Antlitz in dem unseren zu spiegeln: Seine Züge werden die unseren, die Liebe Christi erobert und verwandelt uns. Ich denke an die Märtyrer, die in diesem Land die Liebe Christi in sehr schwierigen Zeiten bezeugt haben, als alles es als ratsam erschienen ließ, zu schweigen, in Deckung zu gehen, den Glauben nicht zu bekennen. Aber sie konnten nicht umhin, Zeugnis abzulegen. Wie viele großherzige Menschen haben hier in der Slowakei um des Namens Jesu willen gelitten und sind gestorben! Ein Zeugnis, das sie aus Liebe zu demjenigen erbracht haben, den sie über lange Zeit betrachtet hatten. So sehr, dass sie ihm sogar im Tod ähnlich wurden.

Aber ich denke auch an unsere Zeit, in der es nicht an Gelegenheiten mangelt, Zeugnis abzulegen. Hier gibt es, Gott sei Dank, keine Christenverfolgung wie in allzu vielen anderen Teilen der Welt. Aber das Zeugnis kann durch Weltlichkeit und Mittelmäßigkeit getrübt werden. Das Kreuz hingegen verlangt ein klares Zeugnis. Denn das Kreuz ist nicht als Fahne gedacht, die es zu hissen gilt, sondern als reine Quelle für eine neue Lebensweise. Welche? Die des Evangeliums, die der Seligpreisungen. Der Zeuge, der das Kreuz im Herzen und nicht nur um den Hals trägt, sieht niemanden als Feind an, sondern alle als Brüder und Schwestern, für die Jesus sein Leben gegeben hat. Der Zeuge des Kreuzes erinnert sich nicht an vergangenes Unrecht und beklagt sich nicht über die Gegenwart. Der Zeuge des Kreuzes bedient sich nicht der Mittel der Täuschung und der weltlichen Macht: Er will nicht sich selbst und die Seinen durchsetzen, sondern sein Leben für andere hingeben. Er sucht nicht seinen eigenen Vorteil, um sich dann als fromm darzustellen: Das wäre eine Religion der Falschheit, nicht das Zeugnis des gekreuzigten Gottes. Der Zeuge des Kreuzes verfolgt nur eine Strategie, nämlich die des Meisters: die demütige Liebe. Er erwartet keine Triumphe hier unten, denn er weiß, dass die Liebe Christi im täglichen Leben fruchtbar ist und alles von innen heraus neu macht, wie ein in die Erde gefallenes Samenkorn, das stirbt und Frucht bringt.

Liebe Brüder und Schwestern, ihr habt Zeugen gesehen. Bewahrt euch die Erinnerung an Personen, die euch im Glauben gestillt und großgezogen haben. Demütige und einfache Menschen, die ihr Leben hingegeben haben und bis zum Ende liebten. Das sind unsere Helden, die Helden des Alltags, und es ist ihr Leben, das die Geschichte verändert. Zeugen bringen andere Zeugen hervor, denn sie sind Lebensspender. So breitet sich der Glaube aus: nicht mit der Macht der Welt, sondern mit der Weisheit des Kreuzes; nicht durch Strukturen, sondern durch Zeugnis. Und heute fragt der Herr aus der tönenden Stille des Kreuzes heraus uns alle, er fragt auch dich und mich: „Willst du mein Zeuge sein?“.

Auf dem Kalvarienberg stand mit Johannes die heilige Gottesmutter. Niemand hat so wie das Buch des Kreuzes geöffnet gesehen und es in demütiger Liebe bezeugt. Durch ihre Fürsprache bitten wir um die Gnade, mit dem Blick des Herzens zum Gekreuzigten umzukehren. Dann wird unser Glaube in Vollgestalt erblühen können, dann werden die Früchte unseres Zeugnisses zur Reife gelangen.



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