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ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE MITGLIEDER DER BEWEGUNG" FOI ET LUMIÈRE"

Clementina-Saal
Samstag, 2. Oktober 2021

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Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Herzlich heiße ich euch willkommen und danke Herrn Raúl Izquierdo García für seine einführenden Worte. Ihr feiert euer Jubiläum: Das ist eine schöne Zeit der Gnade, um die Gaben zu erkennen, die der Herr euch in diesen Jahren des gemeinsamen Weges gewährt hat, und auch, um ihm gegenüber eurer Dankbarkeit Ausdruck zu verleihen. Und zugleich wird dieses Jubiläum auch eine Gelegenheit, um den Blick in die Zukunft zu richten, auf die Aufgabe, die der Heilige Geist euch noch anvertrauen will, und auf die Früchte, die die Kirche noch von »Foi et Lumière« erwartet in der Berufung und der Mission, die sie vom Herrn empfangen hat.

Fünfzig Jahre sind vergangen seit jener Wallfahrt nach Lourdes an Ostern 1971, zu der Menschen mit geistiger Behinderung, ihre Familienangehörigen und viele Freunde eingeladen waren. Damals hat unter dem liebevollen Blick Marias die Erfahrung von »Foi et Lumière« begonnen: Der Heilige Geist hat die Geburt von etwas vorgeschlagen, das niemand vorhergesehen hatte, das heißt von eurer Gemeinschaft, in der ihr die Freude, die Versöhnung und die Gemeinschaft feiert. So haben das Licht und die Kraft des auferstandenen Herrn vielen Menschen Hoffnung geschenkt, die sich ausgeschlossen und zurückgewiesen fühlten, zuweilen auch von der Kirche.

Von jenem Augenblick an hat der Heilige Geist den Weg eurer Bewegung begleitet; in vielen Ländern aller fünf Kontinente sind viele »Feuer und Licht«-Gemeinschaften entstanden und haben eine Botschaft der Liebe und der Annahme gebracht. Diese Botschaft ist das Herz des Evangeliums! Sie erinnert uns daran, dass jeder Mensch, auch und vor allem die Kleinsten und Schwächsten, von Gott geliebt werden und einen Platz in der Kirche und in der Welt haben. Es ist das »Evangelium des Kleinseins«, woran uns der heilige Paulus erinnert, wenn er an die Korinther schreibt: »Seht doch auf eure Berufung, Brüder und Schwestern! Da sind nicht viele Weise im irdischen Sinn, nicht viele Mächtige, nicht viele Vornehme, sondern das Törichte in der Welt hat Gott erwählt, um die Weisen zuschanden zu machen, und das Schwache in der Welt hat Gott erwählt, um das Starke zuschanden zu machen. Und das Niedrige in der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt: das, was nichts ist, um das, was etwas ist, zu vernichten, damit kein Mensch sich rühmen kann vor Gott« (1 Kor 1,26-29).

Die Präsenz von »Foi et Lumière« war und ist eine Prophetie, weil in dieser Wegwerfkultur die Schwächsten oft ausgegrenzt werden, als unnütz betrachtet werden. Und eure Prophetie ist heute noch wichtiger, um die Wegwerfkultur zu bekämpfen und alle daran zu erinnern, dass die Verschiedenheit ein Reichtum ist und niemals ein Grund für Ausgrenzung und Diskriminierung sein darf.

Wir können diese 50 Jahre des Bestehens von »Foi et Lumière« als einen langen Pilgerweg sehen, als ideelle Fortsetzung der ersten Wallfahrt. Und es ist auch ein ökumenischer Weg, denn in euren Gemeinschaften begegnen einander Menschen verschiedener christlicher Konfessionen: Katholiken, Protestanten, Anglikaner, Orthodoxe. Ein Zeichen der Gemeinschaft, ein konkreter Same der Einheit. Gerade die Schwächsten sind es, die Quelle der Versöhnung werden, weil sie uns alle auf einen Weg der Bekehrung gerufen.

Die von euch zurückgelegte Wegstrecke ist lang und reich an Früchten, aber es gibt auch heute in der Kirche und in der Welt viele Kleine und Schwache, die vergessen und ausgegrenzt werden. Daher ermutige ich euch, in der Kraft des Heiligen Geistes, eure aufnahmebereite Präsenz fortzusetzen. Eure Gemeinschaften sollen stets Orte der Begegnung, der Förderung des Menschen und des Festes für all jene sein, die sich noch an den Rand gedrängt und im Stich gelassen fühlen. Für die Familien, die die Geburt eines behinderten Kindes erleben, mögt ihr ein Zeichen der Hoffnung sein, damit niemand sich in Traurigkeit und Verzweiflung in sich selbst verschließt.

Ich lade euch ein, in den christlichen Gemeinschaften den Stil des Sauerteigs im Evangelium zu pflegen: sich nicht isolieren und verschließen, sondern am Leben der Kirche in den Pfarreien und Stadtvierteln teilnehmen, eure Erfahrung einbringen und Gottes Wahl der Letzten, Kleinen, Ausgegrenzten bezeugen. Der Geist der Gemeinschaft und der Freundschaft, der Teil eures Charismas ist, möge euch stets zu Werkzeugen der Versöhnung und des Friedens machen, vor allem dort, wo es Konflikte und Spaltungen gibt.

Das Emblem, das eure Erfahrung darstellt, euer »Logo«, ist ein Boot auf stürmischer See, während die Sonne nach dem Unwetter hinter den Wolken hervorbricht. Während dieser Epidemie habe ich, an das Evangelium der Jünger im Sturm denkend, mehrmals daran erinnert, dass wir alle im selben Boot sitzen. Und deshalb möchte ich euch in eurem Einsatz bestärken: in den Stürmen, die Einzelpersonen und Familien erleben, ein kleines Boot zu sein, in dem alle Platz finden können, in der Gewissheit, dass Jesus in eben diesem Boot ist. Die Sonne des Glaubens und der Hoffnung, die hinter den Wolken unserer Ängste und unserer Unsicherheiten hervorbricht, möge euch immer auf dem Weg begleiten, der noch vor euch liegt. Der Herr segne euch und die Muttergottes behüte euch. Und bitte vergesst nicht, für mich zu beten. Danke!



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