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JOHANNES PAUL II.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 4. August 1982

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1. Am vergangenen Mittwoch habe ich in unserem Gespräch das fünfte Kapitel des Briefes an die Epheser zitiert (Eph 5, 22–33). Heute sollten wir nun nach dieser ersten „Einführung in jenen ,klassischen“ Text die Art und Weise prüfen, wie dieser für das Geheimnis der Kirche und für die Sakramentalität der Ehe so bedeutende Text in den unmittelbaren Zusammenhang des ganzen Briefes eingefügt ist.

Wenn wir auch wissen, dass es eine Reihe von Problemen gibt, die von den Bibelwissenschaftlern diskutiert werden, nämlich hinsichtlich der Empfänger des Briefes, seiner Urheberschaft und auch des Datums seiner Abfassung, müssen wir doch feststellen, dass der Brief an die Epheser eine sehr bezeichnende Struktur hat. Der Autor beginnt diesen Brief mit der Darlegung des ewigen Heilsplans für den Menschen in Jesus Christus. „… der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus … in ihm hat er uns erwählt …, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott, er hat uns aus Liebe im Voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus und nach seinem gnädigen Willen zu ihm zu gelangen zum Lob seiner herrlichen Gnade. Er hat sie uns geschenkt in seinem geliebten Sohn; durch sein Blut haben wir die Erlösung, die Vergebung der Sünden nach dem Reichtum seiner Gnade … Er hat beschlossen, die Fülle der Zeiten heraufzuführen, in Christus alles zu vereinen …“ (Eph 1, 3.4–7.10).

Nachdem der Verfasser des Briefes an die Epheser mit dankerfüllten Worten den Plan dargelegt hat, der von Ewigkeit her in Gott ist und sich nun bereits im Leben der Menschheit verwirklicht, bittet er den Herrn, dass die Menschen (und unmittelbar die Empfänger des Briefes) Christus voll erkennen mögen als das Haupt: „… Alles hat er ihm zu Füßen gelegt und ihn, der als Haupt alles überragt, über die Kirche gesetzt. Sie ist sein Leib und wird von ihm erfüllt, der das All ganz und gar beherrscht“ (1, 22–23). Die sündige Menschheit ist zu einem neuen Leben in Christus berufen, in dem Heiden und Juden eins werden sollen, wie der Tempelbau eine Einheit bildet (vgl. 2, 11–21). Der Apostel ist Verkündiger des Geheimnisses Christi unter den Heiden, an die vor allem er sich in seinem Brief wendet. Er beugt seine „Knie vor dem Vater“ und bittet für sie: „… Er möge euch aufgrund des Reichtums seiner Herrlichkeit schenken, dass ihr in eurem Inneren durch seinen Geist an Kraft und Stärke zunehmt“ (3, 14–16).

2. Nach dieser so tiefen und eindrucksvollen Offenbarung des Geheimnisses Christi in der Kirche geht der Verfasser im zweiten Teil des Briefes dazu über, detailliert Richtlinien zu geben, die darauf hinzielen, das Leben des Christen als eine Berufung darzustellen, die im Plan Gottes, von dem wir eben gesprochen haben, ihren Ursprung hat, das heißt im Mysterium Christi in der Kirche.

Auch hier berührt der Verfasser verschiedene Fragen, die für das christliche Leben immer gültig sind. Er ermahnt, die Einheit zu bewahren, und unterstreicht gleichzeitig, dass diese Einheit sich auf der Vielfalt und Verschiedenartigkeit der Gaben Christi aufbaut. Jedem ist eine andere Gabe geschenkt, aber alle müssen als Christen „den neuen Menschen anziehen, der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (4, 24). Damit ist eine kategorische Aufforderung verbunden, die Laster zu überwinden und sich die Tugenden anzueignen, die der Berufung gemäß sind, die allen in Christus zuteil geworden ist (vgl. 4, 25–32). Der Verfasser schreibt: „Ahmt Gott nach als seine geliebten Kinder und liebt einander, weil auch Christus uns geliebt und sich für uns hingegeben hat … als Opfer“ (5, 1–2).

3. Im fünften Kapitel des Briefes an die Epheser gehen diese Aufforderungen noch mehr ins Einzelne. Der Verfasser verurteilt streng die heidnischen Missbräuche. Er schreibt:

„Einst wart ihr Finsternis, jetzt aber seid ihr durch den Herrn Licht geworden. Lebt als Kinder des Lichts!“ (5, 8). Und dann: „Darum seid nicht unverständig, sondern begreift, was der Wille des Herrn ist. Berauscht euch nicht mit Wein (er bezieht sich hier auf das Buch der Sprüche 23, 31) …, sondern lasst euch vom Geist erfüllen! Lasst in eurer Mitte Psalmen, Hymnen und Lieder erklingen, wie der Geist sie eingibt. Singt und jubelt aus vollem Herzen zum Lob des Herrn!“ (5, 17–19). Mit diesen Worten will der Verfasser des Briefes das Klima des geistlichen Lebens aufzeigen, das jede christliche Gemeinde beseelen sollte. An diesem Punkt geht er auf die Hausgemeinde, nämlich die Familie, über. So schreibt er: „Lasst euch vom Geist erfüllen … Sagt Gott, dem Vater, jederzeit Dank für alles im Namen Jesu Christi, unseres Herrn! Einer ordne sich dem anderen unter in der gemeinsamen Ehrfurcht vor Christus“ (5, 20–21).

Und so kommen wir genau zu jener Stelle des Briefes, die das Thema unserer besonderen Untersuchung sein soll. Wir können leicht feststellen, dass der wesentliche Gehalt dieses „klassischen Textes“ dort sichtbar wird, wo sich zwei Leitgedanken des ganzen Epheserbriefes kreuzen: Der erste ist der des Geheimnisses Christi, das sich als Ausdruck des göttlichen Heilsplans in der Kirche verwirklicht; der zweite Leitgedanke ist jener der christlichen Berufung als Modell für das Leben der einzelnen Getauften und der einzelnen Gemeinden, entsprechend dem Geheimnis Christi, das heißt dem göttlichen Heilsplan für den Menschen.

4. In engem Zusammenhang mit dem angeführten Abschnitt sucht der Verfasser des Briefes zu erklären, auf welche Weise sich die so verstandene Berufung des Christen zwischen allen Gliedern einer Familie verwirklichen und darstellen muss, also nicht nur zwischen Mann und Frau (worüber genauer der Abschnitt in Kapitel 5, 22–33 handelt, den wir auswählten), sondern auch zwischen Eltern und Kindern. Der Verfasser schreibt: „Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern, wie es vor dem Herrn recht ist. Ehre deinen Vater und deine Mutter: Das ist ein Hauptgebot, und ihm folgt die Verheißung: damit es dir gut geht und du lange lebst auf der Erde. Ihr Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn, sondern erzieht sie in der Zucht und Weisung des Herrn!“ (6, 1–4). Dann spricht er von den Pflichten der Dienenden ihren Herren gegenüber und umgekehrt der Herren gegenüber den Dienenden, das heißt, den Sklaven (vgl. 6, 5–9). Diese Richtlinien beziehen sich auf die Familie im weiteren Sinn, die ja nicht nur aus Eltern und Kindern (in der Abfolge der Generationen) bestand, sondern zu der in weiterem Sinne auch die Sklaven und die Sklavinnen gehörten.

5. So steht also der Text aus dem Brief an die Epheser, den wir zum Gegenstand einer gründlicheren Untersuchung machen wollen, in unmittelbarem Zusammenhang mit Unterweisungen über die sittlichen Verpflichtungen der Familiengemeinschaft (sogen. „Haustafeln“ nach der Definition Luthers; gleichsam ein Familienkodex). Ähnliche Belehrungen finden wir auch in anderen Briefen (z. B. in dem an die Kolosser, 3, 18–4, 1, und im ersten Petrusbrief, 2, 13–3, 7). Noch dazu weist unser Text insofern diesen unmittelbaren Zusammenhang auf, als auch der „klassische“ Text, den wir wählten, die gegenseitigen Pflichten von Mann und Frau behandelt. Jedenfalls ist zu bemerken, dass im Brief an die Epheser der Abschnitt 5, 22–33 als solcher ausschließlich auf die Ehegatten und die Ehe bezogen, im weiteren Sinn aber auch im Hinblick auf die Familie zu verstehen ist. Bevor wir jedoch darangehen, uns mit einer gründlicheren Untersuchung des Textes zu befassen, müssen wir noch bemerken, dass der ganze Brief mit einer wundervollen Ermutigung zum geistlichen Kampf schließt (vgl. 6, 10–20), mit kurzen Ermahnungen (vgl. 6, 21–22) und einem Segenswunsch (vgl. 6, 23–24). Dieser Aufruf zum geistlichen Kampf erscheint folgerichtig begründet in der Gedankenführung des ganzen Briefes. Er führt sozusagen dessen Leitgedanken zu einem klaren, vollendeten Abschluss.

Wenn wir so die Gesamtstruktur des ganzen Briefes an die Epheser vor Augen haben, werden wir in der ersten Analyse die Bedeutung der an die Eheleute gerichteten Worte zu klären suchen: „Einer ordne sich dem anderen unter in der gemeinsamen Ehrfurcht vor Christus“ (5, 21).  (O. R. 6. 8. 82)

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Liebe Brüder und Schwestern!
Euch allen ein herzliches Willkommen zur heutigen Audienz.

Im Fortgang unserer Überlegungen über die Ehe richten wir heute unsere Aufmerksamkeit auf den Epheserbrief als ganzes. Seine Struktur und sein Lehrgehalt sind von großer Bedeutung. Nach dem Lobpreis auf den Heilsplan Gottes am Anfang des Briefes bitter der Autor den Herrn, daß alle Menschen Christus als ihr Haupt anerkennen. Denn die ganze sündige Menschheit ist zu einem neuen Leben in Christus berufen. Daraus ergeben sich im folgenden konkrete Verhaltensregeln für das Leben der Menschen. Der Autor ermahnt die Christen, die Laster zu überwinden und die Tugend zu üben. Er sagt: ”Ahmt Gott nach als seine geliebten Kinder und übt die Liebe, weil uns auch Christus geliebt . . . hat“ (Eph. 5, 1).

Im fünften Kapitel wendet sich der Autor dann die Familie zu und fordert: ”Einer ordne sich dem andern unter in der gemeinsamen Ehrfurcht vor Christus“ (Ibid. 5, 21). Dies gilt für alle Glieder der Familie: im Verhältnis zwischen den Eheleuten und zwischen den Eltern und Kindern. In diesem thematischen Zusammenhang findet sich schließlich der ”klassische“ Text über die Ehe, wo der Autor des Epheserbriefes den Ehebund mit dem Liebesbündnis zwischen Christus und des Kirche vergleicht. Diesen bedeutsamen Text werden wir später noch eingehend erörtern.

Von Herzen erteile ich euch und euren Angehörigen in der Heimat meinen besonderen Apostolischen Segen.