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APOSTOLISCHE REISE VON PAPST FRANZISKUS
NACH THAILAND UND JAPAN
(19. - 26. NOVEMBER 2019)

BEGEGNUNG MIT DEN BISCHÖFEN

ANSPRACHE DES HEILIGEN VATERS

Apostolische Nuntiatur (Tokio)
Samstag, 23. November 2019

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Liebe Brüder!

Zunächst möchte ich mich entschuldigen und um Verzeihung bitten, weil ich hereingekommen bin, ohne jemanden zu begrüßen: Wie schlecht erzogen wir Argentinier doch sind! Vergebt es mir bitte! Es ist mir eine Freude, bei euch zu sein. Die Japaner haben den Ruf, methodisch und fleißig zu sein, und das ist der Beweis: Der Papst steigt aus dem Flugzeug, und sofort lassen sie ihn arbeiten! Vielen Dank.

Ich freue mich über das Geschenk, Japan besuchen zu dürfen und über den Empfang, den ihr mir bereitet habt. Ich danke insbesondere Erzbischof Takami für seine Worte im Namen der ganzen katholischen Gemeinschaft in diesem Land. Da ich bei dieser ersten offiziellen Begegnung zum ersten Mal mit euch zusammen bin, möchte ich eine jede von euren Gemeinschaften begrüßen: Laien, Katecheten, Priester, Ordensleute, Gottgeweihte, Seminaristen. Und ich möchte in meine Umarmung und in meine Gebete alle Japaner in dieser Zeitepoche einschließen, die von der Inthronisierung des neuen Kaisers und vom Beginn der Ära Reiwa gekennzeichnet ist.

Ich weiß nicht, ob euch bekannt ist, dass ich seit meiner Jugend für dieses Land Sympathie und Zuneigung gehegt habe. Es sind viele Jahre seit dieser missionarischen Regung vergangen, deren Umsetzung auf sich hat warten lassen. Heute gibt mir der Herr die Gelegenheit, als missionarischer Pilger auf den Spuren der großen Zeugen des Glaubens unter euch zu sein. Vor 470 Jahren kam der heilige Franz Xaver nach Japan, was den Beginn der Ausbreitung des Christentums in diesem Land markierte. Im Gedenken an diesen Heiligen möchte ich mich mit euch verbinden, um dem Herrn für all die zu danken, die sich im Lauf der Jahrhunderte der Aussaat des Evangeliums und dem Dienst am japanischen Volk mit großer Inbrunst und Liebe gewidmet haben; diese ihre Hingabe hat der Kirche in Japan ein ganz besonderes Antlitz verliehen. Ich denke an die Märtyrer, den heiligen Paul Miki und seine Gefährten, sowie an den seligen Justo Takayama Ukon, der inmitten vieler Prüfungen bis zum Tod Zeugnis gegeben hat. Diese Selbsthingabe, um den Glauben durch die Verfolgung hinweg lebendig zu erhalten, hat der kleinen christlichen Gemeinschaft geholfen zu wachsen, sich zu festigen und Frucht zu bringen. Denken wir auch an die „versteckten Christen“ der Region von Nagasaki, die den Glauben dank der Taufe, dem Gebet und der Katechese über Generationen hinweg bewahrt haben. Authentische Hauskirchen, die auf diesem Boden, vielleicht ohne es zu wissen, wie Spiegelbilder der Familie von Nazaret ausstrahlten.

Der Weg des Herrn zeigt uns, wie sich seine Anwesenheit im alltäglichen Leben des gläubigen Volkes einbringt, das nach der Weise sucht, sein Gedächtnis gegenwärtig zu halten; eine stille Gegenwart, ein lebendiges Gedächtnis, das daran erinnert, dass, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind, er dort sein wird, mit der Kraft und der Sanftmut seines Geistes (vgl. Mt 18,20). Die DNA eurer Gemeinschaften ist von diesem Zeugnis gekennzeichnet, das Gegenmittel gegen jede Verzweiflung ist und uns den Weg weist, dem wir folgen sollen. Ihr seid eine lebendige Kirche, die sich erhalten hat, indem sie den Namen des Herrn anflehte und darüber nachdachte, wie er euch inmitten der Verfolgung geführt hat.

Die hoffnungsvolle Aussaat, das Zeugnis der Märtyrer und das geduldige Warten auf die Früchte, die der Herr zu seiner Zeit schenkt, haben die apostolische Einstellung charakterisiert, mit der ihr es verstanden habt, die japanische Kultur zu begleiten. Infolgedessen habt ihr im Lauf der Jahre der Kirche ein Gesicht gegeben, das von der japanischen Gesellschaft dank eurer vielfachen Beiträge zum Gemeinwohl im Allgemeinen sehr geschätzt wird. Dieses wichtige Kapitel der Geschichte eures Landes und der universalen Kirche ist nun durch die Aufnahme der Kirchen und Dörfer von Nagasaki und Amakusa unter die Welterbestätten anerkannt worden; aber vor allem als lebendige Erinnerung an die Seele eurer Gemeinschaften, die fruchtbare Hoffnung jeder Evangelisierung ist.

Diese apostolische Reise steht unter dem Motto „Jedes Leben schützen“, das unseren bischöflichen Dienst gut veranschaulichen kann. Der Bischof ist derjenige, den der Herr inmitten seines Volkes berufen hat, um ihn als einen Hirten zurückzugeben, der imstande ist, jedes Leben zu schützen, und dies bestimmt gewissermaßen das Szenarium, auf das wir abzielen müssen.

Die Mission auf diesem Boden war durch eine intensive Suche nach Inkulturation und Dialog gekennzeichnet, die die Herausbildung von neuen Einstellungen erlaubt hat, die von den in Europa entwickelten unabhängig waren. Wir wissen, dass von Anfang an Schriften und Theater größtenteils in japanischer Sprache sowie traditionelle Musik und alle Arten von Instrumenten verwendet wurden. Diese Tatsache zeigt die Liebe, die die ersten Missionare für dieses Land verspürten. Jedes Leben schützen bedeutet an erster Stelle, einen kontemplativen Blick zu haben, der imstande ist, das Leben des ganzen euch anvertrauten Volkes zu lieben, um in ihm an erster Stelle ein Geschenk des Herrn zu erkennen: »Denn nur was man liebt, kann gerettet werden. Nur was man annimmt, kann verwandelt werden« (Ansprache bei der Gebetsvigil mit den Jugendlichen, Panama, 26. Januar 2019). Dieses Prinzip der Inkarnation kann uns helfen, jedes Leben wie ein ungeschuldetes Geschenk zu behandeln, über andere Überlegungen hinaus, die ihre Richtigkeit haben, aber sekundär sind. Jedes Leben schützen und das Evangelium verkünden sind nicht zwei getrennte oder entgegengesetzte Dinge: Sie verweisen aufeinander und erfordern sich gegenseitig. Beide bedeuten, aufmerksam und wachsam für all das zu sein, was heute auf diesem Boden die ganzheitliche Entwicklung der dem Licht des Evangeliums Jesu anvertrauten Personen behindern kann.

Wir wissen, dass in Japan die Kirche klein ist und die Katholiken eine Minderheit sind; aber dies darf euren Einsatz für eine Evangelisierung nicht schmälern, die in eurer besonderen Situation als stärkstes und deutlichstes Wort ein demütiges, alltägliches Zeugnis im Dialog mit den anderen religiösen Traditionen anzubieten hat. Die Gastfreundschaft und die Sorge, die ihr den zahlreichen ausländischen Arbeitern erweist, die mehr als die Hälfte der Katholiken in Japan bilden, helfen nicht nur als Zeugnis für das Evangelium im Schoß der japanischen Gesellschaft, sondern sie bezeugen auch die Universalität der Kirche: Sie zeigen, dass unsere Vereinigung mit Christus stärker ist als jede andere Bindung oder Identität und imstande ist, alle Wirklichkeiten zu erreichen.

Eine Märtyrerkirche kann mit mehr Freiheit sprechen, insbesondere in der Behandlung von dringenden Fragen des Friedens und der Gerechtigkeit in unserer Welt. Morgen werde ich Nagasaki und Hiroshima besuchen, wo ich für die Opfer der katastrophalen Bombardierung dieser zwei Städte beten werde und eure prophetischen Appelle zur nuklearen Abrüstung wiederholen werde. Ich möchte diejenigen treffen, die immer noch an den Wunden dieses tragischen Ereignisses der Menschheitsgeschichte leiden; wie auch die Opfer der „dreifachen Katastrophe“. Ihr langes Leiden mahnt uns deutlich zu unserer menschlichen und christlichen Pflicht, den an Leib und Geist Leidenden zu helfen und allen die Botschaft des Evangeliums voll Hoffnung, Heilung und Versöhnung zu bringen. Machen wir uns klar, dass das Böse keine bestimmten Menschen bevorzugt und sich nicht nach den Zugehörigkeiten erkundigt; es bricht einfach mit seiner zerstörerischen Kraft ein, wie es auch kürzlich mit dem verheerenden Taifun geschehen ist, der viele Opfer und materielle Schäden gefordert hat. Vertrauen wir der Barmherzigkeit des Herrn diejenigen an, die gestorben sind, ihre Familienangehörigen und alle, die Hab und Gut verloren haben. Haben wir keine Angst, immer, hier und auf der ganzen Welt eine Mission voranzutreiben, die imstande ist, die Stimme zu erheben und jedes Leben als kostbare Gabe des Herrn zu verteidigen.

Ich ermutige euch also in euren Bemühungen fortzufahren, um zu gewährleisten, dass die katholische Gemeinschaft in Japan ein klares Zeugnis für das Evangelium inmitten der ganzen Gesellschaft gibt. Das geschätzte Erziehungsapostolat der Kirche stellt eine große Ressource für die Evangelisierung dar und zeigt die Beschäftigung mit den wichtigsten intellektuellen und kulturellen Strömungen auf; die Qualität ihres Beitrags wird freilich von der Förderung ihrer Identität und ihrer Mission abhängen.

Wir sind uns der Tatsache bewusst, dass es verschiedene Plagen gibt, die das Leben einiger Menschen in euren Gemeinschaften bedrohen, die aus unterschiedlichen Gründen von der Einsamkeit, der Verzweiflung und der Isolierung betroffen sind. Der Anstieg der Zahl der Suizide in euren Städten wie auch das Mobbing (ijime) und verschiedene Formen von Selbstüberforderung schaffen neue Arten der geistigen Entfremdung und Orientierungslosigkeit. Wie sehr trifft dies vor allem die jungen Menschen! Ich lade euch ein, ihnen und ihren Bedürfnissen besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden, zu versuchen, Räume zu schaffen, in der die Kultur der Effizienz, der Leistung und des Erfolgs sich für die Kultur einer unentgeltlichen und uneigennützigen Liebe öffnen kann, die imstande ist, allen und nicht nur denen, die es „geschafft haben“, Möglichkeiten eines glücklichen und gelungenen Lebens aufzutun. Über die gute Ausbildung und Begleitung hinaus können eure jungen Menschen mit ihrem Enthusiasmus, mit ihren Ideen und mit ihren Energien eine wichtige Quelle der Hoffnung für ihre Altersgenossen sein und ein lebendiges Zeugnis der christlichen Liebe geben. Eine kreative, inkulturierte und erfinderische Suche nach dem Kerygma kann einen starken Widerschein im Leben vieler finden, die nach Erbarmen dürsten.

Ich weiß, dass die Ernte groß ist und die Arbeiter wenige. Ich ermutige euch, eine Mission zu erstreben, zu entwickeln und wachsen zu lassen, die fähig ist, die Familien miteinzubeziehen und eine Ausbildung zu fördern, die Personen dort zu erreichen vermag, wo sie sich befinden, und welche Lebenswirklichkeit jeweils zu berücksichtigen ist: Der Ausgangspunkt für jedes Apostolat ergibt sich an dem Ort, an dem sich die Personen in ihren Gewohnheiten und Beschäftigungen befinden, nicht an künstlichen Plätzen. Dort müssen wir die Seele der Städte, der Arbeitsplätze, der Universitäten erreichen, um mit dem Evangelium des Erbarmens und der Barmherzigkeit die Gläubigen zu begleiten, die uns anvertraut worden sind.

Danke nochmals für die Gelegenheit, die ihr mir gebt, eure Teilkirchen zu besuchen und zusammen mit ihnen zu feiern. Petrus will euch im Glauben stärken, aber Petrus kommt auch, um mit der Hand zu berühren und sich auf den Spuren der vielen Märtyrer, Zeugen des Glaubens, erneuern zu lassen; betet, dass der Herr mir diese Gnade gewähre.

Ich bitte den Herrn, euch zu segnen und in euch den Segen in eure Gemeinschaften zu tragen. Danke.

 



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