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APOSTOLISCHE REISE VON PAPST FRANZISKUS
NACH KUBA, IN DIE VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA
UND BESUCH DER VEREINTEN NATIONEN

(19.-28. SEPTEMBER 2015)

PRESSEKONFERENZ MIT DEM HEILIGEN VATER
AUF DEM RÜCKFLUG AUS DEN VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA

 
Sonntag, 27. September 2015

[Multimedia]


 

(Pater Lombardi)

Heiliger Vater, willkommen in unserer Mitte. Danke, dass Sie sich noch die Zeit nehmen nach einer so anspruchsvollen und anstrengenden Reise. So beginnen wir sofort mit unseren Fragen an Sie. Die erste Person, die ein Frage an Sie richtet, ist diese junge Frau hier, die die Ausgabe der Times über Sie geschrieben hat, also bestens auf die Amerika-Reise vorbereitet war. Sie stellt eine Frage auf Englisch, und Matteo übersetzt sie ins Italienische, sodass Sie sie gut verstehen können.

(Papst Franziskus)

 Allen einen guten Abend und vielen Dank für die Arbeit. Denn Sie mussten von einem Ort zum anderen hetzen. Ich war im Auto, aber Sie…Vielen Dank!

(Elisabetta Dias, Korrespondentin vom „Time Magazine“)

Vielen Dank, Heiliger Vater. Ich bin Elisabetta Dias, Korrespondentin vom Time Magazine. Dies war Ihre erste Reise in die USA. Wir sind neugierig zu wissen: Was hat Sie an den Vereinigten Staaten überrascht, und was war anders, als Sie es erwartet hatten?

(Papst Franziskus)

Ja, es war der erste Besuch; ich war noch nie hier. Mich hat „the warmth“, die Wärme der so liebenswürdigen Menschen überrascht – etwas Schönes, das auch unterschiedlich war: In Washington ein herzlicher Empfang, aber etwas formeller, in New York ein bisschen überbordend und in Philadelphia sehr aussagekräftig. Drei verschiedene Weisen, dieselbe Aufnahme zu bekunden. Ich bin sehr beeindruckt von der Güte, von der Aufnahme und – in den Liturgien – auch von der Frömmigkeit, der Religiosität. Man sah die Leute beten, und das hat mich sehr, sehr beeindruckt. Das ist schön.

(Elisabetta Dias)

Sind Sie auf eine Herausforderung von Seiten der Vereinigten Staaten gestoßen, die Sie nicht erwartet hatten? Irgendeine Provokation?

(Papst Franziskus)

Nein. Gott sei Dank nicht, nein, nein. Alles ging gut. Keine Provokation. No challenge, no provocation. Nein, nein. Alle wohlerzogen… Keine Beleidigung, nichts Hässliches. Nein… Aber wir müssen weiter mit diesem gläubigen Volk arbeiten, wie sie bis jetzt gearbeitet haben, indem wir das Volk in seinem Wachsen, in allem Schönen und in seinen Schwierigkeiten begleiten; das Volk in der Freude und in den widrigen Momenten der Schwierigkeiten begleiten, wenn es keine Arbeit gibt, wenn Krankheit herrscht… Die Herausforderung der Kirche besteht heute darin, so zu sein, wie sie es immer war: nahe bei den Leuten, beim Volk der Vereinigten Staaten, Nähe zeigen. Nicht eine vom Volk abgehobene Kirche, nein. Nahe, nahe. Und das ist eine Herausforderung, die die Kirche der Vereinigten Staaten gut begriffen hat! Sie hat es verstanden und ist gewillt, danach zu handeln.

(Pater Lombardi)

Die zweite Frage stellt David O’Reilly vom Philadelphia Inquirer, einer der großen Zeitungen von Philadelphia, wo wir in diesen Tagen waren.

(David O’Reilly)

Heiliger Vater, Philadelphia hat, wie Sie wissen, eine üble Zeit durchgemacht mit den Missbrauchsfällen. In Philadelphia ist das noch eine offene Wunde. Ich weiß, dass viele Menschen in Philadelphia überrascht waren, denn in Ihrer Ansprache an die Bischöfe in Washington haben Sie ihnen Trost und Stärkung zugesprochen. Ich glaube, dass viele in Philadelphia Sie fragen möchten: „Warum haben Sie es für nötig gehalten, den Bischöfen Trost und Stärkung zuzusprechen?“

(Papst Franziskus)

In Washington habe ich zu allen Bischöfen der Vereinigten Staaten gesprochen: Alle waren da, aus dem ganzen Land. Ich hatte das Bedürfnis, Mitgefühl auszudrücken, denn es ist etwas ganz Abscheuliches geschehen, und viele von ihnen haben gelitten, denn sie hatten nichts davon gewusst, und als die Sache aufgeflogen ist, haben sie sehr gelitten: Männer der Kirche, Männer des Gebets, wahre Hirten… Ich habe gesagt, dass mir bewusst war, dass sie – und ich habe ein Wort aus der Bibel, aus der Geheimen Offenbarung, gebraucht – „aus der großen Bedrängnis“ kamen: Das, was geschehen ist, war wirklich eine große Bedrängnis. Aber nicht allein das gefühlsmäßige Leiden. Es ist das, was ich heute zu der Gruppe von Personen gesagt habe, die missbraucht worden sind: Es war eine… ich will nicht sagen „Apostasie“, aber geradezu ein Sakrileg. Fälle von Missbrauch gibt es, wie wir wissen, überall: im Bereich der Familie, der Nachbarschaft, in den Schulen, den Fitnesszentren, überall. Wenn aber ein Priester einen Missbrauch verübt, ist das äußerst schwerwiegend, denn die Berufung des Priesters ist, jenen Knaben oder jenes Mädchen auf hohe Ziele hin wachsen zu lassen, zur Gottesliebe, zu einem reifen Gefühlsleben, zum Guten. Und statt das zu tun, hat er sie erdrückt, hat das Böse sie erdrückt. Und darum ist das fast ein Sakrileg. Und er hat seine Berufung verraten, den Ruf des Herrn hintergangen. Darum reagiert die Kirche in dieser Sache jetzt so heftig. Und es darf nichts zugedeckt werden; auch die, welche solche Dinge zugedeckt haben, sind schuldig; auch einige Bischöfe, die das überdeckt haben. Es ist etwas ganz Abscheuliches. Und die Worte des Trostes waren nicht, als wenn man sagt: „Sei nur ruhig, es ist nichts!“ Nein, nein. Sie besagten: „Es war so abscheulich, und ich stelle mir vor, dass ihr sehr geweint habt.“ In diesem Sinn waren die Worte gemeint. Und heute habe ich ganz hart gesprochen.

(Pater Lombardi) 

Vielen Dank. Und jetzt bitte ich Maria Antonietta Collins und Andrés Beltramo Alvarez für die nächsten Fragen vorzutreten.

(Maria Antonietta Collins)

Heiliger Vater, Sie haben viel von Vergebung gesprochen, dass Gott uns vergibt und dass wir diejenigen sind, die häufig um Vergebung bitten. Nachdem ich Sie heute im Seminar gesehen habe, möchte ich Sie fragen: Es gibt viele Priester, die sexuellen Missbrauch an Minderjährigen verübt und ihre Opfer nicht um Vergebung gebeten haben. Vergeben Sie ihnen? Und, auf der anderen Seite, verstehen Sie die Opfer und die Familien, die nicht vergeben können oder wollen?

(Papst Franziskus)

Wenn jemand übel gehandelt hat, sich dessen bewusst ist, was er getan hat, und nicht um Vergebung bittet, dann bitte ich Gott, dem Rechnung zu tragen. Ich vergebe ihm, aber er empfängt die Vergebung nicht, er ist der Vergebung gegenüber verschlossen. Eines ist, Vergebung zu gewähren – wir alle sind verpflichtet zu vergeben, weil uns allen vergeben worden ist –, aber etwas anderes ist, die Vergebung zu empfangen. Und wenn jener Priester der Vergebung gegenüber verschlossen ist, empfängt er sie nicht, weil er die Tür von innen mit dem Schlüssel zugesperrt hat. Und was bleibt, ist, zu beten, damit der Herr diese Tür öffnet. Man muss bereit sein, die Vergebung zu gewähren, aber nicht alle können sie empfangen, verstehen sie zu empfangen oder sind bereit, sie zu empfangen. Es ist hart, was ich da sage. Und so erklärt es sich, warum es Menschen gibt, die ihr Leben starrköpfig, schlecht beenden, ohne die Liebkosung Gottes zu empfangen… Und die zweite Frage?

(Maria Antonietta Collins)

Ob Sie die Opfer und die Familien verstehen, die nicht vergeben konnten oder es nicht wollen.

(Papst Franziskus)

Ja,  ich verstehe sie… ich verstehe sie; ich bete für sie und verurteile sie nicht. Ich verurteile sie nicht, ich bete für sie. Einmal, in einer dieser Zusammenkünfte, habe ich verschiedene Menschen getroffen, und eine Frau hat mir gesagt: „Als meine Mutter erfuhr, dass man mich missbraucht hatte, hat sie Gott verflucht, hat ihren Glauben verloren und ist als Atheistin gestorben.“ Ich verstehe diese Frau. Ich verstehe sie. Und Gott, der gütiger ist als ich, versteht sie. Ich bin sicher, dass Gott diese Frau aufgenommen hat. Denn das, was da angerührt, was da zerstört wurde, war ihr eigenes „Fleisch“, der Leib ihrer Tochter gewesen. Ich verstehe das. Ich verurteile nicht jemanden, der nicht vergeben kann. Ich bete und bitte Gott – denn Gott ist ein Meister in der Suche nach einem Lösungsweg –, ich bitte ihn, die Sache in Ordnung zu bringen.

(Pater Lombardi)

Andrés Beltramo von Notimex, der bitte Italienisch sprechen möge; das hilft uns allen.

(Andrés Beltramo Alvarez)

Vater, danke vor allem für diesen Moment. Wir alle haben Sie so sehr von dem Friedensprozess in Kolumbien zwischen der FARC und der Regierung sprechen hören. Jetzt gibt es eine historische Vereinbarung. Fühlen Sie sich ein bisschen an dieser Vereinbarung beteiligt? Und Sie hatten gesagt, dass Sie daran dachten, nach Kolumbien zu gehen, wenn das Abkommen erreicht werde: Jetzt gibt es viele Kolumbianer, die Sie erwarten… Und eine andere, ganz kleine Frage: Was empfinden Sie, nachdem Sie eine so intensive Reise erlebt haben, und nun fliegt das Flugzeug weg? Danke, Vater.

(Papst Franziskus)

Zur ersten Frage: Als ich die Nachricht bekam, dass im März der Vertrag unterzeichnet werden solle, habe ich zum Herrn gesagt: „Herr, gib, dass wir bis zum März gelangen, dass man mit dieser schönen Absicht dahin gelangt“, denn es fehlen noch kleine Dinge, aber der Wille ist vorhanden. Auf beiden Seiten. Er ist vorhanden. Auch bei der kleinen Gruppe gibt es ihn, alle drei sind einverstanden. Wir müssen bis zum März gelangen, bis zum endgültigen Vertrag. Da ging es um das internationale Recht; Sie wissen das. Ich bin sehr froh darüber. Ich habe mich daran beteiligt gefühlt in dem Sinn, dass ich das immer gewollt habe, und ich habe zwei Mal mit Präsident Santos über das Problem gesprochen. Und der Heilige Stuhl – nicht nur ich – der Heilige Stuhl ist sehr offen, um so weit wie möglich zu helfen.

Die andere Frage: Das ist ein wenig persönlich, aber ich muss ehrlich sein. Wenn das Flugzeug nach einem Besuch abfliegt, kommen mir die Blicke von so vielen Menschen in den Sinn, und ich habe das Bedürfnis, für sie zu beten und zum Herrn zu sagen: „Ich bin hierher gekommen, um etwas zu tun, um Gutes zu tun; vielleicht habe ich Schlechtes getan, vergib mir. Aber behüte alle diese Menschen, die auf mich geschaut haben, die über meine Worte nachgedacht haben, die mich gehört haben, auch diejenigen, die mich kritisiert haben, alle…“ Das empfinde ich. Ich weiß nicht, das kommt mir so. Aber das – entschuldigen Sie –, das ist ein bisschen etwas Persönliches, das kann man nicht in die Zeitungen bringen…

(Pater Lombardi)

Vielen Dank. Thomas Jansen vom CIC, der deutschen katholischen Agentur.

(Thomas Jansen)

Heiliger Vater, ich wollte etwas zur Migrationskrise in Europa fragen: Viele Länder bauen neue Barrieren aus Stacheldraht auf. Was sagen Sie zu dieser Entwicklung?

(Papst Franziskus)

Sie haben das Wort „Krise“ gebraucht. In eine Krisensituation gerät man nach einem langen Prozess. Dies ist ein Prozess, der vor Jahren ausgelöst wurde, denn die Kriege, vor denen die Leute davonlaufen, fliehen, sind Kriege, die seit Jahren andauern. Der Hunger: Dieser Hunger besteht seit Jahren… Wenn ich an Afrika denke – das ist ein bisschen grob vereinfachend, aber ich erwähne es als Beispiel –, dann kommt mir die Vorstellung: Afrika, der ausgebeutete Kontinent. Die Sklaven holte man sich dort, und dann die großen Ressourcen…der ausgebeutete Kontinent. Und jetzt die Stammeskriege und die anderen – dahinter stehen wirtschaftliche Interessen… Und ich denke, wenn man, anstatt einen Kontinent oder eine Nation oder ein Land auszubeuten, investieren würde, damit die Menschen dort Arbeit haben, dann würde das diese Krise vermeiden. Es stimmt, es ist eine Flüchtlingskrise – wie ich im Kongress sagte – von einem Ausmaß, das seit dem letzten Weltkrieg nicht mehr erreicht wurde, es ist die größte. Sie fragen mich nach den Barrieren. Sie wissen, wie die Mauern enden. Alle. Alle Mauern stürzen ein, heute, morgen oder nach hundert Jahren. Aber sie werden einstürzen. Das ist keine Lösung. Die Mauer ist keine Lösung. In diesem Moment ist Europa in Schwierigkeiten, das ist wahr. Wir müssen intelligent sein und begreifen, warum diese ganze Flüchtlingswelle anrollt, und es ist nicht leicht, Lösungen zu finden. Doch mit dem Dialog unter den Ländern müssen sie gefunden werden. Die Mauern sind niemals Lösungen, die Brücken hingegen ja, immer, immer… Ich weiß nicht, das denke ich über die Mauern, über die Barrieren: ob sie kurze oder lange Zeit überdauern – sie sind keine Lösung. Das Problem bleibt bestehen, es bleibt sogar mit mehr Hass bestehen. Das ist meine Meinung.

(Pater Lombardi)

Jean-Marie Guénois vom Figaro aus der französischen Gruppe.

(Jean-Marie Guénois)

Heiliger Vater, Sie können natürlich die Debatten der Synodenväter nicht vorwegnehmen, das ist uns völlig klar. Aber wir möchten gerade vor der Synode wissen, ob Sie in Ihrem Hirten-Herzen wirklich eine Lösung für die wiederverheirateten Geschiedenen wollen. Wir möchten auch wissen, ob Ihr Motu proprio über die Erleichterung der Nichtigkeitserklärung Ihrer Meinung nach diese Debatte abgeschlossen hat. Und schließlich: Was antworten Sie denen, die mit dieser Reform die faktische Schaffung einer sogenannten „katholischen Scheidung“ befürchten? Danke.

(Papst Franziskus)

Ich beginne mit der letzten Frage. In der Reform der Prozesse, ihrer Modalität, habe ich dem administrativen Weg, dem Weg, über den die Scheidung Eingang finden konnte, die Tür verschlossen. Und man kann sagen, dass diejenigen, die an die „katholische Scheidung“ denken, sich irren, denn dieses letzte Dokument hat die Tür verschlossen für die Scheidung, die über den administrativen Weg leichter hätte Eingang finden können. Es wird immer den rechtlichen Weg geben. Dann fahren wir mit der dritten Frage fort: das Dokument. Ich weiß nicht, ob es die dritte war, Sie mögen mich korrigieren…

(Jean-Marie Guénois)

Ja, die Frage war über den Begriff „katholische Scheidung“ und ob das Motu proprio die Debatte, die in der Synode über dieses Thema stattfinden sollte, abgeschlossen hat.

(Papst Franziskus)

Das wurde von der Mehrheit der Synodenväter auf der Synode des vergangenen Jahres gefordert: die Prozesse zu vereinfachen und zu beschleunigen. Denn es gab Prozesse, die zehn bis fünfzehn Jahre dauerten. Ein Urteil und ein weiteres Urteil; und danach, wenn Berufung eingelegt wurde, diese Berufung und dann die neuerliche Berufung… Und das kommt nie zu Ende. Das doppelte Urteil, wenn [das erste] gültig war und keine Berufung eingelegt wurde, ist von Papst Lambertini, Benedikt XIV., eingeführt worden, denn in Mitteleuropa – ich nenne das Land nicht – gab es einige Missbräuche [der damals geltenden Praxis], und um denen ein Ende zu bereiten, hat er das eingeführt. Aber es ist nicht wesentlich für den Prozess. Die Verfahren ändern sich; die Rechtsprechung ändert sich zum Besseren, wird ständig verbessert. In jenem Moment war es dringend, das zu tun. Dann hat Pius X. die Prozedur beschleunigen wollen und etwas getan, aber er hatte nicht die Zeit oder die Möglichkeit, es durchzuführen. Die Synodenväter haben dies gefordert: die Beschleunigung der Prozesse zur Ehe-Nichtigkeitserklärung. Und damit belasse ich es. Dieses Dokument, dieses Motu proprio vereinfacht die Prozesse in zeitlicher Hinsicht, aber es ist keine Scheidung, denn die Ehe ist unauflöslich, wenn sie ein Sakrament ist, und das, nein, das kann die Kirche nicht ändern. Das ist kirchliche Lehre. Es ist ein unauflösliches Sakrament. Das legale Vorgehen ist darauf ausgerichtet zu beweisen, dass das, was ein Sakrament zu sein schien, kein Sakrament war: aus Mangel an Freiheit, zum Beispiel, oder aus Mangel an Reife oder aufgrund einer Geisteskrankheit…Es gibt viele Motive, die nach einer Untersuchung, nach einem Ermittlungsverfahren dazu führen zu sagen: Nein, dort war es kein Sakrament. Zum Beispiel, weil diese Person nicht frei war. Ein Beispiel, das jetzt nicht so häufig vorkommt, in manchen Teilen der Gesellschaft aber durchaus gewöhnlich ist – zumindest in Buenos Aires war es so –, sind die Trauungen, wenn die Verlobte schwanger ist. „Ihr müsst heiraten.“ In Buenos Aires habe ich den Priestern geraten – aber mit Nachdruck! – beinahe verboten, eine Ehe unter diesen Bedingungen zu schließen. Wir nennen sie „Eiltrauungen“, um den Schein zu wahren. Und das Kind wird geboren, und einige Ehen gehen gut. Aber es fehlt die Freiheit! Und dann, wenn es nicht gut geht, trennen sie sich… „Ich war gezwungen zu heiraten, denn ich musste diese Situation verbergen.“ Das ist ein Grund für die Nichtigkeit. Es gibt sehr viele Gründe für die Nichtigkeit; Sie können sie im Internet suchen, da finden sie sich alle. Dann gibt es das Problem der zweiten Heirat der Geschiedenen, die eine neue Verbindung eingehen. Lesen Sie, was Sie im Instrumentum laboris finden, das, was zur Diskussion steht. Mir scheint es etwas grob vereinfachend, wenn man sagt, dass die Synode… dass die Lösung für diese Menschen darin besteht, die Kommunion empfangen zu können. Das ist nicht die einzige Lösung. Nein. Das, was das Instrumentum laboris vorschlägt, ist weit mehr. Das Problem der neuen Verbindungen der Geschiedenen ist nicht das einzige Problem. Im Instrumentum laboris sind viele aufgeführt. Zum Beispiel: Die jungen Leute heiraten nicht, sie wollen nicht heiraten. Das ist ein pastorales Problem für die Kirche. Ein anderes Problem: die affektive Reife für die Ehe. Ein anderes: der Glaube. Glaube ich daran, dass das „für immer“ ist? – „Ja, ja, daran glaube ich…“ Aber glaube ich wirklich daran? Die Vorbereitung auf die Ehe… Ich denke oft daran: Um Priester zu werden, gibt es eine Vorbereitung von acht Jahren; und dann, da das nicht definitiv ist, kann die Kirche dich aus dem klerikalen Stand entlassen. Um zu heiraten, ein Schritt für das ganze Leben, absolviert man vier Kurse, vier Treffen… Da stimmt etwas nicht. Die Synode muss gut darüber nachdenken, wie die Ehevorbereitung zu gestalten ist, es ist etwas vom Schwierigsten. Und es gibt noch viele Probleme… Sie sind aber alle im Instrumentum laboris aufgeführt. Ich bin froh, dass Sie mir die Frage zur „katholischen Scheidung“ gestellt haben: Nein, das gibt es nicht. Entweder war es keine Ehe – und das ist Nichtigkeit, sie hat nie existiert – oder, wenn sie existiert hat, dann ist sie unauflöslich. Das ist klar. Danke.  

(Pater Lombardi)

Vielen Dank, Heiliger Vater. Jetzt ist Terry Moran von Abc News, einem der größten amerikanischen Sender, an der Reihe.

(Terry Moran)

Heiliger Vater, danke, vielen Dank, und ich danke auch dem Mitarbeiterstab vom Vatikan. Heiliger Vater, sie haben die „Kleinen Schwestern der Armen“ besucht, und es wurde uns gesagt, dass Sie den Schwestern Ihre Unterstützung kundtun wollten, auch in rechtlicher Hinsicht. Heiliger Vater, unterstützen Sie auch jene Einzelpersonen – einschließlich Staatsbeamte –, die sagen, dass sie es mit ihrem Gewissen, ihrem persönlichen Gewissen nicht vereinbaren können, sich an bestimmte Gesetze zu halten oder ihre Aufgaben als Staatsbeamte zu erfüllen, zum Beispiel gleichgeschlechtlichen Paaren die Beurlaubung für die Flitterwochen zu erteilen? Würden Sie diese Ansprüche auf Religionsfreiheit unterstützen?

(Papst Franziskus)

Ich kann nicht all die Fälle von Dienstverweigerung aus Gewissensgründen im Gedächtnis haben, die es geben mag. Ich kann aber sehr wohl sagen, dass die Verweigerung aus Gewissensgründen ein Recht ist und zu allen Menschenrechten gehört. Es ist ein Recht, und wenn jemandem die Verweigerung aus Gewissensgründen nicht gestattet wird, dann wird ihm ein Recht aberkannt. In jede Rechtsstruktur muss auch die Verweigerung aus Gewissensgründen Eingang finden, denn es ist ein Recht, ein Menschenrecht. Andernfalls enden wir in einer Auswahl der Rechte: Dies ist ein Recht von hohem Wert, dies ist ein wertloses Recht… Es ist ein Menschenrecht. Es hat mich immer erschüttert – und das spricht gegen meine Sache! –, wenn ich als Junge (mehrmals!) das „Rolandslied“ gelesen habe, wo alle Muslime in einer Schlange standen und vor ihnen war der Taufbrunnen oder das Schwert, und sie mussten wählen. Ihnen war die Verweigerung aus Gewissensgründen nicht erlaubt… Nein, es ist ein Recht. Und wenn wir Frieden schaffen wollen, müssen wir alle Rechte respektieren.

(Terry Moran)

Das schließt auch die Staatsbeamten ein?

(Papst Franziskus)

Es ist ein Menschenrecht. Wenn der Staatsbeamte ein Mensch ist, hat er jenes Recht. Es ist ein Menschenrecht.

(Pater Lombardi)

Vielen Dank. Jetzt erteilen wir Stefano Maria Paci aus der italienischen Gruppe von Sky News das Wort.

(Stefano Maria Paci)

Heiligkeit, Sie haben vor der UNO sehr harte Worte gebraucht, um das Schweigen der Welt angesichts der Verfolgung gegen die Christen anzuprangern, denen man ihre Häuser nimmt und sie fortjagt, sie ihres Besitzes beraubt, sie zu Sklaven macht und sie brutal umbringt. Jetzt hat Präsident Hollande den Beginn der französischen Bombardierungen von Stellungen des IS in Syrien angekündigt. Was halten Sie von dieser militärischen Aktion? – Und dann noch eine neugierige Frage: Roms Bürgermeister Marino, der Bürgermeister der Stadt des Jubiläums, hat erklärt, dass er zum Weltfamilientreffen, zur Messe, gekommen ist, weil er von Ihnen eingeladen war. Mögen Sie uns sagen, wie das gelaufen ist? [Der Campidoglio hat klargestellt, dass Bürgermeister Marino nie behauptet hat, vom Heiligen Vater eingeladen worden zu sein.]

(Papst Franziskus)

Ich beginne mit der zweiten Frage: Ich habe Bürgermeister Marino nicht eingeladen. Klar? Ich habe das nicht getan. Ich habe die Organisatoren gefragt, und auch sie haben ihn nicht eingeladen. Er ist gekommen, er bekennt sich als Katholik und ist spontan gekommen. So war das. Das als Erstes. Die andere Frage zur Bombardierung: Tatsächlich habe ich die Nachricht vorgestern erhalten, und ich habe nichts darüber gelesen. Ich kenne die Situation nicht genau, wie es gehen wird. Ich habe gehört, dass Russland eine Position vertrat, die Vereinigten Staaten noch nicht klar waren…Ich weiß wirklich nicht, was ich Ihnen sagen soll, denn ich habe die Sache nicht gut verstanden. Doch wenn ich das Wort „Bombardierung“ höre, Tod, Blut… Ich wiederhole, was ich vor dem Kongress und vor den Vereinten Nationen gesagt habe: diese Dinge zu vermeiden. Aber die politische Situation beurteile ich nicht, weil ich sie nicht kenne. Danke.

(Pater Lombardi)

Danke. Jetzt Miriam Schmidt von der DPA, der Deutschen Presseagentur.

(Miriam Schmidt)

Heiliger Vater, ich möchte eine Frage über die Beziehungen des Heiligen Stuhls mit China und über die Situation in diesem Land stellen, die ziemlich schwierig ist, auch für die katholische Kirche. Wie denken Sie darüber?

(Papst Franziskus)

China ist eine große Nation, die der Welt eine hohe Kultur und sehr viel Gutes bringt. Ich habe einmal unterwegs auf dem Heimflug von Korea gesagt, dass ich sehr gerne nach China gehen würde. Ich liebe das chinesische Volk; ich habe es gern. Ich wünsche mir, dass es Möglichkeiten zu guten Beziehungen gibt, zu guten Beziehungen. Wir haben Kontakte, wir reden darüber… Man muss weitermachen. Ein Land wie China zum Freund zu haben, das so reich an Kultur ist und so viele Möglichkeiten besitzt, Gutes zu tun, wäre für mich eine Freude.

(Pater Lombardi)

Vielen Dank. Jetzt haben wir Sagrario Ruiz de Apodaca.

(Sagrario Ruiz de Apodaca)

Danke. Guten Abend, Heiliger Vater. Sie haben die Vereinigten Staaten zum ersten Mal besucht; nie zuvor waren Sie dort. Sie haben vor dem Kongress gesprochen, Sie haben vor den Vereinten Nationen gesprochen, Sie haben immer wieder ein wahres „Bad in der Menge“ erlebt… Fühlen Sie sich stärker? Und ich möchte Sie auch fragen – denn wir haben gehört, dass Sie den Wunsch geäußert haben, die Rolle der Ordensschwestern und der Frauen in der Kirche in den Vereinigten Staaten mehr in den Vordergrund zu rücken –: Werden wir in der katholischen Kirche niemals Frauen als Priesterinnen sehen, wie einige Gruppen in den USA fordern und wie es sie in anderen christlichen Kirchen gibt?

(Papst Franziskus)

Die Schwestern der Vereinigten Staaten haben auf dem Gebiet der Erziehung und auf dem Gebiet des Gesundheitswesens Wunderbares vollbracht. Das Volk der USA liebt die Schwestern – ich weiß nicht, wie sehr es die Priester liebt…, aber die Schwestern liebt es, es liebt sie sehr. Und sie sind tüchtig, wirklich tüchtige Frauen. Jede folgt der eigenen Kongregation, ihren Regeln; es gibt Unterschiede, aber sie sind tüchtig, und darum habe ich mich verpflichtet gefühlt, für das zu danken, was sie getan haben. Eine bedeutende Persönlichkeit der US-Regierung hat mir in diesen Tagen gesagt: „Was ich an Kultur besitze, verdanke ich in erster Linie den Schwestern.“ Die Schwestern haben Schulen in allen Stadtvierteln – den reichen, den armen –; sie arbeiten mit den Armen und in den Krankenhäusern… So weit zur ersten Frage. An die dritte erinnere ich mich… Die zweite?

(Sagrario Ruiz de Apodaca)

Ob sie sich stark fühlen, nachdem Sie in den Vereinigten Staaten waren, mit diesem Terminkalender und nach diesem Erfolg…

(Papst Franziskus)

Ich weiß nicht, ob ich Erfolg gehabt habe oder nicht. Aber ich habe Angst vor mir selbst, denn – ja, ich habe Angst vor mir selbst – ich fühle mich immer irgendwie schwach, in dem Sinn, nicht die Kraft und die Macht zu haben; sie ist auch etwas Vorübergehendes: Heute ist sie da, morgen nicht… Wichtig ist sie, wenn du mit der Macht Gutes tun kannst. Und Jesus hat die Macht definiert: Die wahre Macht liegt im Dienen, Dienste zu verrichten, die demütigsten Dienste zu tun. Und ich muss auf diesem Weg des Dienens noch vorangehen, denn ich spüre, dass ich nicht all das tue, was ich tun muss. Das ist das Verständnis, das ich von der Macht habe.

Drittens: das Frauenpriestertum. Das kann [die Kirche] nicht tun. Der heilige Papst Johannes Paul II. hat das in einer Zeit der Diskussion nach langer, langer Überlegung deutlich gesagt. Nicht, weil die Frauen etwa nicht die Fähigkeit hätten. Aber sehen Sie, in der Kirche sind die Frauen wichtiger als die Männer, denn die Kirche ist Frau; es ist die Kirche, nicht der Kirche; die Kirche ist Braut Jesu Christi, und die Muttergottes ist wichtiger als die Päpste, die Bischöfe und die Priester. Eines muss ich zugeben: Wir sind ein bisschen im Verzug mit der Erarbeitung einer Theologie der Frau. Wir müssen in jener Theologie weiter vorangehen. Das ja, das ist wahr! Danke.

(Pater Lombardi)

Jetzt kommen wir zur letzten Frage. Sie ist von Matilde Imbertì von Radio France. Und dann schließen wir.

(Matilde Imbertì)

Heiliger Vater, in den Vereinigten Staaten sind Sie zum Star geworden. Ist es gut für die Kirche, wenn der Papst ein Star ist?

(Papst Franziskus)

Wissen Sie, welches der Titel war, den die Päpste verwendeten und den man verwenden muss? „Diener der Diener Gottes“. Das ist ein bisschen etwas anderes als ein Star! Die Sterne sind schön anzusehen, es gefällt mir, auf sie zu schauen, wenn der Himmel im Sommer klar ist… Aber der Papst muss der Diener der Diener Gottes sein, er muss es sein! Ja, in den Medien sagt man das so, aber es gibt eine andere Wahrheit: Wie viele Stars haben wir gesehen, die dann verlöschen und fallen…! Das ist etwas Vergängliches. Diener der Diener Gottes zu sein, ist hingegen schön! Das vergeht nicht. Ich weiß nicht… so denke ich.

(Pater Lombardi)

Gut, wir haben die Liste derer, die sich eingeschrieben hatten, beendet… Vielen, vielen Dank, also, für Ihre Bereitschaft. Wir haben ein Gespräch von mindestens fünfzig Minuten gehabt, ein ganz beträchtliches Engagement also. Ich gratuliere Ihnen zu Ihrer Widerstandskraft auf der Reise und auch in diesem Gespräch mit uns. Und wir werden Ihnen weiter folgen; es ist mit dieser Reise nicht zu Ende. Diese Reise ist beendet, aber wir haben die Synode, wir haben so viele andere Dinge… Und wir wollen Ihnen weiter folgen mit sehr viel Zuneigung, Hochachtung, Wertschätzung, in der Hoffnung, Ihnen in Ihrem Dienst an den Dienern Gottes zu helfen.

(Papst Franziskus)

Vielen Dank für Ihre Arbeit, für Ihre Geduld, für Ihr Wohlwollen. Danke. Ich stehe zur Verfügung. Ich bete für Sie, wirklich. Danke für die Hilfe. Guten Flug!  

 



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