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APOSTOLISCHE REISE VON PAPST FRANZISKUS NACH UNGARN 
(28. - 30. April 2023)

Begegnung mit Armen und Geflüchteten in der Kirche der heiligen Elisabeth von Ungarn

ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS 

Kirche der heiligen Elisabeth von Ungarn (Budapest)
Samstag, 29. April 2023

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Guten Morgen, liebe Brüder und Schwestern!

Ich bin froh, hier unter euch zu sein. Danke, Bischof Antal, für Ihre Begrüßungsworte und danke, dass Sie an den großherzigen Dienst erinnert haben, den die ungarische Kirche für die Armen und mit den Armen leistet. Die Armen und die Bedürftigen – das sollten wir nie vergessen – stehen im Mittelpunkt des Evangeliums: Jesus ist nämlich gekommen, „damit er den Armen eine frohe Botschaft bringe“ (vgl. Lk 4,18). Sie zeigen uns somit eine faszinierende Herausforderung auf, damit der Glaube, zu dem wir uns bekennen, nicht zum Gefangenen eines lebensfernen Kults wird und nicht einer Art von „spirituellem Egoismus“ zum Opfer fällt, also einer Spiritualität, die ich für meine eigene innere Ruhe und Zufriedenheit konstruiere. Wahrer Glaube hingegen ist derjenige, der stört, der riskiert, der zu den Armen hinausführt und dazu befähigt, mit dem Leben die Sprache der Nächstenliebe zu sprechen. Wie der heilige Paulus sagt, können wir viele Sprachen sprechen, Weisheit und Reichtümer besitzen, aber wenn wir keine Liebe haben, haben und sind wir nichts (vgl. 1 Kor 13,1-13).

Die Sprache der Nächstenliebe. Das war die Sprache der heiligen Elisabeth, für die dieses Volk große Verehrung und Zuneigung hegt. Als ich heute Morgen angekommen bin, habe ich auf dem Platz ihre Statue gesehen, mit dem Sockel, der darstellt, wie sie das Zingulum des Franziskanerordens empfängt und zugleich Wasser reicht, um den Durst eines Armen zu stillen. Es ist ein wunderbares Bild für den Glauben: Wer sich „an Gott bindet“ wie der heilige Franz von Assisi, von dem sich Elisabeth inspirieren ließ, der öffnet sich für die Liebe dem Armen gegenüber, denn »wenn jemand sagt: Ich liebe Gott!, aber seinen Bruder hasst, ist er ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht« (1 Joh 4,20). Die heilige Elisabeth, eine Königstochter, war im Wohlstand eines höfischen Lebens aufgewachsen, in einer luxuriösen und privilegierten Umgebung. Doch berührt und verwandelt durch die Begegnung mit Christus, fühlte sie schon bald eine Ablehnung gegenüber den Reichtümern und Eitelkeiten der Welt und verspürte den Wunsch, sich von ihnen zu trennen und sich um die Bedürftigen zu kümmern. So veräußerte sie nicht nur ihren Besitz, sondern widmete auch ihr Leben den Geringsten, den Aussätzigen und den Kranken. Das ging so weit, dass sie sich persönlich um sie kümmerte und sie auf ihren eigenen Schultern trug. Das ist die Sprache der Nächstenliebe.

Auch Brigitta hat uns davon erzählt, der ich für ihr Zeugnis danke. Viel Entbehrung, viel Leid, viel harte Arbeit, um über die Runden zu kommen und es ihren Kindern nicht an Brot fehlen zu lassen, und im kritischsten Moment ist ihr der Herr entgegengekommen, um ihr zu helfen. Aber – wir haben es mit ihren eigenen Worten gehört – wie hat der Herr eingegriffen? Den Schrei des Armen hört er, »Recht schafft er den Unterdrückten, Brot gibt er den Hungernden« und er »richtet auf die Gebeugten« (Ps 146,7-8): Der Herr kommt fast nie, indem er unsere Probleme von oben herab löst, sondern er nähert sich mit der Umarmung seiner Zärtlichkeit und weckt das Mitgefühl von Brüdern, die auf jene Probleme aufmerksam werden und nicht gleichgültig bleiben. Brigitta hat uns erzählt, dass sie dank der griechisch-katholischen Kirche die Nähe des Herrn erfahren konnte, dank vieler Menschen, die alles getan haben, um ihr zu helfen, sie zu ermutigen, eine Arbeit für sie zu finden und sie in ihren materiellen Bedürfnissen und auf ihrem Glaubensweg zu unterstützen. Das ist das Zeugnis, das von uns verlangt wird: Barmherzigkeit gegenüber allen, besonders gegenüber denen, die von Armut, Krankheit und Schmerz gezeichnet sind. Mitleid, das will heißen „mit-leiden“. Wir brauchen eine Kirche, die die Sprache der Nächstenliebe fließend spricht, eine Universalsprache, die alle hören und verstehen, auch diejenigen, die am weitesten entfernt sind, auch diejenigen, die nicht glauben.

Und in diesem Zusammenhang danke ich der ungarischen Kirche für ihr Engagement in der Nächstenliebe, das sehr engmaschig ist: Ihr habt ein Netzwerk geschaffen, das viele pastorale Mitarbeiter miteinander verbindet, viele Ehrenamtliche, die Caritas auf pfarrlicher und diözesaner Ebene, aber auch Gebetsgruppen, Gemeinschaften von Gläubigen, Organisationen, die zu anderen Konfessionen gehören und dennoch in jener ökumenischen Gemeinschaft vereint sind, die gerade aus der Nächstenliebe entsteht. Und ich danke euch für die Art und Weise, mit der ihr so viele Flüchtlinge aufgenommen habt, die aus der Ukraine stammen – nicht nur mit Großherzigkeit, sondern auch mit Begeisterung. Ich habe dem Zeugnis von Oleg und seiner Familie mit Betroffenheit zugehört. Eure „Reise in die Zukunft“ – eine andere Zukunft, weit weg von den Schrecken des Krieges – hat in Wirklichkeit mit einer „Reise in die Erinnerung“ begonnen, weil Oleg sich an die herzliche Aufnahme erinnerte, die er vor Jahren in Ungarn erfahren hatte, als er hierhergekommen war, um als Koch zu arbeiten. Die Erinnerung an jene Erfahrung hat ihn ermutigt, mit seiner Familie aufzubrechen und hierher nach Budapest zu kommen, wo er großzügige Gastfreundschaft gefunden hat. Die Erinnerung an die empfangene Liebe lässt die Hoffnung wieder neu aufleben und ermutigt dazu, im Leben neue Wege zu gehen. Denn auch in Schmerz und Leid findet man den Mut, vorwärts zu gehen, wenn man den Balsam der Liebe empfangen hat: und das ist die Kraft, die einem hilft zu glauben, dass nicht alles verloren ist und dass eine andere Zukunft möglich ist. Die Liebe, die Jesus uns schenkt und die er uns zu leben aufträgt, trägt also dazu bei, die Übel der Gleichgültigkeit - die Gleichgültigkeit ist eine Pest! - und des Egoismus aus der Gesellschaft, aus den Städten und aus den Orten, in denen wir leben, auszumerzen, und sie weckt wieder Hoffnung auf eine neue, gerechtere und geschwisterlichere Menschheit, in der sich alle zu Hause fühlen können.

Leider sind auch hier viele Menschen im wahrsten Sinne des Wortes obdachlos: Sehr viele Schwestern und Brüder, die von Schwäche gezeichnet sind – einsam, mit verschiedenen körperlichen und geistigen Beschwerden, zugrunde gerichtet durch das Gift von Drogen, aus dem Gefängnis freigekommen oder aufgrund ihres Alters verlassen – sind von schweren Formen materieller, kultureller und geistlicher Armut betroffen und haben kein Dach über dem Kopf und kein Haus, in dem sie leben können. Zoltàn und seine Frau Anna haben uns über dieses große Übel berichtet: Danke für eure Worte. Und danke, dass ihr jene Regung des Heiligen Geistes aufgenommen habt, die euch dazu gebracht hat, mutig und großherzig ein Zentrum zur Aufnahme von Obdachlosen zu bauen. Es hat mich beeindruckt zu hören, dass ihr neben den materiellen Bedürfnissen auch auf die Geschichte und die verletzte Würde der Personen achtet, indem ihr euch um ihre Einsamkeit kümmert sowie um ihr Bemühen, sich geliebt und in der Welt willkommen zu fühlen. Anna sagte uns, dass »es Jesus, das lebendige Wort, ist, der ihre Herzen und ihre Beziehungen heilt, weil die Person von innen heraus wieder aufgebaut wird«; das heißt, sie wird neu geboren, wenn sie erfährt, dass sie in Gottes Augen geliebt und gesegnet ist. Das gilt für die ganze Kirche: Es genügt nicht, Brot zu geben, das dem Magen sättigt, es ist auch nötig, die Herzen der Menschen zu nähren! Nächstenliebe ist nicht ein bloßer materieller und sozialer Beistand, sondern sie kümmert sich um die Person als Ganze und will ihr mit der Liebe Jesu wieder aufhelfen: mit einer Liebe, die hilft, Schönheit und Würde wiederzuerlangen.

Nächstenliebe zu üben bedeutet, den Mut zu haben, dem anderen in die Augen zu schauen. Man kann einem anderen nicht helfen, wenn man wegschaut. Nächstenliebe erfordert den Mut zur Berührung: Man kann keine Almosen aus der Ferne zuwerfen, ohne zu berühren. Berühren und anschauen. Indem du berührst und schaust, beginnst du einen Weg, einen Weg mit dieser bedürftigen Person, der dir bewusst macht, wie bedürftig du bist, wie sehr du den Blick und die Hand des Herrn brauchst.

Brüder und Schwestern, ich ermutige euch, immer die Sprache der Nächstenliebe zu sprechen. Die Statue auf diesem Platz stellt das berühmteste Wunder der der heiligen Elisabeth dar: Es heißt, dass der Herr einmal das Brot, das sie den Bedürftigen brachte, in Rosen verwandelte. So ist es auch für euch: Wenn ihr es auf euch nehmt, den Hungernden Brot zu bringen, lässt der Herr die Freude aufblühen und verleiht eurem Leben den Duft der Liebe, die ihr verschenkt. Brüder und Schwestern, ich wünsche euch, dass ihr stets den Duft der Nächstenliebe in die Kirche und in euer Land tragt. Und ich bitte euch, weiterhin für mich zu beten.



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