ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE DELEGATION DER "ANTI-DEFAMATION LEAGUE"
[ANTIDIFFAMIERUNGSLIGA]
Saal der Päpste
Donnerstag, 9. Februar 2017
Liebe Freunde!
Ich heiße Sie herzlich willkommen und danke Ihnen für Ihre an mich gerichteten freundlichen Worte. Bereits meine Vorgänger, der heilige Johannes Paul II. und Benedikt XVI., haben Delegationen Ihrer Organisation empfangen, die seit der Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils Beziehungen mit dem Heiligen Stuhl unterhält. Ich bin dankbar, dass diese Kontakte sich intensiviert haben: Wie Sie zu Recht betont haben, ist unsere Begegnung über das gemeinsame Engagement hinaus ein weiteres Zeugnis der wohltuenden Kraft der Versöhnung, die Beziehungen heilt und verwandelt. Dafür danken wir Gott, der sich sicherlich freut, wenn er die aufrichtige Freundschaft und die brüderlichen Empfindungen sieht, die heute Juden und Katholiken beseelen. So können auch wir mit dem Psalmisten sagen: »Seht doch, wie gut und schön ist es, wenn Brüder miteinander in Eintracht wohnen. […] Denn dort spendet der Herr Segen und Leben in Ewigkeit« (Ps 133,1.3).
Wie die Kultur der Begegnung und der Versöhnung Leben hervorbringt und Hoffnung weckt, so sät die Nicht-Kultur des Hasses Tod und erntet Verzweiflung. Im vergangenen Jahr habe ich das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau besucht. Es gibt keine angemessenen Worte und Gedanken angesichts solcher Gräuel der Grausamkeit und der Sünde: Es gibt das Gebet, auf dass Gott Erbarmen haben möge und sich derartige Tragödien nicht wiederholen. Wie das der Heilige Vater Johannes Paul II. wünschte, fahren wir daher fort, einander zu helfen, damit »die Erinnerung ihren unerlässlichen Teil zum Aufbau einer Zukunft beiträgt, in der die unsagbare Schandtat der Shoah niemals mehr möglich sein wird« (Schreiben anlässlich der Veröffentlichung des Dokuments Wir erinnern: Eine Reflexion über die Shoah, 12. März 1998, in O.R. dt., Nr. 14, 3.4.1998, S. 7): eine Zukunft echter Achtung vor dem Leben und der Würde jedes Volkes und jedes Menschen.
Leider ist die Haltung des Antisemitismus auch heute noch verbreitet, die ich erneut in all ihren Formen bedauere als vollkommen im Gegensatz stehend zu den christlichen Prinzipien und jeder Sichtweise, die des Menschen würdig ist. Ich betone erneut, dass »die Katholische Kirche sich besonders verpflichtet fühlt, zusammen mit unseren jüdischen Freunden alles zu tun, um antisemitische Tendenzen einzudämmen« (Kommission für die religiösen Beziehungen mit den Juden, Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung, die Gott gewährt, 47).
Heute kann sich der Kampf gegen den Antisemitismus mehr als je zuvor wirksamer Mittel bedienen, wie der Information und der Bildung. In dieser Hinsicht danke ich Ihnen für Ihre Arbeit und dafür, dass Sie die Bekämpfung des Antisemitismus verbinden mit dem Engagement für Erziehung und Bildung, für die Förderung der Achtung gegenüber allen und für den Schutz der Schwächsten. Den heiligen Schatz jedes Menschenlebens zu hüten, von seiner Empfängnis bis zum Ende, indem man dessen Würde schützt, ist der beste Weg, um jeder Art von Gewalt vorzubeugen.
Angesichts des Zuviel an Gewalt, die in der Welt wütet, sind wir aufgerufen zu einem »Mehr« an Gewaltlosigkeit, was nicht Passivität bedeutet, sondern aktive Förderung des Guten. Denn wie es notwendig ist, das Unkraut des Bösen an der Wurzel zu beiseitigen, so ist es noch dringlicher, das Gute zu säen: Gerechtigkeit zu pflegen, Eintracht wachsen zu lassen, Integration zu fördern, unermüdlich. Nur so kann man Früchte des Friedens ernten. Dazu ermutige ich Sie in der Überzeugung, dass die besten Gegenmittel gegen aufsteigenden Hass sind, Mittel für ein würdiges Leben zur Verfügung zu stellen, die Kultur zu fördern und überall die Religionsfreiheit zu unterstützen, auch indem man Gläubige und Religionen vor allen Erscheinungsformen von Gewalt und vor Instrumentalisierung schützt.
Ich bin Ihnen dankbar auch für den Dialog, den Sie auf verschiedenen Ebenen mit der katholischen Kirche unterhalten. Auf unser gemeinsames Engagement und auf unseren Weg der Freundschaft und des brüderlichen Vertrauens rufe ich den Segen des Allmächtigen herab: In seiner Güte möge er uns begleiten und uns helfen, gute Früchte zu bringen. Shalom alechem!
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