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JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 6. Oktober 1982
1. Wir fahren fort in der Auslegung des „klassischen“ Textes im 5. Kapitel des Epheserbriefes, Verse 22–33. In diesem Zusammenhang ist es notwendig, einige Sätze aus einer der vorausgegangenen Analysen zu diesem Thema zu zitieren: „Der Mensch erscheint in der sichtbaren Welt als der höchste Ausdruck des göttlichen Geschenks, weil er das ganze Ausmaß dieses Geschenks in sich trägt. Und damit bringt er seine besondere Ähnlichkeit mit Gott in die Welt, durch die er auch seine Sichtbarkeit in der Welt, seine Leiblichkeit, sein Mann- bzw. Frausein und seine Nacktheit transzendiert und beherrscht. Diese Ähnlichkeit spiegelt sich auch in dem ursprünglichen Bewusstsein von der bräutlichen Bestimmung des Leibes wider, die von dem Geheimnis der ursprünglichen Unschuld durchdrungen ist“ (O.R. dt., Nr. 9/1980, S. 2). Diese Sätze fassen in wenigen Worten das Ergebnis der Analysen zusammen, die sich auf die ersten Kapitel der Genesis konzentriert hatten, und zwar mit Bezugnahme auf die Worte, in denen sich Christus in seinem Gespräch mit den Pharisäern über die Ehe und ihre Unauflöslichkeit auf den „Anfang“ bezogen hatte. Weitere Sätze derselben Analyse betreffen das Problem des Ursakraments: „So stellt sich in dieser Dimension ein erstes, sozusagen ein Ursakrament dar, das als Zeichen das unsichtbare, von Ewigkeit in Gott verborgene Geheimnis in wirksamer Weise der sichtbaren Welt übermittelt. Es ist das Geheimnis der Wahrheit und der Liebe, das Geheimnis des göttlichen Lebens, an dem der Mensch wirklich teilhat. … diese Teilhabe beginnt mit der ursprünglichen Unschuld … “ (ebd.).
2. Der Inhalt dieser Aussagen muss nun im Licht der im Epheserbrief formulierten paulinischen Lehre überprüft werden, wobei wir vor allem an den Abschnitt Kapitel 5, Verse 22–33, im Kontext des ganzen Briefes gesehen, denken. Im Übrigen ermächtigt uns der Brief dazu, weil der Verfasser selbst im 5. Kapitel, Vers 31, sich auf den „Anfang“ bezieht, und zwar genau auf die Worte von der Einsetzung der Ehe im Buch Genesis (Gen 2,24). In welchem Sinn können wir in diesen Worten eine Aussage über das Sakrament, über das Ursakrament, erkennen? Die vorausgegangenen Analysen vom biblischen „Anfang“ haben uns bei der Betrachtung der ursprünglichen Begnadung des Menschen in seinem Dasein und dem Gnadenstand der ursprünglichen Unschuld und Gerechtigkeit stufenweise dahingeführt. Der Brief an die Epheser veranlasst uns, vom Gesichtspunkt des von Ewigkeit her in Gott verborgenen Geheimnisses aus, uns in diese Situation – das heißt, in den Zustand des Menschen vor dem Sündenfall – zu versetzen. Denn in den ersten Sätzen des Briefes lesen wir: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel. Denn in ihm hat er uns erwählt vor der Erschaffung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott“ (Eph 1,3–4).
3. Der Epheserbrief eröffnet uns die übernatürliche Welt des ewigen Geheimnisses, der ewigen Pläne Gottes, unseres Vaters, für den Menschen. Diese Pläne gehen der „Schöpfung der Welt“ und damit auch der Erschaffung des Menschen voraus. Also beginnen diese göttlichen Pläne, sich bereits in der ganzen Wirklichkeit der Schöpfung zu verwirklichen. Wenn zum Schöpfungsgeheimnis auch der Zustand der Ur-Unschuld des als Ebenbild Gottes als Mann und Frau erschaffenen Menschen gehört, so heißt das, dass das ursprüngliche, dem Menschen von Gott zuteil gewordene Geschenk bereits die Frucht der Erwählung einschloss, von der wir im Epheserbrief lesen: „Denn in ihm hat er uns erwählt vor der Erschaffung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott“ (Eph 1,4). Eben das scheinen die Worte aus dem Buch Genesis hervorzuheben, wenn der Schöpfer „Elohim“ in dem vor seinem Angesicht erschienenen Menschen – Mann und Frau – ein der Zustimmung würdiges Gut findet: „Gott sah, dass alles, was er gemacht hatte, sehr gut war“ (Gen 1,31). Erst nach der Sünde, nach dem Zerbrechen des ursprünglichen Bundes mit dem Schöpfer, empfindet der Mensch das Bedürfnis, sich vor Gott, dem Herrn, zu verbergen: „Ich habe dich im Garten kommen hören; da bekam ich Angst, weil ich nackt bin, und habe mich versteckt“ (Gen 3,10).
4. Vor dem Sündenfall hingegen trug der Mensch in seiner Seele die Frucht der ewigen Erwählung in Christus, dem ewigen Sohn des Vaters. Durch die Gnade dieser Erwählung war der Mensch, Mann und Frau, „heilig und untadelig“ vor Gott. Diese ursprüngliche Heiligkeit und Reinheit kam auch darin zum Ausdruck, dass beide, obwohl sie „nackt waren, … sich nicht voreinander schämten“ (Gen 2,25), wie wir bereits in den vorausgegangenen Analysen hervorzuheben versucht haben. Aus der Gegenüberstellung des in den ersten Kapiteln der Genesis überlieferten Zeugnisses vom „Anfang“ und des Zeugnisses des Epheserbriefes muss man schließen, dass die Wirklichkeit der Erschaffung des Menschen bereits von seiner ewigen Erwählung in Christus durchdrungen war: Berufung zur Heiligkeit durch die Gnade der Gotteskindschaft („Er hat uns aus Liebe im Voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus und nach seinem gnädigen Willen zu ihm zu gelangen, zum Lob seiner herrlichen Gnade. Er hat sie uns geschenkt in seinem geliebten Sohn“: Eph 1,5–6).
5. Der Mensch – Mann und Frau – hatte von Anfang an an diesem übernatürlichen Geschenk teil. Diese Begnadung wurde ihm im Hinblick auf den zuteil, der von Ewigkeit her als Sohn „geliebt“ war, auch wenn sie – den Dimensionen der Zeit und der Geschichte entsprechend – der Menschwerdung dieses „geliebten Sohnes“ und ebenso der „Erlösung“, die wir in ihm „durch sein Blut“ haben (Eph 1,7), vorausgegangen ist. Die Erlösung sollte zur Quelle der übernatürlichen Begnadung des Menschen nach der Sünde und in gewissem Sinne trotz der Sünde werden. Diese übernatürliche Begnadung, die vor dem Sündenfall geschah, also die Gnade der ursprünglichen Gerechtigkeit und Unschuld – sie, die Frucht des Erwähltseins des Menschen in Christus von Ewigkeit her war –, hat sich im Hinblick auf ihn, auf jenen geliebten Sohn, vollzogen, auch wenn sie seiner Menschwerdung zeitlich vorgreift. In den Dimensionen des Schöpfungsgeheimnisses trifft das Erwähltsein zur Gotteskindschaft ja nur auf den „ersten Adam“ zu, das heißt, auf den als Bild und Gleichnis Gottes, als Mann und Frau erschaffenen Menschen.
6. Wie ereignet sich in diesem Zusammenhang die Wirklichkeit des Sakraments, des ursprünglichen Sakraments? In der Analyse über den „Anfang“, aus der wir oben einen Abschnitt zitiert haben, sagten wir, „das Sakrament als sichtbares Zeichen stellt sich mit dem Menschen in seiner Leiblichkeit, in seiner Gestalt als Mann oder Frau dar. Denn der Leib, und nur er, vermag sichtbar zu machen, was unsichtbar ist: das Geistige und das Göttliche. Er ist geschaffen worden, um das von Ewigkeit her in Gott verborgene Geheimnis in die sichtbare Wirklichkeit der Welt zu überführen und so Zeichen dieses Geheimnisses zu sein“ (ebd.).
Dieses Zeichen hat darüber hinaus seine eigene Wirkung, wie ich gleichfalls sagte: „Die mit der Erfahrung der Bedeutung des Leibes für die eheliche Verbindung der beiden Geschlechter verbundene ursprüngliche Unschuld“ bewirkt, dass „sich der Mensch in seiner Leiblichkeit als Mann oder als Frau als Träger der Heiligkeit fühlt“ (ebd.). Er „fühlt sich“ so und ist es von „Anfang“ an. Diese dem Menschen vom Schöpfer ursprünglich verliehene Heiligkeit gehört zur Wirklichkeit des „Sakraments der Schöpfung“. Die vor dem Hintergrund dieser ursprünglichen Wirklichkeit im theologischen Sinn gesprochenen Worte aus Genesis 2,24: „Darum verlässt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau, und sie werden ein Fleisch“, stellen die Ehe als wesentlichen und gewissermaßen zentralen Bestandteil des „Sakraments der Schöpfung“ dar. Sie nennen – oder, vielleicht besser: Sie bestätigen – einfach ihre Herkunft. Nach diesen Worten ist die Ehe ein Sakrament, insofern sie wesentlicher Bestandteil und, ich würde sagen, zentraler Punkt des „Sakraments der Schöpfung“ ist. In diesem Sinn ist sie ein Ursakrament.
7. Die Einsetzung der Ehe nach den Worten von Genesis 2,24 drückt nicht nur den Beginn der grundlegenden menschlichen Gemeinschaft aus, die durch die ihr innewohnende Kraft der „Fortpflanzung“ („Seid fruchtbar und vermehrt euch“: Gen 1,28) der Weiterführung des Schöpfungswerkes dient, sondern sie ist gleichzeitig Ausdruck des Heilswillens des Schöpfers, der dem ewigen Erwähltsein des Menschen entspricht, von dem der Epheserbrief redet. Dieser Heilswille kommt von Gott, dem Schöpfer, und seine übernatürliche Wirksamkeit identifiziert sich mit dem Akt der Schöpfung des Menschen im Stand der ursprünglichen Unschuld. In diesem Stand trug die Erwählung des Menschen in Christus von Ewigkeit her bereits im Akt seiner Schöpfung Früchte. Man muss also erkennen, dass das Ursakrament der Schöpfung seine Wirksamkeit aus dem „geliebten Sohn“ schöpft (vgl. Eph 1,6, wo die Rede ist von der „Gnade, die Gott uns geschenkt hat in seinem geliebten Sohn“). Wenn es sich dann um die Ehe handelt, kann man folgern, dass sie – eingesetzt im Rahmen des Sakraments der Schöpfung in seiner Gesamtheit, das heißt im Zustand der Ur-Unschuld – nicht nur der Weiterführung des Schöpfungswerkes, also der Fortpflanzung, dienen sollte, sondern auch dazu, eben dieses Sakrament der Schöpfung, das heißt die übernatürlichen Früchte der ewigen Erwählung des Menschen durch den Vater im ewigen Sohn, auf die späteren Generationen der Menschheit auszudehnen: Es sind die Früchte, mit denen der Mensch im Schöpfungsakt selbst von Gott begnadet wurde.
Der Epheserbrief scheint uns das Recht zu geben, das Buch Genesis und die darin enthaltene Wahrheit über den „Anfang“ des Menschen und der Ehe in diesem Sinne zu verstehen.
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Liebe Brüder und Schwestern!
Ich freue mich über eure zahlreiche Teilnahme an dieser Audienz und grüße euch alle herzlich. Gott segne euren Romaufenthalt und schenke euch frohe und auch geistlich erlebnisreiche Tage.
Wir erörtern in unseren wöchentlichen Überlegungen weiterhin die Lehre der Heiligen Schrift über die Ehe. Die menschliche Ehe ist grundgelegt in der Erschaffung von Mann und Frau, von denen der Schöpfungsbericht sagt, daß sie sich miteinander vereinen und zu einem Fleisch werden (Cfr. Gen. 2, 24). Im Stand der ursprünglichen Unschuld war das erste Menschenpaar zugleich begnadet mit der übernatürlichen Gotteskindschaft. Sie hatten schon Anteil an der Erwählung, die Gott nach dem Epheserbrief vor der Erschaffung der Welt auf Christus hin getroffen hatte. Dadurch wurden sie befähigt, ”heilig und untadelig zu leben vor Gott“ (Eph. 1, 4). Ihre Erschaffung ist von Anfang an geprägt von der göttlichen Bestimmung, ”seine Söhne zu werden durch Jesus Christus“ (Ibid. 1, 5).
Diese ursprüngliche übernatürliche Begnadung des Menschen durch den Schöpfer um Christi willen gehört zur Wirklichkeit, die wir dar ”Sakrament der Schöpfung “nennen können. In diese Schöpfungswirklichkeit eingebettet ist die eheliche Zuordnung von Mann und Frau, wodurch die Ehe selbst zum Sakrament wird.
Sehr herzlich begrüße ich bei der heutigen Audienz die Teilnehmer am internationalen Symposium über die ”christliche Konzeption der Weltwirtschaftsordnung“, das zur Zeit in der Päpstlichen Universität Urbaniana stattfindet. Mit großer Aufmerksamkeit verfolge ich Ihre Überlegungen zu jener drängenden Frage, die für Millionen von Menschen lebenswichtig geworden ist: Wie können in den verschiedenen Ländern die menschliche Arbeit, die Wirtschaft und der Handel so organisiert werden, daß die begrenzten Güter dieser Welt möglichst gut genutzt werden, daß sie zugleich möglichst gerecht auf alle verteilt werden und daß dabei in einer ausgewogenen Wirtschaftordnung die Würde des Menschen in hohem Maße sichergestellt ist? Dieses weltweite Problem verdient Ihren ganzen Einsatz als katholische Sozialwissenschaftler und Experten auf dem gesellschaftspolitischen Gebiet. Als Christen erfüllen Sie damit ein spezielles Apostolat, dem der besondere Beistand des Heiligen Geistes gewiß nicht fehlen wird. Ich begleite Ihr Symposium und Ihre weiteren Arbeiten mit meinem Gebet und Segen.
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Eine besondere Freude ist mir ferner der Romaufenthalt von zwanzig Priesterstudenten aus den Ländern Skandinaviens. Nützt, liebe, junge Freunde, diese Tage im Zentrum der katholischen Christenheit, um jene Fülle und Vielfalt zu erfahren, in welcher sich die eine Kirche Jesu Christi entfaltet. Alle Völker und Kulturen können darin ihre eigensten Werte einbringen und einander zum Geschenk machen. Gott segne euren Weg zum Priestertum!
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In froher Erinnerung an meinen Aufenthalt in Fulda begrüße ich noch den dortigen Kinderchor der ”Rhön-Lerchen“. So wie ihr mit eurem Singen der Andacht und Freude eurer Hörer dient, so mögt ihr auch selbst durch euer Singen froh und fromm werden. Danke für euren Besuch und für eure Lieder!
Euch und allen hier anwesenden Besuchern erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen.
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