Index   Back Top Print

[ DE  - EN  - IT  - PT ]

ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE TEILNEHMER EINES KURSES, DEN DAS GERICHT DER RÖMISCHEN ROTA
VERANSTALTET HAT

Basilika St. Johann im Lateran
Donnerstag, 27. September 2018

[Multimedia]


 

Liebe Brüder und Schwestern!

Mit Freude begegne ich euch zum Abschluss des Fortbildungskurses über Ehe und Familie, der von der Diözese Rom sowie vom Gerichtshof der Römischen Rota veranstaltet wurde. Ich begrüße euch alle sehr herzlich, und ich danke dem Kardinalvikar, dem Dekan der Rota sowie allen, die an diesen Tagen des Studiums und der Reflexion mitgearbeitet haben. Sie haben euch Gelegenheit gegeben, die Herausforderungen und die Pastoralpläne bezüglich der Familie als Hauskirche und Heiligtum des Lebens zu untersuchen. Dies ist ein umfassender, komplexer und schwieriger apostolischer Bereich, dem Kraft und Begeisterung gewidmet werden müssen, um das Evangelium der Familie und des Lebens zu fördern. Wie sollte man in diesem Zusammenhang nicht den Weitblick meiner Vorgänger – besonders des heiligen Johannes Paul II. – in Erinnerung rufen, die das Anliegen der Familie, die für das Gemeinwohl der Völker entscheidend und unersetzlich ist, mutig gefördert haben?

Ihrer Spur folgend habe ich dieses Thema weiter entfaltet, vor allem im Apostolischen Schreiben Amoris laetitia, indem ich die Notwendigkeit eines ernsthaften Weges der Vorbereitung auf die christliche Ehe in den Mittelpunkt gestellt habe, der nicht auf einige wenige Begegnungen beschränkt sein darf. Die Hochzeit ist nicht nur ein »gesellschaftliches« Ereignis, sondern ein wahres Sakrament, das eine angemessene Vorbereitung und eine bewusste Feier mit sich bringt. Der Ehebund verlangt nämlich von den Brautleuten eine bewusste Entscheidung, die den Willen, gemeinsam etwas aufzubauen, das nie verraten oder verlassen werden darf, in den Vordergrund stellt. In verschiedenen Diözesen der Welt werden Initiativen entwickelt, um die Familienpastoral so zu gestalten, dass sie der tatsächlichen Situation angemessener ist, was in erster Linie die Begleitung der Brautleute zur Ehe bedeutet. Es ist wichtig, den Brautleuten die Möglichkeit zu bieten, an Seminaren und geistlichen Einkehrtagen teilzunehmen, an denen außer den Priestern auch Ehepaare mit gefestigter Familienerfahrung sowie Fachleute im psychologischen Bereich teilnehmen.

Oft ist die letzte Wurzel der Probleme, die nach der Feier des Ehesakraments auftreten, nicht nur in einer verborgenen und verdrängten Unreife zu suchen, die plötzlich zutage tritt, sondern vor allem in der Schwäche des christlichen Glaubens und in der fehlenden Begleitung durch die Kirche, in der Einsamkeit, in der die Neuvermählten nach der Hochzeitsfeier gewöhnlich gelassen werden. Erst wenn sie mit dem Alltag des gemeinsamen Lebens konfrontiert sind, der von den Eheleuten verlangt, in Hingabe und Opferbereitschaft zu wachsen, werden einige sich bewusst, dass sie den eingeschlagenen Weg nicht in ganzer Fülle verstanden haben. Und sie entdecken ihre eigene Unzulänglichkeit, vor allem gegenüber der Tragweite und dem Weg der christlichen Ehe hinsichtlich der konkreten Auswirkungen, die mit der Unauflöslichkeit des Ehebundes, mit der Offenheit, das Geschenk des Lebens weiterzugeben, und mit der Treue verbunden sind.

Daher bekräftige ich noch einmal die Notwendigkeit eines ständigen Katechumenats für das Sakrament der Ehe im Hinblick auf die Vorbereitung, die Trauung und die ersten darauf folgenden Zeiten. Diesen Weg müssen Priester, Pastoralarbeiter und die christlichen Ehepaare gemeinsam gehen. Die Priester, vor allem die Pfarrer, sind die ersten Gesprächspartner der jungen Menschen, die eine neue Familie bilden und die sakramentale Ehe schließen wollen. Die Begleitung durch den geweihten Amtsträger hilft den zukünftigen Eheleuten zu verstehen, dass die Ehe eines Mann und einer Frau Zeichen der bräutlichen Vereinigung zwischen Christus und der Kirche ist, und macht ihnen die tiefe Bedeutung des Schrittes, vor dem sie stehen, bewusst. Je tiefer und langfristiger der Weg der Vorbereitung sein wird, desto besser werden die Paare lernen, der Gnade und der Kraft Gottes zu entsprechen. So werden sie auch »Antikörper« entwickeln, um sich den unvermeidlichen schwierigen und mühsamen Augenblicken des ehelichen und familiären Lebens zu stellen.

In den Ehevorbereitungskursen ist es unverzichtbar, die Katechesen der christlichen Initiation in den Glauben wieder aufzugreifen, deren Inhalte nicht als selbstverständlich betrachtet werden dürfen oder so, als hätten die Verlobten sie bereits verinnerlicht. Meistens muss die christliche Botschaft vielmehr ganz neu entdeckt werden von jenen, die bei einigen elementaren Inhalten des Katechismus der Erstkommunion und bestenfalls der Firmung stehengeblieben sind. Die Erfahrung lehrt, dass die Zeit der Ehevorbereitung eine Zeit der Gnade ist, in der das Paar besonders bereit ist, das Evangelium zu hören und Jesus als Lehrmeister des Lebens anzunehmen. Durch eine aufrichtige Annahme der Paare, eine angemessene Sprache und eine klare Darlegung der Inhalte können Dynamiken in Gang gesetzt werden, die die heute sehr verbreiteten Mängel überwinden: sowohl das Fehlen katechetischer Bildung als auch den Mangel an Bewusstsein, ein Kind der Kirche zu sein, was ja zu den Grundlagen der christlichen Ehe gehört.

Die größte Wirkkraft entfaltet die pastorale Fürsorge dort, wo die Begleitung nicht mit der Trauung endet, sondern dem Paar wenigstens in den ersten Jahren des Ehelebens »Geleitschutz« gibt. Durch Gespräche mit den einzelnen Ehepaaren und gemeinschaftliche Augenblicke versucht man, den jungen Eheleuten zu helfen, die Mittel und die Unterstützung zu erlangen, die notwendig sind, um ihre Berufung zu leben. Und das kann nur durch einen Weg des Wachstums im Glauben der Ehepaare selbst geschehen. Die Schwäche, der man in dieser Hinsicht oft bei den jungen Menschen begegnet, die auf die Ehe zugehen, macht es notwendig, ihren Weg über die Trauung hinaus zu begleiten. Und das – auch das lehrt uns die Erfahrung – ist eine Freude für sie und für jene, die sie begleiten. Es ist eine Erfahrung freudiger Mütterlichkeit, wenn die Neuvermählten Gegenstand der eifrigen Sorge der Kirche sind, die auf den Spuren ihres Meisters eine fürsorgliche Mutter ist, die ihre Kinder nicht im Stich lässt, nicht aussondert, sondern sich ihnen mit Zärtlichkeit nähert, sie umarmt und ermutigt.

Was jene Eheleute betrifft, die in ihrer Beziehung ernsthafte Probleme erfahren und eine Krise durchmachen, so muss ihnen geholfen werden, den Glauben neu zu beleben und die Gnade des Sakraments neu zu entdecken. In gewissen Fällen – die aufrichtig und mit innerer Freiheit erwogen werden müssen – müssen angemessene Hinweise zur Einleitung eines Ehenichtigkeitsverfahrens gegeben werden. Die Paare, die gemerkt haben, dass ihre Verbindung keine wahre sakramentale Ehe ist, und die aus dieser Situation herauskommen wollen, müssen bei den Bischöfen, den Priestern und den pastoralen Mitarbeitern die notwendige Unterstützung finden, die nicht nur in der Mitteilung der rechtlichen Normen zum Ausdruck kommt, sondern vor allem in einer Haltung des Zuhörens und des Verständnisses. In diesem Zusammenhang stellen die Bestimmungen über das neue Ehenichtigkeitsverfahren ein wertvolles Mittel dar, das konkret und ohne Unterscheidung von allen angewandt werden muss, auf jeder kirchlichen Ebene, denn sein letzter Beweggrund ist die »salus animarum«!

Ich habe mich gefreut zu erfahren, dass viele Bischöfe und Gerichtsvikare das neue Ehenichtigkeitsverfahren bereitwillig angenommen und angewandt haben, zur Stärkung des Gewissensfriedens vor allem der Armen und derer, die unseren Kirchengemeinden fernstehen. Liebe Brüder und Schwestern, ich danke euch für euren Einsatz zugunsten der Verkündigung des Evangeliums der Familie. Ich hoffe, dass der Horizont der diözesanen Familienpastoral immer mehr erweitert wird und den Stil des Evangeliums annimmt, indem man auch auf jene junge Menschen zugeht und sie annimmt, die sich entscheiden, unverheiratet zusammenzuleben. Man muss ihnen die Schönheit der Ehe bezeugen! Der Heilige Geist möge euch helfen, Stifter des Friedens und des Trostes zu sein, besonders für die Personen, die am schwächsten sind und der Unterstützung und Hirtensorge am meisten bedürfen. Ich erteile euch von Herzen meinen Segen und bitte euch, für mich zu beten.

 


Copyright © Dicastero per la Comunicazione - Libreria Editrice Vaticana